Eigentlich sollte der freie Journalist Jakob Reimann, der NachDenkSeiten-Lesern auch durch zahlreiche Gastartikel bei uns bekannt sein dürfte, am Dienstag, den 25. Juli, in Augsburg im Rahmen des Kulturprogramms des Augsburger Friedensfestes einen Vortrag zum Thema „Rechtsruck in Israel – Gibt es noch Chancen für den Friedensprozess?“ halten – ein brandaktuelles Thema, finden in Israel doch derzeit Massenproteste gegen eben jenen Rechtsruck statt. Doch Kritik am Rechtsruck in Israel ist in Deutschland nicht gern gesehen. Nach einer massiven, von Falschbehauptungen und Diffamierungen gekennzeichneten Medienkampagne gegen Reimann mussten die Veranstalter einknicken. Reimanns Vortrag wurde abgesagt und soll nun später ohne Verbindung zum Augsburger Friedensfest nachgeholt werden. Cancel Culture – wenn es um Israelkritik geht, pausiert die Meinungsfreiheit. Von Jens Berger.
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Israel ist wieder in den Schlagzeilen. Die israelische Armee geht einmal mehr im Westjordanland mit äußerster Gewalt vor und wird dafür vom UN-Generalsekretär scharf kritisiert; gleichzeitig greift die israelische Rechtsregierung mit einer „Justizreform“ die Demokratie des Landes an, wogegen hunderttausende Israelis auf die Straße gehen. Die Auswirkungen dieses Rechtsrucks auf den Friedensprozess wären eigentlich ein naheliegendes Thema für das Augsburger Hohe Friedensfest, dessen kulturelles Rahmenprogramm sich nach Eigenbeschreibung „künstlerisch und gesellschaftspolitisch mit aktuellen Themen und Dynamiken in heterogenen Gesellschaften auseinander[setzt]“. Und wer wäre besser geeignet, zu diesem Thema zu referieren, als Jakob Reimann, der sich als kritischer Experte und Beobachter der israelischen Politik und des Nahostkonflikts einen Namen gemacht hat?
Das dachten sich offenbar auch die Veranstalter – ein Bündnis aus der Augsburger Friedensinitiative sowie den lokalen Ablegern von DFG-VK, pax christi und VVN-BdA – und luden Reimann als Referenten ein. Leider machten sie dabei ihre Rechnung ohne die Medien. Los ging es am Mittwoch mit einem als „Kommentar“ maskierten Schmähartikel voller Falschaussagen in der Augsburger Online-Postille DAZ, in dem der Autor Bernhard Schiller das ganz große Fass aufmacht und vom „linken Antisemitismus“ und „antisemitischen Verschwörungstheorien“ raunt. Journalistisch ist dieser Artikel eine echte Nullnummer, wirft der Autor doch munter Aussagen von Reimanns Interviewpartnern und Zitate aus dem Völkerrecht mit seinen eigenen zusammen und schreibt Inhalte aus klar gekennzeichneten Übersetzungen dem Übersetzer Reimann zu. Die Veranstalter reagierten empört mit einer Gegendarstellung, doch nun war die Lawine nicht mehr aufzuhalten.
Es folgte ein weiterer mit Falschbehauptungen und Verdrehungen gespickter Schmähartikel in der Jüdischen Allgemeinen, in der auch gleich am Rande die NachDenkSeiten, bei denen Reimann zahlreiche Artikel veröffentlicht hat, diffamiert werden. Jakob Reimann hat mittlerweile eine Replik zu diesem unsäglichen Artikel verfasst.
Die Fraktion Bürgerliche Mitte (FDP und Pro Augsburg) im Augsburger Stadtrat, der Grünen-Politiker Volker Beck und verschiedene jüdische Verbände sprangen auf den fahrenden Zug und nun berichteten auch die Augsburger Allgemeine und die dpa über die „heftige Kritik an israelkritischem Vortrag“. Die haltlosen Vorwürfe wurden zum Politikum und um „die Stadt Augsburg und deren Friedensbüro aus der Kritik zu nehmen“, sahen sich die Veranstalter gezwungen, den Vortrag abzusagen und auf einen späteren, nicht genannten Termin zu verschieben, der dann nicht mehr im Rahmen des Augsburger Friedensfestes stattfinden wird. Gleichzeitig weisen die Veranstalter jedoch auch jegliche Kritik an Jakob Reimann weit von sich und sprechen von einer „unsäglichen Medienkampagne“.
Es ist wirklich traurig. Wenn fundierte Kritik an den rechtsextremen politischen Entwicklungen in Israel hierzulande nicht mehr erlaubt ist, ist dies ein Armutszeugnis für die Debattenkultur und ein Warnzeichen für die Demokratie. Die NachDenkSeiten sprechen Jakob Reimann und den Veranstaltern ihre volle Solidarität aus und werden sich bemühen, den Vortrag, wenn er denn demnächst stattfinden sollte, ihren Lesern zugänglich zu machen und damit für ein großes Publikum zu sorgen. Debatten wie diese müssen geführt werden und es kann nicht sein, dass eine kleine, lautstarke Minderheit mittels Diffamierung, Falschbehauptungen und Verdrehungen missliebige Meinungen unterdrückt.
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