Hinweise des Tages
Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante aktuelle Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen. Heute u. a. zu folgenden Themen: Banken verschmähen EZB-Milliarden; Ratingagenturen in der Kritik; die Kluft wächst; schwarz-Gelb will Wohngeld drastisch kürzen; Schweinegrippe-Impfstoff bald unbrauchbar; Ostdeutschland droht erneute Deindustrialisierung; Gen-Mais: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Bundespräsident Christian Wulff; Gorleben: Anweisung von oben; Rüttgers will Chauffeur und Dienstwagen noch fünf Jahre behalten; Demokratie ohne Volk; WM: ein Stück Volksverdummung; Macht und Ohnmacht der Medien. (MB/WL)
- Banken verschmähen EZB-Milliarden
- S&P, Moody’s und Fitch in der Kritik
- Die Kluft wächst
- Schwarz-Gelb will Wohngeld drastisch kürzen
- Neue Zahlen: Nur noch 3,15 Millionen arbeitslos
- Schweinegrippe-Impfstoff bald unbrauchbar
- Ostdeutschland droht erneute Deindustrialisierung
- Wegen Gen-Mais-Skandal: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Bundespräsident Christian Wulff
- Gorleben: Anweisung von oben
- Rüttgers will Chauffeur und Dienstwagen noch fünf Jahre behalten
- Albrecht von Lucke: Demokratie ohne Volk
- Slowakei: Neue Rechtsregierung plant radikale Sparmaßnahmen
- Ein Stück Volksverdummung
- Tom Schimmeck über Macht und Ohnmacht der Medien
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Finanzmarktkrise: Banken verschmähen EZB-Milliarden
Offenbar sind die Kreditinstitute doch nicht so klamm wie befürchtet. Die schwache Nachfrage nach dem Drei-Monats-Tender der EZB überrascht den Aktienmarkt positiv.
Quelle: FR online - S&P, Moody’s und Fitch in der Kritik
Interessenkonflikte, Gefälligkeitsratings und Ratingshopping. Die drei US-Ratingagenturen bilden ein Oligopol. Sie reagieren entweder zu spät oder ihre Ratings sind tendenziell zu hoch, so lautet die Hauptkritik von René Hermann, Analyst bei Independent Credit View. Die Emittenten kaufen sich die Ratings gegen Bezahlung.
Quelle: Neue Zürcher ZeitungAnmerkung O.P.: Eine vernichtende Kritik eines am Markt agierenden Analysten. Zwar resümiert René Herman, dass die Ratingagenturen wichtig seien, aber im gleichen Atemzug gleichzeitig empfiehlt er, sich anderweitig zu informieren. Offensichtlich hat sich Independent Credit View kaum nach den Ratingagenturen gerichtet.
- Die Kluft wächst
Die Zahl der Haushalte mit geringen Einkommen hat im vergangenen Jahrzehnt zugenommen, ebenso das Einkommensgefälle zwischen ärmeren, Mittelschicht- und Besserverdienerhaushalten.
Quelle: Böckler Impuls - Schwarz-Gelb will Wohngeld drastisch kürzen
Die Bundesregierung will das Wohngeld zusammenstreichen – um rund 40 Prozent. Verbände sprechen schon von “sozialem Kahlschlag”.
Quelle: Welt - Neue Zahlen: Nur noch 3,15 Millionen arbeitslos
Der Mitarbeiter des Statistischen Bundesamts ist selbst über das Ergebnis seiner Recherche überrascht: “Tatsächlich”, sagt er am Telefon, “es ist der höchste Wert seit der Wiedervereinigung”: Im Mai dieses Jahres gab es in Deutschland mehr Erwerbstätige als je zuvor seit der deutschen Einheit: 40,28 Millionen. Zum ersten Mal seit Mitte 2009 ist die Beschäftigung im Jahresvergleich wieder gestiegen. Besonders stark hat sich die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs erhöht.
Quelle: FR onlineAnmerkung MB: Anstatt Agenturmeldungen von Reuters, DPA und DDP zusammen zu mischen, wäre etwas mehr Hintergrundinformation zu statischen Rechenschiebereien angebracht. Immerhin werden Arbeitslose in Fortbildungs- und Qualifikationsmaßnahmen, arbeitsunfähig Erkrankte sowie an private Vermittler ausgebürgerte Arbeitslose nicht gezählt. Immerhin erfahren wir, dass Vollzeitstellen leicht zurück gingen und durch eine stärkere Zunahme von Teilzeitstellen komensiert und übertroffen wurden. Das ist nicht wirklich erfreulich.
Siehe dazu auch:
4,33 Millionen Arbeitslose
Quelle: Die Linke [PDF – 70 KB] - Schweinegrippe-Impfstoff bald unbrauchbar
Die Pharmaindustrie hat ihr Geschäft gemacht, der Steuerzahler muss dafür bluten. Denn nach der “panischen” Diskussion, so Hartmann, über die Gefahren und Risiken der Schweinegrippe hätten die Bundesländer letzlich die Finanzierung für die Beschaffung des Impfstoffes übernommen.
Niemand habe jedoch damit gerechnet, dass sich der Großteil der Bevölkerung nicht habe von der Panik anstecken lassen. Die meisten hätten eine vorbeugende Impfung abgelehnt. Nun sitze Deutschland auf etwa 30 Millionen Dosen um Wert von 210 Millionen Euro – und im Oktober sei das Verfallsdatum des Impfstoffs erreicht.
Quelle: Merkur Online - Wirtschaftsforscher: Ostdeutschland droht erneute Deindustrialisierung
Das ist die Einschätzung des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). “Die Gefahr besteht, weil uns immer weniger Fachkräfte zur Verfügung stehen. Das wird den Kampf um die besten Köpfe verschärfen”, sagte der IWH-Ost-Experte Udo Ludwig der “Berliner Zeitung”. Die Ostwirtschaft stagniere seit langem, zudem werde die Situation durch den demografischen Wandel verschärft, der in den östlichen Bundesländern besonders dramatisch sei.
Quelle: T-onlineAnmerkung WL: Wie sagte doch unser neuer Bundespräsident: er möchte in seinem Amt „zur inneren Zusammenarbeit, zur inneren Einheit unseres Land und zu einem noch besseren gegenseitigen Verständnis“ beitragen. Das wird die Deindustrialisierung aber mächtig aufhalten.
- Wegen Gen-Mais-Skandal: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Bundespräsident Christian Wulff
Die Staatsanwaltschaft Hannover hat strafrechtliche Vorermittlungen gegen den frisch gewählten Bundespräsidenten Christian Wulff sowie gegen die niedersächsische Agrarministerin Astrid Grotelüschen und den niedersächsischen Umweltminister Hans-Heinrich Sander wegen Verstoßes gegen das Gentechnikgesetz aufgenommen. Wie von der NRhZ am 25.Juni gemeldet, hatten das internationale Netzwerk „Aktion GEN-Klage“, das diese Mitteilung der Staatsanwaltschaft heute erhielt, und weitere Organisationen Strafanzeige gegen die Verantwortlichen in der Niedersächsischen Landesregierung wegen illegaler Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen erstattet.
Quelle: Neue Rheinische Zeitung - Gorleben: Anweisung von oben
Die Freiheit der Wissenschaft hat Grenzen. Das gilt auf jeden Fall dann, wenn ein Forscher für eine wissenschaftliche Bundesbehörde arbeitet. Dies hat Professor Helmut Röthemeyer spätestens im Jahr 1983 festgestellt. Wie und in welchem Umfang das damals zuständige Innenministerium und das Kanzleramt auf den Zwischenbericht über die mögliche Eignung des Salzstocks in Gorleben als Endlager für Atommüll Einfluss genommen haben, darüber streitet seit zwei Monaten ein Untersuchungsausschuss. Denn auf der Basis dieses Berichts hat die Regierung Kohl 1983 beschlossen, ein Endlagerbergwerk zu errichten und den Salzstock untertägig zu erkunden. Am Donnerstag sagte Röthemeyer als Zeuge vor dem Gorleben-Untersuchungsausschuss aus. Sein Fazit: Die Regierung habe keinen Einfluss auf „sicherheitsrelevante fachliche Einschätzungen“ genommen. Aber die Empfehlung, angesichts der „Erkundungsrisiken“ noch weitere Standorte zumindest über Tage zu erkunden, musste Röthemeyer streichen. Gegen den Willen des Innenministeriums, damals die Fachaufsichtsbehörde der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), konnte sich Röthemeyer damit nicht durchsetzen. Der heute 71-jährige Kernphysiker bezeichnete die Frage nach alternativen Standorten jedoch als „entsorgungspolitische Entscheidung“. Er habe schon in einem Fachgespräch am 11. Mai 1983, zu der uneingeladen auch Vertreter des Innen- und des Forschungsministeriums wie des Kanzleramts erschienen waren, erkannt, dass er sich dagegen nicht stellen könne. Das Gespräch bezeichnete Röthemeyer am Donnerstag als „hart“. Er und seine Mitarbeiter hätten den Wunsch des Innenministeriums, den Hinweis auf alternative Standorte aus dem Text zu streichen, als „Weisung verstanden“, auch wenn später Juristen argumentiert hätten, es sei keine Weisung gewesen.
Quelle: Tagesspiegel - Rüttgers will Chauffeur und Dienstwagen noch fünf Jahre behalten
Auch nach seiner wahrscheinlichen Abwahl will der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) seinen Dienstwagen und Chauffeur fünf weitere Jahre behalten. Der nordrhein-westfälische Steuerzahlerbund kritisiere Rüttgers Forderung als „absolut überzogen.”
Quelle: Focus - Albrecht von Lucke: Demokratie ohne Volk
Ende der 80er Jahre tauchte in der bundesdeutschen Debatte erstmalig der Begriff der Politikverdrossenheit auf. Diese entpuppte sich alsbald weniger als Überdruss an der Demokratie im Allgemeinen denn als spezifische Parteienverdrossenheit der Wähler. Heute dagegen haben wir es, wie die Rücktritte von Roland Koch und Horst Köhler belegen, mit einem neuen Phänomen zu tun: nämlich der Politikverdrossenheit der Politiker. Mehr und mehr gerät die gesamte politische Klasse in die Krise – einerseits erlebt sie zunehmend die eigene Handlungsunfähigkeit durch den Angriff der Finanzmärkte, andererseits trägt sie durch die Rücktritte zur systematischen Schwächung ihrer selbst bei.
Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik - Slowakei: Neue Rechtsregierung plant radikale Sparmaßnahmen
Die designierte Regierung der Slowakei hat ein rabiates Sparpaket angekündigt, das einer Kriegserklärung an die Bevölkerung gleichkommt. Wie schon in den Nachbarstaaten Ungarn und Tschechien haben es sich auch hier rechte Kräfte zum Ziel gesetzt, die Folgen der Wirtschaftskrise rücksichtslos auf die Bevölkerung abzuwälzen.
Quelle: Hintergrund - Ein Stück Volksverdummung
Die Bundesfamilienministerin wünscht eine Fortdauer des anlässlich der Fußball-WM erstarkenden Nationalismus in der deutschen Bevölkerung. Das “Schöne an der Weltmeisterschaft” sehe sie vor allem darin, “dass ein unverkrampfter Patriotismus möglich” sei, erklärt Kristina Schröder im Hinblick auf die dominierende Präsenz von Deutschlandfahnen aller Art in der Öffentlichkeit. Sie hoffe nun, dass “dieses Gefühl auch über die WM hinaus” bestehen bleibe. Die Äußerungen der Ministerin werden von einem Konsens nicht nur der Berliner Politik, sondern auch sämtlicher deutscher Massenmedien inklusive ihrer liberalen Segmente getragen, in denen die Identifikation mit der deutschen Mannschaft und eine negative Abgrenzung gegenüber Teams aus anderen Staaten mittlerweile zum guten Ton gehören – missbilligendes Unverständnis gegenüber kritischen Positionen immer häufiger eingeschlossen. Auf lokaler Ebene kommt es zu ersten Kampagnen gegen Organisationen, die sich dem aufbrausenden Nationalismus verweigern. Prominente Sozialwissenschaftler warnen seit Jahren, der angeblich harmlose “Partypatriotismus” sei durchaus gefährlich und schüre rassistische Ressentiments.
Quelle: German Foreign Policy - Interview mit Tom Schimmeck über Macht und Ohnmacht der Medien
Der Ton den Bild anschlägt, findet sich am nächsten Tag auch in Qualitätsmedien wieder. Viele Medienmacher verkünden inzwischen stolz, dass sie Bild jeden Tag als Pflichtblatt lesen – und zwar gerne. Dafür kann man aber schlecht Bild die Schuld geben. Das hat eher mit der Entleerung des Journalismus zu tun, dem Verlust von Begrifflichkeiten, Kategorien und Zusammenhängen, dem Trend zur schnellen News, zum Event. So greifen immer mehr Boulevard-Themen Platz. Auch werden immer mehr Themen nur noch als Personality-Geschichte aufgezogen, auch ein Boulevard-Phänomen. Fast alle Medien sind inzwischen Teil des Promi-Zirkus. Versuchen sie einmal, eine Woche lang Boris Becker und Co. zu entgehen. Das schaffen sie auch dann nicht, wenn sie nur die Süddeutsche oder die Frankfurter Rundschaulesen.
Insgesamt beobachten wir in den letzten fünfzehn Jahren einen gewaltigen Ausbau der PR, gerade in den Wirtschaftsunternehmen. Hier werden wirklich mit allen Tricks Stimmungen kreiert. Auch das ist sicher eine Folge der Ökonomisierung. Da verschieben sich die Ressourcen. Inzwischen ist in Deutschland und anderswo die Zahl der Leute, die für Geld Meinung machen, also die Zahl der PR-Berater, der Kommunikationsstrategen, der Werber und anderer professionellen Agendasetter mindestens genauso groß wie die der Berichterstattenden. Diese PR-Leute sind in der Regel wesentlich besser bezahlt, wesentlich fokussierter auf ihre Aufgabe. Ihr Hebel wird immer länger: Sie nehmen mit Anzeigen, Veranstaltungen, Umfragen, Fotos und all dem Material, mit welchem sie die Öffentlichkeit bewerfen, immer mehr Einfluss. Auch weil die unter Spar-Diktaten ächzenden Medien immer hungriger nach kostenlosem Inhalt sind. So gewinnen die PR-Leute einen ungeheuren strategischen Vorteil gegenüber den Journalisten.Die Richtung heißt: Spaßfernsehen, wie in Italien unter Berlusconi. So macht man heutzutage auch Politik. Viel stärker als alle politische Propaganda, als das Lancieren bestimmter politischer Ansichten und Figuren, wirkt inzwischen die Entleerung der Köpfe.
Quelle: Telepolis