Was die Doomsday Clock im Jahr 2023 geschlagen hat. Warum wird heute die Drohung eines Nuklearkrieges in Politik und Öffentlichkeit nicht erkannt und berücksichtigt? Vielleicht auch deshalb, weil die Auswirkungen zu wenig oder gar nicht bekannt sind oder verharmlost werden. Eine Kollegin stellte nach Abschluss der Veranstaltung des Korrespondenten-Cafés zur Sicherheitspolitik sich und den umstehenden Journalisten die Frage: Besitzen manche Politiker, die immer öfter das Risiko eines Krieges mit nuklearen Waffen kleinreden oder sogar ignorieren, tatsächlich das Wissen darüber, was ein Atomkrieg und ein nuklearer Winter für die Welt bedeuten? Von Ronald Keusch.
Deshalb mein Vorschlag auf dem Weg zur Vernunft: Organisiert Fortbildungsseminare für alle kalten Krieger, von Norbert Röttgen, Anton Hofreiter, Marie-Agnes Strack-Zimmermann bis Bodo Ramelow sowie all ihre Adepten in den Massenmedien! Teilnahme ist Pflicht, Entschuldigungen werden nicht akzeptiert. Das große Thema des ersten Seminars ist:
Welche Auswirkungen hat ein mit nuklearen Waffen geführter Dritter Weltkrieg?
Hier sollten im Mittelpunkt die Ergebnisse einer Studie von den Forschern der Louisiana State University in Baton Rouge stehen. Sie untersuchten sehr anschaulich in mehreren Computersimulationen die globalen Auswirkungen kleinerer regionaler und größerer Atomkriege. [3]
Nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts kontrollieren derzeit neun Nationen mehr als 13.000 Atomwaffen auf der Welt. In allen von den Forschern simulierten Szenarien würden nukleare Feuerstürme Ruß und Rauch in die obere Atmosphäre freisetzen, die die Sonne blockieren und damit zu Ernteausfällen auf der ganzen Welt führen. Im ersten Monat nach der nuklearen Detonation würden die globalen Durchschnittstemperaturen um etwa zehn Grad Celsius sinken, eine größere Temperaturveränderung als in der letzten Eiszeit. Dieser „Klimawandel“ würde somit an Stärke und Geschwindigkeit alles übertreffen, was die menschliche Zivilisation während ihrer bisherigen Geschichte erlebt hat.
„Es spielt dabei keine Rolle, wer wen bombardiert. Das können Indien und Pakistan oder die NATO-Länder und Russland sein. Sobald der Rauch in die obere Atmosphäre gelangt, breitet er sich über den ganzen Globus aus und betrifft damit alle“, sagt Cheryl Harrison, führende Autorin der Studie der Louisiana State University.
Schon 2006 hat der Klimatologe Alan Robock von der Rutgers University in New Jersey die Folgen eines begrenzten Konflikts zwischen zwei „kleinen“ Atommächten untersucht, am Beispiel der Auseinandersetzung zwischen Indien und Pakistan um die Kaschmir-Region. Beim Einsatz von „nur“ 50 Bomben mit der Sprengkraft einer Hiroshima-Bombe – das wäre nur 0,3 Promille der Sprengkraft des heute auf der Welt vorhandenen atomaren Arsenals – würden fünf Millionen Tonnen Rußpartikel in die Atmosphäre gelangen und das Sonnenlicht absorbieren. Das hätte eine globale Temperatur-Reduzierung von 1,25 Grad zur Folge, wovon aber insbesondere die fruchtbaren Landgebiete Nordamerikas und Asiens betroffen wären. Die US-Weizenproduktion würde auf Jahre um bis zu 20 Prozent zurückgehen, die Reisproduktion in China würde um bis zu 25 Prozent einbrechen, bei Winterweizen sogar bis 40 Prozent. Weltweit würde die Nahrungsmittelproduktion in den ersten zehn Jahren um 20 bis 40 Prozent sinken. Eine weitere Studie speziell zu den Auswirkungen auf die Ozonschicht zeigt: Bei einem globalen Atomkrieg würden bis zu 75 Prozent der schützenden Ozonschicht zerstört, und die Erholung würde bis zu 15 Jahre dauern. Nach dem Ende der nuklearen Eiszeit würde weiterhin noch die lebensschädigende UV-Strahlung die Erdoberfläche treffen [4].
Als ein weiteres Thema der Seminare bietet sich an:
Wie sicher sind die Atombunker für alle, die darin einen festen Platz reserviert haben, wenn es zum Atomkrieg kommt?
Außerdem ein Sonderseminar für all jene, die glauben, dass sie einem weltweiten Nuklearkrieg noch schnell mit reservierten Atlantikflügen zu ihren Häusern an den Stränden von Kalifornien oder in die Pampa von Uruguay entkommen können. Emotionale Argumente könnten auch die Film-Dokumentationen über die Opfer der Atombomben-Kriegsverbrechen in Japan liefern.
Das Gesetz über den US-Verteidigungshaushalt 2021 enthält den Auftrag, eine Studie über den nuklearen Winter zu verfassen. Das Thema ist nach 30 Jahren wieder auf der Agenda, so berichtet Hans-Georg Ehrhart vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik. Die Menschheit konnte zwar beweisen, dass sie ihren Fuß auf den Mond setzen kann – auch wenn das bis heute einige Skeptiker bezweifeln. Aber niemand wird bezweifeln, dass es unmöglich ist, die Milliarden Erden-Menschen bei Unbewohnbarkeit der Erde auf den Mond oder zu anderen Planeten und Sonnensystemen umzusiedeln. Wir haben nur den einen Planeten.
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