Murdoch ist nur Symbol und Teil des Problems der Zerstörung der demokratischen Willensbildung und der Entmachtung der Mehrheit
Einer unserer Leser schreibt heute: „Ich bin erstaunt, dass der britische Abhörskandal und die Verfilzung von Murdoch mit den (seinen) Politikern in den NDS bisher noch gar nicht thematisiert wurde, zumal diese Art von Politik in Ihrem Buch “Meinungsmache” im erweiterten Sinn dargestellt wird. Im Grunde brauchen Sie nur ein paar Sätze aus Ihrem Buch zitieren und schon ist man mittendrin im Geschehen.“ So ist es, aber manchmal wird man müde, immer wieder darauf hinzuweisen, dass man die Unvernunft und Interessenabhängigkeit der meisten Politik nur noch verstehen kann, wenn man begriffen hat, was die Konzentration der Medien in wenigen Händen und ihre Verfilzung mit der Politik anrichten. Nicht nur in Großbritannien, nicht nur in den USA, auch bei uns, in Frankreich und anderswo. Albrecht Müller.
Der NachDenkSeiten Leser fährt fort:
‚Im Bucheinband von “Meinungsmache” steht: “Im Kern wird die öffentliche Meinungsbildung bestimmt von einer Koalition aus Führungseliten in Wirtschaft, Politik und Medien. Und sie wird dabei deutlich geprägt von einer aggressiven Ideologie.” In England kommt nun ein Teil des (ideologischen) Problems in die öffentliche Wahrnehmung – und das Problem, also die bestimmende Führungselite der westlich orientierten Welt, ist ultrarechts. Murdoch ist nur ein Teil dieses Problems. – Frei nach Goethe: Zur Meinungsmache drängt, an der Meinungsmache hängt doch alles.’
Die kriminellen Machenschaften der Murdoch-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter sind schlimm, aber nur ein Randproblem: das eigentliche Problem ist, dass ein solcher Konzern die Politik bestimmt
Schon Margret Thatcher war mit Murdoch verbandelt. Der Konzern rühmte sich der Unterstützung Toni Blairs; und die enge, auch personelle Verknüpfung mit der jetzigen konservativen Führung ist jetzt wieder einmal sichtbar geworden. Politik und Medien haben sich gegenseitig in der Tasche. Die Opposition ist zahnlos. Kritische Medien mit Gewicht gibt es in der monotonen, von Murdoch beherrschten Medienwelt nicht. Die Grundforderung an eine Medienordnung, nämlich plurale Meinungsbildung möglich zu machen, ist nicht erfüllt. – Deshalb wird Murdoch auch nichts geschehen.
Die Konsequenz müsste sein, dass nicht nur über die schlimmen Abhör-Machenschaften sondern über die Medienmacht des einen Konzerns in Großbritannien diskutiert wird und dass man das Problem der mangelnden Pluralität angeht.
Der Siegeszug eines Robert Murdoch ist eng verknüpft mit der Entmachtung der Mehrheit eines Volkes, mit der Entmachtung vor allem der Arbeitnehmerschaft
Die Freie Journalistin Brigitte Baetz macht in einem Kommentar für den Deutschlandfunk darauf aufmerksam, dass der Aufbau der Macht Murdochs in Großbritannien eng mit seinem Kampf gegen Gewerkschaften verbunden ist. Ich zitiere:
„Dabei wäre Rupert Murdoch zumindest im Vereinigten Königreich nicht der, der er ist, hätte er nicht von Anfang an die Unterstützung der Politik gehabt, die er gleichzeitig wie kein zweiter beeinflusste. Seit dem Kauf der “News of the World”, mit der der gebürtige Australier 1969 sein britisches Protektorat begründete, sah er sich als Königsmacher. Er hatte den Segen seiner konservativen Schwester im Geiste Margaret Thatcher, als er vor genau 25 Jahren der britischen Druckergewerkschaft das Genick brach. Thatcher selbst hatte Murdoch die Genehmigung verschafft, “Times” und “Sunday Times” zu kaufen.
Damals ging die Polizei mit Härte gegen die streikenden Drucker vor und Murdoch ließ kostenlose Ausgaben seiner Blätter an die Polizisten verteilen. Manchem Gewerkschafts-Veteranen scheint es heute, als habe damals die unselige Zusammenarbeit von Teilen der Ordnungsmacht mit Murdoch-Zeitungen begonnen.“
Die Herrschaft solcher Medienherrscher ist eng mit der Durchsetzung der neoliberalen Ideologie verbunden. Nach ihrer Vorstellung von Demokratie bestimmt die vermögende Oberschicht mit der Hilfe von Meinungsmache, wo es lang geht.. Dazu gehört als wichtiges Medium und Transportmittel die Zerstörung des Einflusses der Arbeitnehmerorganisationen.
Bei Focus Online fand ich zur ideologischen Ausrichtung von Murdoch eine gute Zusammenfassung:
„Murdoch ist konservativ bis in die Knochen und macht auch keinen Hehl daraus. Er bewundert Margaret Thatcher und Ronald Reagan, findet Gewerkschaften überflüssig und Steuern nur in geringer Höhe in Ordnung.“
Da könnte man doch eigentlich annehmen, dass die Gewerkschaften wenigstens jetzt ein Wort zu diesem Vorgang zu sagen haben. Ich fand nichts.
Murdochs gibt es über all
Mit der Konzentration der Debatte auf den Vorgang in Großbritannien im allgemeinen und der Konzentration auf die kriminellen Abhörpraktiken wächst die Gefahr, dass verdeckt wird, dass wir hierzulande wie auch in Frankreich, in vielen osteuropäischen Ländern, fast überall, ähnliche Probleme haben: die Medien sind hoch konzentriert, national und regional gibt es kaum noch Wettbewerb, Printmedien und elektronische Medien sind oft in einer Hand, Arbeitgebermentalität bestimmt die Linie der Medien. Das Problem in den USA wird immerhin ein bisschen diskutiert. Das hängt aber damit zusammen, dass dort Murdoch zu einer bestimmenden Person geworden ist. Die rechte Bewegung wäre ohne sein Fox-Imperium nicht so stark, wie sie ist.
Hinter dieser Diskussion um Murdoch können sich die deutschen Medienkonzerne und ihre Verbandelung mit der Politik glänzend verstecken. Das Synonym für Murdoch in Deutschland heißt Bertelsmann, Springer und Co. und wie sehr sie alle mit der Politik verknüpft sind, konnte man an der Berichterstattung und Kommentierung des Todes von Leo Kirch studieren. (Siehe dazu auch den Beitrag Wolfgang Liebs zum Tode von Leo Kirch)
Äußerst selten wurde thematisiert, dass schon bei der Kommerzialisierung des Fernsehens und Hörfunks in Deutschland die damals politisch Verantwortlichen um Helmut Kohl und Schwarz-Schilling eng mit Kirch und Bertelsmann zusammengearbeitet haben und sehr viel später von Kirch entlohnt worden sind: mit Beträgen von vier mal 800.000 DM bis viermal 300.000 DM – je nach Bedeutung. Das ist nur ein Beispiel. Auch der Durchbruch der von Kohl und Lambsdorff begonnenen Reformpolitik, der Agendapolitik Schröders und der Politik der militärischen Intervention ist ohne das Zusammenspiel konzentrierter und zusammenarbeitender Medien mit der Politik nicht vorstellbar.
Wenn Sie mehr zur Problematik der Lage der Medien lesen wollen, dann blättern Sie in den NachDenkSeiten, insbesondere in der Rubrik Medienanalyse, und/oder lesen Sie Kapitel 21 „Das Verschwinden der Medien als kritische Instanz“ in „Meinungsmache“.
Anlage:
Lord Voldemort der politischen Klasse
Rolle Rupert Murdochs im britischen Abhörskandal
Von Brigitte Baetz, freie Journalistin
Er hatte schon immer einen Ruf als harter Hund, doch dass er nicht nur im Wortsinn über Leichen gehen würde, das hatten auch seine ärgsten Feinde nicht für möglich gehalten.
Seitdem bekannt geworden ist, dass Reporter von “News of the World” sich an den Handyverbindungen von Mord- und Anschlagsopfern zu schaffen gemacht haben, gilt Rupert Murdoch als fleischgewordener Gottseibeiuns, als eine Art Lord Voldemort der britischen politischen Klasse, zu der ja nicht nur die Politiker, sondern auch ihre eigentlichen Wachhunde, die Journalisten gehören. Es ist eine der Besonderheiten dieses Skandals, dass in Großbritannien nun eine Stimmung zu herrschen scheint als stünde ein Diktator kurz vor dem Sturz.
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Der Fisch stinkt vom Kopf her
Murdoch nun auch in USA unten durch
Von Brigitte Baetz, freie Journalistin
Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, dass die britische News-of-World-Affäre auch die Geschäfte des Rupert Murdoch in seiner Wahlheimat USA beeinflussen würde. Und trotzdem überrascht die Heftigkeit, mit der nun auch jenseits des Großen Teiches über den letzten der großen Medienzaren diskutiert wird.
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Quelle: dradio.de