Lutz Hausstein, geboren 1968, hat in Leipzig ein Ökonomiestudium absolviert und war Teilnehmer an den Montagsdemonstrationen im Herbst 1989. Nach Durchsetzung der Agenda 2010 politisierte er sich zunehmend und trat 2005 in die neugegründete WASG ein. Seit 2008 beschäftigt er sich tiefergehend mit dem Thema Armut. Hausstein ist Autor der Studienreihe “Was der Mensch braucht” zur Höhe der sozialen Mindestsicherung sowie Ko-Autor mehrerer Bücher zu den Themen Armut und Mindestsicherung.
Gastbeiträge von Lutz Hausstein
Schein und Sein einer Nachricht
Gleich zu Beginn des Beitrags muss ich Abbitte leisten. Durch den Hinweis der NachDenkSeiten am 10.04. auf einen Artikel im „Spiegel“ zu einem Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus aufmerksam gemacht, hatte ich schnell meine Einschätzung dazu an der Hand. Zu schnell, wie ich an späterer Stelle erst bemerkte. Schienen doch die im „Spiegel“ dargelegten Fakten eine eindeutige Sprache zu sprechen.
Nun ist es einfach meist aus Kapazitätsgründen gar nicht möglich, alle Nachrichten und Informationen vollständig zu erfassen, zu verarbeiten und anschließend gar zu hinterfragen sowie auf Richtigkeit gegenzurecherchieren. Zur Verzerrung der Realität genügt es aber oftmals schon, kleine – aber wichtige – Details fortzulassen, ohne welche ein Sachverhalt eine völlig andere Wendung erhält. So stellen sich für mich in der Zwischenzeit auch die Zusammenhänge des Rechtsstreits des wegen Lohndumping verklagten Rechtsanwalts und des klagenden Jobcenters in einem völlig anderen Licht dar.
Von Lutz Hausstein[*]
Die beiden Seiten der Zocker-Medaille
In den vergangenen Wochen beherrschte die Causa Hoeneß maßgeblich die Medienlandschaft, wobei man sich auf die Frage der Steuerhinterziehung konzentrierte. Zusammenhänge, die sich hinter diesen Fakten verbergen, stellte jedoch kaum jemand her. So wurde der nunmehrige Ex-FC-Bayern-Präsident in einem Schnellprozess wegen der Hinterziehung von 28,5 Mio. Euro Steuern verurteilt, die – wenngleich nicht gerichtsrelevante – Frage nach Spekulationsgewinnen und -verlusten sowie deren jeweilige, ursächliche Herkunft blieb unbeachtet. Hinter dem Betrag an nichtgezahlten Steuern stehen jedoch erheblich höhere Beträge an Spekulationsgewinnen. Von Lutz Hausstein[*].
Doktor-Spiele
Die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg (BA) sowie die ihr unterstellten Jobcenter sind offensichtlich dabei, ihr Tätigkeitsfeld zu erweitern: auf das Gesundheitswesen. Schon im April dieses Jahres wurde eine Weisung der BA publik, nach der angebliche „Blaumacher“ unter den AlG2-Empfängern entlarvt werden sollen. Aktuell macht sich nun die Praxis breit, in offiziellen amtlichen Schreiben Krankheitsatteste von Ärzten schon vorbeugend für unzureichend zu erklären. Es scheint, als verfolge man im Umgang mit Sozialleistungsempfängern die „Taktik der kleinen Schritte“, welche mithilfe einer schleichenden Gewöhnung die schrittweise Entmündigung und Entrechtung der Betroffenen ohne größeres Aufsehen und somit ohne Widerstand in der Bevölkerung durchzusetzen sucht.
Von Lutz Hausstein[1]
In Gesetz gegossene Verfassungswidrigkeit
Die Anzahl der verhängten Sanktionen gegen arbeitslose und nichtarbeitslose ALG-2-Empfänger strebt unaufhaltsam von Rekordmarke zu Rekordmarke. Wurde im April dieses Jahres noch für das Jahr 2011 ein neuer Höchststand von über 912.000 von den Jobcentern ausgesprochenen Sanktionen vermeldet, deuten die Zahlen für das erste Halbjahr 2012 auf eine erneute Steigerung der Sanktionierungsversuche hin. Mit über 520.000 Sanktionen im ersten Halbjahr 2012 geht die Tendenz für das Gesamtjahr in Richtung über 1 Million. Dabei ist generell zu berücksichtigen, dass 42 Prozent der dagegen eingelegten Widersprüche, auch per Gerichtsentscheid, erfolgreich sind. Das mag als Fingerzeig dafür dienen, dass eine nicht unerhebliche Anzahl der verhängten Sanktionen selbst der aktuellen Rechtslage widerspricht. Von Lutz Hausstein[*]