Hinweise des Tages
Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante aktuelle Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen. Heute u. a. zu folgenden Themen: Finanzrise geht auf institutionalisierten Betrug zurück; Euro-Krise; Herrscher auf dem Derivate-Markt; DIW für stärkere Abschöpfung von Privatvermögen; Kranken-Policen: Finanzaufsicht BaFin geht gegen zu hohe Provisionen vor; Seine Durchlaucht zu Guttenberg; Kein Master ohne Zaster; Friedrich-Ebert-Stiftung: Dynamit in der Denkfabrik; Italien: Berlusconi am Abgrund. Albrecht Müller
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Krise geht auf institutionalisierten Betrug zurück
- Euro-Krise
- Herrscher auf dem Derivate-Markt
- DIW für stärkere Abschöpfung von Privatvermögen
- Kranken-Policen: Finanzaufsicht BaFin geht gegen zu hohe Provisionen vor
- Seine Durchlaucht zu Guttenberg
- Kein Master ohne Zaster
- Friedrich-Ebert-Stiftung: Dynamit in der Denkfabrik
- Italien: Berlusconi am Abgrund
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Krise geht auf institutionalisierten Betrug zurück
Betrügerisches Verhalten der Führungsriege von Finanzunternehmen führte in die Finanzkrise, erklärt Professor James Galbraith von der University of Texas in Austin. Die Wirtschafts- und Finanzkrise sei noch lange nicht vorbei, da der konjunkturellen Erholung einige Hindernisse entgegenstünden.
Galbraith fragt sich, wieso es nicht längst zu einer massiven Klagewelle gegen jene Finanzinstitute gekommen ist, die schlechte Produkte auf betrügerische Art und Weise verkauften. Und wieso sind die deutschen Staatsanwälte nicht längst aktiv geworden?
Der Finanzsektor müsse außerdem stark restrukturiert werden, erklärt er weiter. Die Banken seien zu groß und betrieben in ihrer gegenwärtigen Form Raubbau an den verschiedenen Volkswirtschaften.
Quelle: FAZ - Euro-Krise
- Wir Deutsche sollen noch mehr zahlen
Die Einführung von Euro-Bonds wird für Deutschland teuer werden. Auf den Staat kommt eine jährliche Mehrbelastung des Bundeshaushalts von mindestens 17 Milliarden Euro zu. Diese Berechnung hat natürlich nicht der Luxemburger Jean-Claude Juncker aufgestellt, als er Deutschland vorwarf, „ein bisschen simpel zu denken“, weil sich die Bundesregierung weigert, in der Währungsunion von allen Mitgliedsländern garantierte Euro–Anleihen einzuführen. Aber mit dieser Rechnung im Gepäck reist Bundeskanzlerin Angela Merkel in der kommenden Woche zum Brüsseler Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU.
So wie man einen guten Wein nicht verbessert, indem man Wasser hinein kippt, sowenig wird man das Zinsniveau für Bundesanleihen senken, wenn man mit Euro-Bonds aus nationalen Schulden Gemeinschaftsschulden macht. Deshalb rechnet Merkel wie folgt: Wenn der Bund künftig nur noch zum Eurodurchschnitt verzinste Kredite aufnehmen kann, führt das zu einer Mehrbelastung des Bundeshaushalts von jährlich mehr als 17 Milliarden Euro. …Bezahlen müssten für den höheren Einheitszins nicht nur der Bund und damit die Steuerzahler, sondern auch Immobilienkäufer oder Unternehmen mit höheren Kreditzinsen für Hypotheken oder Investitionen.
Euro-Bonds belohnten unsolide Länder. Die Einführung von Gemeinschaftsanleihen nähmen jeden Anreiz für gute Haushaltsführung. So würde in der Währungsunion das Tor zur Transferunion mit Finanzausgleich weit und endgültig aufgestoßen. „Durch Euro-Bonds wird der Steuerzahler ohne jedes Mitspracherecht zu Transferzahlungen gezwungen. Das halte ich für zutiefst undemokratisch“, sagt Otmar Issing, der ehemalige Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank. „Dann muss sich der deutsche Staat verschulden und der Steuerzahler muss zahlen ohne politisch Einfluss nehmen zu können.“ Issing befürchtet: Man wird mit kleinen Beträgen anfangen und wenn die gefährliche Idee erst einmal gekauft ist, dann gibt es kein Halten mehr.
Quelle: FAZAnmerkung JK: Nach einer Reihe von kritischen Beiträgen zur Krise des Euro (z.B. hier und dort) erlaubt die FAZ sich mit diesem Text einen intellektuellen Tiefpunkt.
Steltzner zieht alle Register der Mainstream-Meinungsmache: Warum soll der deutsche Steuerzahler für den Schlendrian der anderen zahlen; Was für Europa bezahlt wird, müsse im eigenen Land gekürzt werden usw.. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank Thomas Mayer warnt davor, dass die EU zur Gesellschaft mit unbeschränkter gegenseitiger Haftung verkommt; Otmar Issing, der ehemalige Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, hält Transferzahlungen für zutiefst undemokratisch. Die beiden Herren sollten sich einmal fragen, wer hier für wen haftet?
Auf diesen Artikel kann man eigentlich nur mit einem umfangreicheren Kommentar hinweisen. Es ist ein schönes Stück manipulativer Berichterstattung und offenbar als Schützenhilfe für die Bundesregierung gedacht. - Merkel zieht in die Euro-Schlacht
Beim Gipfeltreffen in Brüssel soll der Euro gerettet werden. Doch Kanzlerin Merkel hat kaum noch Freunde in Europa – weil sie nicht der Zahlmeister für die Euro-Schuldenmacher sein will.
Ausgerechnet in dieser Woche, wenn am Donnerstag der entscheidende Brüsseler EU-Gipfel zur Zukunft des Euro startet, steht die Kanzlerin einsam da: Sie wollte einen dauerhaften Krisenmechanismus, der die Stabilität der Gemeinschaftswährung garantieren und private Gläubiger beteiligen sollte; nun bekommt sie eine weichgespülte Variante, bei der “von Fall zu Fall” entschieden werden soll.
So sagte FDP-Chef Guido Westerwelle der “Wirtschaftswoche”, man müsse sicherstellen, “dass wir Deutschen die Hand auf unserer eigenen Kasse behalten”. Und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer warnte vor der Juncker-Idee der Euro-Bonds: “Wer heute eine Vergemeinschaftung der Schulden in Europa zulässt, der landet morgen bei den Vereinigten Schulden-Staaten von Europa.”
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt fordert von den EU-Staats- und Regierungschefs eine klare Absage an gemeinsame europäische Staatsanleihen. “Euro-Bonds sind nur das Codewort für: die deutsche Steuerkasse plündern”, so Dobrindt zu SPIEGEL ONLINE. Es könne in Europa keine Arbeitsteilung geben “nach dem Motto: die einen machen die Schulden und die anderen müssen sie bezahlen”.
Quelle: SPIEGELAnmerkung Leser G.G.: Am Donnerstag werden sich in Brüsse also die Staats- und Regierungschefs der EU treffen, um einen “permanenten Krisenmechanismus” für angeschlagene Länder der Euro-Zone zu beschließen, der ab Mitte 2013 greifen soll. Als Begleitmusik polemisiert die erste und zweite Reihe der politischen Klasse in Deutschland – mit Ausnahme der Linkspartei – gegen Euro-Bonds.
Wie die PIGS mit “differenzierten Zinsen” aus dem Quark kommen sollen, verraten unsere National-Helden von Merkel bis Meister, von Seehofer bis Schneider allerdings nicht. Strampeln allein genügt da nämlich nicht.
“Wer heute eine Vergemeinschaftung der Schulden in Europa zulässt, der landet morgen bei den Vereinigten Schulden-Staaten von Europa”, tönt u.a. der CSU-Vorsitzende. Mal abwarten, wie es klingt, wenn er – was nicht lange dauern wird – von Merkel eine SMS erhält, die ihn im Auftrag von Ackermann auf den jüngsten Bericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) verweist (siehe unten). Da werden 17 Milliarden schnell zu einem Schnäppchenpreis. - Irland und Co. schulden Deutschland eine halbe Billion Dollar
Deutsche Banken und Anleger haben in den Euro-Krisenländern Forderungen von über einer halben Billion Dollar. Das geht aus dem jüngsten Bericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hervor, der am Sonntag in Basel veröffentlicht wurde. Dabei geht es um die Länder Griechenland, Irland, Portugal und Spanien, die mit etwa 513 Milliarden Dollar (388 Milliarden Euro) bei Deutschland in der Kreide stehen.
Die “Zentralbank der Zentralbanken”, wie die BIZ auch genannt wird, sieht die Gesamtforderungen auf der Welt an diese vier Länder für das zweite Quartal 2010 bei 2,2 Billionen Dollar. Aufgeschlüsselt liege der Anteil der grenzüberschreitenden Forderungen zwischen 60 Prozent im Falle Portugals und 76 Prozent im Falle Irlands. Für Griechenland und Spanien lag der entsprechende Anteil bei 64 und 69 Prozent.
Quelle: SPIEGELAnmerkung AM: Es geht nicht um deutsche Forderungen, sondern um die Rettung deutscher Banken.
- Optionen für die Währungsunion: So ist der Euro noch zu retten
1,7 Prozent Wachstum erwartet die EU-Kommission für das Jahr 2010, das durchschnittliche Haushaltsdefizit liegt bei 6,3, die Staatsverschuldung bei 84,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Daran gemessen steht die Euro-Zone besser da als andere große Volkswirtschaften.
Das fundamentale Problem wird erst deutlich, wenn man in die Euro-Zone hineinschaut – und erkennt, wie stark die Entwicklung der einzelnen Länder auseinandergeht. Bei Wachstum, Defizit und Leistungsbilanz gibt es Diskrepanzen, die ein gemeinsamer Währungsraum auf Dauer nicht ertragen kann. Das haben die Investoren und Spekulanten an den Finanzmärkten schon im Frühjahr festgestellt. Seitdem herrscht am Markt für Staatsanleihen eine Unsicherheit, die die europäischen Regierungen bisher nicht beseitigen konnten. In der Politik, speziell in der deutschen, scheint die Einsicht deutlich später anzukommen als an den Märkten – vielleicht zu spät.
Nicht nur die Euro-Zone, sondern die gesamte EU steht vor einer Richtungsentscheidung: Entweder die Regierungen einigen sich auf eine grundlegende Reform, oder die Währungsunion wird in den nächsten Jahren auseinanderbrechen.
Was wäre daran so schlimm? Diese Frage wird gerade in Deutschland häufig gestellt. Schließlich ging es uns jahrzehntelang auch ohne Euro und mit der D-Mark gut. Doch der Preis, den Deutschland heute für das Ende der Euro-Zone zahlen müsste, wäre zu hoch, als das man dieses Experiment wagen sollte.
Quelle: FTD
- Wir Deutsche sollen noch mehr zahlen
- Herrscher auf dem Derivate-Markt
Die New York Times berichtet von einem geheimen Gremium von neun Vertretern großer US-Banken, die jeden dritten Mittwoch des Monats zusammenkommen, um gemeinsam über den Derivatemarkt zu herrschen. Laut NYT gehören Vertreter von JP Morgan Chase, Goldman Sachs und Morgan Stanley der Gruppe an, die Namen der Teilnehmer seien jedoch unbekannt. Ihr Ziel sei u.a., andere Akteure am Markteintritt zu hindern.
Quelle: New York Times - DIW für stärkere Abschöpfung von Privatvermögen
Die Staatsverschuldung steigt dramatisch. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung rät zu einer stärkeren Abschöpfung privater Vermögen.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin schlägt eine stärkere Abschöpfung von privaten Vermögen vor, um die wachsende Staatsverschuldung in Deutschland in den Griff zu bekommen. Das geht nach Angaben der „Saarbrücker Zeitung“ aus dem neuesten DIW-Wochenbericht hervor, der an diesem Mittwoch offiziell erscheint.
Darin heißt es nach Angaben des Blatts: Neben der Notwendigkeit eines mittelfristigen Konsolidierungsprogramms mit einem ausgewogenen Mix aus Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen könne man die höheren Einkommen und Vermögen belasten, die in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen hätten.
Quelle: WELTAnmerkung: Die eingeblendete Buchwerbung: „Schön reich – Steuern zahlen die anderen“ im Artikel ist mehr als passend dazu…
Sascha Adamek; Kim Otto
Schön reich – Steuern zahlen die anderen
Heyne Verlag, 05/2009, ISBN-13: 9783453162877 - Kranken-Policen: Finanzaufsicht BaFin geht gegen zu hohe Provisionen vor
Die Finanzaufsicht BaFin tadelt in einem Rundschreiben die Vorstände der privaten Krankenversicherer wegen der Provisionsschinderei der Vertriebe. Die Manager hätten dafür Sorge zu tragen, dass die Abschlusskosten einen angemessenen Rahmen nicht überschreiten, heißt es in dem Schreiben. Sie würden dieser Verantwortung nicht gerecht, “wenn sie mit Vermittlern und Maklern zusammenarbeiten, die offensichtlich aus Profitstreben die Qualität der Beratung vernachlässigen”. Fallen der BaFin Fehlentwicklungen bei einem Versicherer auf, will sie der Sache mit einer Sonderprüfung auf den Grund gehen.
In der privaten Krankenversicherung tobt ein harten Kampf um Kunden. Die Zahl der potenziellen Neukunden ist aufgrund gesetzlicher Bestimmungen stark eingeschränkt. Versicherer versuchen Vermittler mit hohen Provisionszahlungen dazu zu bringen, für sie Geschäft abzuschließen. Früher waren Zahlungen in Höhe der ersten zwölf Monatsbeiträge des Kunden die Spitze, heute sind 14 Monatsprämien und mehr zuzüglich diverser Zuschüsse für IT oder Marketing nicht selten. Im laufenden Quartal legen manche Versicherer sogar noch drei Monatsprämien oben drauf. Die Bundesregierung hat die Wechselmöglichkeit für Angestellte in die private Krankenversicherung erleichtert, dieses Geschäft wird jetzt verteilt. Für die exorbitanten Abschlusskosten aufkommen müssen die Kunden mit ihren Beiträgen, auch wenn der Zahlungsstrom an den Vermittler über den Versicherer läuft.
Quelle: FTD - Seine Durchlaucht zu Guttenberg
- Truppenbild mit Dame
Neue Pirouetten im “Paarlauf fürs Kanzleramt”: Karl-Theodor zu Guttenberg reist mit Ehefrau und Talkmaster ins Kriegsgebiet und treibt seine Selbstinszenierung auf die Spitze.
Die Weste sitzt, der Blick, staatstragend und nachdenklich, klebt am Horizont, an den Gipfeln des Hindukusch. Wieder besucht Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg die deutschen Truppen in Afghanistan, man kennt das ja. Es ist schließlich bereits das siebte Mal seit seinem Amtsantritt, dass Guttenberg dorthin reist. Und wieder gibt es diese Bilder von Deutschlands beliebtestem Politiker: Er ganz der professionelle Kriegsbesucher, vom dunklen Parka bis zur Lässigkeit, mit der er den Stahlhelm in der Hand trägt.
Und doch ist etwas diesmal anders an den Bildern: Guttenberg ist nicht allein. Neben ihm steht seine Frau Stephanie, ebenfalls in dunklem Anorak und Schutzweste und auch nach dem unbequemen Flug in der Transall völlig unzerzaust. Es ist das erste Mal, dass ein Verteidigungsminister in Begleitung seiner Ehefrau ins Kriegsgebiet reist.
Quelle: SZ - Zu viel des Guttenberg
Vor den Guttenbergs gibt es kein Entrinnen. Am Sonntag wird der Verteidigungsminister im ZDF-Jahresrückblick von TV-Entertainer Thomas Gottschalk als “Lichtgestalt” eingeführt. Tags darauf läuft die Guttenberg-Show in Afghanistan weiter: Samt Gattin Stephanie geht es zum Truppenbesuch an den Hindukusch. Die Anwesenheit der Ehefrau garantiert dem Ereignis die gewünschte mediale Breitenwirkung.
Der Minister überschreitet damit aber eine rote Linie. Die Feldlagerkulisse taugt nicht zur Selbstinszenierung, ja sie verbietet sich.
Quelle: FTDAnmerkung J. K.: Bereiten wir uns doch schon einmal auf seine Durchlaucht Kanzlerkandidat Guttenberg in nicht allzu ferner Zukunft vor.
Anmerkung unseres Lesers G.K.: Man muß der Financial Times Deutschland geradezu dankbar sein, daß sie den propagandistischen Feldzug nahezu sämtlicher Medien zu Gunsten des blaublütigen Bundesverteidigungsministers nicht uneingeschränkt mitmacht. Dieser Minister soll allem Anschein nach mit medialer Brachialgewalt ins Kanzleramt geschrieben und gesendet werden. Sogar grundgesetz- und völkerrechtswidrige Forderungen dieses Bundesministers stellen für die Medien keinen Hinderungsgrund dar, Guttenberg permanent den roten Medienteppich auszurollen. Siehe hierzu auch den NachDenkSeiten-Beitrag “Guttenberg: Wirtschaftsinteressen militärisch sichern“.
- Fahrender Frontschauspieler
Was ist das, wenn ein Verteidigungsminister seine Soldaten im Einsatz besucht? Seine verdammte Pflicht? Ach was! Es ist, lässt Karl-Theodor zu Guttenberg uns wissen, “eine Frage des Herzens”.
Nichts gegen die Soldatinnen und Soldaten, die sich, wenn der Minister kommt, über die Aufmerksamkeit und Anerkennung freuen. Sie machen schließlich die Drecksarbeit, und das wird auch würdigen, wer diesen Krieg für falsch und gescheitert hält. Nicht verdient aber haben sie es, als Kulisse missbraucht zu werden für die Werbespotisierung der Politik.
Werbung, vor allem im Fernsehen, tut genau das, was Guttenberg gewissenhaft zum Stilmittel seiner Karriere ausbaut: Werbung macht Image unter Umgehung des Arguments. Ob und was dieses Image mit dem Produkt zu tun hat, spielt höchstens eine zweitrangige Rolle. Oder wussten Sie, wie “aprilfrisch” riecht, bevor man Ihnen beibrachte, dass “aprilfrisch” nach Weichspüler riecht?
Das Produkt Guttenberg verschweigt seine wirklichen Inhaltsstoffe zwar nicht, so wenig wie der Weichspüler. Wer Kleingedrucktes und Packungsbeilagen liest, entdeckt auch hier eine ganze Menge realer Zutaten: von der Abschaffung der Wehrpflicht bis zum peinlichen Eiern bei der Bewertung des tödlichen Bombardements von Kundus vor einem Jahr. Und wer noch genauer hinschaut, entdeckt hinter der mehrsprachig parlierenden Glanzfigur die Konturen eines elitären, nationalistischen und in Teilen reaktionären Weltbildes.
Quelle: FRAnmerkung J. K.: In der Tat erstaunlich, dass die „Qualitätszeitungen“ bei dieser Inszenierung einmal nicht mitziehen.
- Truppenbild mit Dame
- Kein Master ohne Zaster
Bis zum Donnerstagmorgen war alles gut in Goslar. Ein Besuch in der alten Heimat kann durchaus auch mal deprimieren, aber Frank Taeger hatte sich gefreut, seine Mutter zu sehen, Freunde zu treffen; es war schön, durchs altehrwürdige Zentrum der Stadt im Harz zu spazieren. Dann allerdings ging er in die dortige Commerzbank-Filiale.
Danach wusste der 25-Jährige nicht mehr, wie sein Leben jetzt überhaupt weitergehen sollte.
Taeger, Student in Köln, hatte in der Bank eine Botschaft bekommen, die sein Leben völlig auf den Kopf stellte. Die Beraterin, mit der er zusammensaß, teilte ihm drei Dinge mit. Er bekomme, erstens, keinen weiteren Kredit mehr. Er müsse, zweitens, seine hohen Schulden schon bald zurückzahlen. Und man werde, drittens, keine Rücksicht auf seine finanziellen Verhältnisse nehmen.
Die Geschichte von Frank Taeger ist die Geschichte eines Studenten, der Geld braucht, um die Studiengebühren zu entrichten, und dabei in eine Falle tappt. Sie spielt sich derzeit in vielen deutschen Universitätsstädten ab und im Leben vieler Studenten. Es geht um eine Sollbruchstelle in Darlehensverträgen, die Banken mit Studenten abschließen. Sie betrifft den Übergang vom Bachelor zum Master.
Quelle: SPIEGEL - Friedrich-Ebert-Stiftung: Dynamit in der Denkfabrik
Eigentlich wollte er nach 29 Jahren Bundestag einen Schlussstrich ziehen. „Keine Interviews mehr, kein Einmischen“, nahm sich Peter Struck vor. Statt dessen: Motorrad fahren, Klavierunterricht, mit den Enkeln spielen. „Entschleunigung“ predigte der damalige SPD-Fraktionschef. Ein Jahr später tritt der 67-Jährige aufs Gaspedal: Seit Monatsbeginn vermittelt er als Schlichter im Tarifkonflikt der Bahn. Und heute dürfte er nach hartem Kampf den Vorsitz der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) übernehmen.
Die Personalie ist alles andere als selbstverständlich. Immerhin hat SPD-Chef Sigmar Gabriel persönlich versucht, den Wechsel des Polit-Rentners an die Spitze der parteinahen Organisation, die weltweit 614 Menschen beschäftigt und über einen beachtlichen Etat von 128 Millionen Euro verfügt, zu verhindern.
Der Parteisoldat Struck, der sich eher als pragmatisch-raubeiniger Macher denn als analytischer Kopf einen Namen gemacht hat, wäre in einem Think Tank wohl fehl am Platz. Doch als Gabriel seine Attacke startete, hatte der Ex-Verteidigungsminister mit der FES-Spitze längst eine Allianz geschlossen. Sanktionsmöglichkeiten hat die SPD nicht. Gabriel blieb bei einer Sitzung nur, mit einem „Nachspiel“ zu drohen und die Tür zuzuknallen. „Sigmar ist Opfer seines ungestümen Temperaments geworden“, sagt ein Mitglied des Parteivorstandes. Tatsächlich wies Gabriels Vorstoß neben der Terminierung weitere Schwächen auf: So brachte er als personelle Alternative Ex-Finanzminister Peer Steinbrück ins Gespräch. Der hatte sich nach FR-Informationen von der Anfrage geehrt gefühlt, jedoch nie definitiv seine Bereitschaft zur Übernahme des Ehrenamts erklärt.
Quelle: FRAnmerkung J.K.: Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Peer Steinbrück als Kopf eines programmatisch-intellektuellen Kraftzentrums der SPD.
- Italien: Berlusconi am Abgrund
In zwei Demonstrationszügen bewegten sich die Gegner des Regierungschefs Silvio Berlusconi am Samstag durch Roms Innenstadt, ehe sie sich auf der Piazza San Giovanni versammelten. Selbst der riesige traditionelle Aufmarschplatz der Linken, vor der Laterans-Basilika, konnte die Hunderttausende von Demonstranten kaum fassen. „Das ist der Beginn einer historischen Wende, die zum Ende der Regierung Berlusconi führen wird“, beschwor Pier Luigi Bersani, Chef der „Demokratischen Partei“ (PD) alle jene, die das nach 16 Jahren Berlusconi gern glauben möchten.
Am Ende könnte es Silvio Berlusconi also gehen wie seinem Vorgänger Romano Prodi: Er stürzt am 14. Dezember im Parlament über einen Königsmord aus den eigenen Reihen. Doch noch ist es nicht soweit, noch schießen die Spekulationen ins Kraut, ob wirklich das Ende der Ära Berlusconi bevorsteht, ob Parlamentspräsident Gianfranco Fini und die Mitglieder der neuen Partei „Freiheit und Zukunft für Italien“ (FLI) den Mut haben, Berlusconi im Abgeordnetenhaus zu stürzen.
Quelle: FR