Der Bologna-Prozess für einen „Europäischen Hochschulraum“ – oder wie ein europäischer Traum an der Wettbewerbsideologie zerplatzte
Der Aufsatz von Dieter Lemke „Lernen im Gleichschritt“ hat mich in meiner Kritik bestätigt, die ich seit längerer Zeit am Hochschulreformprozess hin zur „unternehmerischen“ Hochschule übe. Lemke endet mit dem Satz „Schade, dass der Name Bologna nun auch zum Symbol für das Begräbnis der Europäischen Universität geworden ist!“ So sehe ich das auch.
Die Bologna-Erklärung für einen „Europäischen Hochschulraum“ ist 1999 von 31 europäischen Bildungsministern unterzeichnet wurde. Ich war bis zum Jahre 2000 Staatssekretär im Nordrhein-Westfälischen Wissenschaftsministerium und habe deshalb die Diskussion um diese Erklärung mitverfolgt, ja sogar mitbegleitet. Aus heutiger Sicht muss ich enttäuscht feststellen, dass die Visionen und Hoffnungen, die ich zu Beginn damit verbunden habe, im Verlauf des Bologna-Prozesses geradezu pervertiert worden sind. Wolfgang Lieb
Hinweise des Tages
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Die Deutschen glauben dem Fernsehen nicht mehr
Das Marktforschungsinstitut „Ipsos“ befragte im Auftrag der Programmzeitschrift „Hörzu“ 1000 Personen ab 14 Jahre. Ergebnis:
- Mehr als die Hälfte aller Zuschauer (50,5 Prozent) glauben den TV-Berichten nicht mehr.
- Knapp 60 Prozent finden, das Fernsehprogramm sei „dümmer“ geworden.
- 57 Prozent halten das TV-Programm inzwischen für unüberschaubar.
Das meldet nun gerade die BILD-Zeitung. Erstaunlich sind die Umfragewerte aber nicht. Wolfgang Lieb
Lernen im Gleichschritt – die schöne neue Hochschulwelt
„Der Bolognaprozess mit seinen 45 Mitgliederstaaten setzt Standards, die auf der Ebene des jeweiligen Landes umgesetzt werden müssen“. Dies ist eine grotesk falsche Sachaussage, und man kann fast nicht annehmen, dass die Landesregierungsministerialen, die ja in der Regel Juristen sind, so blind gewesen sind, dies zu übersehen. Viel näher liegt da schon die Vermutung, dass die wahren Motive, die die Bundesländer zur zwingenden Durchsetzung der Bologna-Beschlüsse treiben, verdeckt werden sollen. Es ist also die Frage zu stellen: Welchen Vorteil haben die Bundesländer von der neuen Studienstruktur – einmal abgesehen von den hehren Phrasen zu Propagandazwecken? Die Antwort ist vor dem Hintergrund, dass fast alle Hochschulen seit zwei Jahrzehnten systematisch kaputt gespart worden sind, leicht zu finden: Es geht darum, Reformaktivität zu zeigen, ohne dass es etwas kostet, besser noch: dass die Reformaktivität sogar Argumente für weitere Einsparungen liefert.
Ein Beitrag von Dietrich Lemke, er ist als apl. Professor Schulpädagoge an der Universität Bielefeld.
Hinweise des Tages
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Edmund Stoiber: Linke Mehrheit im Bundestag
„Wir haben mit SPD, Grüne und der ehemaligen PDS seit 1998 eine linke Mehrheit im Bundestag“, das sagte Edmund Stoiber in einem Bild-am-Sonntag-Sommergespräch vom 5. August 2007. Wo er Recht hat, hat er Recht. Das Problem ist nur, dass sich diese Linke Mehrheit in der Politik der Bundesregierung nicht abbildet. Im Bund regiert die Große Koalition mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Vielleicht liegt in diesem Widerspruch zwischen politischer Mehrheit und Regierungsmacht der eigentliche Grund, warum sich die Politik der Bundesregierung der Bevölkerung so schwer vermitteln lässt. Wolfgang Lieb.
Die Reformen greifen: Bis zu 14,5 Prozent weniger Altersruhegeld für Neu-Rentner
Die Renten-Reformen haben offenbar zu einer deutlichen Reduzierung der Altersruhegelder geführt. Wie die “Bild”- Zeitung unter Berufung auf Zahlen der Deutschen Rentenversicherung Bund berichtet, sind die Bezüge für Versicherte, die im vergangenen Jahr in den Ruhestand gegangen sind, im Vergleich zum Jahr 2000 um bis zu 14,5 Prozent gesunken. Danach erhält ein Mann in Westdeutschland heute eine durchschnittliche Netto-Rente von 790 Euro im Monat, im Osten sind es 836 Euro. Frauen bekommen 434 beziehungsweise 660 Euro. Das liegt unter anderem daran, dass Frührentner deutliche Abschläge hinnehmen müssen und dass Senioren mehr in die Kranken- und Pflegeversicherung einzahlen müssen als früher. Wolfgang Lieb
DIHK: Weiterbildung – aber bitte im Urlaub
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) will, dass die Bundesbürger ihren Urlaub künftig verstärkt zur Weiterbildung nutzen. DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben verwies in der Tageszeitung “Die Welt” (Freitag) darauf, dass Deutschland zusammen mit Schweden die meisten Urlaubs- und Feiertage habe.
“Da ist genug Luft für beides: Erholung und Weiterbildung. Die Arbeitnehmer in Deutschland müssten mehr Ferien- und Freizeit in ihre Weiterbildung investieren – gerade auch vor dem Hintergrund des drohenden Fachkräftemangels.”
Hintergrund der Äußerungen ist der Zeitung zufolge ein neuer EU-Bericht zur Entwicklung der Arbeitszeiten in Europa. Demnach haben die Arbeitnehmer in Deutschland 40 Urlaubs- und Feiertage im Jahr. Nur die Schweden hätten noch zwei Tage mehr. Der EU-Durchschnitt läge bei 33,7.
Hier wird mit Halbwahrheiten die Verantwortung auf die Arbeitnehmer verschoben und die Wirklichkeit der Weiterbildung auf den Kopf gestellt. Wolfgang Lieb
Börsengang der Bahn – Volksvermögen in den Händen von Räuberbanden
30% Rendite erzielt man nicht durch Wertschöpfung und ehrliche Arbeit. Eine solche Rendite erzielt man allenfalls bei einer Monopolstellung auf einem Markt oder durch günstige Vermögenstransfers, also billigen Einkauf und teuren Verkauf. Da Private nicht so blöd sind, ihr Vermögen unter Preis zu verkaufen, brauchen die Rendite-Jäger den Staat. Ihn kann man fleddern, wenn man die staatlichen Entscheidungsträger entsprechend einnordet. Dafür gibt es Beispiele – Beispiele für vollendete Tatsachen und Beispiele für schwelende Prozesse. Vollendet ist die Verschleuderung ostdeutscher Banken an die westdeutschen Banken für einen Appel und ein Ei zulasten der Steuerzahler. Davon berichteten wir auf der Basis eines Artikels des Tagesspiegel vom 1.7.2005. Das müssen Sie (noch einmal) lesen, um sich die Augen öffnen zu lassen. Auch für das, was uns jetzt mit der Privatisierung der Bahn ins Haus steht. Hier sollen knapp 50% eines geschätzten Vermögenswertes von 150 bis 200 Milliarden für 8 bis 10 Milliarden an Private verkauft werden, also ungefähr zu einem Zehntel des echten Wertes.
So will es Bundesregierung und voraussichtlich auch der Bundestag. Wir, die Bevölkerung und die Nutzer der Bahn, sind dem scheinbar hilflos ausgeliefert. Deshalb unser Appell: Mobilisieren Sie in den Wahlkreisen. Tun Sie sich mit anderen Bürgerinnen und Bürgern zusammen, engagieren Sie sich in Gruppen von „Bahn für alle“, bei Attac oder anderen Initiatoren. Stellen Sie Ihre Abgeordneten zur Rede. Insbesondere die SPD-Abgeordneten, die ihre eigene Geschichte und besondere Leistung beim Aufbau öffentlichen Eigentums schändlich verraten.
Wir bieten Ihnen heute wieder einiges Material zur Information. Albrecht Müller.
Allmählich wächst der Widerstand der Hochschullehrer gegen die „unternehmerische“ Freiheit
Mit harscher Kritik an der hessischen Hochschulpolitik haben sich die Professoren des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Frankfurter Uni an die Öffentlichkeit gewandt, berichtet die FAZ vom 2. August 2007 auf Seite 4: Die den Hochschulen vom Wissenschaftsministerium zugewiesene Autonomie sei nicht bei den Professoren angekommen. Moderne Wissenschaftspolitik sehe in den Universitäten Wirtschaftsunternehmen und verabschiede sich aus der Verantwortung für die Ausstattung der Hochschulen mit der Empfehlung, sich Drittmittel zu beschaffen. Wolfgang Lieb.
Die selbsternannten „Reformer“ zerbrechen sich ihre Köpfe, „warum die Menschen Reformen nicht mögen“
Der Finanzminister ließ über das „Vermittlungsproblem“ bei der Reformpolitik eine Studie des ZEW erstellen. Nun soll in der Rubrik „Erklär mir die Welt“ der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschafts-Instituts (HWWI), Thomas Straubhaar, in der FAZ am Sonntag deren konservativem Leserpublikum die Welt der Reformen erklären. Wolfgang Lieb
Hinweise des Tages
(KR/WL)
Nachtrag IKB : Die Honoratioren der Wirtschaft sitzen im Aufsichtsrat und Beraterkreis. Was haben sie da getan?
Es ist schon irgendwie toll und auch typisch. Eine Bank hat einen staatlichen Mehrheitsaktionär (KfW: 38%), aber die Aufsichts- und Beratungsgremien werden von der Privatwirtschaft und den Verbänden beherrscht. Und noch etwas: eine Bank, die sich auch Mittelstandsbank nennt, wird von den Großen der Wirtschaft kontrolliert. Unten ist die Liste der Aufsichtsräte und Berater angehängt. Albrecht Müller.