Nachtrag zu Economist: Alterung kein Problem – siehe 10.1.
Einer unserer Nutzer hat freundlicherweise den Economist-Beitrag übersetzt. Danke und hier ist die Übersetzung.
The Economist: Unvorstellbar – Schrumpfende Länder
Während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beherrschte der Fehlschluss einer großen Bevölkerungsexplosion den demographischen Diskurs. Robert McNamara, in den Siebzigern Präsident der Weltbank, verglich damals die Bedrohung durch einen nicht beherrschbaren Bevölkerungsdruck mit der Gefahr eines Atomkriegs. Inzwischen ist dieses Menetekel verschwunden, und die Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts ängstigen sich vor dem genauen Gegenteil: dem Beginn des demographischen Niedergangs.
Mit der Tatsache einer Bevölkerungsabnahme in Russland und Osteuropa sind wir mittlerweile vertraut, obwohl wir vielleicht deren Maßstab nicht immer präsent haben: Von der Bevölkerung Russlands wird im Zeitraum von 2005 bis 2050 eine Abnahme um 22% erwartet, im Fall der Ukraine geht man von 43% aus. Allmählich setzt sich diese Tendenz auch in der “reichen Welt” fort: Japan (weitere Informationen hier) hat mit dem Schrumpfungsprozess begonnen und andere, wie Italien und Deutschland, werden demnächst folgen. Sogar die Population Chinas wird gemäß einer UN-Studie in den frühen 2030er Jahren beginnen abzunehmen. Der UN zufolge werden um 2050 insgesamt 50 Staaten kleinere Bevölkerungen haben als heutzutage.
Der eigentliche Grund der Befürchtungen ist der Glaube, ein Bevölkerungsrückgang ginge Hand in Hand mit einem Niedergang der Wirtschaftskraft. Schließlich könnte er das Ergebnis einer ökonomischen Schwächung sein: Allgemeiner Pessimismus könnte einen negativen Einfluss auf die Geburtenrate haben – und einen positiven auf die Zahlen der Suizide und Alkoholkranken.
Hauptsächlich hängt die Bevölkerungsabnahme jedoch von der geringeren Fruchtbarkeit ab, die ihrerseits die Folge wachsender Prosperität ist. In Japan, zum Beispiel, fiel die Geburtenrate Mitte der siebziger Jahre unter die zur Erhaltung der Bevölkerungskonstanz notwendige Kinderzahl von 2,1 je Frau, mit einer besonders starken Abnahme in den letzten 15 Jahren. Wenn aber wirtschaftlicher Niedergang nicht allgemein als Grund der demographischen Schrumpfung herhalten kann, ist er doch bestimmt dessen Folge? – Grob gesprochen, ja. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verringert sich durch eine kleiner werdende Bevölkerung. Einige Ökonomien könnten sogar absolut mitschrumpfen. Als Ergebnis ist eine Abnahme der ökonomischen Bedeutung zu erwarten.
Deshalb tendieren Regierungen dazu, die Bevölkerungsschrumpfung sehr negativ zu bewerten: Die absolute Größe des BIP beeinflusst den Status als Großmacht. Je größer die Wirtschaft, desto größer das Militärbudget, desto höher die eigene Wichtigkeit im Rahmen der Geopolitik. Die gängige jährliche Abschätzung des BIP wurde erstmals in den 40er Jahren in den USA als Teil der Maßnahmen zur Kriegführung eingeführt. Niemand sollte darauf besonderen Wert legen. Das wirtschaftliche Wohlergehen hängt nur vom BIP pro Kopf ab. Die Gretchenfrage ist darum, welchen Effekt die Abnahme der Population auf das BIP-Wachstum pro Kopf hat. Dabei ist die schlechte Nachricht, dass es sich zunächst verlangsamen könnte, da die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter noch schneller abnimmt als die Gesamtbevölkerung. Allerdings tritt diese Folge nicht zwingend ein. Die Zunahme der Produktivität könnte das Wachstum des Pro-Kopf-BIP aufrechterhalten: In dem Maße, in welchem die Nachfrage nach Arbeitskraft wächst – und mit ihr der Druck, ihre Effizienz durch die Einführung neuer Technologien zu steigern -, kann die Produktivität schneller wachsen. Als weitere Abhilfe kann notfalls das Rentenalter erhöht werden, um die Abnahme der Zahl der Arbeitskräfte aufzufangen.
Die Leute mögen es, sich Sorgen zu machen – es könnte sein, dass dies ein Symptom alternder Gesellschaften ist -, trotzdem ist das ängstliche Getue um die Bevölkerungsabnahme fehl am Platz. Die neuen demographischen Daten, nach denen die Gesellschaften älter werden und schrumpfen, sind ein Grund zum Feiern! Einst war die Menschheit gefangen in der Falle hoher Fruchtbarkeit und hoher Sterblichkeit. Heute ist sie entkommen und genießt die Freiheit niedriger Fruchtbarkeit bei niedriger Sterblichkeit. Die Entscheidung der Frauen über die Anzahl ihrer Kinder ist ein unbedingtes Plus, so wie die Tatsache, dass die durchschnittlichen Bewohner reicher Länder im Vergleich zu 1960 ein zehn Jahre längeres Leben genießen dürfen. Politiker mögen die abnehmende Bedeutung ihrer Volkswirtschaften fürchten; die von ihnen Regierten sollten jedoch die neuen demographischen Daten als das Heraufziehen eines Goldenen Zeitalters begrüßen!