Hinweise des Tages

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

(WL/AM)
Heute unter anderem zu folgenden Themen:

  • Steuerzahler stützen Wirtschaft mit 11.000 Milliarden Franken
  • DIW: Deutsche Wirtschaft schrumpft um 4,5 Prozent
  • Japans Wirtschaft schrumpft um 13 Prozent
  • Bundesagentur widerspricht Jobprognose
  • Guttenberg der “Think positive-Minister”
  • Über die Probleme von Rentenfonds, Privatversicherungen und über die Werbung für die Privatvorsorge
  • Warum darf die HRE nicht pleitegehen?
  • Lucas Zeise: Schrumpft sie!
  • Harald Schumann: Recht und billig
  • Wie Staaten anderswo enteignen
  • Lafontaine: Sinnlose Verschleuderung von Milliarden
  • Manager – Ein Fall fürs Gericht
  • Gerettet wird immer
  • Länder spielen Opel-Rettung durch
  • Regierung verordnet Ölwechsel
  • Zeitenwende im schweizer Banking
  • Wer sich Verbrechen leisten kann
  • Private Uni Witten/Herdecke: Staatsanwalt nimmt ehemalige Chefs ins Visier
  • VGH Baden-Württemberg: Hochschulen dürfen Studiengebühren erheben
  • Marius Reiser: “Ein deutliches Zeichen der Ablehnung setzen”
  • Abitur 2009 – 2011 in Deutschland
  • Sieg für Hugo Chávez
  • Kosovo: Der morsche Balkan
  • Zum Tod des ehemaligen Chefredakteurs des Handelsblatts Hans Mundorf

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Steuerzahler stützen Wirtschaft mit 11.000 Milliarden Franken
    Es ist die teuerste Rechnung aller Zeiten. Würde sie unter der Weltbevölkerung aufgeteilt, müsste sich jeder Bewohner mit 1665 Franken daran beteiligen. Bisher haben weltweit 37 Staaten, die EU sowie der Internationale Währungsfonds Rettungsmassnahmen für Banken und andere Firmen in der Höhe von 11 324 Milliarden Franken beschlossen. Dies ergibt eine Aufstellung der «NZZ am Sonntag», die mit Hilfe von Research-Abteilungen internationaler Grossbanken entstanden ist. Die Summe ist hundertmal so gross wie die jährliche Entwicklungshilfe derselben Industriestaaten, die nun ihre taumelnde Wirtschaft zu retten versuchen. Und sie entspricht 18 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts von 2007. Rund ein Fünftel von dem, was die Weltwirtschaft vor etwas mehr als einem Jahr erarbeitet hat, wollen die Staaten also nun für deren Rettung ausgeben.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung: Und das alles, damit z.B. im noch ungetrübten Jahr 2006 allein die Angestellten der Credit Suisse und der UBS 20 Milliarden Franken Boni  erhielten – bei Eigenkapitalrenditen von 30 Prozent und mehr.

    Ergänzung AM: Die damalige Berechnung der Gewinne, die die Basis der Boni waren, basierte auf falschen Vorstellungen des Wertes der Schrottpapiere. Eigentlich bedürfte es einer Rückabwicklung, aber darüber denken die politisch Verantwortlichen nicht einmal nach.

  2. DIW: Deutsche Wirtschaft schrumpft um 4,5 Prozent
    Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet für das laufende Jahr mit dem schwersten Konjunktureinbruch in der Geschichte der Bundesrepublik.
    Angesichts des schlechten Starts ins neue Jahr sei ein Rückgang der Wirtschaftsleistung 2009 von „deutlich mehr als drei Prozent nunmehr im wahrscheinlichen Bereich“, teilte das DIW mit. Im ersten Quartal rechne man mit einem Schrumpfen von 4,5 Prozent!Ein derart massiver Rückgang wäre „bislang einmalig“ in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die Bundesregierung rechnete für 2009 bislang mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 2,25 Prozent.
    Quelle: Bild
  3. Japans Wirtschaft schrumpft um 13 Prozent
    Die japanische Wirtschaft ist angesichts eines beispiellosen Exporteinbruchs so stark eingebrochen wie seit der Ölkrise vor 35 Jahren nicht mehr. Es wächst die Befürchtung, die 40-Mrd.-Euro-Geldspritze zur Ankurbelung der Konjunktur könnte ohne Wirkung verpuffen.
    Quelle: FTD
  4. Bundesagentur widerspricht Jobprognose
    Durch die Konjunktur- und Finanzkrise droht nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit (BA) ein deutlich stärkerer Abbau von Arbeitsplätzen, als von der Bundesregierung erwartet.
    In seinen internen Szenarien meldet das BA-eigene Forschungsinstitut IAB Zweifel an der offiziellen Prognose an, wonach die Arbeitslosenzahl von Dezember 2008 bis Dezember 2009 um eine halbe Million auf 3,6 Millionen steigen wird.
    Da sich die Lage erst von Monat zu Monat verschlimmern dürfte, rechnet die Regierung im Jahresschnitt sogar gerade mit 250.000 zusätzlichen Arbeitslosen.
    “Die Prognosen im Jahreswirtschaftsbericht über die Arbeitslosenzahl halte ich für optimistisch”, sagte IAB-Chef Joachim Möller der Frankfurter Rundschau. “Die Werte sind nur unter günstigen Bedingungen erreichbar.”
    Doch die sieht der Forscher nicht gegeben, da seiner Ansicht nach auch die offiziellen Wachstumsvorhersagen die konjunkturelle Talfahrt nicht hinreichend widerspiegeln. “Die Annahmen des Wirtschaftsministeriums für eine Erholung schon im zweiten Quartal sind aus meiner Sicht zu optimistisch”, betonte Möller.
    Den “maximalen Beschäftigungsverlust” in 2009 beziffert er “laut einer Faustregel” auf drei Prozent, was dem Abbau von annähernd einer Million sozialversicherungspflichtiger Jobs entspräche. “Der tatsächliche Beschäftigungsabbau dürfte jedoch deutlich geringer sein, nämlich nach einer weiteren Faustregel nur etwa ein Drittel bis halb so groß.” Damit gingen im Jahresschnitt knapp eine halbe Million Stellen verloren. Andere Experten rechnen mit krasseren Einschnitten.
    Der Leiter des gewerkschaftsnahen Forschungsinstituts IMK, Gustav Horn, befürchtet einen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf vier Millionen bis Ende 2009.
    “Ich bin pessimistisch, da die stabilisierenden Faktoren immer mehr an Kraft verlieren, je länger die Konjunkturkrise andauert”, sagte Horn der FR.
    Quelle: FR
  5. Der “Think positive-Minister”
    Wenn jemand den Bürgern wohlige Märchen erzählt, wenn jemand ihnen Heilsgeschichten und ein kleines Utopia vorbetet, wenn jemand Erleichterungen und neue Werte verkündet, wenn jemand nicht schonungslos realpolitische Sachzwänge konstruiert, die er den Menschen dann in gemäßigter Form an den Kopf wirft, dann gilt er im bundesdeutschen Politikalltag als Populist. Nach der offiziellen Lesart des Begriffes ist ein solcher Mensch verabscheuungswürdig, weil er falsche Hoffnungen schürt, in Kauf nimmt Bürger zu enttäuschen, weil er höchst unmoralisch die Notwendigkeiten verleugnet, um stattdessen eine kleine heile Welt zu propagieren.
    Quelle: ad sinistram
  6. Warum dem US-Pensionsfonds Calpers Milliarden fehlen
    Das California Public Employees’ Retirement Systems, kurz Calpers, ist der größte staatliche Pensionsfonds der USA. Er verwaltet das Geld für die Altersvorsorge der über 1,6 Millionen Beamten Kaliforniens. Durch Fehlspekulationen auf dem Immobilienmarkt droht Calpers nun der größte Verlust seit der Gründung im Jahr 1932. Das Vermögen des Fonds hat seit dem Start des laufenden Geschäftsjahrs am 1. Juli 2008 ein Viertel seines Wertes verloren: rund 50 Milliarden Dollar.
    Als Calpers im vergangenen Sommer noch knapp 240 Milliarden Dollar verwaltete, war sein Portfolio größer als das der Staatsfonds Russlands, Südkoreas, Dubais und Chiles zusammen. Dabei waren die Kalifornier in den vergangenen Jahren bei ihren Investments zunehmend aggressiver vorgegangen und steckten immer mehr Geld in Immobilien, ausländische Aktien oder Waldbesitz.
    Calpers warnt die kalifornischen Kommunen und Schulen bereits, dass sie für ihre Angestellten möglicherweise ab dem kommenden Jahr höhere Sozialabgaben für den Fonds abführen müssen.
    Quelle: Handelsblatt
  7. Milliardenlöcher bei Betriebsrenten
    Angelsächsische Firmen stecken das Geld für ihre betriebliche Altersvorsorge traditionell in Fonds mit hohem Aktienanteil. Dass auch deutsche Unternehmen diesem Vorbild folgten, rächt sich nun. Betroffen sind vor allem Großkonzerne.
    Quelle: FTD
  8. Finanzvertrieb MLP verbucht Gewinneinbruch
    Der Finanz- und Versicherungsmakler MLP zieht Konsequenzen aus einem Gewinneinbruch und zieht sich aus dem verlustreichen Geschäft in Österreich und den Niederlanden zurück. Der Überschuss ging im vergangenen Jahr um 60 Prozent auf 24,8 Millionen Euro zurück, was die schlimmsten Erwartungen vieler Analysten noch übertraf. Die Gesamterträge schrumpften um fünf Prozent auf 598 Millionen Euro, wie MLP am Montag in Wiesloch bei Heidelberg mitteilte. Die Dividende sinkt auf 28 von 50 Cent je Aktie, womit MLP aber mehr als den Konzernüberschuss an die Aktionäre weiterreicht.
    Im Privatkundengeschäft, der Vermittlung von Versicherungen und Altersvorsorge-Produkten vor allem an Akademiker, werde sich MLP künftig auf das Deutschland-Geschäft konzentrieren, erklärte Vorstandschef Uwe Schroeder-Wildberg.
    Quelle: Reuters

    Anmerkung WL: In Deutschland hat man ja Raffelhüschen und Rürup als Werbeträger und beide haben ja mit der Riester- und Rürup-Rente ein einigermaßen sicheres Geschäftsfeld für MLP geschaffen.

    Siehe auch nochmals: Was Sie beachten sollten, wenn Sie (als junger Akademiker/Student) einem Finanzdienstleister gegenübersitzen?

    Dagegen jedoch:

    Rürup warnt vor “Horrorszenarien” bei Renten
    Sachverständiger der Regierung: Einbruch ist temporär
    Bert Rürup im Gespräch mit Silvia Engels
    Bert Rürup, Vorsitzender des Sachverständigenrates der Bundesregierung, relativiert Befürchtungen um die Stabilität des Rentensystems. Risiken bei Renten und Betriebsrenten gäbe es, doch diese Risiken seien in Deutschland “nicht relevant”.
    Quelle: DLF

    Anmerkung WL: ist es einfach Dummheit oder aber dummdreist, dass Rürup von der Redaktion des DLF immer noch als Vorsitzender des Sachverständigenrats und nicht als künfitger Chef-Ökonom des Finanzdienstleister AWD und als früherer Werbeträger von MLP vorgestellt wird?
    Die Interviewpartnerin gibt nicht den kleinsten Hinweis, dass Rürup nichts anderes als ein Lobbyist für die private Altersversorgung ist, der nun Beruhigungspillen verteilt. Dieses Interview ist unbezahlte (ja sogar unbezahlbare) Werbung für die Finanzdienstleister und wohl vor allem aus diesem Grund hat AWD-Chef Maschmeyer Rürup auch eingekauft.
    Rürup hat sich damals heftig gegen eine Untergrenzen-Sicherung für die Riester-Renten-Sparer gewehrt, es ist deshalb schon ziemlich heuchlerisch, wenn er jetzt plötzlich die Einzahlungsgarantie bei der Riester-Rente betont.

    Dass Werbung für die private Vorsorge beim DLF üblich ist, dazu vgl.:

    Angst um die Rente – Altersvorsorge in Zeiten der Finanzkrise
    Weil die staatliche Rente nicht mehr für einen sorgenfreien Lebensabend ausreicht, haben viele Menschen in den vergangenen Jahren in eine private Altersvorsorge investiert. Doch angesichts von Kurseinbrüchen an den Aktienmärkten und drohenden Bankenpleiten machen sich viele Sorgen um ihre Einlagen.
    Quelle 1: Deutschlandradio (Text)
    Quelle 2: Deutschlandradio (Audio-Podcast)

    Anmerkung Martin Betzwieser: Akkustische Publikumsverdummung. Die demographische Entwicklung mache private und betriebliche Altersvorsorge unverzichtbar. Da werde ohne Nachfrage oder Hintergrundberichterstattung die letzte Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge, dessen Sprecher Bernd Katzenstein und die Deutsche Vermögensberatung zitiert. Auch der Versicherungslobbyist mit Professorentitel Axel Börsch-Supan kommt zu Wort: „Beide Verfahren sind gefährlich. Das eine ist gefährlich, weil der Kapitalmarkt in die Knie gehen kann, wie wir es gerade jetzt sehen. Das andere ist gefährlich, weil uns die Demografie mit Sicherheit in die Knie geht. Und jetzt ist das Logische, was man macht, wenn man zwei Systeme hat, die sehr verschiedene Risiken tragen, dass man daraus mischt. Es wäre verantwortungslos, sich nur auf das Umlageverfahren zu stützen, aber genau so verantwortungslos, sich nur auf das Kapitaldeckungsverfahren zu stützen. Man braucht eine Mischung aus beidem.”

  9. Riester-Rente verliert in der Sparergunst
    Die Nachfrage nach Riester-Verträgen hat abgenommen. Wie die Börsenzeitung vor dem Wochenende berichtete, konnten die Fondsgesellschaften im vergangenen Jahr knapp eine halbe Million neue Verträge verkaufen. Im Jahr 2007 waren es noch etwa 700.000 gewesen.
    Quelle: Versicherungsmagazin
  10. Warum darf die HRE nicht pleitegehen?
    Die Bundesregierung sucht nach Wegen, wie sie die angeschlagene Hypo Real Estate kontrollieren kann. Warum ist das so wichtig?
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung WL: Dieser Beitrag ist wirklich nicht lesenswert. Den Inhalt konnten Sie so oder so schon in jeder Zeitung lesen. Der Text ist typisch für den üblich geworden Journalismus: Man spricht oder telefoniert mit ein paar Bankern, vielleicht mit dem Sprecher des Bundesfinanzministeriums und mit einigen Parlamentariern, die sich dazu geäußert haben. Und man plappert das einfach nach. Haben Sie erfahren, warum die HRE „systemrelevant“ sein soll, haben sie gelernt welche Auswirkungen eine Pleite haben würde? Da wurde von „verheerender Wirkung auf die Aktionäre“ geschrieben, wenn die Bank Pleite ginge. Die Tochter Depfa sei Staatsfinanzierer. Welche Staaten, wie viele und wie hohe Kredite? Die HRE finanziere Investitionsprojekte und habe Pfandbriefe einer ganzen Reihe von Krankenkassen, Kommunen etc. gezeichnet. Selbst wenn man die einzelnen Institutionen nicht nennen könnte, so könnte man wenigstens Fragen, wie hoch die Anleihen sind oder wenigstens, ob sie aus dem Inland oder Ausland gezeichnet wurden. So geht es immer weiter. Man erweckt den Eindruck, man sei Insider, weil man über Spekulationen berichtet, wie man den Einfluss des Finanzinvestor Flowers umgehen könnte.
    Mit solchen oberflächlichen und abwiegelnden Informationen will man dem Steuerzahler weiß machen, warum er für über 100 Milliarden gerade stehen soll. Man muss sich einmal vor Augenhaben, dass ist ein Volumen, das mehr als ein Drittel des gesamten Bundeshaushalts ausmacht. Darüber kann einfach so verfügt werden und die Presse, die ja eigentlich auch die Interessen ihrer Leser wahrnehmen sollten, lässt sich mit Andeutungen und Spekulationen abspeisen.

    Was man fragen müsste, und wo man nachhaken müsste, lesen Sie dazu nochmals: Über das Zusammenspiel von Medien, Finanzwirtschaft und Politik – auch bei HRE sichtbar

    Ergänzende Anmerkung AM: Auf diesen Beitrag wird hingewiesen, weil er prototypisch zusammenfasst, was es an Behauptungen gängiger Art gibt. Diese sind jedoch sehr fragwürdig: Wenn man international verabredet hat, dass kein Land mehr eine Bank pleite gehen lässt, warum ist dann nicht Irland in der Pflicht? Dorthin ist mit Depfa, die verlustreiche Tochter der HRE, doch vor der hiesigen Steuerpflicht geflohen. – Interessant auch das Argument von Steinbrück, bei einer Insolvenz seien auch die Garantien des Bundes gefragt und damit die 102 Milliarden in Gefahr. Es sieht so aus, dass diese ohnehin in Gefahr sind, in Anspruch genommen zu werden.

    Siehe auch:

    Die Drecksbank
    Quelle: Stern

    Anmerkung WL: Hier erfährt man wenigstens dass die Hypovereinsbank rund 20 Milliarden Euro mit ostdeutschen Plattenbauten verloren und große Teile ihres Immobiliengeschäfts in die HRE auslagerte, um das eigene Überleben zu sichern. Ansonsten auch nur ein paar Episoden über die Gier einiger Banken.
    Man muss den Eindruck gewinnen, als habe es ein sog. „Hintergrundgespräch“ gegeben, in dem Journalisten „gebrieft“ worden sind und alle kräftig mitgeschrieben haben.

  11. Lucas Zeise: Schrumpft sie!
    Kurz, wenn Staatsgeld an die Banken verteilt wird, steht nicht das systemische Risiko, das von ihnen ausgeht, im Vordergrund, sondern die relative Stärke deutscher gegenüber ausländischen Banken.
    Ich bezweifle, dass diese Politik im Interesse der Bürger und Steuerzahler ist. Nein, ich bin mir sogar sicher, dass dies nicht der Fall ist. Auch der Hinweis, dass die Regierungen im bösartigen Ausland ganz genauso handeln, ändert daran nichts. Wenn diese Finanzkrise ihren eigentlichen Grund darin hat, dass der Finanzsektor sich weltweit überproportional zur Realwirtschaft aufgebläht hat, dann liegt die Überlegung nahe, dem Finanzsektor eine Schrumpfkur zu verordnen. Die Krise selbst ist dabei, in dieser Richtung einiges zu tun. Alle Aktionen, die die nationalen Finanzinstitutionen jeweils stärken, sind aber kontraproduktiv.
    Soll man also insolvente Banken pleitegehen lassen? Immerhin gehen vom Crash einer größeren Bank große Gefahren für die Realwirtschaft aus. Zum einen droht eine Lawine von Kreditausfällen. Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass der Zahlungsverkehr zusammenbricht. Beide Ereignisse sind inakzeptabel. Um sie zu verhindern, müssen Pleiten systemrelevanter Banken vermieden werden. Die betroffene Bank muss vom Staat übernommen, ihre Funktion im Zahlungsverkehr gewährleistet werden. Dann müssen ihre Schulden zurückgefahren werden.
    Quelle: FTD

    Statt einer Anmerkung: Siehe dazu Albrecht Müller schon Anfang Januar: Den Kapitalmarkt effizienter organisieren – Konversion ist angesagt

  12. Harald Schumann: Recht und billig
    Noch keine Woche ist es her, dass Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die Leitung des Bundeswirtschaftsministeriums übernommen hat. Aber schon demonstriert er überzeugend, dass er mit dem politischen Management der Bankenkrise genauso überfordert ist wie sein Vorgänger Michael Glos. Da ringen die Kanzlerin und ihr Finanzminister verzweifelt darum, die inzwischen mit mehr als 80 Milliarden Euro Staatsgarantien ausgestattete Pfandbriefbank HRE der vollen Kontrolle durch staatlich bestallte Manager zu unterwerfen, um die Interessen der Steuerzahler zu schützen. Doch dem Wirtschaftsminister und seinem Parteichef Horst Seehofer fällt nichts Besseres ein, als dagegen Front zu machen, weil eine solche “Enteignung” der Aktionäre ja nur “schwer erträglich” sei und “Ludwig Erhard sich sonst im Grabe umdrehen würde.”
    Quelle: Tagesspiegel
  13. Wie Staaten anderswo enteignen
    Großbritannien, Niederlande, Belgien, USA: Die Debatte um Enteignungen bei Banken ist international nichts Neues. Dabei zeigt sich zweierlei: Der Staat als Eigner ist kein Patentrezept. Und klagende Aktionäre können einiges verderben.
    Während in Deutschland noch darüber diskutiert wird, ob und wie die Aktionäre des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE) enteignet werden könnten, sind andere Länder schon weiter. Investoren haben in Staaten wie Großbritannien, den Benelux-Ländern und den USA allerdings unterschiedliche Erfahrungen gemacht.
    Die britische Regierung hat bislang mit Northern Rock nur ein Institut komplett verstaatlicht. Vom Hypothekenfinanzierer Bradford & Bingley übernahm sie das Kreditportfolio; Lloyds TSB und HBOS drängte sie zur Fusion und hält nun 43 Prozent an der Gruppe, die Royal Bank of Scotland kontrolliert sie zu 70 Prozent.
    Die Verstaatlichung von Northern Rock versuchte die Regierung lange zu umgehen. Zu besorgt war die regierende Labour-Partei, sie könne ihr mühsam aufgebautes marktfreundliches Image verlieren. Zudem war klar, dass die Verstaatlichung die Verschuldung des Landes enorm in die Höhe treiben würde.
     Monatelang bemühte sich Premierminister Gordon Brown daher um einen Verkauf an private Investoren. Interessenten gab es auch: die Investmentfirma Olivant, Virgin und ein Konsortium aus Northern Rock selbst. Keiner von ihnen konnte jedoch die hohen Anforderungen an die Kapitalausstattung der Bank erfüllen.
    Es folgte die erste Verstaatlichung im Zuge der Finanzkrise überhaupt – die die Aktionäre mit leeren Händen zurückließ. Dazu wurde vor rund einem Jahr ein Gesetz erlassen, das es der Regierung erlaubt, Banken zu verstaatlichen, um die Stabilität des britischen Finanzsystems zu sichern. Ein unabhängiger Konkursverwalter muss demnach berechnen, ob und wie die Aktionäre entschädigt werden.
    Im Fall Northern Rock standen die Chancen allerdings von Anfang an schlecht: Die Aktie notierte vor der Verstaatlichung bei gerade einmal 90 Cent, daher waren die Hoffnungen gering. Großaktionäre wie die Hedge-Fonds RAGB und SRM Global, die gemeinsam 20 Prozent des Aktienkapitals der Bank hielten, sowie gut 150.000 Kleinaktionäre klagten dennoch vor dem britischen High Court auf eine Entschädigung.
    Quelle: FTD
  14. Sinnlose Verschleuderung von Milliarden
    In der Debatte zum Konjunkturpaket kritisiert Oskar Lafontaine die Regierung für ihre Untätigkeit: »Wenn ein Flächenbrand festgestellt wird, dann muss man löschen. Die Bundesregierung setzt die Löschfahrzeuge aber nicht ein.« Er erinnert an der schwedische Modell zur Bewältigung der Finanzkrise: »Der Bundesfinanzminister hat gesagt, es gäbe kein Drehbuch: es gibt aber Erfahrungen und Maßnahmen, die andernorts gewirkt haben, auf die wir jetzt zurückgreifen können«. Es gibt Vorschläge, die Rentnerinnen und Rentner zur Kasse zu bitten. Lafontaine hält dies für asozial und fordert, dass »die zahlen sollen, die das Ganze verbrochen haben
    Quelle: Linksfraktion
    Rede auf YouTube: Oskar Lafontaine, DIE LINKE: Verschleuderung von Milliarden
  15. Manager – Ein Fall fürs Gericht
    Wie eine Bombe hat soeben der Aufsatz des Doyens des deutschen Gesellschaftsrechts, Marcus Lutter aus Bonn, in der Finanzwelt eingeschlagen. Denn die weltweite Finanz- und Bankenkrise betrachtet er nicht nur als „Unglück“, sozusagen als vom Himmel gefallenes Unheil, das wie die Plagen Gottes über Ägypten hereingebrochen ist. Nein, er stellt vielmehr die harte Frage nach der persönlichen Haftung der Bankvorstände. Er will das Schweigen brechen. Und er hat hierfür sehr gute, rechtlich abgesicherte Gründe, die persönliche Haftung der Manager einzufordern, um den Schaden abzumildern, den sonst ja im Ergebnis auf Cent und Euro der Staat und der am Skandal unbeteiligte Steuerzahler zu begleichen hätte.
    Wenn es aber, wie Marcus Lutter meint, nicht ganz von der Hand zu weisen ist, dass die Bankmanager wegen des angerichteten Unrechts persönlich auf Ersatz des Schadens haften, weil sie ihre Pflichten schuldhaft verletzt haben, und wenn die daran anknüpfende Strafbarkeit ihres Tuns sehr, sehr naheliegt, dann stellt sich für die Politik die äußerst heikle Frage: Ist sie nicht schon jetzt zum stillschweigenden Komplizen eines riesengroßen Unrechts geworden?
    Sie war und ist ja bereit, ohne diesen Sachverhalt überhaupt öffentlich anzusprechen, den Schirm finanzieller Großherzigkeit aufzuspannen, um das Finanzsystem zu retten. Dass dieser Großmut dann nichts anderes ist als ein klassischer (unzulässiger) Vertrag zulasten Dritter – nämlich: des Steuerzahlers und nachfolgender Generationen –, beleuchtet die Schieflage der Politik nochmals. Das Mindeste, was die Politik dem Steuerbürger schuldet, ist, dass sie gnadenlos die persönliche Haftung der Manager einfordert und rigoros die Staatsanwaltschaft einschaltet. Auch in einer Krise muss Unrecht wie normales Unrecht behandelt werden.
    Quelle: Rheinischer Merkur

    Ganz im Gegensatz zu einer Strafverfolgung:

    Müntefering ruft Banker zur “Selbstreinigung” auf
    Der Druck wird größer, die Kritik lauter: Die Bundesregierung verlangt von Bankern den Verzicht auf Bonuszahlungen – das diene der “Selbstreinigung”. Kein Betroffener müsse dadurch “ein Butterbrot weniger essen”, sagte SPD-Chef Müntefering.
    Berlin – Im Streit über millionenschwere Bonuszahlungen hat SPD-Chef Franz Müntefering eine “Selbstreinigung” der Banken gefordert. Die Menschen, die zum Teil mit sittenwidrigen Niedriglöhnen auskommen müssten, seien zu Recht darüber empört, dass sich Manager aus Steuertöpfen die Taschen vollstopfen wollten, sagte der Parteichef am Montag nach einer Präsidiumssitzung in Berlin. Durch Verzicht auf solche “unglaublichen” Zusatzzahlungen brauche kein Begünstigter “ein Butterbrot weniger zu essen”.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung AM: Selbstreinigung? Wieso das? Die Boni würden nicht gezahlt werden können, wenn nicht Steuergelder flössen. In einer solchen Situation kann man doch nicht nach „Selbstreinigung“ rufen. Die Reinigung muss durch jene betrieben werden, die das Geld geben. Also von uns und jenen, die den Staat vertreten.

  16. Gerettet wird immer
    Die Angst vor einem Zerfall der Euro-Zone ist übertrieben. Im Zweifel würden die anderen EU-Mitglieder Problemstaaten wie Griechenland vor dem Bankrott bewahren.
    von Daniela Schwarzer und Sebastian Dullien
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Nur geht es hier nicht einfach um einen einmaligen Bankrott, sondern um Wettbewerbsfähigkeit auf lange Sicht. Auch ohne Lohndumping  von deutscher Seite  ist davon auszugehen, dass Griechenland, Portugal und Spanien (Italien?), weniger produktiv als der europäischer Kern, weiterhin hohe Handelsbilanzdefizite einfahren und auf lange Sicht eine höhere Inflation aufweisen werden. Da mit dem Verzicht auf eine eigene Währung eine äußere Anpassung über den Wechselkurs nicht mehr möglich ist, ist theoretisch nur eine innere Anpassung dieser Länder an ihr realwirtschaftliches Potenzial denkbar. Allerdings dürfte eine solche Austerity-Politik  nicht durchsetzbar sein. D.h. es würde für die leistungsbilanz- und kapitalstarken Überschussländer nicht bei einem einmaligen “bail out” bleiben, sondern  sie müssten sich auf einen dauerhaften Transfer einrichten, welcher aber auch diese Volkswirtschaften überfordern würde. Die gegenwärtige Krise zeigt in aller Deutlichkeit auf, dass die gegenwärtige Europäische Währungsunion kein optimaler Währungsraum ist.

  17. Länder spielen Opel-Rettung durch
    Ohne die Mutter geht es besser: Die Länder erarbeiten angeblich ein Modell zur Herauslösung von Opel aus dem GM-Konzern. Diese Überlegung ist nicht neu, aber populär. Das weiß auch SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier.
    Quelle: FTD

    Anmerkung WL: Vermutlich wird es in diesem Jahr zu einem erneuten Pleiterekord in Deutschland kommen. Es ist zu hoffen, dass die Politik bei eventuellen Hilfsmaßnahmen nicht nur die Autoindustrie und die Zulieferbetriebe im Auge behält, sondern auch industriepolitisch agiert. So ist wenig verständlich, warum  der Speicherchiphersteller Qimonda in Insolvenz gehen musste. Angesichts der Tatsache, dass die Chiphersteller in einem weltweiten Preisunterbietungswettlauf  gefangen sind, und allesamt  staatlicherseits subventioniert werden, ist es unverständlich warum Deutschland bzw. Europa sich von dieser wichtigen  Schlüsseltechnologie in Dresden verabschieden wollen.

  18. Regierung verordnet Ölwechsel
    Der Ende Januar gesetzlich erhöhte Bioanteil am Dieselkraftstoff zwingt Fahrer von Diesel-Fahrzeugen offenbar zu mehr Vorsicht als bisher angenommen. Denn der Kraftstoff kann dem Motor schaden – und den Konzernen nützen.
    Am 31. Januar war eine neue Verordnung in Kraft getreten, die vorsieht, dass Mineralölgesellschaften den Anteil von Biodiesel im herkömmlichen Dieselkraftstoff von fünf auf sieben Prozent erhöhen. Tankstellenbetreiber haben in den vergangenen Wochen Aufkleber an den Zapfsäulen angebracht, um auf diesen als „B7“ bezeichneten neuen Kraftstoffmix hinzuweisen. Der bisher verkaufte Diesel mit der Bezeichnung „DIN EN 590“ („B5“) wird durch den neuen Kraftstoff „DIN 51 628“ ersetzt.
    In der Broschüre steht, dass beim Fahren immer etwas Kraftstoff ins Motoröl gelangt. Reiner Diesel verdampfe wieder. Anders der Biodiesel: Er bleibt auch beim längeren Fahren, wodurch das Motoröl zunehmend verdünnt wird. Das Problem: „Ab einem gewissen Grad entsteht kein ausreichender Schmierfilm mehr. Dies wiederum kann langfristig zu einem höheren Verschleiß am Motor führen.“
    Von der Erhöhung des Biodieselanteils dürften vor allem die großen Mineralölfirmen profitieren, die zugleich Tankstellen betreiben. Sie verkaufen Motoröle, die künftig von Diesel-Fahrern verstärkt nachgefragt werden dürften.
    Quelle: Tagesspiegel
  19. Zeitenwende im Banking
    Für das klassische Schweizer Private Banking, das auf Steuerhinterziehung abzielt, wird es eng. Viele Banken bereiten sich auf die Zeit danach vor
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Auch wenn allgemein bekannt ist, dass die Schweizer Banken  in nicht geringen Umfang von der feinsinnigen Unterscheidung von Steuerhinterziehung (löst keine Strafverfolgung aus) und Steuerbetrug  profitiert, ist es doch geradezu sensationell, dass eine Schweizer Zeitung, dazu die NZZ, einräumt, dass das klassische Schweizer Private Banking auf Steuerhinterziehung abzielt.

  20. Wer sich Verbrechen leisten kann
    Der Fall des Steuerhinterziehers Zumwinkel hat es wieder gezeigt: Je wohlhabender der Delinquent und je trickreicher die Tat, desto milder die Justiz. Das soll jetzt Gesetz werden
    Quelle: taz
  21. Private Uni Witten/Herdecke: Staatsanwalt nimmt ehemalige Chefs ins Visier
    Strafverfolger in Witten/Herdecke: Weil die älteste Privatuni Deutschlands wegen ihrer chaotischen Leitung in die Krise rutschte, ermittelt nun der Staatsanwalt gegen die ehemaligen Chefs. Betrug, lautet der Vorwurf. Die künftige Finanzierung durch das Land bleibt dennoch gesichert.
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung WL: Es war schon immer so, dass die Privatuni mit windigen Finanzierungen und zweifelhaften Kalkulationen arbeiten musste. Die einzig sichere Einnahmequelle war der Staat.

  22. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg: Hochschulen dürfen Studiengebühren erheben
    Nach Ansicht des VGH verstößt das Landeshochschulgebührengesetz nicht gegen höherrangiges Recht. Die Einführung der Studiengebühr kollidiere nicht mit Zielen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes. Nach dem Landeshochschulgebührengesetz habe jeder Studierende das Recht, bei der L-Bank ein Darlehen zur Finanzierung der während des Studiums anfallenden Studiengebühren aufzunehmen. Dadurch werde verhindert, dass Studierende BAföG-Mittel zur Zahlung der Studiengebühr aufwenden müsse.
    Das Gesetz stehe ferner mit der durch Art. 12 GG gewährleisteten Berufs- und Ausbildungsfreiheit in Einklang. Das Recht des Einzelnen, zum Hochschulstudium seiner Wahl zugelassen zu werden, beinhalte nicht den Anspruch, kostenfrei studieren zu dürfen.
    Art. 12 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip dürfte es den Ländern allerdings gebieten, bei der Einführung von Studiengebühren eine Regelung zu treffen, die den Belangen einkommensschwacher Bevölkerungskreise angemessen Rechnung trage. Dieser Verpflichtung werde jedoch mit dem Landeshochschulgebührengesetz entsprochen, da jeder Studierende das bereits erwähnte Recht zur Aufnahme eines Darlehens habe, das er im Regelfall erst zwei Jahre nach Abschluss seines Studiums in monatlichen Raten von höchstens 150 € zurückzahlen müsse. Die Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehens sei zudem einkommensabhängig. Sie setze bei einem Alleinstehenden nur ein, wenn dieser ein Einkommen von mindestens 1.060 € habe. Das Darlehen müsse allerdings verzinst werden. Der Zinssatz sei gesetzlich nicht auf einen bestimmten Betrag festgelegt, seine Höhe sei vielmehr von der Entwicklung des allgemeinen Zinsniveaus abhängig. Mit der Inanspruchnahme eines Darlehens sei deshalb eine erhebliche zusätzliche finanzielle Belastung verbunden. Für Studierende, die ein BAföG-Darlehen sowie ein Studiengebührendarlehen aufgenommen hätten, sei die Höhe der Rückzahlungspflicht jedoch auf 15.000 € begrenzt. Das Studiengebührendarlehen stelle sich danach für einen erheblichen Teil der BAföG-Empfänger als zinsloses Darlehen dar. Außerdem bestehe die Möglichkeit der Stundung, des Erlasses oder der Niederschlagung.
    Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Die Entscheidungen sind daher zunächst nicht rechtskräftig (Az.: 2 S 1855/07, 2 S 2554/07, 2 S 2833/07, 2 S 1527/08).
    Quelle: VGH B.-W.

    Anmerkung WL: Sozialstaat auf Kredit?
    Dass Studiengebühren in Höhe von 500 Euro sozialverträglich wären, das entspricht reinem „Oberschichtendenken“. Man halte doch nur einmal dagegen, dass das Durchschnittseinkommen einer Arbeiterfamilie bei netto 2.200 Euro liegt, selbst, wenn man einen BaföG-Satz von 439 Euro für das studierende Kind unterstellt, sind 1.000 Euro (bzw. 3.000 Euro für einen Master) zusätzliche Ausbildungskosten für die betreffende Familie ein sehr hoher Anteil am Jahreseinkommen. Das gilt auch noch für die das Durchschnittseinkommen einer Angestelltenfamilie mit netto 2.700 Euro (BaföG dann 214 Euro).
    Die Finanzierung des Studiums gilt in Deutschland weit überwiegend (80%) als moralische Pflicht der Eltern.
    Nach einer Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau beeinflussen „der familiäre Hintergrund und das verfügbare Familieneinkommen entscheidend die Höhe der Mittel, die in die Ausbildung von Kindern investiert werden können. So wirkt sich die soziale Herkunft auch unmittelbar auf die verfügbare Geldmenge eines Studenten aus.“
    Wenn derzeit von 100 Kindern hoher sozialer Herkunft, 84 der Übergang in die gymnasiale Oberstufe und 72 die Aufnahme eines Studiums gelingt, von 100 Kindern unterer sozialen Herkunft aber nur 33 der Übergang in eine weiterführende Schule und nur noch 8 von 100 die Überwindung der Schwelle zum Studium gelingt (DSW Sozialerhebung), dann ist das weder volkswirtschaftlich vertretbar noch sozial verträglich, sondern ein „sozial unerträglicher“ bildungspolitischer Skandal, dem man aktiv entgegensteuern müsste. Mit der Einführung von Studiengebühren wird aber gerade umgekehrt eine weitere finanzielle Barriere für die Aufnahme eines Studiums gerade für junge Menschen aus bildungsferneren und sozial schwächeren Schichten aufgerichtet.
    Wer meint die „Unentgeltlichkeit“ durch die Einführung eines Darlehens fingieren zu können, verkennt die Funktion des Zinses für das geborgte Geld. Studierende die gezwungen sind ein Darlehen aufzunehmen, zahlen nicht nur die Gebühr sondern zusätzlich den „Preis“ für das Darlehen.
    „Der Elternanteil an der Studienfinanzierung macht bei Studierenden aus einer hohen gesellschaftlichen Gruppe rund 64 Prozent aus, bei Studierenden aus niedrigeren Schichten beträgt dieser Anteil lediglich 27 Prozent.“ (KfW-Studie). Das heißt, dass Studierende aus unteren Einkommensschichten einen erheblich höheren Preis für ihr Studium bezahlen müssen, als die übergroße Mehrheit der Studierenden aus einkommensstärkeren Gesellschaftsschichten.
    Die „nachgelagerte Gebühr“ schreibt die Benachteiligung der Studierenden aus niedrigen Einkommensverhältnissen und aus Familien mit Kindern als Start- und Einkommensnachteil in die Berufsphase fort. Wer reiche Eltern hat, startet ohne Hypothek.

    Siehe dazu:

    Die UBS sitzt auf Milliarden geplatzter Studentenkredite
    Die lukrativen Geschäfte mit Darlehen an US-Studenten kamen 2008 abrupt zu Ende. Die UBS sitzt heute auf Papieren, die noch 8,4 Mrd. $ wert sein könnten − oder weniger. Der Zusammenbruch des Marktes für Studentenkredite erhöht für junge Amerikaner die Barriere zu einer guten Ausbildung.
    Quelle: NZZ

  23. “Ein deutliches Zeichen der Ablehnung setzen”
    Marius Reiser über die Entscheidung, seine Professur aus Protest gegen die Veränderungen der Universitäten durch den Bologna-Prozess niederzulegen
    Marius Reiser, seit 1991 Lehrstuhlinhaber für Neues Testament an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz, legt zum Ende des laufenden Semesters seine Professur nieder. Damit reagiert er auf die Veränderungen im Hochschulwesen in Folge des “Bologna-Prozesses”, wie er in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schrieb.
    Quelle: Telepolis
  24. Abitur 2009 – 2011 in Deutschland
    Von München bis Flensburg und Berlin wird das hohe Lied auf Bildungsstandards, Kompetenzorientierung und selbstgesteuertes Lernen  gesungen; korrespondierend setzen die bildungspolitisch Verantwortlichen auf die gepriesene ‘ Selbstverantwortliche Schule’,  auf das Engagement der Schulgemeinde – Schüler, Lehrer, Eltern. Das Abitur – inzwischen in 15 Bundesländern zentral gestellt – gilt immer noch als Aushängeschild, als Gipfel des deutschen Schulwesens. Gerade deshalb bedarf es dringender Korrekturen beim Zentralabitur, wenn man auf der Höhe der pädagogisch-didaktischen Diskussion sein will.
    Machen wir uns das am Schlüssel-Fach Deutsch näher klar, schauen wir uns etwas in Hessen, NRW und Niedersachsen 2008 bis 2011 um.
    Die verordneten Pflichtlektüren, Willkürlisten der Vor-Vorgestrigen, die für neue Lehrer von Altlehrern und deren Altlehrern gemacht wurden, lassen für subjektive Präferenzen der Lernenden kaum eine Option offen.
    Quelle: Bildungswirt
  25. Sieg für Hugo Chávez
    Referendum zur Änderung der Verfassung in Venezuela wurde angenommen. Begrenzung der Amtzeiten kann aufgehoben werden
    Trotz des Sieges hat Chávez nun mit einigen Problemen zu kämpfen. Im Zuge der weltweiten Wirtschaftskrise sind die für Venezuela nach wie vor enorm wichtigen Öleinnahmen massiv eingebrochen, das Wirtschaftswachstum ging im Fiskaljahr 2008 um 3,5 Punkte auf 4,9 Prozent zurück. Die Inflationsrate stieg auf 30 Prozent.
    Von der Bewältigung dieser Krise hängt es ab, ob der Anführer der so genannten bolivarischen Revolution – eines umfassenden sozialen, politischen und kulturellen Reformprozesses – die kommende Abstimmung im Jahr 2012 gewinnen wird. Dies indes unterscheidet Venezuela nicht von Deutschland. Auch hierzulande existiert schließlich keine Beschränkung der Amtszeiten. Auch wenn sich das mancher Bundesbürger gewünscht hätte, als sich der Christdemokrat Helmut Kohl sich nach 16 Jahren und vier aufeinander folgenden Amtszeiten 1998 erneut für das Amt als Regierungschef bewarb. Ein Problem sah darin damals niemand.
    Quelle: Telepolis
  26. Kosovo: Der morsche Balkan
    Vor einem Jahr erklärte sich die serbische Provinz Kosovo für unabhängig. Die Hoffnungen damals waren hochfliegend. Mittlerweile sind die Menschen dabei zu lernen, dass Fortschritt seine Zeit braucht.
    Quelle: Tagesspiegel
  27. Zum Tod des ehemaligen Chefredakteurs des Handelsblatts Hans Mundorf
    Mit den von der Globalisierung erzwungenen Anpassungsprozessen tat er sich ebenso schwer wie mit einem Neoliberalismus, unter dem das Soziale der Marktwirtschaft verkümmerte. Wie sehr ihn die Sorge um die soziale Gerechtigkeit umtrieb, wurde in seinem 2006 in Kooperation mit der IG Metall herausgegebenen Buch „Nur noch Markt, das ist zu wenig“ deutlich. Es sorgte unter Arbeitgebern für Irritationen. Nach der Finanzkrise wird mancher Kritiker sein Urteil differenzieren.
    Hans Mundorfs Lebensweg und manche persönlich erlittene Ungerechtigkeit erklären sein entschiedenes, streitbares Plädoyer für Gerechtigkeit.
    Quelle: Handelsblatt

    Persönlicher Nachruf: Wir haben Hans Mundorf als Leser der NachDenkSeiten kennen und schätzen gelernt. Er hat für uns geschrieben und er stand uns mit seinem fachkundigen Rat stets zur Seite. Hans Mundorf war ein liberaler Ökonom mit einem zunehmend leidenschaftlichen Engagement für soziale Gerechtigkeit. Er war ein wirklicher Streiter für die „soziale“ Marktwirtschaft. Sein bewundernswürdiges Gedächtnis und seine immense Sachkenntnis über die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik hinterlassen eine unersetzliche Lücke. Er war ein engagierter Journalist und unerbittlicher Aufklärer, wie man das heute in diesem Berufsstand kaum noch findet. Wir haben mit Hans Mundorf nicht nur einen großen Journalisten, der immer auch die Zusammenhänge im Auge hatte, sondern einen unerschöpflichen Fundus an wirtschaftlichem Wissen und wirtschaftspolitischer Erfahrung verloren.

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