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Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante aktuelle Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen. Heute u. a. zu folgenden Themen: Der Manager agiert, der Politiker schläft: Herr und Diener, Geheimabkommen zwischen Regierung und Atomlobby, Röslers Prämienpoker, Minijobs: Ministerium will keine Kontrollen, Polnische Mobilmachung: Hat Steinbach recht?. (KR/AM)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Bankenkrise in Island: Früherer Regierungschef soll vor Gericht
  2. Basel III: Bankenaufseher verschärfen die Regeln
  3. Der Manager agiert, der Politiker schläft: Herr und Diener
  4. Geheimabkommen zwischen Regierung und Atomlobby – LobbyControl fordert Offenlegung
  5. Röslers Prämienpoker
  6. Minijobs: Ministerium will keine Kontrollen
  7. Brandgefährlich
  8. Polnische Mobilmachung: Hat Steinbach recht?
  9. Autobahnprivatisierung: Wie der Staat sein Geld verschenkt
  10. Wie Spekulanten den Hunger fördern
  11. Mehr Strahlung in der Asse
  12. Wo Deutschland Atommüll lagert
  13. Amerikas Angst-Unternehmer
  14. Die Angst vor uns selbst
  15. Offener Brief: “Ich fühle mich als Franzose angegriffen”
  16. Spanien hält sich die Nase zu
  17. Kein Brot für Öl: Der Biosprit-Boom in Kolumbien
  18. 400000 Dollar pro Kopf
  19. LaLeLu: Thilo Sarrazin – das Video

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Bankenkrise in Island: Früherer Regierungschef soll vor Gericht
    Die Bankenkrise hatte Island im Jahr 2008 an den Rand des Staatsbankrotts gebracht. Jetzt muss sich die ehemalige politische Führung wegen „Fahrlässigkeit“ womöglich bald vor Gericht verantworten.
    Quelle: FOCUS
  2. Basel III: Bankenaufseher verschärfen die Regeln
    Die strengeren Aufsichtsregeln sind Konsequenz der Finanzkrise und zielen auf ein krisenfestes Finanzsystem ab. Dies soll vor allem über eine höhere Verlusttragfähigkeit der Banken anhand einer höheren Eigenkapitalunterlegung von riskanten Positionen wie etwa Krediten erreicht werden. Zudem sollen die Institute künftig einen höheren Puffer an liquiden Mitteln vorhalten, damit sie auch in Krisen, in denen sie auf externe Finanzierungsquellen nicht mehr zugreifen können, zahlungsfähig bleiben. Am Wochenende hatten sowohl europäische als auch amerikanische Banken vor einer Überforderung durch zu strenge Regeln gewarnt.
    Auch die deutsche Kreditwirtschaft kritisiert die geplante Anhebung der Kapitalanforderungen. Private Banken und Sparkassen befürchten deshalb eine Kreditklemme. Die privaten Banken errechneten für die zehn größten deutschen Banken einen zusätzlichen Kapitalbedarf von 105 Milliarden Euro und entwarfen das Szenario eines Kreditabbaus von 1000 Milliarden Euro. Die Kapitalerhöhung der Deutschen Bank um 9,8 Milliarden Euro ist auch auf die strengeren Kapitalregeln zurückzuführen. Die Analysten der Schweizer Großbank UBS schätzen, dass die neuen Aufsichtsregeln bei den Banken auf der ganzen Welt zu einem zusätzlichen Kapitalbedarf zwischen 27 und 66 Milliarden Euro führen dürften. Der größte Teil entfalle davon mit 24 bis 45 Milliarden Euro auf europäische Institute. Bundesbank-Präsident Weber hält die Auswirkungen auf die Realwirtschaft, also auf die Kreditversorgung der Unternehmen, aber für begrenzt. Dies begründete er mit den “großzügigen Übergangsfristen”, die zwischen fünf und zehn Jahren liegen sollen.
    Wichtigste Steuerungsgröße von “Basel III” ist die Kernkapitalquote, die das Verhältnis von hartem, bei Verlusten sofort haftendem Eigenkapital zu Risikoaktiva wie Krediten oder Wertpapieren misst. Bislang lag die Anforderung bei 4 Prozent, in Zukunft liegt die Latte zwischen 5 und 6 Prozent. Hinzu kommt ein Kapitalpuffer, der zwischen 2 und 3 Prozent betragen soll. Damit ergibt sich faktisch eine Mindestkernkapitalquote von 7 bis 9 Prozent. Darüber hinaus muss das Kernkapital in Zukunft überwiegend aus den harten Komponenten Aktien und Gewinnrücklagen bestehen. Stille Einlagen werden bei Aktiengesellschaften nicht mehr als Kernkapital akzeptiert. Bei Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken müssen damit vergleichbare Kapitalbestandteile bestimmte Auflagen erfüllen.
    Quelle: FAZ
  3. Der Manager agiert, der Politiker schläft: Herr und Diener
    Erst verschweigen, dann ertappt werden, schließlich mit der Wahrheit peu à peu rausrücken – die Geheimverträge, in denen die Regierung den Atomkonzernen großzügige Schutzklauseln zugesteht, sagen viel über das schwarz-gelbe Politikversagen aus: Die Manager schreiben der Regierung die Entscheidungen ins Merkheft …
    Doch das Ganze hat auch ein Gutes: So viel Bürgerbewegung wie jetzt war lange nicht mehr. Die Antiatombewegung erlebt ein Revival. In den letzten Jahren hieß es, kaum einer interessiere sich noch für Politik, allen sei alles scheißegal. Das war schon damals nur die halbe Wahrheit. Jetzt gehen jedenfalls die alten, die schon vor Jahren einmal “Atomkraft, nein danke”-Buttons! trugen, zusammen mit einer neuen Protestgeneration auf die Straße. Eine echte und mächtige Massenbewegung ist das aber noch nicht. In Deutschland neigt man anders als etwa in Frankreich nicht so schnell zum Generalstreik. Schade eigentlich, denn hier geht es nicht nur um die Frage pro oder contra Laufzeitverlängerung. Hier geht es um die Demokratie.
    Quelle: TAZ

    Anmerkung AM am Rande: Die in vielen Beiträgen solcher Art quasi automatisch aufscheinende Bewunderung für Frankreich sollte man sich besser ersparen. Dort ist leider auch nicht Gold, was so glänzt. Die politische Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in Parteien zum Beispiel ist miserabel, die Verflechtung von Medien mit Politik auch nicht besser als bei uns. Und die Sache mit dem Generalstreik – naja!

  4. Geheimabkommen zwischen Regierung und Atomlobby – LobbyControl fordert Offenlegung
    LobbyControl fordert die Bundesregierung auf, sofort den Geheimvertrag mit den Energiekonzernen über die Laufzeitverlängerung offen zu legen. Wie heute morgen bekannt wurde, kam es bereits in der Nacht von Sonntag auf Montag zur Unterzeichnung einer Vereinbarung zwischen der Regierung und den Chefs der vier großen Energiekonzerne. Die Bundesregierung hatte am Montag in ihrer Pressekonferenz über die Verhandlungsergebnisse verschwiegen, dass bereits eine Vereinbarung unterzeichnet wurde. Monatelang hat sich die Regierung bedeckt gehalten und nun wurde im Hau-Ruck-Verfahren ein Deal mit den Stromkonzernen gemacht und an Bundestag und Öffentlichkeit vorbei eine geheime Vereinbarung mit den Konzernen unterschrieben. Das ist ein Paradebeispiel, wie demokratische Politik nicht aussehen darf!
    Quelle: LobbyControl
     
    Direkt dazu:

    Politik wird den Großkonzernen überlassen
    Die Frage sei, warum nur AKW-Betreiber mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an einem Tisch säßen, wenn es um ein Energiekonzept für das ganze Land gehe, sagt LobbyControl-Vorstandsmitglied Heidi Klein zu den Absprachen zwischen Bundesregierung und Energiekonzernen über die Atom-Laufzeitverlängerungen.
    Quelle 1: Deutschlandradio Kultur (Text)
    Quelle 2: Deutschlandradio Kultur (Audio-Podcast)

  5. Röslers Prämienpoker
    Spätestens seit März 2010 ist allerdings offenkundig, dass es mit der Kanzlerin aufgrund der europäischen Finanz- und Staatenkrise und der damit einhergehenden Schuldenbremse keine umfassende staatliche Umfinanzierung des Gesundheitswesens geben würde. Und mit der verlorenen Mehrheit im Bundesrat nach der NRW-Wahl im Mai ist eine „große“ Reform ohnehin in weite Ferne gerückt. Doch angesichts dieser für den Gesundheitsminister widrigen Umstände ist der derzeitige Entwurf aus dem Hause Rösler wiederum auch mehr, als dieser erhoffen durfte – und für die Versicherten weit folgenreicher und teurer, als die meisten nach dem langen Hick-Hack vielleicht erwarteten.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
  6. Minijobs: Ministerium will keine Kontrollen
    Obwohl viele Arbeitgeber ihren Minijobbern trotz anderslautendem Gesetz keinen bezahlten Urlaub gewähren und bei Krankheit den Lohn nicht fortzahlen (die StZ berichtete mehrfach), sieht das Bundesarbeitsministerium keine Notwendigkeit zu handeln. Die geltenden Regelungen hätten sich bewährt, so eine Sprecherin des Ministeriums auf Anfrage der StZ. Bei Problemen müsse “jeder Arbeitnehmer seine Ansprüche selbst geltend machen, wenn notwendig vor dem Arbeitsgericht”.
    Weshalb beim Mindestlohn kontrolliert wird und bei den Minijobs nicht, obwohl es beide Male um illegale Lohnpraktiken geht, erklärte das Ministerium nicht.
    Quelle: Stuttgarter Zeitung
  7. Brandgefährlich
    Auferstanden aus dem Reich der Toten, trat er vor jene Parteizentrale, die seit geraumer Zeit seinen Namen trug…
    Quelle: Ad sinistram
  8. Polnische Mobilmachung: Hat Steinbach recht?
    Mit der Aussage, sie könne “es auch leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat”, sorgte die Vertriebenen-Funktionärin Erika Steinbach im Vorstand der Unionsfraktion für einen Eklat. “Eines ist für mich ganz deutlich: Den Krieg hat Deutschland angefangen”, ergänzte Steinbach später. An ihrer Äußerung über die polnische Mobilmachung hielt sie dennoch fest. Sie entspricht auch fast den historischen Tatsachen. Wichtig sei allerdings die Frage nach dem Warum, sagt der Historiker Jochen Böhler.
    n-tv.de: Was ist dran an der Aussage von Erika Steinbach, dass Polen schon im März 1939, also ein halbes Jahr vor dem deutschen Überfall, mobil gemacht hat?
    Jochen Böhler: Ein solcher Satz geht doch sehr stark an der historischen Wirklichkeit vorbei. Polen war im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs nicht der Aggressor. Wenn man über die Mobilmachung vom März 1939 spricht, die eine Teilmobilmachung war, dann muss man fragen, warum sie passierte.
    n-tv: Warum?
    Jochen Böhler: Polen hat am 23. März 1939 in direkter Reaktion auf den deutschen Einmarsch in die sogenannte Rest-Tschechei die Teilmobilmachung erklärt. Die Tschechoslowakei war ja im Rahmen des Münchner Abkommens geteilt worden, das Sudetengebiet war an Deutschland gegangen, nur ein Rest der Tschechoslowakei blieb übrig. Polen hatte davon sogar profitiert; nach dem Münchner Abkommen annektierte Polen das Olsagebiet. Zu diesem Zeitpunkt zählte Polen noch darauf, dass die deutschen Garantien aus dem Münchner Abkommen eingehalten würden. Mit dem Einmarsch der Wehrmacht in die Rest-Tschechei am 15. März waren diese Garantien obsolet. Polen fühlte sich bedroht und rief deshalb die Teilmobilmachung aus.
    n-tv: Ist es möglich, diesen Schritt als Provokation zu interpretieren?
    Jochen Böhler: Eine Teilmobilmachung ist eher ein Versetzen in einen erhöhten Alarmzustand. Ich würde sie auf keinen Fall als Provokation sehen, sondern als verständliche Reaktion Polens auf ein bedrohliches Szenario direkt an seiner Westgrenze.
    n-tv: Wie relevant ist diese Teilmobilmachung überhaupt für die Bewertung des Kriegsbeginns?
    Jochen Böhler: Sie spielt eigentlich keine Rolle. Formal ist es richtig, dass Polen mit dieser Teilmobilmachung einen ersten Schritt hin zu einer Bereitschaft zu einer möglichen bewaffneten Auseinandersetzung mit Deutschland gegangen ist. Aber es war kein aggressiver Schritt, der angekündigt hätte, Polen werde demnächst Deutschland angreifen. Es war ganz klar ein rein defensives Manöver. Von deutscher Seite gab es zu diesem Zeitpunkt bereits die Forderung, Danzig mit einer exterritorialen Verbindung ans Reichsgebiet anzuschließen. Nach dem 15. März 1939 musste Polen damit rechnen, dass Deutschland mit Polen genauso verfährt wie es das mit der Tschechoslowakei getan hatte. Insofern war die Reaktion des polnischen Staates durchaus verständlich und ein Signal an die Westmächte, sich stärker zu engagieren, um Polens Bestand zu garantieren.
    Quelle: n-tv

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Im Vorspann zum Interview mit dem Historiker Jochen Böhler heißt es in dem n-tv-Beitrag: “Sie (die polnische “Mobilmachung”) entspricht auch fast den historischen Tatsachen.” Das Interview mit Jochen Böhler zeigt, dass diese rein formalistische “Tatsache” nicht einmal eine Viertelwahrheit und damit eine ganze Lüge ist. Die “Mobilmachung” Polens entspricht eher dem Ausruf der Alarmbereitschaft für polnische Armee, denn es war der Versuch des damaligen rechtsautoritären polnischen Regimes, sich vor den deutlich absehbaren Aggressionen Nazi-Deutschlands zu schützen. (Zwischen 1933 bis 1938 waren die Beziehungen zwischen Nazideutschland und dem rechtsautoritären polnischen Regime noch gut gewesen.)
    Wenn Steinbach sich nun damit herauszureden versucht, “Eines ist für mich ganz deutlich: Den Krieg hat Deutschland angefangen”, dann stellt sich die Frage, warum sie während der Unions-Fraktionssitzung auf ihrer Feststellung beharrte, sie könne “es auch leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat”. Die Antwort: Steinbach posaunte dies in der Hoffnung heraus, von diesem Vorwurf würde irgendwas an Polen hängen bleiben und damit die Verantwortung Nazideutschlands für den 2. Weltkrieg “relativieren”. Wäre dieser Versuch rechter revanchistischer Kreise in Deutschland erfolgreich, dann würde dies im Endresultat auf eine durch nichts zu rechtfertigende Verharmlosung des Hitler-Faschismus und seiner unbeschreiblichen Verbrechen hinauslaufen.
    Seit mehreren Jahren ist in der medialen Berichterstattung hierzulande zu beobachten, dass z.B. durch das zunehmende in den Vordergrund Stellen der während der Vertreibung begangenen Verbrechen der Roten Armee Deutschland zunehmend in Opferrolle geschoben werden soll (die von Wehrmacht und SS in der Sowjetunion begangenen Verbrechen und die NS-Politik der “Verbrannten Erde” werden hingegen zunehmend klein geschrieben). Der Rechtsschwenk in der Berichterstattung zahlreicher deutscher Medien vermittelt des Öfteren sogar den Eindruck, die Verbrechen der SED-Diktatur seien schlimmer zumindest genauso schlimm wie jene der NS-Diktatur, in deren Gefolge Millionen und Abermillionen Menschen in KZs ermordet sowie während des 2. Weltkrieges getötet wurden und insbesondere die europäische Infrastruktur in weiten Teilen in Schutt und Asche gelegt wurde.
    Auch wird Stiftungsratsmitglied Erika Steinbach (die zudem noch “Menschenrechtsbeauftragte” der Unionsfraktion ist) von der Mehrzahl der hiesigen Medien für ihre Verharmlosung der Verantwortung Hitler-Deutschlands für den 2. Weltkrieg deutlich weniger abgestraft als z.B. eine ehemalige Landtagsabgeordnete der Linkspartei, die durch die Verharmlosung der Mauer zeigte, dass sie noch nicht in der Demokratie angekommen ist

  9. Autobahnprivatisierung: Wie der Staat sein Geld verschenkt
    Der SPIEGEL entdeckt die Nachteile des Privatisierungswahns und berichtet über den Konflikt zwischen Sicherheit und Profitstreben beim Autobahnbau.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung KR: Anschauen lohnt. So sind z.B. die Verträge zwischen Bund und privaten Autobahn-Investoren geheim. Als nun auf der A1 wegen zu schmaler Fahrspuren im Baustellenbereich die Unfallzahlen in die Höhe schossen, wurde ein Standstreifen hinzugefügt. Wer bezahlt? „Die Kosten (8,4 Mio Euro, KR) dafür trägt der Bund. Diese Maßnahme war nicht Gegenstand des mit dem Betreiber geschlossenen Vertrages.“

  10. Wie Spekulanten den Hunger fördern
    Es wird um Hunger, Armut und Kindersterblichkeit gehen, wenn am 20. September die Staats- und Regierungschefs in New York zum Millenniumsgipfel zusammentreffen. Die Zwischenbilanz, die die Politiker ziehen werden, wird wenig erfreulich ausfallen. Denn die Millenniumsziele, die zum Beispiel bis 2015 den Hunger in der Welt halbieren sollten, liegen trotz einiger Erfolge in weiter Ferne. Derzeit sorgen die schlechten Ernten und die geringe Produktivität für ein geringeres Angebot an den Warenterminbörsen. Dadurch steigen die Preise. „Die Menschen in Entwicklungsländern geben bis zu 80 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus“, sagt Reichert. Deshalb seien sie besonders hart von Preisschwankungen betroffen. So gibt es indische Mütter, die kein Gemüse und keinen Fisch mehr essen, um ihre Kinder ernähren zu können. Oder Eltern, die ihre Kinder aus der Schule nehmen, um genug Geld für Essen zu haben. Der Welthungerindex, den das Internationale Forschungsinstitut für Ernährungspolitik erhebt, zeigt, dass Menschen in 84 Ländern hungern, an der Spitze die Demokratische Republik Kongo, Burundi und Eritrea.
    Auch Händler können bei steigenden Preisen Rohstoffe in Hoffnung auf höhere Gewinne horten. Genau diese durch Spekulation hervorgerufenen Preissprünge aber machen den armen Ländern besonders zu schaffen. „Nahrungsmittel dürfen nicht Gegenstand reiner Finanzspekulation sein“, hatte Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) kürzlich betont. Sie will sich für mehr Transparenz und eine Begrenzung der Preisschwankungen einsetzen. Frankreich will den Kampf gegen missbräuchliche Spekulationen auf den Agrar- und Rohstoffmärkten zum Thema seiner G-20-Präsidentschaft machen. „Wir brauchen mehr Transparenz und eine Verteuerung des Spekulierens durch Kapitalhinterlegungspflichten für Investoren“, fordert Agrarökonom Joachim von Braun. So müsste für Käufe mehr Eigenkapital hinterlegt werden.
    Quelle: Tagesspiegel
  11. Mehr Strahlung in der Asse
    In der Asse wurde deutlich mehr mittelradioaktiver Strahlenmüll entsorgt als bislang angenommen. Wie aus dem Abschlussbericht zum “radioaktiven Inventar” hervorgeht, lagern in der einsturzgefährdeten Schachtanlage 16.100 Abfallbehälter mit mittelradioaktivem Müll. Bisher waren die Behörden von 1.300 solchen Fässern ausgegangen. Außerdem liegen die Behälter in mehreren Lagerkammern auf verschiedenen Ebenen im Bergwerk verteilt, auch das war bisher nicht bekannt. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) bestätigte gegenüber der taz, dass 14.800 Fässer neu deklariert werden müssen. Bislang waren die Behörden davon ausgegangen, dass in der Asse lediglich ein Prozent der 125.787 eingelagerten Fässer mittelradioaktiv sind, nun sind es knapp 13 Prozent.
    Das ehemalige Salzbergwerk bei Wolfenbüttel wurde zwischen 1967 und 1995 als Forschungsbergwerk betrieben, die Endlagerung radioaktiver Abfälle sollte hier großtechnisch erprobt werden. Allerdings erfolgte diese Einlagerung nicht nach Atomrecht, sondern nach Bergrecht: Offenbar grob fahrlässige Fehler waren die Folge.  Im Januar 2010 räumte Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) Fehler im Umgang mit dem Atommülllager Asse ein. Das Lager sei nicht nur für wissenschaftliche Zwecke genutzt worden, zumal die große Anzahl der fast 126.000 eingelagerten Fässer für die Forschung nicht notwendig gewesen sei.
    Quelle: TAZ
  12. Wo Deutschland Atommüll lagert
    Längere Kraftwerklaufzeiten bedeuten mehr radioaktiven Müll. Die interaktive Satellitenkarte zeigt aus der Vogelperspektive, wo die deutschen Meiler stehen und wo deren Müll gelagert wird.
    Quelle: FTD
  13. Amerikas Angst-Unternehmer
    Stephen King nannte ihn «Satans geistig behinderten jüngeren Bruder», dabei hat der Mann ein Gesicht wie ein Posaunenengel. Auch sonst ist diese Einschätzung nicht präzise: Der ultrarechte Fox-News-Moderator Glenn Beck, der täglich Millionen in seinen Bann zieht, ist einer der cleversten Demagogen, die Amerika seit langem gesehen hat. Beck, der kürzlich am Jahrestag von Martin Luther Kings historischer Rede «I Have a Dream» eine riesige Menschenmenge vor den Stufen des Lincoln Memorial in Washington versammelte, um «die Ehre Amerikas wiederherzustellen» und das Erbe der schwarzen Bürgerrechtsbewegung für die vornehmlich weisse Anhängerschaft der versammelten «Tea Party» zu reklamieren, ist ein Volkstribun, wie er nur in den amerikanischen Medien entstehen kann.
    Quelle: NZZ
  14. Die Angst vor uns selbst
    Der Präsident der Französischen Republik hat einen Berg angehoben, und der ist ihm auf die Füße gefallen. Indem die Staatsspitze zur Offensive gegen die Roma blies, glaubte sie wahlkampftaktischen Nutzen ziehen zu können aus einem Sachverhalt, der im Kern eine Sache der Grenzpolizei und der städtischen Behörden ist. Das stellt sich als großer Fehler heraus. Bei den Roma geht es nicht um die öffentliche oder die soziale Sicherheit, sondern um die mentale Sicherheit. Es ist keine rein französische Angelegenheit, sondern eine europäische. Es handelt sich nicht um etwas, das gerade jetzt akut ist, sondern um ein größeres Problem. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs führte die “Los Angeles Times” in Osteuropa eine der ersten freien Meinungsumfragen durch. Die Umfrage erbrachte, dass sich für achtzig Prozent der Menschen, die gerade dem Kommunismus entkommen waren – für Tschechen, Ungarn, Rumänen, Bulgaren und Polen – im “Zigeuner” das Bild des diabolischen Fremden versinnbildlichte. Wenn der Hass auf die “Zigeuner” in den osteuropäischen Staaten weit verbreitet ist und dort seine schlimmsten Auswüchse zeitigte, so ist er im Westen ebenfalls nicht unbekannt: Die Literatur und die Oper des 19. Jahrhunderts – von Victor Hugo bis hin zu Verdi – ist voller Zeugnisse der Ängste, welche die Sesshaften angesichts einer nichtterritorialen Kollektivität empfanden. Das Betteln, die Krankheit, der Diebstahl, aber auch Vorstellung von Kindsraub – das alles verbanden die Europäer seit Jahrhunderten mit “diesen Leuten, die nicht wie wir leben”. Deren Dasein ängstigte und bedrückte sie. Diese Hysterie auf die Spitze treibend, schickten die Nazis diese “Untermenschen” in die Gaskammern.
    Es geht weniger um die Roma als um die, denen die Roma ein Dorn im Auge sind. Das postmoderne Europa gefällt sich darin, Tabus zu brechen, die seiner Freiheit Fesseln anlegen, aber gleichzeitig pflanzt es sich vor dem Migranten auf. Es hat eine Heidenangst vor den “Roma”, jenen aus freien Willen und Tradition Umherschweifenden. Wir müssen verstehen, dass es sich weniger um eine Ablehnung des Anderen handelt als um Zurückweisung des eigenen Selbst.  Rufen wir uns die Diagnose Charles de Gaulles von 1965 ins Gedächtnis: “Im allgemeinen Fortschritt hat sich eine Wolke über die Individuen geschoben. Auf die alte Heiterkeit eines Volkes von Bauern, die dem Boden eine mittelmäßige, aber sichere Existenz abgewannen, folgt bei den Kindern des Jahrhunderts die dumpfe Angst der Entwurzelten.”  Der Roma macht Angst. Er ist uns ein Abbild des Entwurzeltseins, ein beängstigender Teil unseres Schicksals! Die Furcht vor den Roma ist nur die uneingestandene Angst vor uns selbst.
    Quelle: WELT

    Anmerkung Orlando Pascheit: André Glucksmann war in der Praxis seiner Totalitarismuskritik für so manche oft nicht nachvollziehbare Überraschung gut, z.B. die Bejahung des Irakkrieges oder der Attentate von Tschetschenen. Seine Distanzierung von Sarkozy, für den er öffentlich im Wahlkampf eintrat, und sein Eintreten für die Roma dürfte vor dem Hintergrund seiner Monografie über den Hass nur folgerichtig sein. Nur hätte er schon früher bemerken können, dass Sarkozy, wenn es darauf ankommt, auf die latente Xenophobie eines großen Teils der Bevölkerung setzt. – Vor der wir, wie wir in der Causa Sarrazin sehen können, auch nicht gefeit sind.

  15. Offener Brief: “Ich fühle mich als Franzose angegriffen”
    Für Menschenrecht und Brüderlichkeit: Ein offener Brief an Präsident Sarkozy.
    Quelle: Tagesspiegel
  16. Spanien hält sich die Nase zu
    Viele Städte in Spanien stehen vor dem Bankrott. Nun sparen die Behörden ausgerechnet bei der Müllabfuhr – mit wirtschaftlichen Folgen.
    Quelle: Tagesanzeiger (CH)

    Kommentar AM: Wieder ein Beispiel für den Wahnsinn der Sparpolitik und die Tatsache, dass es eine einigermaßen vernünftige Abwägung über das Verhältnis von privater Tätigkeit und öffentliche Tätigkeit nicht mehr gibt. Ich könnte auch auf das Kapitel 13 in meinem Buch „Meinungsmache“ hinweisen: „Die Verarmung des Staates als strategischer Hebel“

  17. Kein Brot für Öl: Der Biosprit-Boom in Kolumbien
    Neben den wichtigsten Exportgütern wie Kaffee und Bananen wittert Kolumbien nun auch mit Palmöl das große Geschäft. Als Grundlage für Biosprit erhofft sich das Land mit Palmöl große Profite. Doch wer profitiert wirklich von diesem Boom und wer bleibt auf der Strecke?
    Quelle: 3sat
  18. 400000 Dollar pro Kopf
    Die irakische Übergangsregierung hat zugestimmt, 400 Millionen Dollar (315 Millionen Euro) an US-Bürger als »Entschädigung« zu zahlen. Zu den Nutznießern der voraussichtlichen Entschädigungszahlungen sollen »Dutzende US-Bürger« gehören, die im Sommer 1990 von irakischen Behörden an ihrer Ausreise gehindert worden war. Man habe sich auf acht Gruppen von Betroffenen geeinigt, hieß es von irakischer Seite. Der Irak hatte damals Hunderte Ausländer festgehalten, um einen US-Angriff auf den Irak zu verhindern. Anfang September 1990 wurden dann zunächst Frauen und Kinder freigelassen, die übrigen Geiseln folgten Mitte Dezember.
    20 Jahre nach der Kuwaitinvasion zahlt der Irak, der seit der US-Invasion 2003 ein Trümmerfeld mit nicht funktionierender Infrastruktur ist, noch immer fünf Prozent aus den Erlösen des Verkaufs von Erdöl und Gas in einen »Entschädigungsfonds« der UN. Er war 1994 eingerichtet worden. »Wer wird die Hinterbliebenen von mehr als einer Million Iraker entschädigen, die in den letzten zehn Jahren getötet wurden«, wird nun in einem Internetbericht zum Thema gefragt.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Orlando Pascheit: Die Familien der Opfer des Luftschlags von Kundus erhielten von der Bundeswehr insgesamt 328.000 Euro, d.h. pro Familie etwa 3800 Euro.

  19. LaLeLu: Thilo Sarrazin – das Video
    Quelle: LaLeLu

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