Unterdrückung, Revolten und bewaffneter Widerstand sind eine Konstante in der philippinischen Geschichte. Das war so während der annähernd 350-jährigen Kolonialzeit unter den Spaniern, die 1898 endete. Und das war so in dem halben Jahrhundert der sich anschließenden US-amerikanischen Kolonialära. Am 4. Juli (sic!) 1946 gewährte Washington den Inseln die Unabhängigkeit, die sie den Filipinos zuvor jedoch gewaltsam vorenthalten hatte, als diese vor just 125 Jahren, am 12. Juni 1898, nach siegreichem Kampf gegen Spanien die erste unabhängige Republik in Asien proklamierten. Einerlei, ob in den Philippinen heute der 12. Juni als nationaler Feiertag gilt und der 4. Juli als Gedenktag begangen wird – der Inselstaat war, ist und bleibt auch auf absehbare Zeit Washingtons engster Vasall in der Asien-Pazifik-Region. Kein Wunder, dass bereits in der Frühphase US-amerikanischer Herrschaft über den Archipel die Filipinos von Uncle Sams Gesandten paternalistisch als „kleine braune Brüder“ tituliert wurden. Kein Wunder auch, dass der damalige wie heutige imperiale Blick fest auf China fokussiert ist, das seinerseits eigene Herrschaftsinteressen in der Region verfolgt. Ein kritischer Rück- und Ausblick unseres Südostasienexperten Rainer Werning, dessen ersten Teil Sie hier nachlesen können.
„Klein-Japan“ in den Südphilippinen
Das gleiche Schicksal erlitt die Baumwollproduktion. Um eingestellte Baumwollimporte aus den USA und Indien zu kompensieren, war vorgesehen, in den Philippinen und anderen Ländern Südostasiens groß in die Baumwollproduktion einzusteigen, auf diese Weise das angloamerikanische Embargo zu unterlaufen und den gesamtjapanischen Bedarf an diesem Rohstoff zu sichern. Der größten südphilippinischen Insel Mindanao sollte dabei die Schlüsselrolle zufallen. Hier hatten sich bereits seit den 1920er-Jahren vermehrt japanische Staatsbürger niedergelassen (sodass man im Volksmund bereits von einem „Japan-kuo“, „Klein-Japan“, sprach), von denen es dem Geschäftsmann Ohta Kyozaburo später gelang, die Ohta Development Company in Davao zu etablieren. Dort konzentrierte sich die Firma zunächst auf den Anbau von Abaca (Manilahanf) und weitete ihre Produktpalette (darunter auch Zitrusfrüchte) mit der Gründung weiterer Unternehmen wie der Mintal Plantation Company, Riverside Plantation Company und Talomo River Plantation Company beträchtlich aus.
Über wirtschaftliche Erwägungen hinaus war Mindanao als bedeutsamer Knotenpunkt der japanischen Nachrichtendienste und Spionage interessant, befand sich dort doch auch ein Ableger des über ganz Ost- und Südostasien verteilten Zweigs der Kokuryu-kai, der „Schwarzer Drachen“-Gesellschaft, die gemeinsam mit der Genyosha („Dunkler Ozean“-Gesellschaft beziehungsweise „Schwarzer Ozean“-Gesellschaft) für die japanische Armee und Regierung Spionagedienste leisteten und aktiv in Sabotageakte – vor allem in China – verwickelt waren. Dass sich die Mindanao-Connection aus Sicht des japanischen Generalstabs regional nicht intensiver und effektiver nutzen ließ, war darauf zurückzuführen, dass sich die japanische Kolonie in und um Davao hauptsächlich aus Residenten zusammensetzte, die ursprünglich aus Okinawa stammten. Die galten jedoch als ungebildet, „minderwertig“ und, da sie zwischenzeitlich Filipinos geheiratet hatten, zudem als unsichere Kantonisten – was nicht ausschloss, dass einige dieser Residenten solche Ressentiments kompensierten, indem sie sich als besonders glühende Verehrer ihrer Heimat den japanischen Streitkräften andienten und an ihrer Seite kämpften.
„Unabhängig“ von Tokios Gnaden
Es gab auch Kräfte in der Gesellschaft, die strikt antiamerikanisch, gleichzeitig aber betont projapanisch eingestellt waren, deren Führer – wie beispielsweise General Artemio Ricarte und Benigno Ramos – früher die Amerikaner als aufständische Offiziere beziehungsweise als Mitglieder sozialrevolutionärer Bewegungen bekämpft hatten. Um sie scharten sich projapanische paramilitärische Freiwilligenverbände wie die „Friedensarmee“, Makapili (Abkürzung für „Pro Philippinen”) und Bisig-Bakal ng Tagala (Eiserner Arm der Tagalen). Nach dem Krieg traf die Überlebenden und Sympathisanten dieser Organisationen der Bannfluch, und sie wurden als sozial geächtete Kollaborateure ins Gefängnis geworfen, während Kollaborateure aus den Reihen der politischen und christlichen Elite mit Glacéhandschuhen behandelt und nahezu ausnahmslos amnestiert wurden.
Anstelle der früher existierenden politischen Parteien schufen die japanischen Militärbehörden Anfang Dezember 1942 die Einheitsbewegung Kapisanan sa Paglilingkod sa Bagong Pilipinas (kurz: Kalibapi), die „Gesellschaft im Dienst für die Neuen Philippinen“. Zu deren Führer wurde Jorge B. Vargas ernannt, der bereits zuvor von General Homma zum Vorsitzenden der Exekutivkommission bestimmt worden war. Generalmajor Mayasi Yoshide wurde erster Direktor der japanischen Militärverwaltung. Die nationale Regierung wurde umbenannt in Zentrale Verwaltungsorganisation, die ihrerseits von einem eingesetzten Staatsrat assistiert wurde. Die alte Commonwealth-Regierung verlegte Mitte Mai 1942 offiziell ihren Sitz nach Washington. Die Kalibapi und andere neu geschaffene politische Organisationen und Strukturen unterstanden somit der direkten Kontrolle der japanischen Militärverwaltung und wurden von dieser genutzt, um die Philippinen endgültig in die „Unabhängigkeit“ zu entlassen.
Im Juni 1943 verkündete die Kalibapi, die wesentlich auf Manila beschränkt blieb, die Gründung der Vorbereitungskommission für die Philippinische Unabhängigkeit mit Dr. José P. Laurel als Präsidenten. Diese Kommission erarbeitete eine neue Verfassung, die Anfang September von einer Nationalversammlung ratifiziert wurde, deren Generalversammlung am Ende desselben Monats José P. Laurel zum Präsidenten der neuen Republik der Philippinen und Benigno S. Aquino zu ihrem Sprecher kürte. Offiziell blieb Laurel Präsident von Japans Gnaden vom 14. Oktober 1943 bis zum 15. August 1945, als er von seinem japanischen Exil aus die japanische Besatzung für beendet erklärte. Anerkannt war diese sogenannte Zweite Philippinische Republik außer von den Achsenmächten nur noch von Spanien und dem Vatikan.
Laurel, Spross einer angesehenen Familie aus der südlich von Manila gelegenen Provinz Batangas, war von Haus aus Jurist. Nach seinem Studium an der staatlichen University of the Philippines und Yale University wurde er 1925 in den philippinischen Senat gewählt und 1936 zum stellvertretenden Richter am Obersten Gerichtshof des Landes ernannt. Wie kein anderer politischer Clan auf den Inseln verkörperten Laurel und seine Familie prototypisch bedingungsloses Paktieren mit den jeweils Mächtigen. Unter den Spaniern waren die Laurels zu Ehren gelangt, die US-Amerikaner hofierten sie ebenso ungeniert wie die neuen japanischen Kolonialherren, um danach wiederum ihre Herzen im Takte mit dem transpazifischen Sieger schlagen zu lassen.
Selbst in der Nachkriegspolitik mischten die Laurels stets an prominenten Stellen mit und betätigten sich, gewichtige Stützpfeiler der Nationalistischen Partei, mehrfach als Königs- beziehungsweise Präsidentenmacher, indem sie – wie im Falle des späteren Despoten Ferdinand E. Marcos (1965-86) – Politiker der oppositionellen Liberalen Partei geschickt in ihr Camp bugsierten, die sodann auf deren politischer Plattform siegreich das Rennen machten. Sozusagen als Kriegsbeute ließ sich der philippinische Präsident von Tokios Gnaden von den geschlagenen Truppen des Generals Yamashita Tomoyuki mit nach Japan bringen. Die Sieger zeigten allerdings Erbarmen. Zwar ließ der Oberkommandierende der US-Streitkräfte im Fernen Osten, General Douglas MacArthur, Laurel aufgrund seiner Kollaboration mit Japan festnehmen und zeitweilig ins Sugano-Gefängnis in der Nähe von Tokio sperren. Doch trotz des Laurel zur Last gelegten Hochverrats und damit verbundener Anklagen in über 130 Fällen wurde dem Politiker kein Haar gekrümmt. Er musste sich vor keinem Gericht verantworten, geriet in den Genuss einer Generalamnestie, um bereits 1951 erneut in den Senat der mittlerweile auch von den USA (formal) unabhängig gewordenen Republik der Philippinen einzuziehen.
Leidiges Ränkespiel: Kooptation & Kollaboration
José P. Laurel verstand seine Politik nach der Flucht der Commonwealth-Regierung und General Douglas MacArthurs als aufopferungsvollen Einsatz im Dienst des Volkes, dem er größeres Blutvergießen ersparen wollte. Als Präsident eines Vasallenregimes von Tokios Gnaden kontrollierte er aber gerade mal ein Viertel des Landes – meist die größeren Städte einschließlich ihrer Außenbezirke. Doch in diesem Herrschaftsbereich setzte er sich kompromisslos und vorrangig für die Interessen des japanischen Besatzungsregimes ein. Eine der ersten Amtshandlungen von Präsident Laurel bestand in der Anweisung an alle Reis- und Maisproduzenten, ihre Ernten und Vorräte unverzüglich an Regierungsstellen abzuliefern, damit diese ihren Verpflichtungen nachkommen konnten, die japanischen Truppen mit Lebensmitteln zu versorgen.
Den zweiten Jahrestag des japanischen Angriffs auf Pearl Harbor ließ Laurel durch eine Präsidialverkündigung Anfang 1943 unisono mit den Kriegstrommlern in Tokio als „Tag der Befreiung des Größeren Ostasien“ feiern, an dem sich Japan anschickte, „die orientalischen Völker von der westlichen Herrschaft zu befreien“. Am 7. Dezember 1943 ließ Präsident Laurel eine Erklärung veröffentlichen, in der er die „doppelte Bedeutung” des neuen Feiertags erläuterte. Dieser Festtag „versetzte nicht nur dem westlichen Imperialismus im Fernen Osten den Todesstoß”, sondern „ebnete gleichzeitig den Weg für die gegenwärtig hervorragende Einheit aller ostasiatischen Völker“. In der fast gleichzeitig übertragenen Rundfunkansprache des japanischen Premierministers Tojo Hideki lautete die Botschaft so:
„Die Anglo-Amerikaner haben keinen anderen Wunsch als den, die anderen Rassen der Erde zu beherrschen, um in Komfort und Luxus zu leben – in starkem Kontrast zu den Aspirationen der Ostasiaten.“
Solche und ähnliche Verlautbarungen, Stellungnahmen und Verfügungen veröffentlichte das in Manila gedruckte englischsprachige Tageblatt „The Tribune“. Der Aufmacher des Blattes am 10. Dezember 1943 war in besonders martialischem Ton verfasst:
„Die harsche Tatsache, dass der Größere Ostasiatische Krieg nicht nur ein Auszehrungskrieg, sondern auch ein totaler Krieg ist, wird dadurch unterstrichen, dass der Feind gewaltige Verluste hinnehmen muss, die ihm die japanische Armee und Marine zufügen.“
Um internationale Unterstützung für den unaufhaltsamen siegreichen Vormarsch der Kaiserlich Japanischen Truppen zu suggerieren, tauchten in den von der japanischen Militärverwaltung in Manila kontrollierten Medien auch sporadisch Berichte über Treffen in der japanischen Hauptstadt auf, wo auf Konferenzen die unzertrennbare Freundschaft der Größeren Ostasiatischen Familie zelebriert wurde. Die Leitung solcher Treffen lag in den Händen von Marineminister Admiral Shimada Shigetaro, dem Minister für das Größere Ostasien, Aoki Kazuo, sowie Außenminister Shigemitsu Mamoru. Zu den stets geladenen Gästen gehörten neben Laurel die Vasallen aus China, Mandschukuo, Thailand und Birmas Ba Maw sowie Subhas Chandra Bose aus Indien.
So rasch es den japanischen Truppen auch gelungen war, die Philippinen militärisch zu besetzen und dort ein ihnen gefügiges Regime zu installieren, so gering blieben von Anfang an ihre Chancen, „Hirne und Herzen“ der Bevölkerung zu gewinnen und sich auf den Inseln dauerhaft festzusetzen. Aufgrund landesweiter Ablehnung, Proteste und bewaffneten Widerstands waren die neuen Machthaber mitsamt ihrer neuen Regierung nicht einmal in der Lage, das Hauptnahrungsmittel Reis ausreichend produzieren zu lassen, geschweige denn die Preise dafür halbwegs stabil zu halten. Je länger der Krieg dauerte, desto brutaler wurden die Methoden, Reis einzutreiben. Was nicht in die Hände der japanischen Armee gelangte, landete auf dem Schwarzmarkt. So angespannt und desolat war die Lage, dass das Land erst zu Beginn der 1950er-Jahre wieder den Vorkriegsstand der Reisproduktion erreichte.
Als General Douglas MacArthur sein früheres Versprechen „Ich werde zurückkehren“ wahrmachte und nach großen japanischen Verlusten im Pazifik sowie im östlichen Teil der Philippinen am 20. Oktober 1944 in Begleitung von Sergio Osmeña, dem Nachfolger des im August 1944 im US-Exil verstorbenen Präsidenten Manuel Quezon, nahe der Stadt Tacloban auf der Insel Leyte an Land ging, betrat er ein weitgehend verwüstetes Land. Bereits wenige Tage später übertrug MacArthur die zivile Kontrolle der wieder von den USAFFE kontrollierten Gebiete dem Commonwealth-Präsidenten. Das Dilemma: Noch regierte in Manila ein Präsident mit Tokios Segen, während der US-Protegé Osmeña selbst nach Einschätzung von Experten des U.S. Army War College in Pennsylvania als schwacher, ineffektiver Politiker galt, dem es im Gegensatz zu seinem Vorgänger überdies an Charisma mangelte.
Zerstörung Manilas – Entwaffnung der Guerilla
„Von allen Kriegshauptstädten erlitt nur Warschau höhere Schäden als Manila.“ General Dwight D. Eisenhower, zit. nach: Robert A. Smith (1958): Philippine Freedom 1946-1958. New York: Columbia University Press, S. 115
Um die Jahreswende 1944/45 rückte der Krieg immer näher an die Hauptstadt. Es dauerte den gesamten Februar 1945, bis nach äußerst verlustreichen Straßenschlachten, in denen buchstäblich um jede Häuserzeile gekämpft wurde, die Entscheidungsschlacht in der Nähe des alten spanischen Stadtzentrums Intramuros ausgefochten wurde. Was später als „Befreiung“ Manilas gepriesen wurde, war ein Gemetzel, in dessen Verlauf binnen weniger Tage etwa 100.000 Zivilisten ihr Leben verloren. Als Japan ein halbes Jahr später zur Kapitulation gezwungen wurde, betrug die Zahl der während des Krieges getöteten Filipinos über eine Million, die meisten davon in der erbitterten Endphase des Krieges. Außerdem kamen in dieser Zeit über 60.000 US-Amerikaner und schätzungsweise 300.000 Japaner ums Leben.
Während des Krieges, so belegten es spätere Untersuchungen, waren nicht weniger als 260.000 Filipinos in unterschiedlichen Guerillaorganisationen aktiv, während sich ein noch größerer Teil der Bevölkerung heimlich im antijapanischen Untergrund engagiert hatte. Das erklärte, warum die japanischen Truppen effektiv nie mehr als 12 der damals 48 Provinzen des Landes zu kontrollieren vermochten. Die mit Abstand größte und bedeutendste Guerillaorganisation war die Hukbalahap unter der militärischen Führung von Luis Taruc. Etwa 30.000 Huk-Kämpfer kontrollierten auf dem Höhepunkt der Kampfhandlungen den größten Teil der Insel Luzon. Hätten sich die Huks landesweit verankern können, wäre das sowohl für die Japaner während des Krieges als auch für die US-Amerikaner nach dem Krieg ein gravierendes „Sicherheitsproblem“ gewesen. Bei Kriegsende gingen alle diese Guerillaorganisationen, erst recht die sozialistisch orientierte Hukbalahap, davon aus, zumindest als formidable Kraft im Widerstand gegen die japanischen Besatzer gewürdigt, wenn nicht gar entschädigt zu werden. Mit gutem Grund konnten sie auf die Versprechen hochrangiger US-Politiker und Militärs verweisen, die ihnen sogar eine Gleichbehandlung mit den GIs in Aussicht gestellt hatten.
Umso größer war das Erstaunen, dass einer der ersten Befehle des USAFFE-Chefs MacArthur nach der verlustreichen Einnahme Manilas und noch vor der Kapitulation Japans an die Adresse der Huks gerichtet war, ihre Waffen unverzüglich zu strecken und sie den USAFFE-Einheiten beziehungsweise US-Kommandeuren zu übergeben. Nur vereinzelt und selektiv erhielten Huk-Kämpfer eine Anerkennung und Entschädigung für ihre Dienste und die Chance, sich in die regulären philippinischen Streitkräfte zu integrieren. USAFFE-Veteranen hingegen wurden Jobs in der philippinischen Militärpolizei angeboten, ausgerechnet jenem Segment der philippinischen Sicherheitskräfte, das von den Japanern zur Kontrolle des Hinterlandes eingesetzt worden war. Im Volksmund, erst recht in den von den Huks kontrollierten Gebieten, hießen die USAFFE denn auch „Tulisaffe“ – „tulisan“ in Filipino/Tagalog heißt „Dieb“, „Räuber“.
Weigerten sich Huk-Kämpfer, ihre Waffen an zugewiesenen Übergabestellen oder Checkpoints abzugeben, wurden sie als „gesetzlos“ und „Banditen“ gebrandmarkt und entsprechend behandelt. In der nördlich von Manila gelegenen Provinz Pampanga umzingelten US-Soldaten Stellungen der Huks und entwaffneten sie gewaltsam. Letztere ergaben sich nur, weil man ihnen mit standrechtlicher Erschießung gedroht hatte. Die Militärpolizei erhielt Order, hochrangige Huk-Kader als „Aufständische“ zu entwaffnen und festzunehmen. Kurzzeitig wurde selbst Luis Taruc gefangen genommen und inhaftiert. Doch Massenproteste und die Befürchtung der US-Streitkräfte, die Sicherheitslage könnte sich in Zentralluzon dramatisch verschlechtern, führten zu seiner alsbaldigen Freilassung.
Ein anderes Problem stellten die von den Huks während des Krieges geschaffenen – und vor allem funktionsfähigen – Gegenstrukturen in Politik und Verwaltung dar. Die Vereinten Barrio Verteidigungskorps (Barrio United Defense Corps; BUDC) waren effektiv und volksnah, doch aus Sicht der Commonwealth-Regierung und der USA auf einmal illegal. Die von Letzteren eingesetzten Alternativen waren zwar legal, doch erwiesen sich diese Leute in der Regel als gänzlich unerfahren, korrupt und auf Eigenvorteile bedacht. Ein Dauerkonflikt zwischen den alt-neuen Machthabern und der Guerilla war programmiert. Folgerichtig benannte sich die Hukbalahap Ende der 1940er-Jahre in Volksbefreiungsarmee (Hukbong Mapagpalaya ng Bayan; kurz: HMB) um, die fortan die Regierung und US-Streitkräfte auf den Inseln bekämpfte.
Politisches Comeback der Eliten
Ursprünglich hatte die US-Militärführung auf den Inseln gedacht, die Huks würden nach dem Krieg ihre Waffen niederlegen und bereitwillig ins zivile Leben zurückkehren. Ihre eigenen Aktionen führten indes dazu, dass die Hukbalahap und die Kommunistische Partei (PKP) kriminalisiert, faktisch verboten und in den Untergrund gedrängt wurden. Selbst die sechs gewählten Abgeordneten der im Sommer 1945 gegründeten Demokratischen Allianz, eines Volksfrontbündnisses, dem unter anderen militante Bauernorganisationen und Gewerkschaften angehörten, wurden daran gehindert, ein Jahr später ihre Sitze im Kongress einzunehmen. Natürlich führte das zu großer Verbitterung unter jenen, die die Speerspitze des antijapanischen Widerstands gebildet hatten. In diese Verbitterung mischte sich Wut darüber, dass die Wohlhabenden und Mitglieder der herrschenden Elite glimpflich behandelt, gar hofiert wurden, obgleich sie sich entweder durch Schwarzmarktgeschäfte schamlos bereichert hatten oder tief in Kollaboration und Korruption verstrickt waren. Diesen gesellschaftlichen Kräften wurde schlichtweg die Integrität und moralische Autorität abgesprochen, sich in der Nachkriegsordnung als legitime Führer darzustellen.
Doch die US-Politik stützte sich auf eben diese alte Elite, um mit ihr nicht nur die alte Commonwealth-Regierung wiederherzustellen, sondern das Land auch in eine Unabhängigkeit zu führen, die die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und militärischen Machtprärogativen Washingtons wahrte. Um das aber durchsetzen zu können, stützte sich der „Amerikanische Cäsar“ MacArthur, wie William Manchester den General im Titel seiner 1978 erschienenen MacArthur-Biografie nannte, auf vormals lokale projapanische Elemente aus Politik und dem Polizeiapparat, auf eingeflogene „Counterinsurgency“-Strategen, also Experten im Bereich der Aufstandsbekämpfung und psychologischen Kriegführung, und schließlich auf ein US-amerikanisch-philippinisches Gesetzeswerk, das alledem einen demokratischen Anstrich verleihen sollte. Das Einbinden selbst projapanischer Persönlichkeiten in die Gestaltung der Nachkriegsordnung hatte aus der Sicht Washingtons den Vorteil, dass diese Politiker jederzeit erpressbar, zumindest aber manipulierbar waren. Das erklärt beispielsweise die politische Karriere von Manuel Roxas, des letzten Commonwealth-Präsidenten und ersten Präsidenten der am 4. Juli 1946 unabhängig geworden Republik der Philippinen. (Bezeichnend für den neokolonialen Status des Landes war, dass ausgerechnet dessen Unabhängigkeitstag mit dem US-amerikanischen zusammenfiel. Erst in den 1960er-Jahren überwand Manila diese Peinlichkeit, indem der damalige Präsident Diosdado Macapagal fortan den 12. Juni als Nationalfeiertag dekretierte – jenes Datum, an dem Emilio Aguinaldo 1898 die Unabhängigkeit der Inseln von Spanien ausgerufen hatte.)
Manuel Roxas, vor dem Krieg Politiker und Ex-Brigadegeneral in der Armee, war während der japanischen Okkupation ein hochrangiges Mitglied des Marionettenregimes. Ihm oblag unter anderem die sensible Aufgabe, die japanischen Truppen mit Reisvorräten zu versorgen. Nach dem Krieg wurde Roxas zunächst zusammen mit weiteren etwa 5.000 Kollaborateuren von US-Militärs gefangen genommen, um aber schon bald auf Anweisung von Präsident Osmeña und General MacArthur wieder auf freien Fuß gesetzt zu werden. Roxas war so etwas wie der Darling MacArthurs, der ihn für fähiger als Osmeña hielt und das politische Combeack des Zöglings in der Nationalistischen Partei aktiv förderte. Damit war Roxas unmittelbar zu einem ernst zu nehmenden Konkurrenten Osmeñas geworden, den er schließlich in der ersten Nachkriegswahl ausbootete. Eine solche Karriere gelang neben Roxas knapp 50 weiteren Mitgliedern des japanischen Besatzungsregimes; sie wurden Kongressabgeordnete.
Die „Befriedung“ der Huks mit militärischen Mitteln wurde begleitet von einer gezielten politischen Kooptation vormals projapanischer Kräfte in die Nachkriegsregierung. Das wiederum schuf die Grundlage, um nun auch wirtschaftlich und militärstrategisch die „Unabhängigkeit“ der Philippinen vorzubereiten und deren enge Bindung an die USA aufrechtzuerhalten. Ein schwerwiegendes Problem bestand darin, die völlig zerrüttete Wirtschaft wieder anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen. Da dazu die Binnenressourcen nicht ausreichten, war die Regierung in Manila auf Gedeih und Verderb auf US-amerikanische Hilfslieferungen angewiesen. Im Januar 1946 hatte Paul V. McNutt, der US-Hochkommissar für die Philippinen, einen Situationsbericht verfasst und an Präsident Truman gesandt, der die drängenden Fragen wie folgt auf den Punkt brachte:
„Die Lage ist kritisch, augenblicklich scheint es für die philippinische Bevölkerung kaum möglich zu sein, angesichts der vom grausamsten und verheerendsten Krieg aller Zeiten geschaffenen Verwüstung und Demoralisierung, da das Land außerdem zutiefst gespalten ist in Loyalisten, Feindkollaborateure und mehrere gut bewaffnete Gruppen, die immensen wirtschaftlichen Rehabilitationsmaßnahmen mit den Anforderungen der politischen Unabhängigkeit in Einklang zu bringen.“
Politisch verraten – wirtschaftlich verkauft
„Ich, [Name], schwöre feierlich, den Vereinigten Staaten von Amerika vollauf Vertrauen zu schenken und ihnen Gefolgschaft zu leisten (…), dass ich ihnen ehrenwert und treu gegen alle ihre Feinde dienen werde (…) die Befehle (…) des Präsidenten der Vereinigten Staaten und der mir übergebenen Offiziere befolge (…) und mich gemäß den Richtlinien und Konventionen des Kriegsrechts verhalte.“
Solche und ähnliche Treueide hatten über eine Viertelmillion Filipinos vor und nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor geleistet und damit ihr Schicksal an das der US-amerikanischen Streitkräfte gekoppelt. Im Gegenzug für diese Loyalität, zu der US-Präsident Roosevelt die Filipinos nachdrücklich aufgefordert hatte, stellte die Regierung in Washington den philippinischen Soldaten nach Kriegsende dieselbe Behandlung wie die ihrer amerikanischen Waffengefährten in Aussicht. Das sollte sowohl Entschädigungen als auch eine angemessene Krankenversicherung und Rente betreffen. Diesen Gleichheitsgrundsatz hatte noch im Oktober 1945 General Omar Bradley, damals Chef der Veterans Administration, bekräftigt und allen Betroffenen versichert.
Doch bereits im Februar 1946 war im US-Kongress ein Gesetz, der Rescission Act (Aufhebungsvertrag), verabschiedet und von Präsident Truman unterzeichnet worden, das genau das Gegenteil beinhaltete. Darin hieß es nunmehr, dass der von Filipinos geleistete (Kriegs-)Dienst „nicht als einer betrachtet wird, der (…) im Militär oder den nationalen Streitkräften der Vereinigten Staaten oder irgendeiner anderen deren Einheiten“ erbracht worden sei. Demnach bestünde auch kein Anspruch auf eine Behandlung nach US-amerikanischem Recht, mithin auch nicht die Möglichkeit, in den Genuss etwaiger Sonderbehandlungen oder Vergütungen zu kommen. Das war, abgesehen von gezahlten Entschädigungen für Tote und Kriegsverwundete, ein Affront gegen die philippinischen Kriegsveteranen, die die Hauptlast während des Krieges trugen und im Kampf gegen einen übermächtigen Feind ausharrten, nachdem das US-Oberkommando längst das philippinische Commonwealth verlassen und Quartier in Australien bezogen hatte.
Exkurs – Mit 103 Jahren die erste Rente
„Eine Begegnung mit Tatang Juan, dem ältesten lebenden Zweite-Weltkriegs-Veteranen im Lande” betitelte Jeoffrey B. Maitem seine Geschichte aus Cotabato City, die das unabhängige südphilippinische Mindanao News and Information Cooperative Center am 28. Mai 2003 in seinem MindaNews-Dienst veröffentlichte. Für Tatang Juan, Väterchen Juan, wie seine zahlreichen Verwandten und Freunde ihn liebevoll nennen (Tatang ist eigentlich die Anrede in Filipino/Tagalog für „älterer Mann/Herr” – Anm.: RW), eine besondere Gelegenheit, sein bewegtes Leben auch Menschen außerhalb seiner Großfamilie zu schildern:
„Ich war gefesselt, fast hätten mich unsere Feinde zu Tode gefoltert. Nicht im Traum dachte ich daran, dieser Hölle jemals noch zu entkommen“,
erzählt Juan Ugay Balanag, der landesweit älteste dokumentierte Veteran des Zweiten Weltkriegs. Der Kriegsheld, der Bauer wurde, feierte am 25. Mai 2003 seinen 105. Geburtstag. In seiner krächzenden Heimatsprache Ilocano sagt Tatang Juan:
„Im Krieg musstest du unbedingt was tun oder sterben – do or die. Entweder hast du gekämpft oder dich ergeben. Ich riskierte mein Leben und entschloss mich, für mein Land zu kämpfen.“
Tatang Juan war einer von Hunderttausenden Filipinos, die während des Zweiten Weltkriegs zur Waffe griffen und gegen die Japaner kämpften. Er diente seit dem 31. Mai 1941 im Rang eines Feldwebels der 2. Dienstkompanie unter dem Kommando der United States Armed Forces in the Far East (USAFFE). Eines Nachmittags im Juni 1941, erinnert er sich, wurden er und andere Guerilleros, darunter zwei Verwandte, von japanischen Soldaten aufgegriffen, verhaftet und anschließend zum Dorfplatz von Aringay in der Provinz La Union verfrachtet. Dort, auf der Plaza, sollten sie öffentlich hingerichtet werden. Doch auf dem Weg dorthin gelang nur ihm die Flucht. Es grenzte an ein Wunder, dass Tatang Juan unbemerkt fliehen konnte. So schnell er konnte, rannte er los, bis er an einen Fluss kam. Hier ruhte er sich aus. Am nächsten Tag entdeckte er die Leichen seiner beiden Verwandten. 1944, nachdem die Japaner bereits in den Philippinen besiegt waren, verschlug es Tatang Juan in die Provinz Pangasinan (im Norden Manilas), wo er in einer Fabrik arbeitete, die Eisbarren herstellte.
Fünf Jahre später entschlossen sich Tatang Juan und seine Familie, auf die südliche Insel Mindanao zu ziehen, wo er in Kabacan in der Provinz Nord-Cotabato ein neues Leben als Bauer begann. Er gehörte zu jenen Migranten aus dem nördlichen Luzon, denen ein gutes Leben versprochen wurde, sollten sie sich aufmachen ins „Land der Verheißung“, wie Mindanao damals auch genannt wurde.
Nach über 60 Jahren erkannte schließlich die philippinische Regierung den aufopferungsvollen Einsatz Tatang Juans für sein Vaterland an. Das Büro für die Angelegenheiten der philippinischen Kriegsveteranen (PVAO) unter seinem neuen Chef, Armeeoberst Wilfredo Pabalan, arrangierte für Tatang Juan eine Heldenparty, um dessen 105. Geburtstag angemessen zu feiern. Erst 2001 hatte der Jubilar seine erste Rentenzahlung erhalten – monatlich 4.500 Peso (umgerechnet zirka 65 Euro).
„Wir sind überaus glücklich, dass unser Tatang endlich als Kriegsheld anerkannt ist. Für uns alle ist das eine Ehre“, sagte Alejandra, seine älteste Tochter:
„Es ist an der Zeit, dass Helden wie Tatang angemessen geehrt werden, so lange sie noch leben und den Nachgeborenen als Vorbild dienen können“, erklärte Pabalan.
Während der Feierlichkeiten versprach er, dass fortan die monatlichen Pensionszahlungen an die Kriegsveteranen zügiger erfolgen, nachdem zwischen seiner Behörde und der Philippinischen Landbank eine entsprechende Vereinbarung getroffen wurde. Allein im südlichen Teil von Zentral-Mindanao leben etwa 2.000 dokumentierte Kriegsveteranen. (Diese und andere Übersetzungen im Text aus dem amerikanischen Englisch & redaktionelle Bearbeitung: Rainer Werning)
Feilschen um Reparationszahlungen
Nicht nur die Kriegsveteranen wurden qua Rescission Act betrogen und zu Bürgern zweiter Klasse degradiert. Gleiches geschah auch auf der Makroebene. Denn das ebenfalls von US-Präsident Roosevelt im August 1943 abgegebene Versprechen, die Philippinen in den Genuss einer vollen Entschädigung der angerichteten Kriegsschäden kommen zu lassen, ward nicht eingehalten. Stattdessen erhitzte die Gemüter in Washington und Manila ein langwieriges politisch-diplomatisches Gerangel um die Höhe der zu leistenden Kriegsreparationen und die Art und Weise, in welchem Zeitraum und wie sie auszuzahlen waren. Zwei US-Amerikaner spielten hier eine Schlüsselrolle – Senator Tydings und der aus Missouri stammende Kongressabgeordnete C. Jasper Bell.
Tydings, Koautor des Tydings-McDuffie Act, der 1934 den Philippinen binnen eines Jahrzehnts die Unabhängigkeit in Aussicht gestellt hatte, setzte sich im Herbst 1945 im US-amerikanischen Senat für eine Nothilfelieferung in Höhe von ursprünglich 620 Millionen US-Dollar ein, die jedoch unverzüglich um 100 Millionen Dollar abgesenkt wurde. Darüber hinaus hatte Tydings die Zahlung solcher Leistungen von der Erfüllung bestimmter Auflagen seitens Manilas abhängig gemacht. Dazu zählten die Einrichtung einer Behörde zur Feststellung der Kriegsschäden, die U.S.-Philippine War Damage Corporation, sowie die Festschreibung von Gleichheitsklauseln, wonach Amerikaner in den Philippinen dieselben Rechte wie Filipinos in den USA genießen sollten. Dermaßen schleppend und uneffektiv arbeitete diese Behörde, dass erste Zahlungen erst Ende 1946 an Manila flossen und individuelle Ansprüche von philippinischer Seite nicht vor April 1947 berücksichtigt wurden. Als die War Damage Corporation 1950 ihren Betrieb einstellte, hatte sie lediglich 388 Millionen US-Dollar an über eine Million private Antragsteller ausgezahlt. Ursprünglich war mit mindestens 1,25 Milliarden Dollar an Reparationszahlungen gerechnet worden. In den Genuss dieser Zahlungen kamen ohnehin nur diejenigen, die die Nähe zum Machtzentrum genossen oder dank Schmiergelder überhaupt erst ins Auswahlverfahren kamen.
Das nach dem US-Kongressabgeordneten Bell benannte Philippinische Handelsgesetz oder der Bell Act aus dem Jahre 1946 hatte nicht nur die Empfehlungen von Senator Tydings übernommen. Dieses Gesetz ging noch weit darüber hinaus. Es akzeptierte die „parity rights“, also die Gleichheitsklauseln für Amerikaner in den Philippinen, garantierte über einen Zeitraum von acht Jahren den Freihandel mit den USA und band den philippinischen Peso an den Dollar mit der zusätzlichen Auflage, den Wechselkurs nur mit Zustimmung Washingtons ändern zu können. Außerdem wurde die Verlängerung des zollfreien Handels bei bestimmten Produkten für weitere 28 Jahre festgelegt. Die wirtschaftliche Hegemonie der USA über die politisch „unabhängig“ gewordene Neokolonie Philippinen blieb bestehen – vor allem wegen der Erpressbarkeit der Regierung in Manila, insbesondere ihres Chefs und einstigen Reiseintreibers unter den Japanern, Präsident Manuel Roxas. In seine Amtszeit fiel denn auch die Entscheidung, den USA den Unterhalt und Ausbau militärischer Stützpunkte zu gestatten und ihnen dafür ausreichend Land auf der Basis eines 99 Jahre währenden Pachtvertrags zur Verfügung zu stellen. Unterzeichnet wurde dieser Vertrag zur Regelung der allgemeinen Beziehungen offiziell am 14. März 1947.
Als in den Philippinen zehn Monate nach der Kapitulation Japans das Sternenbanner eingeholt wurde und sich das Land für die endgültige Unabhängigkeit am 4. Juli 1946 rüstete, saßen alte Politiker in neuen Sätteln und gaben Großgrundbesitzer und wohlhabende Geschäftsleute wieder den Ton in Verwaltung, Wirtschaft und Politik an – ermutigt und tatkräftig unterstützt durch eine US-Nachkriegspolitik, die nahtlos an die Vorkriegs- und Kriegspolitik anknüpfte.
Bewegungen in der Starrheit
Seit der Unabhängigkeit der Philippinen vor 77 Jahren gibt es auffällige Konstanten in der Innenpolitik des Landes:
- Kampf gegen kommunistische und muslimische Widerstandsgruppen
- mehrere Anläufe zur Implementierung einer Land-/Agrarreform
- Landflucht und interne Kolonisierung
- grassierende Gewalt und Armut
- Korruption und Bestechung
- ein von hoher Elastizität geprägtes Justizsystem, das drakonisch gegen alles (vermeintlich) Linke sowie gegen Marginalisierte und Arme vorgeht, den Mächtigen im Lande aber – bis auf sehr seltene Ausnahmen – eine „Kultur der Straffreiheit“ bescherte und garantiert
- anhaltend desolate Menschenrechtssituation (s. Bulatlat & Karapatan unter Links)
- Bemühungen um Waffenstillstands- beziehungsweise Friedensverhandlungen mit muslimischen und kommunistischen Rebellengruppen
- interne Machtkämpfe zwischen widerstreitenden politischen Dynastien, dominanten Familienclans und militärischen Blöcken sowie
- vielfältiges Engagement seitens einer ebenso breit gefächerten wie vitalen außerparlamentarischen Opposition und Zivilgesellschaft
Allein im ersten Jahrzehnt ihrer Unabhängigkeit waren sämtliche Regierungen der jungen Republik damit befasst, den „inneren Aufruhr“ niederzuschlagen, der seinerzeit hauptsächlich von der in Zentral-Luzon entstandenen und dort operierenden Huk-Bewegung ausging. Kein Wunder; Zentral-Luzon, traditionell die Reiskammer des Landes, bildete stets den Nährboden für Protest und Widerstand, zumal hier die ländliche Bevölkerung (Kleinbauern und Pächter) durch extrem hohe Pachtraten geschröpft wurde.
Mit einer Politik von Zuckerbrot und Peitsche gelang es Mitte der 1950er-Jahre Präsident Ramon Magsaysay, die aufständischen Huks im Rahmen sogenannter Counterinsurgency-(Aufstandsbekämpfungs-)Maßnahmen militärisch zu besiegen. Unter seiner Ägide fanden gleichzeitig größere Umsiedlungsprogramme statt, wobei Huk-Kombattanten im Falle ihrer Kapitulation der Besitz von ein bis zwei Hektar regierungseigenen Bodens auf der südlichen Insel Mindanao in Aussicht gestellt wurde. Mindanao galt zu der Zeit als „Land der Verheißung”, und die Insel erlebte nach den 1930er-Jahren den zweiten größeren Schub zugewanderter (christlicher) Siedler aus Luzon und der zentralen Visaya-Inselgruppe.
Eigentlicher Architekt und faktisch Oberaufseher der Politik Magsaysays war freilich mit Edward G. Lansdale ein schillernder US-amerikanischer Offizier, zu dessen Spezialgebiet zeit seines Lebens das Entwerfen und Verfeinern von Counterinsurgency-Strategien gehörte. Lansdale bildete ein wichtiges Scharnier zwischen der Vereinten US-Militärberatungsgruppe (JUSMAG), der US-Botschaft in Manila und dem Pentagon. Um „Hirne und Herzen“ von Aufständischen wie den Huks zu gewinnen, setzte Lansdale zuvörderst auf psychologische Kriegführung der besonderen Art. Dazu zählte vor allem der Rückgriff auf Elemente volkstümlicher Glaubensvorstellungen, Aberglauben und die allgegenwärtige Furcht der einfachen Landbevölkerung vor Vampiren und ähnlichen Ungeheuern. In der Retrospektive ein buchstäblich schlagendes Beispiel für eine – aus Sicht der Herrschenden in Manila und Washington – erfolgreiche Counterinsurgency.
Um sozialpolitischem Unmut den Nährboden zu entziehen, haben seitdem sämtliche nachfolgenden Präsidenten Bodenreformen in Aussicht gestellt. Doch bis heute gelang es nicht, eine genuine Land-/Agrarreform zu verwirklichen. Entsprechende Gesetze wurden zwar feierlich verabschiedet, doch nicht umgesetzt. Schlupflöcher und Ausnahmeregelungen waren dafür ebenso verantwortlich wie der letztlich erfolgreiche Widerstand grundbesitzender Politiker, die bis heute im Repräsentantenhaus sowie im Senat tonangebend sind. Dies bildet bis dato den Nährboden für die in der Tradition der Hukbalahap agierende Neue Volksarmee (NPA), die als Guerillaorganisation der neu formierten Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP) seit der Jahreswende 1968/69 den mittlerweile längsten Konflikt dieser Art in Südost- und Ostasien führt.
Plus ça change, plus c’est la même chose
Trefflicher als mit dem ins Deutsche übertragenen Diktum „So viel sich auch ändert, es bleibt alles beim Alten“ lässt sich der Kern philippinischer Außenpolitik seit dem 4. Juli 1946 nicht charakterisieren. Vor allem bis Mitte der 1950er-Jahre, als Militärverbände beider Staaten alles daransetzten, die Hukbalahap zu zerschlagen, mussten außenstehende Beobachter den Eindruck gewinnen, dass die philippinische Innenpolitik just dort endete, wo die US-Außen- und Sicherheitspolitik begann. Nicht nur war Manila durch bilaterale Verträge und Abkommen mit Washington militärisch und strategisch eng an die USA gebunden. Diese Verbundenheit führte auch dazu, dass ein Jahr nach dem verheerenden Koreakrieg, am 8. September 1954, in Manila die SEATO – auch bekannt unter dem Namen Manila-Pakt – als südostasiatisches Pendant zur NATO aus der Taufe gehoben wurde. Es war die Hochzeit des Kalten Krieges, wo es aus Sicht der westlichen Führungsmacht darum ging, um die Sowjetunion und die am 1. Oktober 1949 von Mao Tse-tung proklamierte Volksrepublik China einen antikommunistischen, militärischen Cordon sanitaire zu legen.
Die enge Zusammenarbeit zwischen Manila und Washington in (außen-)politischen und militärischen Belangen währte bis zu Beginn der 1990er-Jahre. Mit dem Fall der Berliner Mauer, dem Auseinanderbrechen der Sowjetunion und anderer vormals realsozialistischer Staaten sowie der Räumung der einst von Moskau kontrollierten Militärbasis in Cam Ranh Bay (Vietnam) entfiel aus Sicht Washingtons die Notwendigkeit, in den Philippinen fortgesetzt militärische Stützpunkte zu unterhalten. Nachdem der philippinische Senat im Jahre 1991 mehrheitlich für die Schließung der US-Militärbasen im Lande votiert hatte, regelt seit 1999 das Visiting Forces Agreement (VFA) das bilaterale Verhältnis zwischen Manila und Washington in militärischen Belangen. Ergänzt und vertieft wird das VFA durch das ebenfalls umstrittene Enhanced Defense Cooperation Agreement (Erweiterte Abkommen über Verteidigungszusammenarbeit – EDCA), das am 28. April 2014 vom philippinischen Verteidigungsminister Voltaire Gazmin und dem US-Botschafter in Manila, Philip Goldberg, anlässlich des Staatsbesuchs von Präsident Barack Obama unterzeichnet wurde.
Spätestens seit dem zweiten Staatsbesuch von Präsident Ferdinand „Bongbong“ Marcos Junior in den USA (30. April bis 4. Mai), der 36 Jahre nach dem Sturz seines Vaters im Sommer 2022 siegreich in Manilas Präsidentenpalast Malacañang einzog, stehen US-Truppen landesweit auf Rotationsbasis mindestens neun Militärstützpunkte der Philippinischen Streitkräfte (AFP) zur Verfügung. In diesen Einrichtungen genießen die GIs nicht nur extraterritoriale Immunität; die Basen liegen unweit der Südspitze Taiwans und sind gleichzeitig eine strategisch überaus bedeutsame Heimstätte der in dieser Region insgesamt über 110.000 stationierten US-Soldaten, die von Guam aus über Japan, Okinawa und Südkorea inklusive eines Kontingents in Taiwan die Volksrepublik China einkreisen.
Mit Blick auf die Philippinen spricht Sonny Africa, Geschäftsführer des in Manila ansässigen Thinktanks und Forschungsinstituts IBON Foundation, denn auch unumwunden von einem neokolonialen Status seines Landes vis-à-vis Washington:
„Die Regierung Marcos Jr. hat in außenpolitischen Kreisen, die durch die US-amerikafeindlichen Äußerungen des früheren Präsidenten Duterte (2016-22 * ihm schwebte kurzzeitig eine Achse Manila-Beijing-Moskau vor Augen – Anm.: RW) und seine an China orientierte Rhetorik verunsichert waren, zeitweilig für Aufregung gesorgt. Es ist nicht nur die tröstliche Rückkehr zum Vertrauten, sondern auch der Reiz, wieder einmal von der Macht anerkannt und gelobt zu werden.
Doch die USA waren in ihrer Außenpolitik schon immer mehr opportunistisch als prinzipienfest. 1975, drei Jahre nach der Proklamation des Kriegsrechts, besuchte der damalige US-Präsident Ford die Philippinen, um der Marcos-Diktatur seine Unterstützung zu versichern. 1982, nach einem Jahrzehnt brutaler Menschenrechtsverletzungen und kolossaler Diebstähle, empfing der damalige US-Präsident Reagan Marcos Senior und lobte ihn für ‚große Fortschritte‘ bei den bürgerlichen Freiheiten.
Aus diesem Grund wird die derzeitige Regierung Marcos Jr. trotz ihres zutiefst korrupten, dynastischen und die Menschrechte verletzenden Charakters die Unterstützung der USA genießen. Zumindest so lange, wie die USA bekommen, was sie wollen, und die Philippinen nichts verlangen, was die USA nicht geben wollen – wie echte Freiheit und Entwicklung oder Souveränität und Unabhängigkeit.“
Titelbild: Dana Creative Studio/shutterstock.com
Dokumente, Links & weiterführende Literatur
- Africa, Sonny: BBM’s US trip: It’s all about US – IBON Foundation * ibon.org/bbms-us-trip-its-all-about-us/ [BBM steht für „Bongbong“ Marcos, so der Spitzname des Präsidenten – Anm.: RW]
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- Beaucar Vlahos, Kelly * responsiblestatecraft.org/2023/06/08/sen-rand-paul-my-colleagues-are-beating-the-drums-for-war-with-china/
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- Center for People Empowerment in Governance (CenPEG) / Policy Paper – May 2023 * cenpeg.org/…Coalition_Faces_Discord.html
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