Hinweise des Tages

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

(AM/KR)
Heute unter anderem zu diesen Themen:

  1. Banken und Versicherungen beuten das Gemeinwesen skrupellos aus. Dabei hilft die Selbstverachtung der Politiker
  2. Meuterei in Fort Yuma – Peer Steinbrück poltert gern lustig herum …
  3. Goldman Sachs – Kampf dem Déjà-Vu
  4. Das Menetekel
  5. Der ZEW-Index mahnt – Konjunkturverlauf folgt dem W
  6. Neuer Streit um die Rente mit 67
  7. Rentengarantie ohne negativen Folgen für die Jüngeren
  8. DGB fordert Lösung gegen Absturz in Hartz IV
  9. Finanzinvestoren bei der TUI AG – und die Interessen der Belegschaft
  10. Neues aus dem S-Bahn-Chaos: Bahn setzt auf Nostalgiezüge
  11. Projekt Sonnen-Landung
  12. Paris: Die geteilte Stadt
  13. Renaissance des Buches : Literatur über Berlusconi
  14. Seit heute fallen keine Steuern mehr an
  15. Mit der Krise ein neues Europa
  16. Friederike Spiecker: Schulden machen, aber richtig
  17. Der Charme des Lumpenradikalen
  18. ARD-exlusiv: Die Armutsindustrie (WDR)
  19. Koch-Mehrin entgeht nur knapp einer Blamage

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Erst Geld, dann Hohn
    Banken und Versicherungen beuten das Gemeinwesen skrupellos aus. Dabei hilft die Selbstverachtung der Politiker.
    VON ULRIKE HERRMANN
    Für die Allianz-Aktionäre war 2008 ein gutes Jahr. Mitten in der Finanzkrise haben sie eine Dividende von 3,50 Euro kassiert. So viel gab es bei kaum einem anderen DAX-Konzern. Auch für den Allianz-Vorstand hat sich das vergangene Jahr gelohnt. 26,275 Millionen Euro haben die elf Herren für ihre Anstrengungen als Manager erhalten, wie der aktuelle Geschäftsbericht ausweist.
    Quelle: taz

    Kommentar AM: Eine sehr gute Übersicht über Zumutungen, im konkreten Fall von Allianz, Dresdner- und Commerzbank.

  2. Meuterei in Fort Yuma
    Peer Steinbrück poltert gern lustig herum und ist in der Bevölkerung deshalb populär. Doch die SPD muss sich ihres Finanzministers entledigen, bevor er noch mehr Schaden anrichtet.
    Quelle: FTD
  3. Goldman Sachs – Kampf dem Déjà-Vu
    Selbst wenn die Resultate der US-Bank der Auftakt für eine Serie glänzender Ergebnisse sein sollten, zum Aufatmen gibt es keinen Anlass. Die Branche wird derzeit gut gedopt – und braucht dringend neue Eigenkapitalvorschriften.
    Quelle: FTD
  4. Das Menetekel
    So wird das nichts. Wie unwirksam alle zarten Regulierungsversuche des Kasino-Kapitalismus sind, macht Goldman Sachs klar. Der Inbegriff des Finanzkapitalisten hat erneut bombastische Zahlen vorgelegt. Ein Rekordquartal inmitten der großen Krise.
    Und dass für die Bezahlung der Mitarbeiter samt Boni 48 Prozent der Einnahmen oder 6,4 Milliarden Dollar zurückgelegt werden, ist auch nicht gerade appetitlich. Verlieren doch gerade weltweit Millionen Menschen ihre Jobs und verarmen wegen der Krise, die auf die ungezügelte Zockerei zurückgeht. Nur zur Verdeutlichung: Pro Kopf der knapp 30.000 Goldmänner sind das allein für drei Monate rund 220.000 Dollar!
    Doch soll man Goldman einen Vorwurf daraus machen, dass sie das alte Spiel weiter spielen? Dass sie gierig wie eh und je jede Chance nutzen, das schnelle Geld zu machen?
    Der Vorwurf muss sich an die Regierungen richten, die noch immer nicht dem Übel der Krise zu Leibe gerückt sind. Solange die Gesellschaft das Zocken, das ultrakurzfristige Denken sowie die Freiheit des Kapitals toleriert, werden es die smartesten Firmen auszunutzen wissen. Da zu lasche Regulierung der Finanzmärkte der Hauptgrund für die Krise war, sind die Goldman-Zahlen das Menetekel. Greifen die Regierungen nicht endlich richtig durch, ist die nächste Krise nicht fern.
    Quelle: FR
  5. Der ZEW-Index mahnt – Konjunkturverlauf folgt dem W
    Der ZEW-Index ist ein Frühindikator, das heißt, er deutet schon heute an, was in sechs Monaten in der Realwirtschaft passieren sollte. Als er im November vergangenen Jahres nach einer kräftigen Talfahrt erstmals wieder anstieg, glaubten Politiker in Deutschland noch, das Land brauche keine Konjunkturprogramme.
    Sechs Monate und zwei Konjunkturprogramme später, also im Mai diesen Jahres, zeigte die Realwirtschaft in Form der Industrieproduktion und Auftragseingängen erste Erholungstendenzen.
    Der in der Fachwelt ob seiner Aussagekraft umstrittene Index hat sich in den vergangenen Jahren besser geschlagen als andere Frühindikatoren. Und was sagt uns jetzt der Rückschlag? “Das spricht ganz eindeutig für das W-Szenario”, sagt Sylvain Broyer. Im ersten Quartal 2010 komme es zu einem erneuten Wachstumseinbruch, so der Volkswirt der Investmentbank Natixis.
    Der Buchstabe W steht für den Konjunkturverlauf und ringt bei den Prognostikern mit dem Buchstaben V, also einer raschen und starken Erholung. Andreas Rees von Unicredit interpretiert den ZEW-Index ebenfalls im Sinne des W: Bis zum Jahreswechsel dürfte die Realwirtschaft sich erholen, sogar stärker als bislang vermutet, doch danach komme es zu einem Nachlassen der Antriebskräfte. Von Robert von Heusinger.
    Quelle: FR

    Kommentar AM: Ich halte von den verschiedenen Indizes nicht viel. Fragen wir einfach mal, was uns diese Indices in den letzten Jahren gebracht haben? Ich kann mich an keinen Dienst erinnern, den sie unserer Volkswirtschaft erwiesen haben könnten.

  6. Neuer Streit um die Rente mit 67
    Der neue Landesvorsitzende der SPD in Bayern, Florian Pronold, verteidigt den Beschluss seines Landesverbands vom Wochenende, die geplante Rente mit 67 wegen der Wirtschaftskrise auszusetzen. “Wir brauchen flexible Altersteilzeitmodelle”, sagte Pronold dem Düsseldorfer “Handelsblatt” (Dienstagausgabe) laut Vorabbericht. Parteilinke fürchten der Zeitung zufolge faktische Rentenkürzungen, wenn ältere Arbeitnehmer keine Arbeit mehr finden und früher in Rente gehen müssen. Der Thüringer SPD-Chef Christoph Matschie kritisierte dagegen den Beschluss der Genossen in Bayern. “Ich rate von Schnellschüssen ab”, sagte er dem Blatt. Die Rente mit 67 sei im Grundsatz richtig. Derzeit seien 52 Prozent der Arbeitnehmer zwischen 55 und 65 Jahre alt, 1997 seien es nur 38 Prozent gewesen. Auch Schleswig-Holsteins SPD-Landesvorsitzender Ralf Stegner stellte die Rente mit 67 nicht infrage, forderte aber weitere Maßnahmen. Dazu gehörten Chancen für ältere Arbeitnehmer, flexible Übergänge und Hilfen für jene, die nicht bis 67 arbeiten können.
    Quelle: Ihre Vorsorge
  7. Rentengarantie ohne negative Folgen für die Jüngeren
    Die umstrittene Rentengarantie hat nach Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung nicht die befürchteten negativen Auswirkungen auf die jüngere Generation. Die Rendite der eingezahlten Beiträge werde dadurch nicht schlechter, sagte Reinhold Thiede, Chef der Entwicklungsabteilung der Rentenversicherung, am Dienstag in Erkner bei Berlin. «Die jüngere Generation ist nicht benachteiligt.» Gleichzeitig bekräftigte er die Erwartung, dass die Rentengarantie im nächsten Jahr gar nicht benötigt wird.
    Quelle: PR-inside

    Als Ergänzung ein Kommentar von S.W. zu einem früheren Hinweis auf: Die Welt – Der staatliche Raubzug gegen die Mittelschicht:

    Liebe Nachdenkseiten,
    es passiert mir selten, dass ich fassungslos vor einem Text sitze und den Kopf schüttle, weil ich nicht glauben kann, was da allen ernstes behauptet wird. Die WELT hat es wiedermal geschafft. Da werden Tränen um die schrumpfende Mittelschicht geheuchelt, ohne auch nur auf die Idee zu kommen, Ursachenforschung zu betreiben. Beeindruckend intuitiv wird erkannt: die übermächtige Lobby der Geringverdiener ist Schuld am Niedergang des Sozialstaates.
    “Diese Wenigverdiener sind es nämlich, die das Gemeinwesen mit ihren Wohlstands- und Versorgungserwartungen in den Bankrott treiben. Mittlerweile sind es so viele, dass keine große Partei mehr an Ihnen vorbei kommt, wenn sie Wahlen gewinnen will.”
    Richtig traurig wird es jedoch, wenn man einen Blick in die Leserkommentare wirft.

  8. DGB fordert Lösung gegen Absturz in Hartz IV
    Nach einem Jobverlust stürzt mittlerweile fast jeder Dritte direkt und ungebremst in Hartz IV ab. Viele Betroffene waren entweder gar nicht oder weniger als die geforderten zwölf Monate in den letzten zwei Jahren sozialversichert, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach am Dienstag in Berlin. Besonders betroffen seien befristet Beschäftigte und Leiharbeitskräfte. Im ersten Halbjahr 2009 wurden knapp 2,2 Millionen Menschen aus einer Erwerbstätigkeit heraus arbeitslos, davon waren 655.000 – knapp 30 Prozent – direkt auf Hartz IV angewiesen, wie Buntenbach ausführte. Darin seien auch Ein-Euro-Jobs und andere Formen öffentlich geförderter Beschäftigung enthalten. Auch denjenigen, die zuvor auf dem ersten Arbeitsmarkt sozialversichert beschäftigt waren, droht unter Umständen nur ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Von Januar bis Juni 2009 seien 331.000 ehemals Erwerbstätige aus sozialversicherter Beschäftigung (18,5 Prozent) hilfebedürftig geworden, in den neuen Ländern liege der Anteil sogar bei 22,2 Prozent.
    Buntenbach forderte deshalb, die Rahmenfrist für Arbeitslosengeld I zu verlängern. «Viele instabil und befristet Beschäftigte könnten vor Hartz IV verschont bleiben, wenn die gültige zweijährige Rahmenfrist für die notwendigen Beitragszeiten zumindest um ein Jahr verlängert würde», sagte Buntenbach. Derzeit müssen Erwerbslose mindestens zwölf Monate innerhalb der letzten zwei Jahre Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt haben, um einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben. Zugleich lehnte Buntenbach einen Vorstoß der Bundesagentur für Arbeit (BA) nach differenzierten Hartz-IV-Sätze ab. «Es wäre wirklich falsch, wenn man die gesellschaftliche Spaltung (…) noch vertiefen würde», warnte sie. Wichtiger sei es, Erwerbslosen und Geringverdienern Hartz IV möglichst zu ersparen.
    Quelle: Netzeitung

    Anmerkung Martin Betzwieser: Zweck der Reform war sicher nicht, Arbeitslosen etwas zu ersparen. Es ging darum, die Sozialversicherungsbeiträge und die Leistungen zu senken. Und es ging darum, Angst und Schrecken unter den Arbeitnehmern/innen zu verbreiten (d.h. systematisch ihre Verhandlungsposition gegenüber den Arbeitgebern zu schwächen, um sie auf diese Weise zu mehr „Flexibilität“ zu zwingen, KR). Annelie Buntenbach scheint das genau so zu verdrängen wie ein Großteil der verantwortlichen Politiker/innen, die von den einschlägig besetzten Kommissionen zugetextet wurden.

  9. Finanzinvestoren bei der TUI AG – und die Interessen der Belegschaft
    Jahrelang stand die TUI AG unter dem Druck aktiver Aktionäre, die eine Abspaltung der Schifffahrtstochter Hapag Lloyd AG forderten. Der Vorstand wehrte sich lange Zeit dagegen, gab den Forderungen 2008 aber schließlich nach. Doch dann mischt sich die Belegschaft ein – nicht, um den geplanten Verkauf zu verhindern, sondern um eine Lösung zu erstreiten, die auch die Interessen der Beschäftigten wahrt.
    Diese Dokumentation auf der Grundlage von Interviews mit Vertretern der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschreibt die in ihrer Professionalität und Kreativität beispielhafte Kampagne.
    Quelle: Hans-Böckler-Stiftung

    (der Link „Fallbeispiel TUI AG“ gegen Ende der Seite)

  10. Neues aus dem S-Bahn-Chaos: Bahn setzt auf Nostalgiezüge
    Bahn-Chef verspricht “Unterstützung” vom Mutterkonzern bei S-Bahn-Chaos. Was das genau heißt, sagt er nicht. Eine Idee: Alte DDR-Züge wieder rausholen.
    Den Linkspartei-Landesvorsitzenden Klaus Lederer erinnern die Verhältnisse bei der S-Bahn “frappierend an die britischen Zustände nach der dortigen Bahnprivatisierung”. Der Bund als Eigentümer der Bahn habe das Unternehmen “in den vergangenen Jahren vor allem als fiskalische Cash Cow betrachtet, die es mit Blick auf mögliche Privatisierungserlöse galt, börsenflott zu machen”. Dabei sei die eigentliche Verantwortung der Bahn vergessen worden – dies sei “nicht an erster Stelle die Erwirtschaftung börsentauglicher Renditen, sondern die kostengünstige und nachhaltige Erbringung von Verkehrsdienstleistungen im Sinne der Kunden”.
    Quelle: TAZ
  11. Projekt Sonnen-Landung
    Dersertec ist mehr als Wüstenstrom für unsere Steckdosen. In der Verbindung mit anderen alternativen Energien kann er zum Quantensprung für die Industriegesellschaften werden.
    Quelle: FR
  12. Paris: Die geteilte Stadt
    In der Geographie der globalen Ökonomie hat der Erfolg seinen Preis. Wie New York oder London bezahlt auch Paris seine Mitgliedschaft im exklusiven Club der wirtschaftlichen Steuerungszentren mit einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich. In der französischen Hauptstadt konzentrieren sich die Konzernzentralen der international verflochtenen Ökonomie, die neuen Dienstleistungsberufe, der erwirtschaftete Reichtum und die luxuriösen Konsumangebote für diejenigen, die an diesem Reichtum teilhaben. Auf der Strecke bleiben die Armen und Geringverdiener. Sie werden an den Rand der Stadt gedrängt, damit sich die neue urbane Schicht der Wohlhabenden im Zentrum ausbreiten kann.
    Quelle: FR
  13. Renaissance des Buches: Literatur über Berlusconi
    Wie die Fernsehallmacht Berlusconis dem “alten Medium” Buch zu einer Renaissance verhalf.
    Quelle: SZ

    Anmerkung KR: Anlass des Artikels ist ein belangloses Klatsch-und-Tratsch-Buch. Die Hintergrundinformationen hingegen sind durchaus interessant. Zitat:

    Bestimmte Themen sollten in der Rai gar nicht mehr behandelt werden – von privaten Berlusconi-Sendern ganz zu schweigen. Zum ersten Mal machte damals der Begriff “Regime” die Runde.
    In dieses “Informationsloch” stieß ein in Italien bereits totgesagtes Medium vor: das Buch. Die Rizzoli-RCS-Gruppe, ein Hüne im italienischen Verlagswesen, entwickelte die Reihe “Futuropassato” mit Untersuchungen über die Mafia, die Finanzwelt und die Politik – und wurde prompt zum Marktführer. Rund 50 Titel liegen bis heute vor, die Auflagen schwanken in der Regel zwischen 10.000 und 20.000 Exemplaren.
    Der erfolgreichste Titel verkaufte sich bislang rund 1,2 Million Mal.

  14. Seit heute fallen keine Steuern mehr an
    Deutschlands Steuerzahler arbeiten seit heute Morgen, 8.42 Uhr, nur noch für den eigenen Geldbeutel. “Die Tatsache, dass der Steuerzahler-Gedenktag in diesem Jahr sechs Tage später liegt als im vergangenen Jahr, zeigt, dass die Forderung nach Steuersenkungen vollkommen berechtigt ist”, sagte der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl Heinz Däke.
    Quelle: FR

    Anmerkung OP: Alle Jahre wieder meldet die Steuersenkungslobby diesen Stichtag. Das wirklich Traurige ist, dass neben anderen Zeitungen auch eine Zeitung wie die Frankfurter Rundschau diese neoliberale Kacke verbreitet. Muß denn immer wieder darauf hingewiesen werden, dass die Sozialabgaben keine Steuern sind, wie im Titel suggeriert wird. Die Beiträge für die Hausrats- oder Kfz -Versicherung der Bürger werden ja auch nicht als Steuern erfaßt. Natürlich möchte ein echter Neoliberaler die Kranken, Renten- und Arbeitslosenversicherung  privat geregelt wissen. Das wird dann alles viel billiger für den Bürger. Stellen sie sich vor, das wäre so und die Finanzbranche hätte diese Versicherungen übernommen, und gedenken sie kurz des globalen Schicksals der kapitagedeckten Rente in diesen Zeiten. – Es bleiben natürlich die Steuern, die der große Räuber Staat uns wegnimmt. Da könnte man doch auch viel privatisieren: die Schulen, die Universitäten, die Polizei, die Bundeswehr, die Autobahnen, usw. Kommt uns bestimmt auch alles viel billiger- ohne Steuern.

  15. Mit der Krise ein neues Europa
    Nichts fürchten die Verfechter der ökonomischen Globalisierung so sehr wie das Eingreifen “der Politik”. Deshalb fordern sie in der aktuellen Krise nichts weniger als eine allgemeine Weltregierung. Sie haben nämlich kapiert, dass dies der sicherste Weg ist, um ihre Ruhe zu haben, sprich: von keiner Regierung behelligt zu werden. Auf globaler Ebene existiert kein echtes politisches Gemeinwesen, kein globaler “Sozialkörper”, der über die Macht verfügte, die sich die Nationalstaaten mit der Zeit – und zuweilen mit gewaltsamen Methoden – zugelegt haben. Eine auf regulierende Institutionen gestützte Einhegung des Kapitalismus setzt voraus, dass die – globale – Ebene der Märkte wieder mit der politischen Ebene der institutionellen Strukturen verbunden wird. Also muss das globale Marktgeschehen auf die institutionelle Ebene “heruntergeholt” werden, wobei es auch möglich sein muss, institutionelle Strukturen auf die Ebene der globalen Ökonomie “hochzuziehen”. Damit bieten sich quasi automatisch transnationale Gebilde und Regionen als die neue territoriale Ebene an, auf der die begonnenen, aber noch schwach entwickelten politischen Experimente erprobt werden könnten. Die EU ist in dieser Hinsicht unter allen Regionalgebilden der Welt das beste und zugleich schlechteste Beispiel: Einerseits ist hier die Integration mittels Institutionen am weitesten fortgeschritten; andererseits hat der aktuelle ökonomische Einbruch die Konstruktionsfehler des EU-Gebäudes gnadenlos und in quasi fotografischer Schärfe ausgeleuchtet..
    Quelle: le monde-diplomatique

    Kommentar AM: Man muss nicht alles richtig finden, anregend ist der Text.

  16. Friederike Spiecker: Schulden machen, aber richtig
    Das zentrale Symptom der gegenwärtigen Krise ist ein enormer weltweiter Entschuldungsprozess. Dabei fragt sich nur: Ist dies eine zwangsläufige Folge des vorausgegangenen Kreditbooms und gut so, weil man nicht auf Dauer “über seine Verhältnisse”, sprich: auf Pump leben kann? Oder sollte man der privaten Entschuldungswelle mit öffentlicher Verschuldung begegnen? Aus den Ursachen der Verschuldung, die der Krise vorausging, lässt sich am ehesten herausfinden, ob und wie viele Kredite der Staat und wofür einsetzen soll.
    Quelle: le monde-diplomatique
  17. Der Charme des Lumpenradikalen
    Am 6. Mai 2009 hat Südafrika den durchtriebensten und rätselhaftesten Politiker des Landes an seine Spitze gewählt. Jacob Zuma, der neue Präsident der größten Wirtschaftsmacht Afrikas südlich der Sahara, ist eine schillernde Persönlichkeit, Volksheld und märchenhafte Figur in einem. In Südafrika ist nichts mehr übrig von dem Idealismus, der das Land in den ersten zehn Jahren nach dem Sturz des Apartheid-Regimes geprägt hatte. Abgesehen von Zumas Zähigkeit gibt es viele Gründe für seinen Wahlsieg(3) trotz haarsträubender Unzulänglichkeiten und Schwächen. Die südafrikanische Gesellschaft verleiht den Opfern der Geschichte einen besonderen Status, verehrt sie wie Heilige und predigt allenthalben Absolution, Vergebung und Versöhnung. So wusste sich Zuma das Gewand des armen, einfachen Mannes anzulegen, der von einer bösen und abgehobenen Macht verfolgt und dann durch eine korrupte Justiz auf Befehl eines grausamen Fürsten (in Gestalt von Präsident Mbeki) gekreuzigt wurde. Er nutzte die Ungeschicklichkeiten seines Gegners aus und trieb ihn weiter in die Isolation, indem er sich die alte Tradition des Lumpenradikalismus zu eigen machte, der so bezeichnend ist für die Geschichte der Aufstände und Volksbewegungen in Südafrika. Gleichzeitig bot er sich den Verlierern des Wirtschaftswachstums unter Mbeki als Fürsprecher an, der die Revolution wieder auf die richtige Spur bringen und die Gewinne aus der Befreiung unter allen gerecht aufteilen würde.
    Quelle: le monde-diplomatique
  18. ARD-exlusiv: Die Armutsindustrie (WDR)
    Ein Film von Eva Müller
    Die Autorin Eva Müller hat in der boomenden “Armutsindustrie” recherchiert, von der viele profitieren – allerdings nicht die betroffenen Arbeitslosen
    Mittwoch, 15. Juli 2009, 21.45 Uhr im Ersten
    Quelle: ARD
  19. Koch-Mehrin entgeht nur knapp einer Blamage
    Quelle: FAZ

    Kommentar M.H.: Frau Koch-Mehrin hat nun doch im dritten Anlauf den Posten im EU-Parlament erhalten. Dank der Zustimmung der Grünen. Sie hatten die Wahl zwischen einer schwer belasteten FDP-Kandidatin und einem polnischem Rassisten. Warum die Grünen sich nicht der Stimme enthielten, statt dessen einer zweifelhaften Kandidatin den Zugang zum Präsidium ermöglichten, ist mir schleierhaft. Die Fraktion hätte sich doch auch der Stimme enthalten können, oder?
    Gern schwafeln die Liberalen von Selbstverantwortung. Diese Selbstverantwortung bezieht sich aber immer auf die anderen. Frau Koch-Mehrin kann durch Abwesenheit im Parlament und in Ausschüssen glänzen. Die Neoliberalen dürfen auch gern Wirtschaftsrezepte in Deutschland und in der ganzen Welt initiieren. Gern auch wohl für Entwicklungsländer, denen die Sozialhaushalte weggestrichen werden, weil sie der Marktöffnung im Wege stehen. Nur, Verantwortung wollen sie niemals für ihre “Empfehlungen” übernehmen. Und Koch-Mehrin wird von den Grünen ins EU-Parlament gewählt. Ich sehe da keinen Unterschied zwischen liberaler “Leistungsverweigerung” und rassistischen Abgeordneten. Beides brauchen wir nicht! Die Grünen scheinen im System der Sachzwänge nun endlich angekommen zu sein. Wieder kein guter Tag für Europa.

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