Hinweise des Tages
Heute unter anderem zu folgenden Themen: Hartz-Regelsätze; wer ist Heinz Buschkowsky; Wende in der Lohnpolitik; Arbeitsministerin von der Leyen vernichtet reguläre Jobs; Rente mit 67 ist nicht vertretbar; Anhörung Altersarmut: Experten befürchten Zunahme; Bankraub: Der Fall Hypo Real Estate; Pharmalobby diktiert Gesetzesänderung Nr. 4; Stuttgart 21; Gabriel: 25 Milliarden für die Bildung; Werkbank statt Hörsaal; magere Zwischenbilanz bei Bachelor-Studiengängen; Der andere Krieg gegen den Irak; Kriege jenseits unserer Wahrnehmung. (WL)
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Hier die Übersicht, Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Hartz-Regelsätze
- Wer ist Heinz Buschkowsky
- Gerhard Bosch: Wende in der Lohnpolitik?
- Arbeitsministerin von der Leyen vernichtet reguläre Jobs
- Vierter Monitoring-Bericht belegt: Rente mit 67 ist nicht vertretbar
- Anhörung Altersarmut: Experten befürchten Zunahme
- Bankraub: Der Fall Hypo Real Estate
- Pharmalobby diktiert Gesetzesänderung Nr. 4
- Stuttgart 21
- Gabriel: 25 Milliarden für die Bildung
- Werkbank statt Hörsaal
- Magere Zwischenbilanz bei Bachelor-Studiengängen
- Der andere Krieg gegen den Irak
- Kriege jenseits unserer Wahrnehmung
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Hartz-Regelsätze
- Das ist drin im neuen Hartz-IV-Satz
Die Bundesregierung beruft sich bei der Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze auf das Statistische Bundesamt – und findet, dass einem Hartz-IV-Empfänger kein Haustier, keine Schnittblumen und auch keine Zimmerpflanzen mehr zustehen.
Das Existenzminimum ist eng begrenzt: Bier, Zigaretten, Schnittblumen, Haustiere, der eigene Garten oder auch Benzin für ein Auto gehören nicht dazu. Die von der Bundesregierung geplante Anhebung der monatlichen Zahlungen an Hartz-IV-Bezieher um fünf Euro auf 364 Euro fällt auf den ersten Blick karg aus. Aber bei derzeit etwa 4,7 Millionen erwachsenen Hilfeempfängern schlägt jeder Euro mehr im Bundeshaushalt mit etwa 60 Mio. Euro jährlich zu Buche.
Das Arbeitsministerium hat daher in seinem Gesetzentwurf im Detail dargelegt, welche Ausgaben Geringverdienerhaushalte im Jahr 2008 laut einer Stichprobe des Statistischen
Bundesamtes hatten. Die Regierung will damit auch nachweisen, dass sie dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts nachgekommen ist, das Existenzminimum auf nachvollziehbare Weise zu ermitteln. Nicht berücksichtigt wurden Ausgaben, die die Koalition nicht zum Existenzminimum zählt:
Internet und Praxisgebühr Neu hinzugerechnet zum Existenzminimum für Erwachsene werden Kosten für das Internet und die Praxisgebühr. Im geplanten Regelsatz von 364 Euro für die Lebenshaltungskosten eines Monats sind aber nicht die tatsächlichen Kosten berücksichtigt, sondern die durchschnittlichen Kosten aller Geringverdienerhaushalte – ob sie einen Internetzugang besitzen oder nicht.
Für die Praxisgebühr sind 2,64 Euro im Monat im Regelsatz enthalten, für das Internet 2,28 Euro. Dass davon kein Internetanschluss zu finanzieren ist, weiß auch die Regierung. Für einen Geringverdienerhaushalt, der das Internet nutzt, hat das Statistische Bundesamt monatliche Ausgaben von gut 14 Euro ermittelt. Da aber die wenigsten im Internet surfen, ergeben sich im Durchschnitt aller Geringverdienerhaushalte 2,28 Euro.
Auch 1,61 Euro für “außerschulischen Unterricht und Hobbykurse” sind künftig im Regelsatz berücksichtigt.
Nicht zum Existenzminimum gehören neuerdings Alkohol und Zigaretten. Sie waren zuletzt noch mit etwa 14 Euro im Regelsatz berücksichtigt worden. Um den Flüssigkeitsverlust zu ersetzen, der nach Einschätzung der Ministerialbeamten durch den Verzicht auf zwölf Liter Bier entsteht, werden aber 2,99 Euro im Monat für Mineralwasser im Regelsatz hinzugerechnet. Das Ministerium weiß aber gar nicht, wie viel Bier ein Langzeitarbeitsloser trinkt. Es hat nur akribisch gerechnet.
Quelle: FTD - Heribert Prantl: Schwarz-gelbe Ausgrenzungspolitik
Die schwarz-gelbe Hartz-IV-Politik ist Ausgrenzungspolitik – wie gesagt, nicht nur der fünf Euro wegen, sondern wegen der Art und Weise, wie man mit den Armen umgeht. Man tut so, als handele es sich um Kuckucke, die sich im Nest des Sozialstaats breitmachen und nur den Schnabel aufreißen. So werden Schicksale verhöhnt.
Natürlich gibt es unter den Hartz-IV-Empfängern solche, die es sich in sozialer Verwahrlosung irgendwie eingerichtet haben und den Staat als Zapfanlage betrachten. Die schlechteste Reaktion darauf wäre die, alle Hartz-IV-Empfänger dafür zu bestrafen.
Es darf daran erinnert werden, dass es Missbrauch und Betrug unten und oben in der Gesellschaft gibt. Unter den Armen sind Leute, die jahrzehntelang hart gearbeitet haben und die nach zwölf oder achtzehn Monaten Arbeitslosigkeit Hartz IV erwischt hat. Sie haben ihr Arbeitsleben lang Sozialbeiträge bezahlt. Sie haben Erwartungen an einen Sozialstaat, der ihnen in Not hilft. Die Art und Weise, wie ihnen jetzt fünf Euro über den Tisch gerollt werden, ist unwürdig.
Das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 hat nicht nur die völlige Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze verlangt. Die Richter haben dieser Neuberechnerei eine ganz besondere, eine verfassungsrechtliche Bedeutung gegeben: Sie haben ein Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum formuliert.
Dieses Grundrecht sichert, so schreibt das höchste Gericht, “jedem Hilfebedürftigen diejenigen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind”. So heißt es im ersten Leitsatz des Urteils. Die Bundesregierung hat sich offenbar nicht von diesem Leitsatz, sondern von der Haushaltslage leiten lassen. Sie hat ein Grundrecht missachtet.
Quelle: SZ - Gustav Horn: “Man muss auch mal ein Bier trinken dürfen”
tagesschau.de: Sichern die geplanten Hartz-IV-Regelsätze das Existenzminimum?
Gustav A. Horn: Ich habe große Zweifel daran, denn man hat aus den Berechnungen Wesentliches herausgenommen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zu Hartz IV angemahnt, die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben müsse gewährleistet sein. Dazu gehört, dass man sich mal ein Buch kaufen oder ins Kino gehen kann. Dazu gehört aber auch, dass man mal ein Bier trinken darf. Dies wurde heraus genommen mit der sehr populistischen Begründung, man wolle keinen Rausch finanzieren. Aber bei den bisherigen Regelsätzen kann doch nicht von Finanzierung von Rausch die Rede sein.
tagesschau.de: Im Gegenzug wurden jetzt die Sätze für Mineralwasser, Internet-Zugang und Praxisgebühr erhöht. Ist das nicht eine sehr sinnvolle Neugewichtung?
Horn: Es geht nicht darum, was der Staat für sinnvoll hält, sondern darum: Kann der Arbeitslose am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Und um dies beurteilen zu können, muss man analysieren, was andere Menschen mit niedrigem Einkommen für Bedürfnisse haben. An diesem Konsumverhalten muss man sich orientieren. Was der Staat gut oder schlecht findet, steht auf einem anderen Papier…
tagesschau.de: Die Bundesregierung will den Druck auf Arbeitslose erhöhen, sich einen Job zu suchen. Gibt es denn auf dem Arbeitsmarkt genügend Jobs für die Langzeitarbeitslosen?
Horn: Das ist eine weitere Illusion – durch Druck die Menschen in Arbeit zu bringen, als würden auf diese Weise noch Arbeitsplätze geschaffen. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen wir immer noch sind, gibt es genau diese Arbeitsplätze nicht. Der Druck geht also ins Leere.
Quelle: Tagesschau - Disziplin durch Abstinenz
Es geht nicht um die kleine Summe selbst, nicht darum, dass einige Flaschen Bier und zwei Schachteln Zigaretten im Monat zu teuer wären. Dahinter ist eine symbolische Geste zu vermuten, die vom Arbeitslosen ausgeführt werden soll. Eine Geste, die der puritanischen Ethik entstiegen ist. Dabei wird sich auf Stereotype gestützt, die seit geraumer Zeit verstärkt zum Einsatz kommen – zwei Widerparte, die künstlich gegeneinander positioniert werden: dem faulen, sittenlosen, tagesstrukturarmen, verwahrlosten Erwerbslosen stellt man eine Gestalt gegenüber, die es so nicht gibt: den fleißigen, sittsamen, durchstrukturierten, gepflegten Erwerbstätigen, der nebenher auch noch der Ernährer seines negativen Gegenentwurfes ist. Schwarz und weiß; gut und böse!
Darauf lässt sich ein disziplinierendes Sendungsbewusstsein türmen. Der negative Bürgerentwurf ist an den positiven Bürgerentwurf anzugleichen – das Sozialwesen ist damit ganz im Sinne Foucaults zu einer schleifenden und drillenden Instanz geworden, die überwacht und straft, um ihre gewünschten Lernziele umzusetzen, Lebensentwürfe im Sinne der gesellschaftlichen Normen bestmöglich anzugleichen. Der Verzicht des Lotterhaften, um damit den Tugendhaften näherzukommen, ist daher eine symbolische Handlung, ein quasi-zeremonieller Akt, der den zu Belehrenden endlich wieder auf die tugendhafte Bahn geleiten soll. Der zu disziplinierende Schüler hat den Beweis vor aller Augen zu erbringen, fortan keine Unterstützung für seine Laster mehr erfahren zu wollen – denn dem Laster selbst, wenn es dieses überhaupt gibt, kann man leider nicht moralisierend Einhalt gebieten.
Quelle: ad sinistram - Deutschland zwischen Hartz und HRE
Die schreiende Ungerechtigkeit, mit der nicht nur das Volkseinkommen, sondern auch und gerade Steuergelder den Reichen zugeschustert werden, muß mit aller propagandistischer Gewalt übertüncht werden. Das Existenzminimum wird behandelt, als sei es eine Gnade für die Bedürftigen, diese selbst stets als faule Betrüger gehandelt. Daß beinahe alle Hartz IV-Empfänger schlicht die Verlierer im kapitalistischen Rennen um die letzten Plätze im Boot sind, soll niemand wissen. Daß selbst der “Mißbrauch” weit weniger Schaden anrichtet als das Treiben der Betrüger aus anderen Schichten, soll kaschiert werden, indem diese Einzeltäter bleiben, während jene schon qua Existenz als Schmarotzer gelten.
Denn nur so lässt sich verkehren, was andersherum Realität ist: Zu wenig zum Leben für die Ärmsten, immer weniger realer Lohn für die unteren Einkommensschichten. Immer weniger auch für die mittleren Einkommen, die zunehmend den Anteil der Arbeitgeber an der Finanzierung des Staates übernehmen. Rente mit 67. Nur noch zwölf Monate ALG I und danach der Status als Parasit – mit entsprechender Behandlung.
Dem gegenüber Steuersenkungen, Geschenke, gigantische Renditen für die Oberschicht. Wer eineinhalb Jahre als Topmanager für eine Bank arbeitet, deren Geschäfte durch Milliarden Steuergelder finanziert werden, erhält dafür ab 60 eine Rente, die dem 55-fachen des “Regelsatzes” entspricht. Und während die Ärmsten permanent drangsaliert und verdächtigt werden, hält man den Steuerbetrügern noch die Fahnder vom Hals. Das sind die Kontraste in dieser marktwirtschaftlichen “Demokratie” im Jahr 2010.
Quelle: Feynsinn - Von der Leyens Tricksereien
- Trick 1: Bei der Berechnung des Bedarfs wurden bei den Alleinerziehenden nur noch 15 Prozent der Ärmsten einbezogen(bisher: 20 Prozent). Macht: 10 bis 20 Euro weniger.
- Trick 2: Beim Bedarf der Kinder wurde die Nachhilfe nicht generell angesetzt, sondern nur bei gefährdeter Versetzung. “Nachhilfe braucht man aber auch, um auf eine andere Schule zu wechseln”, so Thomas Becker von der Caritas.
- Trick 3: Die “verdeckt armen Familien”, die aus Scham kein Hartz IV beantragt haben und unter den Regelsätzen leben, wurden nicht herausgerechnet.
- Trick 4: Die von den Sozialverbänden geforderte “Plausibilitätsprüfung wurde unterlassen”, so die Caritas.
Quelle: Berliner Kurier
- Das ist drin im neuen Hartz-IV-Satz
- Wer ist Heinz Buschkowsky
Buschkowskys Erscheinung und Habitus verleiten dazu, ihn zu unterschätzen: Klein, breit, stattlicher Bauch. Der schlagfertige Berliner wird gern als bloßer Hansdampf angesehen, als Sozialdemokrat vom alten Schlag, kurz: als Local Hero mit beschränkter Wirkung eingeordnet. Doch Buschkowsky ist ein Autodidakt, der nicht nur aus den Erfahrungen seiner Biografie lebt, sondern sie „auf die Höhe der Zeit“ (Willy Brandt) gebracht hat. Er kennt den Stand der Migrationsdebatten und verficht unerschrocken sein Konzept. Fördern und fordern. Wer hierher kommt, muss die Regeln anerkennen, die hier gelten. Auf internationalen Foren fragt er, ob in unseren Städten die Werteordnung der europäischen Menschenrechtskonvention noch gilt. Und lässt damit die professoralen Reisekader alt aussehen, die vorzugsweise von Vielfalt und Chancen der Migration schwärmen. Weil Buschkowsky darüber mehr weiß als jeder seiner Kritiker, die von den Spannungen nicht laut reden wollen, lässt er sich von Gegenwind kaum beeindrucken. Seine Stadtteilmütter – das Modell hat er den Rotterdamer „Rucksackmüttern“ abgeschaut – sprechen zwei Sprachen. Sie machen Nachbarschaftsarbeit, um Jungen zum Schulbesuch zu bewegen, beraten Mütter und Alte. Sie sind Teil von Buschkowskys Feldversuch, dem Labor Neukölln, in das er seinen ganzen Ehrgeiz investiert. „Sag deiner Mutter einen schönen Gruß, das hat sie gut gemacht“, ruft er dem 19-jährigen Hüseyin Ekici auf einer Gedenkveranstaltung für Kirsten Heisig zu. Der hat als 14-jähriger Delinquent vor der verstorbenen Jugendrichterin gestanden, heute ist er Schauspieler. Diese Wende verdankt er auch seiner alleinerziehenden Mutter, die ihm gesagt hat, dass sie ihn rausschmeißen würde, wenn er „Hartz IV“ wird.
Doch Hartz, nicht Arbeit und Anstrengung, ist eben im Neuköllner Norden die Perspektive – für viele Zuwanderer ist das schon Aufstieg genug. Diesen Unterschied zur eigenen Laufbahn sieht und benennt Buschkowsky ohne Rücksicht auf Correctness und eingeschliffene Formeln. Buschkowsky und Sarrazin verbindet die Weisheit des sozialdemokratischen Gründervaters Ferdinand Lassalle, wonach jede Politik damit beginnt, auszusprechen, was ist. Doch Buschkowskys klarer Blick auf die Realitäten schließt eine Haltung ein, die er bei Sarrazin vermisst. Buschkowsky glaubt daran, dass man diese Wirklichkeit verändern kann. Er kritisiert Sarrazins undifferenzierte Sicht auf die Muslime und lehnt vor allem dessen Überwertung der Genetik und Vererbung ab: Es sei eben keine Illusion zu glauben, dass man Menschen durch Bildung verändern könne. Schon vor der Veröffentlichung des Buches „Deutschland schafft sich ab“ war Buschkowsky über Sarrazins „Kopftuchmädchen“-Provokationen keineswegs begeistert. Obwohl er selbst gezielt provoziert und vor anstößigen Begriffen nicht zurückschreckt, zieht Buschkowsky eine Grenze.
Quelle: TagesspiegelAnmerkung Orlando Pascheit: Ein ganz gutes Porträt, allerdings wird dabei vernachlässigt, dass auch Heinz Buschkowsky öfter auch zu unzulässigen Verallgemeinerungen neigt. Buschkowsky hatte z. B. im letzten Jahr das von der Bundesregierung geplante Betreuungsgeld scharf kritisiert. „In der deutschen Unterschicht wird es versoffen und in der migrantischen Unterschicht kommt die Oma aus der Heimat zum Erziehen, wenn überhaupt”. Bedauerlicherweise wird Buschkowsky zurzeit dazu instrumentalisiert, eine Art vertretbaren Sarrazin abzugeben, und die Rechnung scheint zumindest auf dem SPD-Parteitag aufgegangen zu sein. So durfte Buschkowsky auf dem Parteitag einiges sagen, wovon sich Gabriel und die Partei offiziell distanziert haben, so z.B. dass Gabriel “einige sehr selbstverständliche Sätze gesagt” habe. Wer auf Dauer alle Integrationsangebote ablehne, könne nicht in Deutschland bleiben. Das nennt man Arbeitsteilung und dient dazu Sarrazinanhänger heimzuholen, und der Beifall bestätigte dies. Nur dass die Rede von der Integration weitaus komplexer ist, um mit den Wort Integrationsvereigerer beendet werden zu können. Integriert werden müssen heute nicht nur Migranten, sondern auch die vielen Opfer der Agenda-Politik Schröders. Leicht wird vergessen, wer der Profiteur und das Bindungsglied zwischen den billigen, wenig qualifizierten anatolischen Gastarbeitern seit 1961 der und dem heutigen Niedriglöhnern ist: das deutsche Kapital.
- Gerhard Bosch: Wende in der Lohnpolitik?
Eine Wende in der Lohnpolitik kann ohne staatliche Unterstützung und neue Instrumente der Lohnpolitik nicht gelingen. Moralischer Beistand durch die Bundesarbeitsministerin in dieser Lohnrunde ist hilfreich, reicht aber bei Weitem nicht. Die Hälfte der Hausaufgaben für eine lohnpolitische Wende ist in ihrem Bereich abzuarbeiten. Das deutsche Tarifsystem braucht mindestens drei neue Gehhilfen, um wieder auf die Beine zu kommen: Zuerst geht es um die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns. Ein Mindestlohn von 7,50Euro würde – das hat unser Institut mit Zahlen von 2004 berechnet – die Lohnsumme um 12 Mrd. Euro und die Einnahmen der Sozialversicherungen um 4,9 Mrd. Euro verbessern.
Das entspricht einem umfangreichen Konjunkturprogramm mit dem großen Vorteil: Es ist nicht zeitlich befristet. Zum Zweiten muss die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen vereinfacht werden. Wenn sich die Tarifpartner einig sind, sollten die Vertreter aus der Branche und nicht die aus den Dachverbänden den Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit an das Arbeitsministerium stellen können. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände könnte dann nicht mehr die Allgemeinverbindlichkeit von Branchentarifen blockieren. Zum Dritten dürfen Leiharbeit und Minijobs kein Einfalltor für Niedriglöhne mehr sein, das in den Betrieben das Lohnniveau herunterzieht. Leiharbeitnehmer müssten in ihren Einsatzbetrieben den gleichen Lohn wie die Stammarbeiter bekommen. Die Minijobs, die zu über 90% Niedriglohntätigkeiten sind, müssten neu geregelt werden. Zu denken ist hier an eine Bagatellgrenze von 200 Euro pro Monat für sozialversicherungsfreie Tätigkeiten.
Zu hoffen ist, dass diese Gehhilfen die Sozialpartnerschaft in den Branchen ohne oder nur mit schwachen Tarifverträgen wiederbelebt. Denn die Lohnfindung sollte Sache der Sozialpartner bleiben. Der Staat sollte nur da eingreifen, wo sie nicht funktioniert.
Quelle: Ökonomenstimme - Arbeitsministerin von der Leyen vernichtet reguläre Jobs
Deutschland wird zum Land der Leiharbeit. Das belegt eine Umfrage der IG Metall unter rund 5150 Betriebsräten. Darin wird deutlich, dass neue Stellen vor allem mit Leiharbeitern und befristet Beschäftigten besetzt werden. Und Arbeitsministerin von der Leyen weigert sich, eine gesetzliche Regulierung umzusetzen. Dabei ist das jetzt EU-Recht.
Nach der Krise gibt es einen großen Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften. Etwa 85 Prozent der befragten Betriebsratsvorsitzenden gaben an, dass dies in ihrem Unternehmen der Fall sei. Aufgebaut werden aber vor allem prekäre Arbeitsverhältnisse: Zusammengenommen wird zusätzliche Beschäftigung fast sechsmal häufiger durch Leiharbeit und Befristung abgedeckt als über unbefristete Einstellungen. Nur bei einer kleinen Minderheit überwiegen unbefristete Neueinstellungen. 85 Prozent der Betriebe mit zusätzlichem Arbeitskräftebedarf setzen überwiegend auf prekäre Arbeitsverhältnisse, davon 43 Prozent auf Leiharbeit und 42 Prozent auf Befristung.Bereits am Anfang des Aufschwungs ist das Niveau des Jahres 2008 in der Leiharbeit wieder erreicht und in vielen Betrieben bereits überschritten. Derzeit sind in Deutschland rund 825 000 Leiharbeiter angestellt.
Statt den Missbrauch von Leiharbeit in Deutschland zu begrenzen, öffnet Arbeitsministerin Ursula von der Leyen mit ihrem kürzlich vorgestellten Gesetzesentwurf Tür und Tor für den ungebremsten Abbau von Stammarbeitsplätzen. Weder eine Höchstüberlassungsdauer noch ein Verbot der Synchronisation (Koppelung von Arbeitsvertrag und Leiharbeitseinsatz) sind dabei vorgesehen. Stammbelegschaften können weiter durch Leiharbeitnehmer ersetzt werden.
Es gibt im Gesetzentwurf keine Bestimmungen, die eine gleiche Bezahlung von Leiharbeitnehmern sichern. Die Unternehmen, die sich mit Leiharbeit ein zweites, niedrigeres Entlohnungsniveau schaffen wollen, können munter weitermachen.
Die EU-Richtlinie Leiharbeit fordert einen wirksamen “Gesamtschutz” der Leiharbeitnehmer. Die Leiharbeitsbranche ist nach Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) mit knapp 12 Prozent der Wirtschaftszweig mit den meisten Hartz-IV-Aufstockern. Das zeigt, dass der notwendige “Schutz” nicht vorhanden ist.
Quelle: IG Metall - Vierter Monitoring-Bericht belegt: Rente mit 67 ist nicht vertretbar
Die Rente mit 67 ist für die Beschäftigten kaum erreichbar und verschärft die gesellschaftliche Schieflage in Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt der vierte Monitoring-Bericht, den der DGB und der Sozialverband VdK am Freitag vorgestellt haben.
Nur 9,2 Prozent der 63-Jährigen und 6,3 Prozent der 64-Jährigen haben noch eine Vollzeitbeschäftigung. In den Gesundheitsdienstberufen sind sogar nur 2,6 Prozent aller Beschäftigten über 60 Jahre alt, bei Malern und Lackierern sind es 2,9 Prozent.
Die sozialen Folgen der Chancenlosigkeit Älterer am Arbeitsmarkt sind schon heute gravierend: 46,6 Prozent aller Altersrentner gehen mit Abschlägen in Rente – mit Rentenkürzungen von durchschnittlich 114 Euro.
Quelle 1: DGB
Quelle 2: Vierter Monotoring-Bericht [PDF – 628 KB] - Anhörung Altersarmut: Experten befürchten Zunahme
Altersarmut ist derzeit gering verbreitet, wird jedoch nach Meinung einiger Experten in den kommenden Jahren steigen. Dies ist das Ergebnis der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales, bei der am Montag 12 Fachleute den Parlamentariern Rede und Antwort standen. ”Das Thema Altersarmut ist im Moment kein Thema“, sagte Dr. Wolfgang Binne von der Deutschen Rentenversicherung Bund, da derzeit ”weniger als drei Prozent der über 65-Jährigen“ Grundsicherung im Alter bezögen. Vertreter der Sozialverbände und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) warnten jedoch vor steigender Armut im Alter. Durch die zunehmende ”Prekarisierung des Arbeitsmarktes“ (Ingo Nürnberger, DGB) mit einem wachsenden Niedriglohnsektor, ”kann die Entwicklung zu mehr Altersarmut nicht bestritten werden“, sagte Ragnar Hoenig vom Sozialverband Deutschland (SoVD)…
In allen Anträgen fordern die Parlamentarier eine Erhöhung der Rentenanwartschaften für Bezieher von Arbeitslosengeld II (ALG II). Die Grünen wollen das fiktive Einkommen, welches die Grundlage der von der Bundesagentur für Arbeit abgeführten Rentenversicherungsbeiträge für ALG-II-Bezieher bildet, von 205 Euro auf 400 Euro erhöhen. Die SPD fordert für ALG-II-Bezieher mit weniger als 30 Entgeltpunkten, ein fiktives Einkommen in Höhe des durchschnittlichen Werts der Beitragszeiten des ALG-II-Beziehers zugrunde zu legen, jedoch maximal 0,5 Entgeltpunkte pro Jahr. Die Linke fordert generell 0,5 Entgeltpunkte pro Jahr des ALG-II-Bezugs zu berücksichtigen. Darüber hinaus fordert die SPD eine bis 2011 befristete und die Linke eine unbefristete Aufwertung der Rentenanwartschaften von Geringverdienern mit über 35 Beitragsjahren.
Die Vertreter der Deutschen Rentenversicherung wiesen darauf hin, dass ein geringes Rentenniveau nicht automatisch Altersarmut bedeute, da bestimmte Gruppen wie Beamte, Selbständige oder Freiberufler mit Rentenanwartschaften häufig zusätzliche Bezüge im Alter hätten. Regelungen gegen Altersarmut innerhalb der Rentenversicherung ”begünstigen dann auch jene, die dies gar nicht notwendig haben“, sagte Binne. Es gebe ein ”Problem der Zielgenauigkeit“. Prof. Johann Eeckhoff ergänzte, dass eine Verbesserung der Anwartschaften ”wie eine Art ?Sozialhilfe im Voraus‘ gezahlt wird, ohne dass wir wissen, ob derjenige das braucht“.
Bernd Becker vom Statistischen Bundesamt führte aus, dass die Rente mit rund zwei Dritteln der Alterseinkünfte dennoch immer noch der ”dominanten Faktor“ beim Einkommen im Alter sei, Mieteinnahmen schlagen mit rund 20 Prozent zu Buche, hinzu kommen etwa Gelder aus privaten Versicherungen.
SoVD-Vertreter Hoenig wertete die Vorschläge der Oppositionsfraktionen als ”konstruktiv“, gab jedoch den Anträgen den Vorzug, die ”beim Bezug von Arbeitslosengeld II sofort und verfassungsrechtlich geschützt“ die Anwartschaften verbesserten. Im Nachhinein besser bewertete Anrechnungszeiten seien ”ein Versprechen auf die Zukunft“, ob es gehalten werden, sei ”fraglich“. Prof Gerhard Bäcker zeigte sich skeptisch bei der Frage, ob positive Aussichten beim Wirtschaftswachstum automatisch zu höheren Renten für Langzeitarbeitslose führen würden. Die Gruppe der Langzeitarbeitslosen profitiere ”noch nicht oder nicht ausreichend“ vom Sinken der Arbeitslosigkeit. Neben arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen wie etwa dem Mindestlohn hält der Experte daher Eingriffe bei den Rentenanwartschaften für angebracht.
Quelle: Deutscher Bundestag - Bankraub: Der Fall Hypo Real Estate
Der Fall Hypo Real Estate (HRE) bietet den Stoff für einen Finanzthriller, dessen Auflösung noch aussteht. Wann anhängige Prozesse – und noch zu führende – entschieden, vielleicht abgeschlossen werden, ist unklar. Die Ermittlungen des HRE-Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag wurden auf Eis gelegt. Die Hauptbeteiligten mauern. Die meisten weigern sich, Interviews zu geben. Das kann die Aufklärung nicht behindern. In diesem Feature werden einige Positionen und Szenarien nachgezeichnet und von Schauspielern gesprochen, um zu verdeutlichen, wer welche Rollen in der größten Bankenrettungsgeschichte Deutschlands gespielt hat und spielt.
Quelle: WDR 5 [PDF – 500KB] - Pharmalobby diktiert Gesetzesänderung Nr. 4
Die Pharmakonzerne sahen schon wie die Verlierer des neuen Arzneimittelgesetzes aus – bis ihre Lobby zuschlug. Nun können sie schon wieder einen grandiosen Erfolg feiern. Zu Lasten der Patienten und Beitragszahler. Wenn ein neues Medikament auf den Markt kommt, unterscheiden Mediziner zwischen Wirksamkeit und Nutzen. Ein Cholesterinsenker zum Beispiel ist dann wirksam, wenn er die Blutfettwerte senkt und seine Nebenwirkungen sich in Grenzen halten. Doch der Zusammenhang zwischen Wirksamkeit und Nutzen existiert häufig gar nicht. Manchmal verbessern sich zwar Cholesterinwerte, Blutdruck oder das Wachstums eines Tumors wird gebremst – den Patienten geht es aber trotzdem nicht besser. Sie leben nicht länger, sie bekommen genauso häufig Herzinfarkte oder Schlaganfälle wie ohne das Präparat. Es haben sich also nur die messbaren Werte geändert – sonst nichts. Solche Präparate verfügen über keinen “patientenrelevanten Nutzen”, wie die Fachleute sagen. Pharmakonzerne stellen dagegen gern die Wirksamkeit ihrer Pillen in den Vordergrund, die Nutzendebatte mögen sie nicht besonders. Dennoch sind solche Neuheiten meist extrem teuer. Bisher kann der Gemeinsame Bundesausschuss aus Kassen und Ärzten (G-BA) solche Arzneimittel, deren Nutzen nicht nachgewiesen ist, von der Verordnung als Kassenleistung ausschließen. Ärzte dürfen ihren Patienten diese Präparate dann nicht mehr aufs Kassenrezept schreiben.
Genau solche Verbote unmöglich zu machen, ist das Ziel der Pharmalobby – und unter der schwarz-gelben Bundesregierung steht sie kurz vor dem Ziel. Denn sie hat es geschafft, dass das Arzneimittelgesetz so verändert wird, dass nicht mehr unterschieden werden darf zwischen der Zulassung und dem Nutzen eines Präparats, genauer: Dass mit der Zulassung automatisch der Nutzen gegeben ist. Wie der SPIEGEL am Wochenende bereits vorab berichtet hat, ist es der zweite Erfolg der Pharma-Multis binnen Monatsfrist. Vorformuliert hat beide Änderungswünsche eine der bundesweit führenden Pharmakanzleien: Clifford Chance. Sie erarbeitete im August im Auftrag des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (VfA) ein Gutachten. Denn die Fraktionen von CDU/CSU und FDP haben nun den Änderungsantrag Nr. 4 zum Arzneigesetz eingebracht, der dem Anliegen der Pharmalobby entgegenkommt. Dort heißt es in großer Ähnlichkeit zu dem VfA-Papier von Clifford Chance, der Gemeinsame Bundesausschuss dürfe den “medizinischen Nutzen eines Arzneimittels nicht abweichend von der Beurteilung der Zulassungsbehörde bewerten”. In Paragraf 92 wollen die Regierungsfraktionen sogar den Satz einfügen: Er dürfe nur dann “die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen ist”. Bisher war es genau andersherum: Die Pharmafirmen mussten in Studien nachweisen, dass ihr Präparat einen Nutzen hat – wenn sie das nicht konnten, droht der Ausschluss von der Verordnung. Nun folgt also die Umkehr der Beweislast – die meist aber nicht möglich ist.
Auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sieht mit der geplanten Änderung eine große Gefahr für Patienten, wie der Leiter der Abteilung Arzneimittel, Thomas Kaiser, erklärt. Häufig sei es zum Beispiel so, dass zwei Präparate ähnlich gut wirken, bei einem sich im Lauf der Jahre aber herausstelle, dass es mehr Nebenwirkungen habe. Dann sei es sinnvoll, dass die Patienten von diesem Präparat auch verschont werden. Für das IQWiG, das vor fünf Jahren als unabhängige Prüfeinrichtung gegründet wurde, könnte die Gesetzesänderung die Entmachtung bedeuten.
Quelle: Spiegel OnlineAnmerkung Orlando Pascheit: So einfach geht das also. Nachdem IQWiG-Chef Peter Sawicki aus durchsichtigen Motiven abserviert worden war und man sich angesichts der dadurch gestiegenen Aufmerksamkeit nicht traute, das Amt mit einen pharmanahen Vertreter zu bestücken, wird einfach das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen per Gesetz entmachtet.
- Stuttgart 21
- Man wird sich ja noch mal irren dürfen
Es ist, wenn man darüber nachdenkt, unglaublich, wie viele Dinge in Deutschland mit einwandfreien Mehrheiten beschlossen und dann trotzdem wieder geändert wurden. Bertolt Brecht hat geschrieben: Wer A sagt, muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war. Die menschliche Fähigkeit, zu lernen und Fehler zu korrigieren, ist ein Gottesgeschenk, welches häufig brüsk zurückgewiesen wird, in diesem Fall von der CDU. Am sonderbarsten aber ist die Tatsache, dass sie jetzt die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängern. Das war ein blitzsauberer demokratischer Beschluss – die Dinger werden zügig abgeschaltet. Es war hochkompliziert, am Ende hat sogar die Atomindustrie zähneknirschend zugestimmt. Während die CDU also in Stuttgart den Ewigkeitswert von Mehrheitsbeschlüssen verteidigt, macht sie in Berlin das genaue Gegenteil. Ich versuche einmal, die weltanschauliche Grundlage dieser Politik möglichst sachlich auf den Punkt zu bringen: Mehrheitsbeschlüsse, die uns gefallen, gelten ewig. Mehrheitsbeschlüsse, die uns nicht gefallen, können jederzeit korrigiert werden.
Quelle: Tagesspiegel - Falschaussage Merkels: Europäisches Parlament hat nie über Stuttgart 21 abgestimmt
Heide Rühle: Offener Brief an Angela Merkel zu ihren Äußerungen zu Stuttgart 21
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel,
in Ihrer Rede auf dem Landesparteitag der rheinland-pfälzischen CDU am Samstag dem 25. September 2010 legten Sie, Frau Bundeskanzlerin, in Bezug auf die Demonstrationen in Stuttgart ein europapolitisches Bekenntnis ab: “So können wir in Europa nicht zusammenarbeiten!”, riefen Sie den Gegnern einer Verlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs unter die Erde zu und bezogen sich dabei auf die Notwendigkeit, auf europäischer Ebene einmal getroffene Entscheidungen auch national einzuhalten…
Wir bedauern, dass Sie diesen Grundsatz europäischer Kooperation in Ihrer Rede am vergangenen Samstag nicht beherzigt haben, indem Sie fälschlicherweise behaupteten, die Europäische Union und speziell das Europäische Parlament hätten einem Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs in einen unterirdischen Bahnhof zugestimmt.
Dabei stehen die Fakten seit mehren Jahren unmissverständlich fest: Auch wenn es zutreffend ist, dass sich vom Gemeinderat bis zum Bundestag die Mehrheit der gewählten Abgeordneten für Stuttgart 21 aussprach, so entspricht es auch der Wahrheit, dass das Europäische Parlament – anders als Sie behaupten – zu keinem Zeitpunkt über den Bahnhofsumbau abgestimmt hat.
Offensichtlich haben Sie, Frau Bundeskanzlerin, die Falschaussagen Ihrer beiden Parteifreunde, des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus und des Stuttgarter Oberbürgermeisters Dr. Wolfgang Schuster, wiederholt.
Quelle: Heide Rühle MdEP
- Man wird sich ja noch mal irren dürfen
- Gabriel: 25 Milliarden für die Bildung
Die SPD fordert eine Neuausrichtung der Bildungspolitik in Deutschland. Es müsse mehr in Schulen und Betreuungseinrichtungen investiert werden, sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel in seiner Rede am Sonntag auf dem Parteitag in Berlin. Statt “Mini-Kindergelderhöhungen, die keiner Familie wirklich helfen”, solle mehr Geld in die Infrastruktur fließen. Aus Schulen müssten Ganztagsschulen werden, aus Kindertagesstätten Familienbildungsstätten, forderte Gabriel.
Das Geld dafür, pro Jahr 20 bis 25 Milliarden Euro, soll neben den Einsparungen beim Kindergeld aus einer Anhebung des Spitzensteuersatzes und einer Wiedereinführung der Vermögensteuer kommen. Die Partei will den Spitzensteuersatz von 42 auf 49 Prozent erhöhen. “Das ist kein Sozialneid, sondern sozialer Patriotismus”, sagte Gabriel.
Quelle: SZ - Werkbank statt Hörsaal
Am heutigen Tag hat der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerkes auf die nochmals angestiegene Zahl von AbiturientInnen unter den Auszubildenden hingewiesen. Der studentische Dachverband fzs sieht die Ursache hierfür nicht nur in der hohen Qualität der Ausbildung im Handwerk, sondern auch darin, dass Studierende in der BRD einem hohen finanziellen Risiko ausgesetzt sind.
Hierzu erklärt Juliane Knörr, Mitglied des fzs-Vorstands: „Wir wollen in keiner Weise anzweifeln, dass sich die Ausbildung des Deutschen Handwerkes auf einem sehr hohen Niveau bewegt und teilweise mit Studiengängen an staatlichen Hochschulen vergleichen lässt. Wir weisen aber darauf hin, dass neben der hohen Qualität auch die teils höheren Kosten, welche durch ein Studium entstehen, bei diesen Entscheidungen eine Rolle spielen. Hierbei spielen die Studiengebühren eine entscheidende Rolle.“
Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften fordert weiter, dass in der Debatte auch die Interessen der BewerberInnen mit mittleren Schulabschlüssen nicht aus dem Fokus rücken dürfen.
„Wenn analog zu hohen AbiturientInnenquoten BewerberInnen mit für die jeweiligen Ausbildungen ausreichenden Haupt- und Realschulabschlüssen verdrängt werden, ist dies in höchstem Maße ungerecht. Es ist ein Unding, dass das Bildungswesen so schrittweise nach unten abgedichtet wird“, so Florian Keller, ebenfalls Mitglied des Vorstandes, abschließend.
Quelle: fzs - Magere Zwischenbilanz bei Bachelor-Studiengängen
Politische Entscheidungsträger in Deutschland versprachen sich von der Einführung des Bachelor-Studiums unter anderem eine Entschärfung des Fachkräftemangels. Ein auf drei Jahre verkürztes Studium, so die Erwartung, würde mehr Studierende in die Hochschulen locken. Eine erste Zwischenbilanz des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim für die Jahre 1998 bis 2006 fällt indessen ernüchternd aus. Weder hat die schrittweise Einführung des nur noch dreijährigen Bachelor-Studiums die Anzahl der Studienanfänger in diesem Zeitraum merklich erhöht, noch sind die Zahlen der Studienabbrecher spürbar gesunken.
Für die Studienfächer Elektrotechnik, Maschinenbau, Wirtschaftsingenieurwesen und Physik fällt die Bilanz sogar negativ aus. Hier lagen die Erstsemesterzahlen in Fachbereichen, die bereits den Bachelor-Abschluss anboten, signifikant niedriger. Dies könnte Ausdruck der hohen Wertschätzung sein, die der traditionelle deutsche Diplom-Abschluss in diesen Fächern national und international genießt.
Seit Ende der neunziger Jahre werden in Deutschland und anderen Mitgliedsländern der Europäischen Union im Rahmen des Bologna-Prozesses viele der traditionellen nationalen Studienabschlüsse auf die international vergleichbaren Abschlüsse Bachelor und Master umgestellt. Dadurch soll ein einheitlicher europäischer Hochschulraum geschaffen werden. Vor allem in Deutschland verbinden die politischen Entscheidungsträger mit dieser Umstellung auch die Hoffnung, dass ein kürzeres Studium, das weniger kostet, die Anzahl der Studierwilligen erhöht und letztlich zu mehr Hochschulabsolventen führt. Dies könnte den bereits jetzt spürbaren Fachkräftemangel entschärfen helfen.
Eine erste Zwischenbilanz für die Jahre 1998 bis 2006 des Reformprozesses belegt eine solche positive Entwicklung indessen nicht. Von der Reform scheinen somit bisher nicht unbedingt verbesserte Anreize zur Aufnahme eines Studiums auszugehen.
Quelle: idwAnmerkung WL: Wenn selbst das gewiss wirtschaftsnahe ZEW skeptisch gegenüber dem Bachelor ist, sollte das den Wissenschaftspolitikern zu denken geben.
- Der andere Krieg gegen den Irak
Das Embargo, das dem Irakkrieg von 2003 vorausging, ist heute fast vergessen. Dabei hat dieser “unerklärte Krieg”, der die Infrastruktur ruinierte, mit dafür gesorgt, dass die US-Truppen heute ein unregierbares Land zurücklassen. In der öffentlichen Diskussion wurden die Sanktionen gegen den Irak seinerzeit nur sporadisch thematisiert. Noch weniger Beachtung fand das von Washington betriebene bürokratische Regime, das – mit stets beflissener Unterstützung der Regierung in London – unter anderem für den Tod einer halben Million irakischer Kinder verantwortlich war.
Denis Halliday, der damalige UN-Koordinator der humanitären Hilfe für den Irak, gab 1998 seinen Posten aus Protest gegen das “genozidale Sanktionsregime” auf, deren heimtückische Folgen er in seinem Rücktrittsgesuch klar benannte: Eine ganze Generation junger Leute war in völliger Isolation aufgewachsen, ganz ähnlich wie die Waisenkinder, die der russische Einmarsch in Afghanistan hinterlassen hatte. Da sich aus diesen später die Taliban gebildet hatten, warnte Halliday: “Wir sollten mit der Möglichkeit rechnen, dass dies das fundamentalistische islamische Denken stärkt. Diese mögliche Wirkung des Sanktionsregimes wird immer noch nicht richtig verstanden. Wir drängen die Leute damit in extremistische Positionen.” Solche verarmten, extremistischen und zornigen Menschen prägten die irakische Gesellschaft, mit der die Soldaten der USA und Großbritanniens seit der Invasion vom März 2003 konfrontiert waren. Auch am Tag vor dem Abzug der letzten US-Kampftruppen aus dem Irak starben dort über 60 Menschen als Opfer von versteckten Bomben und Selbstmordattentaten. Die politischen Führungen der westlichen Staaten sollten noch einmal gründlich nachdenken, bevor sie erneut – und gegenüber anderen Ländern des Mittleren Ostens – auf das “perfekte Instrument” der Blockade setzen.
Quelle: Le Monde diplomatique - Kriege jenseits unserer Wahrnehmung
Gegenwärtig toben an die 40 Kriege und bewaffnete Konflikte in der Welt. Die meisten dieser Krisenherde spielen in den Medien eine untergeordnete Rolle und sind der öffentlichen Wahrnehmung entrückt: Sie werden vergessen. Der Autor diskutiert die Gründe für diese Entrückung.
Quelle: Linksnet