Impfen fürs Vaterland – Blomes Offenbarungseid

Impfen fürs Vaterland – Blomes Offenbarungseid

Impfen fürs Vaterland – Blomes Offenbarungseid

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Neben den Debatten um Infektionszahlen, Lockdowns und die Gefahren von tödlichem Glühwein werden wir zurzeit Zeugen einer Neuauflage der Debatte um die Impfpflicht. Auch wenn selbst Scharfmacher wie Markus Söder eine Impfpflicht gegen Covid-19 immer noch kategorisch ausschließen, fordern zahlreiche Stimmen bereits eine Impfpflicht durch die Hintertür – ein bunter Strauß aus Reglementierungen, der Geimpften Vorteile und Nicht-Geimpften Nachteile bringen soll. Besonders lautstark meldet sich in dieser Debatte nun der ehemalige BILD-Mann Nikolaus Blome im SPIEGEL zu Wort, der das Impfen gar zur Pflicht fürs Vaterland erklärt und die gesellschaftliche Ächtung Nicht-Geimpfter fordert. Offenbar haben Blome und Co. sich nicht ernsthaft mit der Thematik beschäftigt, sind doch ihre Begehren nicht nur ethisch, sondern auch epidemiologisch hochproblematisch. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Wenn der Staat schon nicht die Traute hat, seine Bürger zu einer Impfung zu zwingen, so soll dies halt der Markt regeln. So lautet die simple Botschaft der Propagandisten einer Impfpflicht durch die Hintertür. Vorschläge dazu gibt es zuhauf: Wer nicht geimpft ist, soll beispielsweise Gaststätten oder Kulturveranstaltungen nicht besuchen oder nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln reisen dürfen. Also alle Orte, die abseits des privaten und beruflichen Umfelds als „Infektionsherde“ in Verdacht sind, sollen – so die Vorstellung – nur noch den Bürgern offenstehen, die ihrer Pflicht fürs Vaterland nachgekommen sind und sich haben impfen lassen. „Gemäßigte“ Stimmen schlagen als Alternative eine Skalierung der Reglementierung vor. Wer geimpft ist, der soll beispielsweise von der Maskenpflicht in Zug und Flugzeug befreit werden. Doch all diese Vorschläge gehen gleich in mehreren Punkten an der Realisierbarkeit und vor allem auch an der Sinnhaftigkeit vorbei.

Fragen wir zunächst, wie eine solche Zweiklassen-Impf-Gesellschaft überhaupt realisierbar wäre. Die Betreiber von Restaurants, Kinos oder Verkehrsgesellschaften sind privatrechtliche Personen oder Unternehmen. Ob der Staat ihnen per Gesetz oder Verordnung vorschreiben kann, wen sie bewirten, hineinlassen oder befördern, ist eine juristisch komplexe Frage, die ich als juristischer Laie nicht zu beantworten vermag. Entscheidender ist jedoch, dass jegliche Regulierung nach dem Impfstatus einen Impfnachweis verlangen würde. Einen solchen „Immunitätsnachweis“ lehnte jedoch der Ethikrat eindeutig ab und bereits im Mai scheiterte Gesundheitsminister Spahn mit dem Plan, einen solchen Nachweis gesetzlich zu verankern. Ohne Nachweis kann es aber auch keine Vor- und Nachteile für Geimpfte geben. Die derzeitige Debatte findet also im luftleeren Raum statt.

Gesetze lassen sich natürlich ändern, jedoch gibt es beim „Immunitätsnachweis“ einen entscheidenden Schönheitsfehler – es ist nämlich wissenschaftlich überhaupt nicht bekannt, ob Personen, die gegen eine Covid-19-Erkrankung immun sind, das Virus selbst nicht weiterverbreiten können. Mediziner sprechen in diesem Kontext von einer „sterilen Immunität“ – aufgenommene Viren werden direkt vom Immunsystem bekämpft, bevor sie sich überhaupt in den Zellen „einnisten“ und vermehren können. Ob dies bei Menschen, die Covid-19 durchgemacht haben, der Fall ist, ist nicht bekannt.

Und wie sieht es bei der Impfung aus? Auch bei sämtlichen Impfstoffkandidaten liegen dazu keine belastbaren Informationen vor. Vorklinische Tests an Primaten lassen jedoch Zweifel aufkommen. Bei ihnen hat der Impfstoff zwar dafür gesorgt, dass die Viren nach einer Infektion in den unteren Atemwegen erfolgreich bekämpft werden und sich so kein schwererer Krankheitsverlauf entwickeln konnte. In den oberen Atemwegen konnte sich das Virus jedoch erfolgreich vermehren. Oder um es einfach auszudrücken: Nach dem jetzigen Stand der Forschung erkranken zwar die meisten Geimpften nicht selbst, können das Virus bei einer Infektion aber sehr wohl weiterverbreiten. Sie sind also geschützt, aber nicht immun. Einen „Immunitätsnachweis“ kann es daher für Covid-19 auch gar nicht geben.

Und wenn Geimpfte das Virus weiterverbreiten können, kann man sie gemäß der Eindämmungslogik von RKI und Bundesregierung auch von keinen – wie Nikolaus Blome es nennen würde – „Pflichten“ befreien. Die Impfung ist ja aus gesellschaftlicher Sicht ein langwieriger Prozess, der je nach Schätzung bis zu mehr als ein Jahr dauern wird. Während dieser Impfphase wird jeder Geimpfte im öffentlichen Leben also – ob er es will oder nicht – auch auf Nicht-Geimpfte treffen, die er infizieren könnte. Nun lautet der offizielle Narrativ der AHA-Regeln ja nicht, dass man sich selbst, sondern dass man andere schützt. Doch wenn ein Geimpfter ohne Maske weiterhin das Virus weitergeben kann, kann man ihn gemäß des Grundsatzes, nachdem der Schutz Dritter das oberste Ziel sein soll, auch nicht von der Maskenpflicht befreien. Ansonsten könnte ein geimpfter Herr Blome schließlich einen ungeimpften Angehörigen einer Risikogruppe anstecken und das kann Herr Blome ja nicht wollen.

Und spätestens an dieser Stelle stellt sich auch Blomes hochemotionaler Sermon als Luftnummer heraus. Wenn die Impfung nicht dafür sorgt, dass man das Virus nicht weiterverbreiten kann, kann es auch keine „moralische Pflicht“ geben, sich selbst impfen zu lassen, um seine Mitmenschen zu schützen. Mit der Impfung schützt man primär sich selbst und nicht andere. Das ganze Gerede von Moral, Pflicht und Verantwortung ist also hier fehl am Platz.

Dennoch haben solche Artikel natürlich eine Wirkung, zumal nur den Wenigsten diese Zusammenhänge bekannt sein dürften. Nach aktuellen Umfragen will sich nur ein Drittel der Bevölkerung „definitiv“ impfen lassen. Ein weiteres Drittel will sich „wahrscheinlich“ impfen lassen und das übrige Drittel sieht die Impfung skeptisch und will sich wahrscheinlich oder definitiv nicht impfen lassen. Zwei Drittel der Bevölkerung teilen also nicht Blomes Ideen und sind nicht erpicht darauf, in der ersten Reihe zu stehen, wenn die Impfzentren ihre Tore öffnen. Insbesondere beim medizinischen Personal, dem ja die „Ehre“ zuteil wird, sich priorisiert impfen zu lassen, scheint die Begeisterung sich in überschaubaren Grenzen zu halten.

Diese Skepsis ist gut begründet, sollte man sich doch darüber im Klaren sein, dass es sich bei den Impfstoffen, die schon bald zum Einsatz kommen, um experimentelle Impfstoffe handelt, über die, insbesondere was die seltenen Nebenwirkungen angeht, noch sehr wenig bekannt ist. Letztlich muss daher jeder für sich selbst abwägen, welches Risiko er eingeht. Dies mag für Angehörige der Risikogruppen, für die Covid-19 eine sehr gefährliche Krankheit darstellt, eine andere Abwägung sein als für junge Menschen, für die etwaige Risiken des Impfstoffes bei einer sorgfältigen Abwägung schwerer wiegen als die Risiken einer Covid-19-Infektion. Es wäre schön, wenn ein jeder diese Abwägung im Idealfall auf Basis transparenter Informationen für sich vornehmen könnte. Doch daran ist leider nicht zu denken. Die Informationen sind weder neutral noch transparent. Stattdessen wird bereits jetzt mehr und mehr Druck auf die Menschen ausgeübt. Die Frage der Dauer der Lockdowns wird schon mit der Frage der Impfbereitschaft gekoppelt. Wer für sich also eine andere Abwägung trifft, soll demnach auch die Verantworung für die Maßnahmen tragen. Und wenn es nach einem Herrn Blome geht, sollen diejenigen auch moralisch an den Pranger gestellt werden. Das ist unlauter und undemokratisch.

Titelbild: Yalcin Sonat/shutterstock.com

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