Hinweis auf zwei interessante Beiträge zur politischen Ökonomie des Gesundheitswesens.

Der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) ist mit der ersten Lesung im Deutschen Bundestag in die entscheidende gesetzgeberische Phase getreten. Durch die zwei aktuellen Streitpunkte zwischen der CSU und der Gesundheitsministerin erstens über die Höhe der finanziellen Belastungen für Krankenkassen in wirtschaftlich stärkeren Bundesländern durch den neu geschaffenen Gesundheitsfonds und zweitens dem Konflikt über eine Öffnungsklausel, wonach künftig auch private Krankenversicherungen verpflichtet werden sollen, einen Basistarif anzubieten, der für jeden offen steht, wird die viel grundsätzlichere Problematik über den Sinn und die Konsequenzen des Wettbewerbs im Gesundheitswesens aus dem Blickfeld verloren. Unseren Leserinnen und Lesern, die sich über die politische Ökonomie des Gesundheitswesens, also etwa über das Mantra der Senkung der Lohnnebenkosten, etwas grundlegender informieren wollen, wollen wir auf zwei interessante grundlegende Darstellungen hinweisen.
Quelle 1: Hartmut Reiners, Der Homo oeconomicus im Gesundheitswesen, in einer Veröffentlichung des Wissenschaftszentrums Berlin [PDF – 192 KB]
Quelle 2: Nadja Rakowitz, Kritik der politischen Ökonomie des Gesundheitswesens, in links-netz

Konfliktforscher Heitmeyer: Feindselige Mentalitäten gegen schwache Gruppen werden durch Identitäts- und Nationalstolz-Kampagnen gefördert.

Die Ergebnisse aus der am 14. Dezember in Berlin von Professor Wilhelm Heitmeyer von der Universität Bielefeld, Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, vorgestellten Langzeituntersuchung “Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit” verweisen auf riskante Entwicklungen. Die Desintegrationsängste und -befürchtungen nehmen seit Projektbeginn 2002 deutlich zu. 38,3 Prozent der Befragten schätzen ihre eigene wirtschaftliche Lage als schlecht ein (2002 waren es noch 30 Prozent). Insbesondere seit Einführung von HARTZ IV berichtete mehr als die Hälfte der Befragten über Abstiegsängste. Die Spaltung der Gesellschaft lässt sich damit nicht nur an objektiven Kriterien, wie dem Nettogeldvermögen aufzeigen, sondern findet ihre Entsprechung auch in der Wahrnehmung der Bevölkerung. So vertreten 91,2 die Auffassung, dass Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden (2002 waren es noch 85,8 Prozent).

Die Demagogie in Sachen Demographie geht auch im neuen Jahr weiter.

Zwei Beispiele: Das Statistische Bundesamt kam heute mit einer Pressemitteilung: „2006: Bevölkerungsrückgang hält an.“ Und der Deutschlandfunk fragte:

“Deutschland vor dem Alterskollaps?
Den demographischen Wandel gestalten
Herausforderungen für 2007”

Quelle 1: Deutschlandfunk – Programmtipp
Quelle 2: Deutschlandfunk – Sendung als Podcast

Die Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes enthält nur die halbe Wahrheit. Die Sendung des Deutschlandfunks war einseitig besetzt. Albrecht Müller.

Arbeitsmarktexperte Paul Schröder: Keiner weiß, wie viele Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger es gibt.

Die Hartz-Gesetze hätten zu einem statistischen Chaos geführt, in dem niemand mehr den Durchblick behält. Vergangenes Jahr ist die Zahl der Arbeitslosen um knapp 600.000 gesunken, aber bis Ende Oktober sind nur 392.000 neue sozialversicherungspflichtige Stellen entstanden. Oder: Wenn man die Bezieher von Arbeitslosengeld I und II zusammenrechne, dann habe sich ihre Zahl letztes Jahr nur um 257.000 vermindert. Hier tue sich also eine Lücke von rund 340.000 Menschen auf, die irgendwie aus der Arbeitslosenstatistik verschwunden seien.
Es sei nicht einmal klar, wie viele Hartz-IV-Empfänger es wirklich gibt. Auch der Zuwachs an sozialversicherungspflichtigen Stellen sei keine verlässliche Zahl. Es irritiere, dass immer mehr Beschäftigte mit regulären Jobs nebenher noch Hartz-IV beziehen müssen. Offenbar nähmen vor allem Teilzeitstellen und Niedriglohnjobs zu.
Auch die Angabe der Bundesagentur, dass „nur“ 43 Prozent aller Arbeitslosen Langzeitarbeitslose seien, müsse in Frage gestellt werden: Ein Langzeitarbeitsloser müsse nur einen 1-Euro-Job machen oder eine Trainingsmaßnahme absolvieren, dann gelte er wieder als “kurzzeitig arbeitslos”.
Quelle: Interview mit Ulrike Herrmann in der taz

Michael Schöfer: Eine informative Zusammenstellung von Daten und Grafiken zu Außenhandel, Exportabhängigkeit und Lohnstückkosten

Der enorme Erfolg auf dem Weltmarkt ist zweifellos auf die stark gesunkenen Lohnstückkosten zurückzuführen. Aber die glänzende Seite der Medaille hat eine stumpfe Kehrseite: Die zurückgehenden Lohnstückkosten wurden mit erheblichen Einkommensverlusten der Arbeitnehmer erkauft. Seit der Wiedervereinigung sinken die Reallöhne der Beschäftigten kontinuierlich. Diese Kaufkraft fehlt logischerweise auf dem Binnenmarkt. Mit anderen Worten: Das Geld, das im Export verdient wird, kommt bei den Menschen nicht mehr in Form von Löhnen an. Und die verfehlte Steuerpolitik des Staates tut hier ein Übriges.
Quelle: Homepage von Michael Schöfer

Spiegel-Interview mit dem Staatsoberhaupt: Der neoliberale Stammtisch unter sich

Wenn Bundespräsident Horst Köhler, der Chefredakteur des Spiegels Stefan Aust, und der Leiter des Berliner Büros, Gabor Steingart zusammensitzen, dann sind neoliberale „Reformer“ unter sich. Da wird, wie Tom Schimmeck in der taz schrieb, den Schwachen mal so richtig Druck gemacht und den Mächtigen devot am Bauch gekrault. Ein solches Interview hat auch sein Gutes: Unser Bundesaufsichtsratsvorsitzender wird so richtig aus seiner ideologischen Reserve gelockt. Hier ein paar Kostproben.

“Die Zeit drängt – Deutschland braucht einen dritten Arbeitsmarkt”

Unter diesem Titel hat Iris Gleicke, Sprecherin der ostdeutschen SPD- Bundestagsabgeordneten ein 15-Punkte-Papier vorgelegt, das zum Jahresende einige Aufmerksamkeit auf sich zog. Text siehe unten. Obwohl die Vorschläge inzwischen wieder ziemlich aus der Diskussion verschwunden sind, will ich einige Anmerkungen dazu machen und Fragen stellen. Auch deshalb, weil unsere Leser sich für dieses Dokument sehr interessiert haben.

Krake Bertelsmann: Die Bertelsmann-Tochter Arvato managt in England eine Kommune mit 320.000 Einwohnern.

Arvato handelt in East Riding auch nach den politischen Maximen des Nachkriegs-Bertelsmann-Chefs Reinhard Mohn.
Seine Weltanschauung verklärt die Steuerungsverfahren aus der Betriebswirtschaftslehre zu einem gesellschaftlichen Leitbild: Alle Bereiche, von der Müllentsorgung bis zur Schulpolitik, werden in Mohns Welt der gleichen Systematik von Profitcentern, Budgetierung sowie Leistungsvergleichen unterworfen. Kernpunkte dieser Ideologie: Effizienz, gemessen am finanziellen Erfolg sowie dem Wettbewerb nach der Mohn-Devise: “So wenig Staat wie möglich”.
“East Riding ist unser Versuchslabor auch für Deutschland”, sagt Arvato-Vorstandmitglied Rolf Buch.
Quelle: taz

Was ist mit Franz Walter los? Über Helmut Schmidts Regierungszeit präsentiert er ein Sammelsurium von Klischees.

Früher war ich skeptisch gegenüber dem Parteienforscher Franz Walter. Dann fand ich seinen Versuch beachtlich, sich vom gängigen Denken freizuschwimmen. Jetzt schreibt er wieder Texte, bei denen man sich nur wundern kann. Am 31.12.2006 in SpiegelOnline über Helmut Schmidt, den „deutschen Krisen-Kanzler“, wie Walter meint. Das ist ein Text voller Klischees und voller unrichtiger und schräger Behauptungen. Franz Walter hat offenbar den Mut verloren, wenigstens etwas gegen den großen Strom des gängigen Denkens zu schwimmen. Schade. Albrecht Müller.