Hinweise des Tages
(KR/WL)
Heute zu diesen Themen:
- Als die Grünen die Heuschrecken fütterten
- Finanzminister-Treffen in London: G20 scheitern mit schneller Boni-Lösung
- Merkel will sich um Steinbrück kümmern
- Gesundheitsreform sozial justieren: Zusatzbeiträge müssen anteilig statt pauschal erhoben werden
- DGB Bayern: Wahlzeit – Arbeit darf nicht arm machen
- Gregor Gysi: „Die SPD muss Kilometer auf uns zugehen“
- Neues aus Absurdistan: LG Hamburg verschärft Hosterhaftung
- Klimaschutz: Atomkraft ist keine Alternative
- Massenprotest: “Atomkraft? Nein danke” ist wieder da
- Schranken für die Bundeswehr
- SPD im Dauertief: Requiem für eine Volkspartei
- Störung der Demokratie
- Deutsche ohne Angst: Die Basis heißt Vertrauen
- Sozialstaat: Westerwelle wettert gegen “staatlich bezahlte Faulheit”
- REW lässt Azubis demonstrieren
- Haushaltsloch: Sparberater für Rüsselsheim
- Wenn Arbeit knapp wird: Ist die Rente mit 67 noch zu halten?
- Lech-Stahlwerke: Unternehmer fordert: 48 Stunden in der Hitze
- IG Metall: Schwarz-Gelb schadet dem Land
- Sachbuchtipp: Meinungsmache
- US-Gesundheitsreform: Ein zahnloser Plan
- Tankwagen-Bombardierung in Afghanistan: Kollateralschaden oder Kriegsverbrechen?
- Annäherung an Putschregime in Honduras
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Als die Grünen die Heuschrecken fütterten
Für die Krise an den Finanzmärkten machen die Grünen heute gierige Manager verantwortlich. Doch die Partei hatte selbst die Regeln für die Finanzmärkte gelockert.
Das Urteil des Bremer Universitätsprofessors Rudolf Hickel ist eindeutig: “Die Grünen waren nicht nur Mitläufer, sondern Antreiber dessen, was sie heute kritisieren.” Die wichtigsten grünen Wirtschafts- und Finanzpolitiker “waren ja besessen von der Deregulierungsidee”, sagt Hickel, “die Debatte über Fehlentwicklungen wurde abgeblockt.” Die jetzigen Parteiforderungen zu den Finanzmärkten findet Hickel zwar richtig. Doch er zweifelt: “Ich hätte mehr Vertrauen, wenn die Grünen ihre Vergangenheit aufarbeiten und sich offen dazu bekennen, dass sie Mittäter waren.”
“Es ist dringend notwendig, die deutschen Finanzmärkte anzupassen”
Quelle: TAZ - Finanzminister-Treffen in London: G20 scheitern mit schneller Boni-Lösung
Deutschland und Frankreich haben sich nicht durchsetzen können – beim Treffen der G-20-Finanzminister wurde die Entscheidung über eine Obergrenze für Banker-Boni verschoben. Damit ist klar: Das Thema kommt beim Gipfel in Pittsburgh erneut auf die Tagesordnung.
Quelle: SpiegelOnlineKommentar AM: Beim Fernsehauftritt zur Bewertung des Ergebnisses tat Steinbrück so, als sei das Ergebnis ein Erfolg. – Dabei muss man noch bedenken, dass das Ganze eine Art Futter ist, das man der Öffentlichkeit zum Fraße hingeworfen hat. Mit Obergrenzen für Banker-Boni wird das Casino nicht geschlossen. Das müsste aber das Ziel sein.
- Merkel will sich um Steinbrück kümmern
Sollte Schwarz-Gelb gewinnen, müsste der jetzige Finanzminister wohl nicht auf die Oppositionsbank: Die Kanzlerin will ihn dann angeblich mit einem internationalen Spitzenjob versorgen.
Quelle: NetzeitungAnmerkung KR: Welche Posten werden diskutiert?: Die Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF) oder der Job von Günter Verheugen, Vizepräsident der Europäischen Kommission, zuständig für Unternehmen und Industrie.
Da kann es Steinbrück doch herzlich egal sein, wie die SPD-Mitglieder über seine Arbeit denken. Darauf sei hingewiesen, wer die Vorstellung, die SPD-Spitze arbeite für andere, für absonderlich hält. - Gesundheitsreform sozial justieren: Zusatzbeiträge müssen anteilig statt pauschal erhoben werden
Finanzkrise, leere Kassen und ein Bundesdarlehen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden jede neue Regierung zum raschen Handeln zwingen. Wirtschaftsforscher schätzen ein Defizit von knapp 11 Milliarden Euro für die GKV in 2009 und 2010. Angesichts der immensen Staatsverschuldung ist nicht zu erwarten, dass dieses Defizit aus Steuermitteln oder über eine Erhöhung des Einheitsbeitragssatzes ausgeglichen wird.
Damit bleiben als Finanzierungsquelle nur noch die allein durch die Versicherten aufzubringenden Zusatzbeiträge übrig. Mittlerweile ist fast allen politisch Verantwortlichen klar, dass Zusatzbeiträge bei den meisten Kassen zur Realität der Jahre 2010 und später werden. Anders ist die große Unterfinanzierung der GKV angesichts von Wirtschaftkrise und Staatsschulden kaum in den Griff zu bekommen. Dann hätten wir sie aber, die von der CSU dankenswerterweise abgelehnte Kopfpauschale. Nach der Wahl wird deshalb die politische Debatte über die Finanzierung neu geführt werden müssen. Von Herbert Rebscher, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Angestellten- Krankenkasse DAK.
Quelle: BayernkurierAnmerkung des NDS-Lesers J.W.: Wahlkampfhilfe für die CSU vom Vorstandsvorsitzenden der DAK.
Anmerkung KR: Außerdem: Ein gehaltsabhängiger Zusatzbeitrag ist sicher besser als ein Pauschalbeitrag. Doch der eigentliche Skandal besteht darin, dass die Arbeitgeber mit jeder Erhöhung des Zusatzbeitrags aus der paritätischen Finanzierung schrittweise entlassen werden.
- DGB Bayern: Wahlzeit – Arbeit darf nicht arm machen
Die Bundestagswahl steht kurz bevor. Zentrale Themen der Gewerkschaften sind Leiharbeit und Niedriglohn. Was sagen wir? Was sagen die Parteien?
Quelle: DGB Bayern [PDF – 456 KB] - Gregor Gysi: „Die SPD muss Kilometer auf uns zugehen“
„.. wir müssen auf die SPD nur ein paar Schritte zugehen, sie auf uns aber ein paar Kilometer. Wenn die SPD in der Konsenssoße bleibt, ist eine Zusammenarbeit ausgeschlossen. Wir können nicht Ja und Amen zu Afghanistan, der Rente ab 67 oder der Agenda 2010 sagen, das müssen die Sozialdemokraten begreifen. Dann wären wir von einem auf den anderen Tag überflüssig, eine fünfte neoliberale Fraktion wollen die Menschen nicht.“
Quelle: FAZAnmerkung KR: Nett, wie Gysi naive Interviewer immer wieder locker auflaufen lässt:
FAZ: Aber die Menschen wollen Vorschläge, die gegenfinanziert sind – woher soll das Geld für die Versprechungen der Linkspartei denn kommen? Das müssen Sie mir einmal vorrechnen …
Gysi: Das ist doch ganz klar: Wir haben Steuerveränderungen vorgeschlagen, die jährlich 160 bis 190 Milliarden Euro Mehreinnahmen bringen. Dagegen stehen Ausgaben von jährlich 140 bis 160 Milliarden – das rechnet sich ganz hervorragend. Aber man muss eben den Mut zum Umverteilen haben, und zwar nicht von unten nach oben wie bei Gerhard Schröder und Angela Merkel, sondern umgekehrt. Schröder hat die SPD entsozialdemokratisiert und Dinge gemacht, von denen Helmut Kohl nicht einmal träumte.
- Neues aus Absurdistan: LG Hamburg verschärft Hosterhaftung
Wie telemedicus.info berichtet, hat das Landgericht Hamburg, seit Jahren bundesweit berüchtigt für meinungsfreiheitsfeindliche Entscheidungen, einen Webhoster in die Pflicht genommen, Veröffentlichungen eines Kunden selbst im rechtlich umstrittenen Zweifelsfall zu zensieren.
Das Gericht verlangt sogar vom Webhoster, eine entsprechende Zensur-Infrastruktur zu schaffen.
Mit dieser Attacke setzt das in diesem Fall zwar in anderer Zusammensetzung und sogar auf Geheiß des Hamburgischen, Hanseatischen Oberlandesgerichtes handelnde, aber sonst regelmäßig unter dem Vorsitz von Richter Buske tagende Gericht seine seit geraumer Zeit vom früheren DDR-Bürgerrechtler Rolf Schälike auf seiner Webseite buskeismus.de dokumentierte absurde Rechtssprechung fort.
Quelle: T-Blog - Klimaschutz: Atomkraft ist keine Alternative
Kernkraft als Klimaretter? Das Öko-Institut positioniert sich in der aktuellen Debatte: In der Broschüre “Streitpunkt Kernenergie” werden die Argumente im Streit um die Rückkehr zur Atomenergie beleuchtet. Die Publikation – finanziert von der Stiftung Zukunftserbe – richtet sich an Fachexperten, Politiker, Journalisten und andere Interessierte.
Atomenergie kann nur einen geringen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Weltweit wird mit Kernenergie rund 15 Prozent des Strombedarfs produziert, insgesamt rund sechs Prozent des globalen Primärenergie-Verbrauchs. “Nur wenn die bestehenden 436 Atommeiler auf 1000 bis 1500 neue Anlagen ausgebaut würden, könnte Kernenergie überhaupt eine wichtige Rolle beim Klimaschutz spielen”, betont der Kernenergie-Experte aus dem Öko-Institut Dr. Christoph Pistner. Doch die Uranreserven sind begrenzt: Bei einer Verdopplung der Nuklearkapazitäten in den nächsten 40 Jahren wären die Uranvorräte bald erschöpft. Zudem stehen den Ausbauszenarien erhebliche ökologische, sicherheitspolitische und wirtschaftliche Bedenken entgegen.
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e.V. - Massenprotest: “Atomkraft? Nein danke” ist wieder da
Rund 50.000 Menschen aus ganz Deutschland haben am Samstag in Berlin für einen konsequenten Ausstieg aus der Atomenergie und gegen das Endlager in Gorleben demonstriert. Es war die größte Anti-Atomkraft-Demo seit über 20 Jahren.
Quelle: FR - Schranken für die Bundeswehr
Es weht der kalte Wind einer weitgehenden Domestizierung der demokratischen, liberalen und bürgerlichen Freiheiten. Die Militarisierung der Außenpolitik wird von einer Militarisierung der Innenpolitik flankiert, die an Verhältnisse erinnern lässt, die es zuletzt im Preußen-Deutschland des Kaiserreichs gab.
Einsätze im Innern haben Tradition in Deutschland. Alle Großstädte geben Zeugnis davon, Berlin, Hamburg oder München. Wir mögen uns heutzutage über die breiten Prachtstraßen freuen wie über die Dachauer- oder Ludwigstraße. Eine ihrer politisch zentralen Aufgaben war, Im Fall von Unruhen oder Streiks schnellstmöglich der Armee den Zugang in die Städte zu sichern.
Quelle: Rede von Detlef Bald, Militärhistoriker, auf der Veranstaltung “Schranken für die Bundeswehr” der Initiative “Rettet die Grundrechte” am 21. Juli im Münchner Gewerkschaftshaus [PDF – 508 KB] - SPD im Dauertief: Requiem für eine Volkspartei
Wie Müntefering sagte: „Der Fehler ist gemacht.“ Der Fehler war aber nicht Becks Brimborium, sondern die Agenda. Die SPD konnte Schröders Reformpolitik nicht ertragen. Obwohl sie richtig war. Vielleicht sogar, weil sie richtig war. Die Folgen jedenfalls sind nun nicht mehr rückgängig zu machen. Und deshalb war die Agenda falsch, jedenfalls wenn man als Maßstab den Wunsch nach Erhalt der SPD als Volkspartei zugrunde legt. Egal. Das Kapitel ist geschrieben, es wird in den Wahlen dieser Wochen gerade geschlossen.
Man sollte den Linksparteilinken gut zuhören: Lafontaine, Bisky, Ramelow. Deren Aussagen durchzieht so etwas wie ein solides Selbstbewusstsein, es ist ihnen die Gewissheit anzuhören, abzulauschen, dass sie die SPD realistischer sehen als die sich selbst.
Quelle: FAZAnmerkung KR: Abgesehen von der Verteidigung der Agenda 2010 und der Häme gegen finanziell Schwache eine realistische Lagebeschreibung der SPD.
- Störung der Demokratie
Viele Bürgerinnen und Bürger vertrauen den Verfassungsgerichten ihrer Länder mehr als den Parteien, Parlamenten und Regierungen. Umfragen bestätigen regelmäßig diesen Vertrauensvorschuss. Auch die Europäische Union (EU) verfügt über ein Gericht, dessen Aufgaben mit denen nationaler Verfassungsgerichte vergleichbar sind: den Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit Sitz in Luxemburg. Doch gerade das höchste europäische Gericht sah sich in den vergangenen Jahren zunehmender Kritik ausgesetzt. Mit seinen Urteilen mische sich der EuGH immer mehr in die Angelegenheiten der Mitgliedstaaten ein und untergrabe damit den politischen Gestaltungsspielraum der demokratisch legitimierten nationalen Regierungen, sagen die Kritiker.
Im Gegensatz zu marktschaffender und marktbefähigender Politik kann marktkorrigierende Politik auf europäischer Ebene nicht vom EuGH durchgesetzt werden. Ein gesamteuropäisches Flächentarifvertragssystem etwa, europäische Mitbestimmungsrechte oder gar ein europäisches Sozialversicherungssystem könnten nur durch die Politik geschaffen werden – was angesichts höchst heterogener Interessenlagen der Mitgliedstaaten, unterschiedlicher Ausgestaltungen nationaler Arbeits- und Sozialverfassungen und unterschiedlicher Wohlstandsniveaus mittelfristig nicht realistisch erscheint.
Die Folge ist: Eine ungebremst expansive EuGH-Rechtsprechung begünstigt die Entstehung einer europäischen Marktgesellschaft, ergänzt durch marktbefähigend wirkende europäische Antidiskriminierungsregeln. Marktkorrigierende Regeln bleiben aber auf die mitgliedstaatliche Ebene beschränkt und laufen zunehmend Gefahr, vom europäischen Recht als Störungen des freien Binnenmarkts verworfen zu werden.
Quelle: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung [PDF – 50 KB] - Deutsche ohne Angst: Die Basis heißt Vertrauen
Trotz Krise haben die Deutschen keine Angst. Das ist ein Signal. Dieses Land ist weder radikal noch extremistisch. Es ist in seiner überragenden Mehrheit von der Erfahrung geprägt, dass die demokratischen Institutionen verlässlich sind. Dass es so bleibt, liegt in der Verantwortung derer, auf die die Bürger schauen.
Quelle: TagesspiegelAnmerkung Orlando Pascheit: Der Autor wundert sich, weil er weiß, dass wir gut Gründe hätten Angst zu haben. In der deutschen Unaufgeregtheit einen Vertrauensbeweis in die demokratischen und gesellschaftlichen Institutionen zu sehen, ist ziemlich weit hergeholt. Tragen doch Politik und Medien als gar nicht so verantwortungsvolle Institutionen dazu bei, einen dichten Schleier über die Realität zu legen bzw. die deutsche Bevölkerung mehr oder weniger zu sedieren – besonders gut in aktuellen Nicht-Wahlkampf zu beobachten. Nach der Wahl die Sintflut, Hauptsache das bestehende Machtgefüge bleibt in etwa bestehen. Dabei sprechen etliche Fakten dafür, dass Deutschland von eben diesen Mächten in eine noch gar auszulotende Krise geführt wurde – Weltwirtschaft hin oder her.
Nehmen wir den Arbeitsmarkt. Da geht es nicht nur, wie auch in Artikel eingeräumt, um die die Modifizierung des Kurzarbeitergelds. Dennoch muss man das einmal verinnerlichen: Im Juni hatten wir 1,43 Millionen Kurzarbeiter in rund 50 000 Betrieben. Die damit weggefallene Arbeitszeit entsprach etwa 500 000 Vollzeitstellen. Zwar können die Unternehmen bis zu zwei Jahre lang Kurzarbeitergeld bekommen, doch die meisten haben die Unterstützung zunächst nur für wenige Monate beantragt. Im Herbst laufen viele Anträge aus, sollten die Unternehmen die wirtschaftlichen Aussichten als schlecht einschätzen, sind viele Kurzarbeiter weg vom Fenster und die Arbeitslosenzahl dürfte rasant ansteigen. Die offizielle Zahl der Arbeitslosen lag im August bei 3,5 Millionen. Dir Regierungsparteien lassen dabei gerne unerwähnt, dass das tatsächliche Ausmaß der Unterbeschäftigung bei 4,5 Millionen liegt. Aus der Arbeitslosenstatistik fällt nämlich heraus, wer sich nämlich weiterbildet, einen Ein-Euro-Job annimmt, krank wird oder mit Hilfe von Staatszuschüssen versucht, sich selbständig zu machen, obwohl er aktiv nach einer Erwerbsmöglichkeit sucht. Dazu kommen noch 600.000 der stillen Reserve, Menschen die keine Beschäftigung haben, grundsätzlich aber erwerbsbereit wären und aus den verschiedensten Gründen nicht in der Arbeitslosenstatistik erscheinen. Hinzukommen noch gravierende strukturelle Verschiebungen am Arbeitsmarkt mit einer skandalösen Ausweitung des Niedriglohnsektors, der Zunahme der Leiharbeit und der Verweigerung eines generellen Mindestlohnes, was in der Summe Ausbeutung zu einem festen Bestandteil der deutschen Arbeitswelt macht.
Die wirtschaftlichen Aussichten selbst sind grottenschlecht. Das von der Regierung vielbejubelte Wirtschaftswachstum des BIP um 0,3 Prozent im 2. Quartal 2009 im Vergleich zum Vorquartal, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das BIP gegenüber dem Vorjahresquartal um sage und schreibe 7,1 Prozent gesunken ist. Da kann sich jeder ausrechnen, wie viel Mal das Quartal um 0,3 Prozent wachsen muss, um das auszugleichen. Und die große Welle der Pleiten und Insolvenzen in der Industrie kommt erst noch. – Und der Finanzsektor, da herrscht anscheinend nach dem Untersuchungsausschuss zur HRE (von einer Untersuchung zu sprechen ist natürlich ein Witz) die große Ermattung. Wer meint, da täte sich viel außer groß herausgebrachten Ankündigungen, braucht sich nur die Ergebnisse des Finanzministergipfels am Wochenende anzuschauen. Auch die Schrottpapiere werden uns nicht loslassen, ca. ein Drittel des weltweit vorhandenen Mülls lagern in den Depots deutscher Banken.
Ich wundere mich auch über die Gelassenheit des deutschen Bürgers, aber aus anderen Gründen als der Tagesspiegel. Der Bürger und, hoffentlich noch rechtzeitig, der Wähler hat allen Grund, dem „Katastrophenverhinderungsmanagement der Bundesregierung“ tiefes Misstrauen entgegen zu bringen. Die Bundesregierung ist nämlich groß im „Katastrophenwahrnehmungsverhinderungsmanagement“, denn die meisten Deutschen wissen nämlich mitnichten „ganz genau, wie ernst die Lage ist“. - Sozialstaat: Westerwelle wettert gegen “staatlich bezahlte Faulheit”
Der Ton im Wahlkampf wird härter: FDP-Chef Westerwelle kündigt für den Fall einer Regierungsbeteiligung scharfe Korrekturen in der Sozialpolitik an. Erwerbslose, die zugleich schwarzarbeiten, seien “unerträglich”. Gewerkschaften und SPD reagieren empört.
Berlin/Saarbrücken – Es ist ein klassisches Thema der Liberalen, im Wahlkampf kommt es nun wieder auf die Agenda: der angebliche Sozialmissbrauch in Deutschland. FDP-Chef Guido Westerwelle sagte der “Saarbrücker Zeitung”, im Falle eines Wahlsiegs werde seine Partei scharfe Korrekturen in der Sozialpolitik vornehmen.
“Die Treffsicherheit des Sozialstaates muss größer werden”, sagte Westerwelle. “Es gibt kein Recht auf staatlich bezahlte Faulheit.”
Quelle: SpiegelOnlineKommentar AM: So äußert sich der Vorsitzende einer Partei, die während ihres ganzen politischen Lebens zum größeren Teil die Partei für die Durchsetzung von Einzelinteressen war. Allerdings waren das größere und mächtigere Interessen als die Bezieher von Hartz IV, die Westerwelle jetzt anzugreifen versucht. – Das ist einfach nur ein mieses Stück. Man wundert sich, dass so viele Menschen diesem Verein hinterher laufen.
- REW lässt Azubis demonstrieren
Laut eines Artikels auf taz.de stellt der Energiekonzern RWE seine Auszubildende frei, um morgen an einer Pro-Atom-Demo in Biblis teilzunehmen. Diese soll einen Tag vor der Anti-Atom-Demo “Mal richtig abschalten!” stattfinden. RWE scheut keine Kosten und Mühen und will die Azubis mit Bussen nach Biblis bringen lassen. Der taz-Artikel zeigt, dass von den Azubis sehr wohl die Teilnahme an der Demo erwartet wird. Angesichts ihres Abhängigkeitsverhältnisses gegenüber dem Unternehmen kann also nicht von rein freiwilligem Engagement der Azubis ausgegangen werden.
Quelle 1: LobbyControl
Quelle 2: TAZAnmerkung Martin Betzwieser: Wer in Zukunft aus eigener Überzeugung demonstriert, wird das dann zusätzlich auf das Transparent schreiben müssen.
- Haushaltsloch: Sparberater für Rüsselsheim
Angesicht von 300 Millionen Euro Schulden setzt Rüsselsheim auf das Wissen externer Berater. Ein vierköpfiges Expertenteam um den selbstständigen Berater für Kommunen, Günter Tebbe, soll Magistrat und Parlament beim Abtragen des Schuldenbergs begleiten. Der Posten im Haushalt für externe Beratungen muss hierfür von 20 000 auf 50 000 Euro aufgestockt werden. Das Gremium besteht neben Tebbe aus Annette Fugmann-Heesing, die bereits hessische Finanzministerin und Berliner Finanzsenatorin war. Außerdem sind der Marketingfachmann Florian Birk vom Verband Stadt- und Citymanagement sowie Carsten Große-Starmann, Fachmann für kommunale Steuerung, dabei. Gruppenleiter Tebbe war unter anderem Kämmerer in Herford. Das Team will eng mit Magistrat, Verwaltung und Parlament zusammenarbeiten und die Strukturen in Rüsselsheim so verändern, dass sich die finanzielle Lage verbessert. Schon in den nächsten Tagen soll es laut Tebbe erste Gespräche mit dem Magistrat und den Fraktionsvorsitzenden geben.
Quelle 1: Frankfurter RundschauAnmerkung Martin Betzwieser: Günter Tebbe ist Spezialist für „Strategische Steuerung und Finanzen“ bei der Bertelsmann Stiftung. Annette Fugmann-Heesing ist eine der größten Privatisierungs-Koriphäen. Da sind die Befüchtungen von Kritikern sicher nicht unberechtigt. Jetzt fehlt eigentlich nur noch Arvato.
Quelle 2: Frankfurter Rundschau
Quelle 3: Bertelsmann Stiftung
Quelle 4: Spiegel
Quelle 5: Spiegel - Wenn Arbeit knapp wird: Ist die Rente mit 67 noch zu halten?
Die Rente mit 67 oder gar 69, wie sie aktuell von der Bundesbank vorgeschlagen wurde, löst heftige Diskussionen aus. “Zutiefst unsozial” sei sie, wettern die einen und fordern für das Jahr 2010 eine Überprüfung der Altersanhebung.
Andere wiederum begrüßen sie als notwendige Antwort auf die demografische Entwicklung, in der nicht allein die jungen Arbeitnehmer den Wohlstand unserer Gesellschaft sichern können. Tatsächlich scheint gerade in Zeiten wie diesen, in denen die Arbeitsplätze wieder knapp werden, scheint das Ziel einer Verrentung mit 67 kaum noch durchsetzbar zu sein, wenn gleichzeitig auch junge Menschen wieder verstärkt arbeitslos werden. Doch kann man heute tatsächlich schon überblicken, wie die Arbeitsmarktlage in wenigen Jahren aussehen wird? Die Anhebung des Rentenalters wird 2012 beginnen. Dann werden Arbeitnehmer des Jahrgangs 1947 einen Monat länger arbeiten müssen. Im Jahr 2029 wird die Anhebung des Rentenalters durch den kontinuierlichen Anstieg ihre volle Wirkung entfaltet haben.
Werden also zukünftig immer mehr Alte die Arbeitsplätze der Jungen blockieren? Oder werden angesichts einer sich erholenden Konjunkturlage in einigen Jahren schon die Arbeitgeber so händeringend nach qualifizierten Arbeitskräften suchen, dass Jung und Alt harmonisch zusammenfinden? In der Lebenszeit diskutieren wir das Für und Wider eines Gesellschaftsentwurfs, in dem die Rente mit 67 oder gar 69 beginnen soll. Bedeutet eine längere Lebensarbeitszeit womöglich auch längere gesellschaftliche Teilhabe, mehr Lebensqualität und mehr Generationengerechtigkeit? Wir reden darüber, was Arbeitgeber und Arbeitnehmer tun können, damit in einer älter werdenden Gesellschaft Menschen länger fit und leistungsfähig bleiben.Es diskutieren:
- Tabea Bucher-Koenen, Mannheim Research Institute for the Economics of Aging (MEA)
- Rüdiger Hoffmann, Leiter Betriebssicherheitsmanagement der RWE Rhein-Ruhr Aktiengesellschaft
- Andreas Schmidt, Abteilungsleiter Sozialpolitik beim DGB
- Dr. Katja Patzwald, Jacobs-University Bremen
Quelle 1: Deutschlandradio (Einleitungstext)
Quelle 2: Deutschlandradio (Audio-Podcast, mp3, ca. 70 min., ca. 31,4 MB)Anmerkung Martin Betzwieser: Der Sender leistet mal wieder ganze Arbeit und bietet eine 70minütige verkappte Dauerwerbesendung für kommerzielle Altersvorsorge, bei der zur Auflockerung erörter wird, wie Menschen möglichst lange am Arbeitsplatz gesund bleiben können.
Um 10:44 Uhr – die Sendung lief eine knappe halbe Stunde netto – schrieb ich folgenden Leserbrief:Guten Morgen,
die Hauptprofiteure des Renteneintrittsalters 67 und der damit verbundenen privaten Altersvorsorge sind die Versicherungskonzerne.
Bitte informieren Sie Ihre Hörerinnen und Hörer darüber, dass das Forschungsinstitut MEA (Mannheimer Forschungsinstitut Ökonomie und Demographischer Wandel / Mannheim Research Institute for the Economics of Aging) teilweise von der Versicherungswirtschaft finanziert wird und demnach kein unabhängiges Forschungsinstitut ist.
Quelle: MEAMEA ist ein universitäres Forschungsinstitut der Abteilung Volkswirtschaftslehre in der Universität Mannheim. Seine Finanzierung besteht aus vertraglichen Grundmitteln (10 Jahre Laufzeit) und kompetitiven Drittmitteln (variable Laufzeiten). Derzeit machen die Grundmittel etwa 40 Prozent des Budgets und die Drittmittel etwa 60 Prozent aus. Die Träger der Grundfinanzierung sind zu gleichen Teilen das Land Baden-Württemberg und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.
Die Hörerinnen und Hörer sind auf diese Information angewiesen, um die Aussagen von Frau Bucher-Koenen vom MEA einordnen zu können. Dieses Problem betrifft auch andere Forschungseinrichtungen, z.B. das Forschungszentrum Generationenverträge von Prof. Bernd Raffelhüschen (nebenbei Aufsichtsrat bei der ERGO-Versicherung und Berater des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft).
Quelle: Forschungszentrum GenerationenverträgeEin weiteres Beispiel ist das Deutsche Institut für Altersvorsorge, das von der Deutschen-Bank-Gruppe finanziert wird.
Quelle: Deutsches Institut für AltersvorsorgeWenige Minuten später gelang es mir beim ca. 50. Versuch, unter der angegebenen Nummer telefonisch die Sendeleitung zu erreichen. Als ich dem Redaktionsmitarbeiter mein Anliegen schilderte, notierte er zwar meine Telefonnummer, machte aber auf mich einen skeptischen Eindruck. Ein Rückruf erfolgte natürlich nicht, die E-Mail wurde nicht vorgetragen und das Radiopublikum wurde auch sonst nicht über die Interessenverflechtung in Kenntnis gesetzt. Für mich bleibt beim Hören der Sendung der Verdacht, dass Hörerinnen und Hörer anhand ihrer Äußerung bewusst aussortiert werden.
- Lech-Stahlwerke: Unternehmer fordert: 48 Stunden in der Hitze
48 Stunden in der Woche sollen die 730 Beschäftigten der Lech-Stahlwerke (LSW) in Meitingen künftig arbeiten – das wären 8,5 Stunden mehr ohne Lohnausgleich. So lautet die Forderung von Unternehmer Max Aicher, der zusammen mit zwei seiner Töchter das Werk im Landkreis Augsburg besitzt. Eine bundesweit wohl einmalige Forderung, meint die IG Metall in Augsburg und spricht von einer „Unverschämtheit“.
Quelle: Augsburger Allgemeine - IG Metall: Schwarz-Gelb schadet dem Land
Schwarz-Gelb schade dem Land und bedeute soziale Kälte. “Das wäre die schlechteste aller Regierungskonstellationen für die nächsten vier Jahre”, sagte der Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, am Samstag im Frankfurt bei der Hauptveranstaltung seiner Gewerkschaft im Bundestagswahlkampf. Der DGB will nach Angaben seines Vorsitzenden Michael Sommer eine Koalition aus Union und FDP verhindern. “Schwarz-Gelb würde Deutschland schaden”, sagte er der “Passauer Neuen Presse”. “Wirtschaft, Union und FDP in einem Boot – das bedeutet soziale Kälte. Wer in der Krise massive Steuersenkungen verspricht, der will den Staat ausplündern und handlungsunfähig machen.”
Quelle: ZDF - Sachbuchtipp: Meinungsmache
In der Sendung bookmark auf 3.sat:
Quelle: 3sat - US-Gesundheitsreform: Ein zahnloser Plan
Staatlich gelenkte Gesundheitsmodelle wie in Kanada, Grossbritannien oder Frankreich werden in den USA als «unamerikanisch» zurückgewiesen. Jetzt versucht Präsident Obama eine sanfte «Verschweizerung» des US-Gesundheitssystems. Senkt das die Kosten? Wer gewinnt? Wer verliert?
Quelle: NZZ - Tankwagen-Bombardierung in Afghanistan: Kollateralschaden oder Kriegsverbrechen?
… wer einen Luftangriff gegen zwei mit Treibstoff beladene Tankwagen ordert, wer ein solches Ziel bombardieren lässt, sorgt für ein Inferno. Und muss das wissen. Ein derartiges Vorgehen fällt unter die vom Kriegs- und Völkerrecht geächtete grausame Kriegführung. Dagegen wurde verstoßen. Genau genommen wurde in der Nacht vom 3. zum 4. September 2009 in Kundus ein Kriegsverbrechen verübt, in das – allen Beschwichtigungen von Verteidigungsminister Jung (CDU) zum Trotz – deutsche Militärs verstrickt sind….
Von Lutz Herden.
Quelle: FreitagAnmerkung zum Ereignis von Orlando Pascheit: Deutschland verliert immer offensichtlicher seine Unschuld – auch in der offiziellen Berichterstattung. Die Betonung liegt auf “offensichtlicher”, für die meisten dürfte klar sein, dass für die Teilnehmer an einem Krieg jede Unschuld verloren geht. Ich schlage für Herrn Jung folgende Definition von Krieg vor: Krieg ist eine bewaffnete Auseinandersetzung, in der zivile Opfer billigend in Kauf genommen werden. – Die Unterstellung, dass die Kritik der verbündeten eine “Retourkutsche” sei, ist eine unwürdige Ablenkung vom eigentlichen Tatbestand. Selbstverständlich muss es jedem Betrachter aufstoßen, wenn Deutschland, das Luftangriffe, bei denen es zu zivilen Opfer kam, scharf kritisiert hat, nun mitten in der Nacht in einer unübersichtlichen Lage Bombenangriffe befiehlt.
- Annäherung an Putschregime in Honduras
Während internationale Menschenrechtsorganisationen eine Zunahme der Gewalt nach dem Staatsstreich in Honduras beklagen Menschenrechtsverstöße in Honduras bestätigt[1], will die Europäische Union mit dem Putschregime in Tegucigalpa über ein Assoziierungsabkommen verhandeln. Das hat die Lateinamerika-Kommission des EU-Ministerrates (COLAT) Anfang der Woche beschlossen. Wie die spanische Nachrichtenagentur EFE berichtete[2], wurde der Antrag Spaniens auf einen Ausschluss Honduras´ aus den seit 2007 laufenden Assoziierungsgesprächen abgelehnt. Eine solche Isolation sei „nicht sinnvoll“, zitiert EFE nicht namentlich benannte EU-Vertreter.
Quelle: Telepolis