Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

Heute unter anderem zu folgenden Themen:

    • Binnennachfrage stärken
    • Glos will Konkurrenz der Schwellenländer ausschalten
    • Bundesregierung stellt der Bahn Freibrief für Verspätungen aus
    • Planungskosten für den unterirdischen Stuttgarter Hauptbahnhof
    • Niedriglohnbeschäftigte auf der Verliererseite
    • Investitionsrückstand der Kommunen soll durch PPP aufgeholt werden
    • Merkel und Zeitarbeit
    • Unternehmen streichen mehr Stellen als sie schaffen
    • Wer früher stirbt, hat draufgezahlt
    • Steuerhinterzieher verlangen Schadenersatz
    • Bischof der Bosse
    • Ehemalige IKB-Vorstände kassieren
    • Blogs als Beta-Blogger
    • Grüne empört über Kleinerts Laufzeit-Plädoyer
    • Payback zahlt nichts zurück
    • Online-Durchsuchung nicht “belastbar”
    • Frankfurter Uni will zweite Chance für Ackermann
    • Gelöbnis: Dieser Staat wird euch nicht missbrauchen

    Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

    Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Lucas Zeise – Planlos im Notfall
    Weltwirtschaft erscheint da (bei der Bundesregierung) als etwas, das über sie kommt. Finanzminister Steinbrück rühmte sich erst am Wochenende, er habe keinen “Notfallplan”. Nach seiner Meinung ist eben alles Psychologie. Wenn man jetzt schon einen Notfallplan entwerfe, so der Minister, würden die Menschen noch mehr verunsichert.

    Wenn die Europäer abwarten, bis die USA tief im Sumpf stecken, werden ihre eigenen Probleme noch schwerer zu lösen sein. Exportstarke Länder wie Deutschland sollten schnell Maßnahmen ergreifen, um ihre Binnennachfrage zu stärken. Wo das Geld ausgegeben wird, darüber sollten Koalition und Opposition einen fruchtbaren, kurzen Streit austragen. Dass dieses Thema jetzt ansteht, sollte Steinbrück erklären. Ein ausgeglichener Etat ist, wenn überhaupt, nur eine politische Sekundärtugend.
    Quelle: FTD

  2. WTO: Glos will Konkurrenz der Schwellenländer ausschalten
    Bundeswirtschaftsminister Michael Glos verlangt von den Schwellenländern Zugeständnisse bei der aktuellen Verhandlungsrunde der Welthandelsorganisation WTO und hat sie aufgefordert, den Zugang zu ihren Märkten zu erleichtern. Dazu erklärt das globalisierungskritische Netzwerk Attac:

    Die Forderung von Glos zeigt, wessen Interessen er in Genf zu vertreten gedenkt: die der großen Konzerne in den Industrieländern. Der Exportweltmeister Deutschland fürchtet um seine Position am Weltmarkt und will missliebige Konkurrenz ausschalten, indem er in die Märkte der Schwellenländer einbricht. Dies mit Armutsbekämpfung zu bemänteln ist zynisch,

    sagte Alexis Passadakis, Welthandelsexperte im bundesweiten Attac-Koordinierungskreis. Wer– wie von Glos behauptet – Entwicklung für alle ermöglichen wolle, müsse den Entwicklungs- und Schwellenländern eine eigenständige Industriepolitik zugestehen, die Erfolge von Staaten wie China, Indien und Brasilien erst ermöglicht habe. Als unfair bezeichnete Attac auch den Versuch, Marktöffnungen der Entwicklungs- und Schwellenländer für Industriegüter mit einem verbesserten Zugang für Agrarprodukte zu den Märkten der Industrieländer erpressen zu wollen.
    Quelle: attac

  3. Bundesregierung stellt der Bahn Freibrief für Verspätungen aus
    Nach Auffassung des Fahrgastverbandes PRO BAHN will die Bundesregierung der Deutschen Bahn AG mit der Neuregelung der Fahrgastrechte einen Freibrief für Verspätungen ausstellen. Die Bundesregierung beabsichtigt, Fahrgästen, die für ihr gutes Fahrgeld mehr als eine Stunde Verspätung hinnehmen müssen, nur einen Anteil von 25 Prozent des Fahrpreises zu erstatten. “Das ist entschieden zu wenig,” erklärt der PRO BAHN-Bundes- vorsitzende Karl-Peter Naumann. “Damit will die Bundesregierung festschreiben, dass eine Stunde Verspätung im deutschen Bahnverkehr völlig normal ist.”
    Quelle: Linkszeitung
  4. Stuttgart 21 und die vergessene Inflation
    Eine Studie über die Kostenentwicklung des unterirdischen Bahnhofs Stuttgart 21 ist zur Erkenntnis gelangt, dass die Bahn 1993 tatsächlich richtig gerechnet habe, als sie auf 4,8 Milliarden Mark (rund 2,5 Milliarden Euro) bei Stuttgart 21 gekommen sei. Allerdings hätten sich dann die realen Kosten von diesem bis heute fast unverändert gebliebenen Nominalbetrag von Jahr für Jahr in Schritten von vier Prozent entfernt (Inflation). 2006 sei man dann bereits bei 4,1 Milliarden Euro angelangt, heute seien es bereits 6,28 Milliarden Euro. Bei umstrittenen Projekten hält die öffentliche Hand gerne an einmal genannten Kosten fest, um den wichtigen Baubeginn zu erreichen. Ist man erst einmal auf Baustelle, kann das Projekt kaum noch gestoppt werden. Dann wird eben nachfinanziert.
    Quelle: Stuttgarter Zeitung

    Anmerkung Datac-Dienstleistungsbüro: Das soll der Stuttgarter Bahnhof werden – unbezahlbar (…) Und überflüssig, die Gleisanzahl wir halbiert, so dass ganz sicher keine Zug mehr auf den verspäteten Anschluss warten kann. In Frankreich wird in die Fläche investiert – bei uns in Prachtbauten – und für Gleiserhaltung auf dem “platten Land / in der Provinz ist dann natürlich nichts mehr übrig (…)

  5. Investitionsrückstand der Kommunen kann abgebaut werden
    Der bis zum Jahr 2020 mit 704 Mrd. Euro bezifferte Investitionsbedarf der Kommunen stellt nicht nur die Städte und Gemeinden, sondern auch Bund und Länder vor große Herausforderungen. Um die notwendigen Investitionen in die Verbesserung, den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur – Straßen, Ver- und Entsorgungseinrichtungen, Verwaltungsgebäude, Schulen und vieles mehr – leisten zu können, sind die Kommunen stärker als bisher gefordert, strategisch zu handeln und neue Finanzierungsinstrumente zu nutzen. Zusätzlich ist auch eine Erhöhung der Zuweisungen von Bund und Ländern und die Bereitstellung zusätzlicher Fördermittel in Höhe von insgesamt etwa 1 Mrd. Euro pro Jahr notwendig.

    Diese und viele andere Einzelaussagen finden sich in der Studie “Investitionsrückstand und Investitionsbedarf der Kommunen – Ausmaß, Ursachen, Folgen und Strategien,” die nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.Den finanziellen Spielraum für die erforderlichen zusätzlichen Investitionen zum Abbau des Investitionsrückstandes können die Kommunen durch strategisches Investitionsmanagement, den Einsatz intelligenter Finanzierungsinstrumente (z.B. Contracting-Modelle) und PPP-Projekte erlangen.
    Quelle 1: Informationsdienst Wissenschaft
    Quelle 2: Investitionen im Schulbereich im Überblick
    Quelle 3: Instrumente zur Deckung des Nachholbedarfs

    Anmerkung WL: Eine Welle von PPP-Projekte rollt auf uns zu; 20 % der Investitionsvorhaben sollen über diesen Weg finanziert werden.

  6. Merkel: Jetzt schon der zweite skandalöse Fauxpas innerhalb weniger Tage
    Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage hat Kanzlerin Angela Merkel ihre sozial- und wirtschaftspolitische Inaktivität mit einer unhaltbaren Behauptung begründet. Nach ihrer Bemerkung über den Hartz IV-Regelsatz, der sämtliche Energiekosten enthalte, sind es nun die Leiharbeiter, denen Merkel einen Mindestlohn verwehrt, da es bei der Zeitarbeit angeblich keine Dumpinglöhne gibt.
    Quelle 1: Linkszeitung

    Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich am Wochenende gegen die Aufnahme der Zeitarbeit in das Arbeitnehmerentsendegesetz ausgesprochen, obwohl ein entsprechender Antrag bereits vorliegt. Dieser war vom DGB und den beiden großen Arbeitgeberverbänden der Branche BZA und iGZ gestellt worden. Neben dem DGB-Tarifvertrag existieren weitere Verträge, abgeschlossen durch die christlichen Gewerkschaften, mit deutlich niedrigeren Löhnen.
    Quelle 2: Linkszeitung

    Siehe dazu auch:

    Merkel in die Produktion
    Quelle: junge Welt

  7. Unternehmen streichen mehr Stellen als sie schaffen
    Die Unternehmen in Deutschland setzen auf eine vorsichtige Personalpolitik. Dies geht aus einer Auswertung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hervor, für die öffentlich angekündigte Personalveränderungen von mehr als 100 Unternehmen im ersten Halbjahr berücksichtigt wurden. Demnach sollen 45.000 Arbeitsplätze wegfallen, während etwas mehr als 38.000 neue Stellen geschaffen werden.

    Während sich viele Abbauprogramme über die kommenden Jahre strecken, sollen die Einstellungen fast alle noch in diesem Jahr erfolgen. Arbeitsmarktfachleute werten dies als Zeichen dafür, dass in den Unternehmenszentralen das Vertrauen in den Aufschwung schwindet. Besetzt werden demnach zwar aktuelle Vakanzen, damit vorhandene Aufträge abgearbeitet werden können. Für den Fall eines heraufziehenden Abschwungs sollen die Personalkosten jedoch nicht stärker erhöht werden als unbedingt nötig.
    Quelle: FAZ mit einer Übersicht der Einstellungen und Entlassungen

  8. Wer früher stirbt, hat draufgezahlt
    Private Rentenpolicen versprechen satte Renditen und einen sorglosen Ruhestand. Die Realität sieht aber anders aus. Wer nicht alt wird wie Methusalem, erleidet oft herbe Verluste.

    Zahlt ein 65-jähriger Mann Ende Juli 100 000 Euro in eine sofort beginnende Rente, würde er ab August bei der Allianz eine garantierte monatliche Rente von 436 Euro erhalten; bei Zürich Deutscher Herold wären es 435 Euro. Nach den (unverbindlichen) Hochrechnungen soll die Allianz-Rente in der dynamischen Variante jährlich um 2,76 Prozent steigen; die der Zürich um 1,74 Prozent.

    Gehen diese Prognosen auf, würde ein Rentner, der tatsächlich 89 Jahre alt wird, folgende jährliche Verzinsungen auf sein eingezahltes Geld erzielen: 4,7 Prozent bei der Allianz und 3,7 Prozent bei der Zürich. Für eine durchschnittliche Lebenserwartung wäre zumindest das Ergebnis bei der Allianz nicht schlecht. Die Frage ist nur: Ist es realistisch, für die Versicherungsnehmer eine durchschnittliche Lebenserwartung von 89 Jahren anzusetzen?

    An dieser Stelle verweisen die Verbraucherschützer auf eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung zur Lebenserwartung männlicher Rentner und Pensionäre. Diese gelangt zu völlig anderen Ergebnissen. So lag etwa im Jahr 2003 die durchschnittliche Lebenserwartung von Rentnern nach Erreichen des 65. Lebensjahres nur bei knapp 81 Jahren. Pensionierte Beamte brachten es auf knapp 83 Jahre. Zudem belegten die Untersuchungen: Die Lebenserwartung eines Versicherungsnehmers hängt stark von dessen früherem Einkommen und der Sicherheit des ehemals ausgeübten Berufs ab: Beamte des höheren Dienstes wiesen danach mit 84,6 Jahren eine um fünf Jahre höhere Lebenserwartung auf als Rentner mit einem niedrigen Lebensarbeitseinkommen.
    Legt man den Berechnungen zur Rentabilität diese (realistischen) Zahlen zugrunde, erscheint die Rentenversicherung plötzlich minder attraktiv: Selbst die ehemaligen Beamten des höheren Dienstes würden im Durchschnitt bei der Allianz nur eine Rendite von 2,9 Prozent pro Jahr erreichen; bei der Zürich wären es sogar nur noch 1,9 Prozent. Die Rentner insgesamt würden im Durchschnitt bei der Allianz auf eine Verzinsung von gerade einmal 0,2 Prozent kommen; bei der Zürich droht sogar ein Verlust von 0,74 Prozent pro Jahr.

    Rentner, die in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen leben, müssen mit noch weniger rechnen. Ihnen droht bei der Allianz ein Minus von einem Prozent pro Jahr und bei der Zürich sogar von knapp zwei Prozent. Real, also nach Berücksichtigung der Inflation, wären die Ergebnisse noch desaströser.
    Quelle: Focus

  9. Steuerhinterzieher verlangen Schadenersatz – von Liechtensteins TLG-Bank
    Wenn die LTG-Bank ihre Kunden darüber informiert hätte, dass ihr 2002 Kundendaten gestohlen worden waren, hätten die Anleger die deutsche Steueramnestie des Jahres 2004 in Anspruch nehmen können. Dabei hätten sie weniger Geld bezahlt als jetzt im Zuge der Verfahren wegen Steuerhinterziehung. Die Differenz soll die Bank begleichen.
    Quelle: taz

    Siehe dazu auch:

    Geld zurück!
    Quelle: taz

  10. Bischof der Bosse
    Die Evangelische Kirche lobt in ihrer neuen Denkschrift Unternehmer und rechtfertigt Entlassungen. Hier haben sich zwei gesucht und offensichtlich gefunden: Die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) mit ihrem Ratsvorsitzenden Bischof Wolfgang Huber und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit seinem Professor Gert G. Wagner. Beide Institutionen haben einen ähnlichen Wandel hinter sich: Das DIW vom gewerkschaftsnahen Institut zum neoliberalen, die EKD von der wirtschaftskritischen Kirche zur wirtschaftsfreundlichen. Huber trat in den letzten Jahren als Unterstützer von Gerhard Schröder in der Öffentlichkeit auf, hofierte die Unternehmensberater von McKinsey und verteidigte Hartz IV, während evangelische Einrichtungen wie die Diakonie von Niedriglöhnen und Ein-Euro-Jobs profitierten.
    Quelle: junge Welt
  11. Ehemalige IKB-Vorstände kassieren
    Die Deutsche Industriebank hat mit riskanten Investments Milliarden in den Sand gesetzt – und musste unter anderem von der staatlichen Förderbank KfW gestützt werden. Die geschassten IKB-Vorstände haben trotz der Fastpleite noch gut verdient. Die 2007 geschassten Vorstände der Krisenbank IKB haben für das vergangene Geschäftsjahr zusammen noch Gehälter von fast 1 Mio. Euro bekommen. Allein der Ende Juli entlassene Ex-Chef Stefan Ortseifen erhielt knapp 230.000 Euro, darunter aber keine erfolgsabhängige Vergütung.
    Quelle: FTD

    Anmerkung: Das nennt man dann wohl Eigenrisiko-Management.

    Siehe dazu auch:

    IKB verfügt über Haftpflichtversicherung für ihre Organe und Manager
    Die von der US-Hypothekenkrise besonders betroffene Düsseldorfer Mittelstandsbank IKB verfügt nach Angaben der Bundesregierung über einen Haftpflichtversicherungsschutz für ihre Organe und Manager. Dies geht aus einer Antwort der Regierung (16/9925) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (16/9673) hervor.

    Nach Angaben der FDP werden D&O-Versicherungen von Unternehmen für ihre Organe oder leitende Angestellte abgeschlossen, um das Risiko eines “schuldhaften, pflichtwidrigen Fehlverhaltens” abzudecken, das zu einem Vermögensnachteil auf Seiten der Versicherungsnehmer oder eines Dritten geführt hat.
    Quelle: Deutscher Bundestag

    Anmerkung: Man fragt sich warum die IKB statt Abfindungen zu bezahlen durch die Aufsichtsvertreter des Bundes nicht auf eine gerichtliche Klärung drängt, ob sich die Vorstände „schuldhaft, pflichtwidrig“ Verhalten haben. Bei einer Verurteilung müsst ja die Versicherung für den Schaden haften. Das würde dem Steuerzahler Milliarden ersparen.

  12. Beta-Journalisten und Beta-Blogger
    Der SPIEGEL hat in seiner jüngsten Print-Ausgabe ein „neues“ Phänomen entdeckt – Deutschlands Politblogger, international nur Zweite Liga und „unpolitsch und rechthaberisch, selbstbezogen und unprofessionell.“ Aber immerhin doch so unwichtig, dass man ihnen drei Seiten widmen muss, denn die gefühlte Bedrohung durch den Bürgerjournalismus ist eine Entwicklung, die den deutschen Beta-Journalisten in seinem Selbstverständnis berührt.

    Der vom SPIEGEL aufgestellte Vergleich zwischen der deutschen Politbloggerszene und der amerikanischen ist daher auch ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen. Der erfolgreichste amerikanische Politblog, die Huffington Post, beschäftigt beispielsweise 43 Vollzeitmitarbeiter, wurde von der Millionen Dollar schweren „Ölbaronin“ Arianna Huffington gegründet und mit mindestens 5 Mio. US$ Venture-Kapital ausgestattet. Die deutschen Politblogs sind Amateurprojekte, die meist als Hobby oder Nebentätigkeit betrieben werden. Mit Geld kann man Reichweite kaufen, Authentizität nicht. Blogs sind in ihrer eigentlichen Bedeutung „Bürgerjournalismus“ und keine publizistischen Onlineprojekte, in die mehrere Millionen investiert wurden.

    In den USA ist alles größer, stärker und besser – die Huffington Post hat pro Monat bis zu 5,7 Mio. Leser. Lässt man die Tatsache mal heraus, dass Englisch auf der ganzen Welt gesprochen wird und viele dieser Leser keine Amerikaner sind, relativiert sich diese Zahl. Die USA haben fünfmal so viele Einwohner wie Deutschland, so gesehen hätte die Huffington Post auf deutsche Zahlen übertragen auch „nur“ 37.000 Leser am Tag. Die „Nachdenkseiten“ haben trotz des „Web-Steinzeit Looks“, den der SPIEGEL ihnen attestiert, bis zu 25.000 Leser am Tag. So viel weniger ist dies auch nicht und wenn man sich vor Augen hält, dass die „Nachdenkseiten“ nur einen kleinen politischen Themenbereich abdecken, während die „Huffington Post“ das gesamte Spektrum abdeckt, ist die Besucherzahl sogar bemerkenswert.
    Quelle: Spiegelfechter

    Lesen Sie statt einer eigenen Anmerkung die im „Spiegelfechter“ angegebenen Kommentare verschiedener Blogs

    Zitat des Spiegels über die NachDenkSeiten:

    Eines der ganz wenigen deutschen Polit-Blogs, die überhaupt wahrgenommen werden, die die Nachdenkseiten. Wolfgang Lieb, früherer Regierungssprecher von Johannes Rau in Nordrheinwestfalen, heute Polit-Rentner, schreibt sie von zu Hause. Die Plattform, die Lieb gemeinsam mit Albrecht Müller, einem anderen SPD-Veteranen betreibt, wirkt gegen die Polit-Seiten seiner US-Kollegen wie aus der Web-Steinzeit.

    Immerhin bis zu 25.000 Besucher am Tag habe die Seite, die letztlich aber auch nicht mehr ist als eine Internet-Gemeinde für enttäuschte Sozialdemokraten. Tag für Tag geht es um die Fehler des Neoliberalismus, um Reformen, die angeblich alle falsch sind. Das ist in etwa so überraschend, wie der politische Leitartikel der „FAZ“.

    Auch die Nachdenkseiten leben davon, die Mainstream-Medien zu durchforsten auf Fehler und Versäumnisse. Scharfe Tritte sind erlaubt, wenn nicht gar erwünscht: ´Was uns das ZDF in Sachen Demografie bietet, hat den demagogischen Gehalt des ´Schwarzen Kanals`von Schnitzler und der Propaganda von Goebbels`, hieß es etwa. Das soll wohl schneidig geschrieben sein, offenbart aber nur ein weiteres Problem, mit dem viele Blogs kämpfen. David hat keinen Stein in der Schleuder. Also schmeißt er mit Dreck.“

    Wir lassen uns gerne mit einem kleinen David vergleichen. Ob wir mit Steinen schleudern oder mit Dreck, das überlassen wir dem Urteil unserer Leserinnen und Lesern. Deren Rückmeldungen geben uns den Mut und die Kraft uns gegen den Meinungs-Mainstream mit Fakten und fundierten Argumenten anzustemmen.

  13. Grüne empört über Kleinerts Laufzeit-Plädoyer
    Ein Vordenker macht sich unbeliebt: Der einstige Grünenpolitiker Hubert Kleinert plädiert im SPIEGEL für längere Laufzeiten von Atomkraftwerken – und löst damit Empörung in seiner Partei aus. Die Grüne Jugend ist entsetzt, Fraktionschefin Künast bezeichnete Kleinert als naiv. Kleinert gehörte einst zu den prominentesten Grünen, war Weggefährte von Joschka Fischer und später Landesvorsitzender in Hessen. Heute ist Kleinert Politikwissenschaftler.

    Im Interview mit dem SPIEGEL riet Kleinert seiner Partei, sie sollte “bei der Nutzung vorhandener Atomanlagen zu einer verantwortungsethischen und rationalen Bewertung kommen”. “Eine Verlängerung der Laufzeiten für moderne Atomkraftwerke scheint mir bei rationaler Risikoabwägung durchaus diskutabel”, sagte Kleinert.

    Kleinert hatte zudem angeregt, Milliardengewinne aus dem Weiterbetrieb von Reaktoren in den Ausbau erneuerbarer Energien zu stecken. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast nannte diese Haltung “naiv”. Kleinerts Interview zeige, dass auch ein Politikprofessor grüner Herkunft Dinge sagen könne, “ohne Sachkenntnis zu haben”.
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung Martin Betzwieser: Ob da schon ein lukrativer Beratervertrag mit der Energiebranche in Aussicht ist …

    Anmerkung WL: Risikoabwägung heißt: Schadensausmaß mit der Schadenseintrittswahrscheinlichkeit abzuwägen. Wägen Sie also einmal den Schaden von Tschernobyl mit der prognostizierten Wahrscheinlichkeit ab. Wägen Sie einmal den Schaden mit der Wahrscheinlichkeit ab, dass irgendwelche Despotenstaaten oder Warlords mit dem spaltbaren Material Atombomben bauen. Wägen Sie die Notwendigkeit eines sicheren Endlagers für den Atommüll über tausende von Jahren mit dem Aufstieg und dem Fall der historisch bekannten staatlichen Institutionen ab, die diese Sicherheit garantieren könnten.

    Eine Technik die aufgrund ihres nicht mehr kalkulierbaren Schadensumfangs (deshalb werden Atomkraftwerke auch von niemand versichert) nicht versagen darf, hat es in der Menschheitsgeschichte nie gegeben und wird es (technikimmanent) nie geben können. Das wären einige der „rationalen Risikoabwägungen“, die man anstellen müsste. Und nicht die Frage, ob der Strom ein paar Cents billiger wäre oder wie lange der Uranvorrat reicht.

    Außerdem: Wer an Atomkraftwerken festhält verbaut bewusst, den Weg zu einer dezentralen (nicht oligopolistischen) Energieversorgung und den Umstieg in eine alternative Energiedarbietung und in eine wirklich effiziente dezentrale Energienutzung.

    Siehe dazu auch:

    Strahlendes Erbe der Geisterstadt
    Wegen steigender Energiepreise befürworten immer mehr Deutsche die Annullierung des Atomausstiegs – die Gefahren der Kernenergie werden kaum thematisiert. Ganz anders in Tschernobyl: Auch 22 Jahre nach dem GAU strahlt der Reaktor. “Der harte Kampf um die Sicherung des Reaktors wird bestimmt noch 30 bis 50 Jahre dauern.”

    Nach den höchst unterschiedlichen Schätzungen liegt die Zahl der Opfer zwischen 4000 und 50.000. Einige russische Forscher nehmen sogar an, dass in den kommenden Jahrzehnten noch Hunderttausende Menschen an den Spätfolgen der Kernschmelze sterben könnten.
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung: Der Spiegel beteiligt sich zwar massiv an der Kampagne für eine Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke, aber immerhin gibt es auch kritische Beiträge.

  14. Payback zahlt nichts zurück
    Wer Payback nutzt, ist eigentlich selber schuld. Diese Meinung vieler Datenschützer hat der Bundesgerichtshof gerade in einem Urteil zu den Rabattkarten bestätigt. Fast vollständig wiesen die Richter die Klage gegen drei vom Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (VZBV) beanstandete Klauseln in den Kartenverträgen zurück. Schließlich müssten die Datensammler wissen, welche Waren jemand gekauft hat, um den Sinn der Payback-Karte erfüllen und Boni gewähren zu können.

    Dabei ist der Vorteil der Rabattkarten kaum messbar bis bestenfalls gering. Die Stiftung Warentest ermittelte im Juni, dass der durchschnittliche Nachlass zwischen einem halben und drei Prozent liegt – wenn er denn überhaupt ermittelbar ist. Denn oft ließen sich die an verschiedene Bedingungen gebundenen Prämien kaum in Geld umrechnen, geschweige denn ein Wert erkennen.

    Der Preis dagegen kann hoch sein, obwohl auch er nur schwer zu beziffern ist. Schließlich muss jeder selbst entscheiden, was ihm seine Daten wert sind. “Wer dort teilnimmt, sollte sich bewusst sein, dass er seine Konsumprofile preisgibt”, sagte Weichert. Das klingt harmlos, ist es aber nicht.
    Quelle: Zeit

  15. Online-Durchsuchung nicht “belastbar”
    Der scheidende deutsche Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem hat den Sicherheitsapparat der Bundesrepublik scharf kritisiert. Die Regierung erteile Experten Maulkörbe, um die Erfolglosigkeit immer neuer Sicherheitsmaßnahmen zu verschleiern. Hoffmann-Riem warf den Regierungen in Bund und Ländern mangelhafte Information über den angeblichen Nutzen immer neuer Sicherheitsgesetze vor.
    Quelle: ORF at
  16. Hochschulpolitischer Newsletter des fzs zu folgenden Themen:
    1. Wirtschaft stellt neues Modell zu Hochschul- und Studienfinanzierung vor
    2. Diskussion um Lehre an Hochschulen entbrannt
    3. Bedenkliche Entwicklung der Studienabbrecherquote bei Bachelor- AbsolventInnen
    4. Master-Zulassung darf nicht von der Bachelor-Note abhängen – Neues Rechtsgutachten
    5. NRW-Innovator Pinkwart fährt erneute Schlappe für sein Stipendien- Modell ein
    6. Hochschulrektorenkonferenz weiter gegen breite Öffnung der Hochschulen
    7. Baden-Württemberg will “Duale Hochschule” einführen
    8. Klage gegen Studiengebühren beim Bundesverfassungsgericht eingereicht
    9. Verdeckte “Studiengebühren” in Greifswald?

    Quelle: fzw Newsletter kostenlose Anmeldung für die Mailingliste

  17. Frankfurter Uni will zweite Chance für Ackermann
    Die Ehrung wurde kurzfristig, fast heimlich geplant: Die Ökonomen der Frankfurter Uni wollen Deutsche-Bank-Boss Ackermann im zweiten Anlauf zum Honorarprofessor machen. Der erste Versuch scheiterte am Protest von Professoren und Studenten – auch jetzt gibt es Widerstand gegen den “Victory”-Banker.

    Josef Ackermann, Vorstandschef der Deutschen Bank, könnte am kommenden Mittwoch richtig was zu feiern haben: Der Senat der Goethe-Universität in Frankfurt am Main soll den Banker und Oberst der Schweizer Armee zum Honorarprofessor machen. So will es der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität.
    Quelle: SpiegelOnline

    Anmerkung: Ackermann sind vom Gericht wegen Verstoßes gegen das Aktienrecht und objektiver Untreue eine Geldstrafe in Höhe von 57 Millionen Euro bezahlbar gegen 720 Tagessätze à 5.000 Euro auferlegt worden. Zu einer Verurteilung kam es nicht, weil die Gerichte nicht nachweisen konnten, ob der Angeklagte wusste, was er tat. Hoffentlich weiß er wenigstens künftig in seinen Vorlesungen, was er sagt. Die Stiftungsuniversität Frankfurt muss vermutlich noch viele „Stifter“ zu Honorarprofessoren machen, wenn sie an privates Geld kommen will. Der Begriff Honorarprofessor bekommt hier eine ganz neue Bedeutung, nämlich Professor gegen Honorar.

    Nach dem Gesetz über die Führung akademischer Grade wird allerdings grundsätzlich, derjenige der sich erbietet, gegen Vergütung den Erwerb eines akademischen Grades zu vermitteln, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Aber ob dieses Gesetz hier greift, ist wohl eine Frage der Höhe der Summe.

  18. Dieser Staat wird euch nicht missbrauchen
    Erstmals haben Rekruten der Bundeswehr ihr Gelöbnis vor dem Berliner Reichstag abgelegt. Altkanzler Helmut Schmidt sprach bewegende Worte zu ihnen.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung Orlando Pascheit: Eine etwas seltsame Tröstung, dass dieser Staat die Soldaten nicht missbrauchen würde, angesichts der doch sehr beunruhigenden Feststellung, dass wir Deutschen verführbar blieben. Bei allem Respekt, vor lauter Rührung ist dem Altkanzler anscheinend die Logik abhanden gekommen.

    Und was heißt hier verführbar, Soldaten werden immer noch vor allem auf Gehorsam gedrillt, sonst funktioniert so ein Kampfeinsatz nicht. Das Problem liegt nicht ei den Deutschen, sondern wieder bei unserer Regierung. Man erinnere sich wie schwer sich dieser Staat mit der Weigerung eines Majors tat, an einer Software mitzuwirken, welche im als völkerrechtswidrig angesehenen Irak-Krieg hätte zum Einsatz kommen können. Die Gefahr geht doch heute eher wieder von einem Staat aus, der in Nibelungentreue zu den USA seine Soldaten in einen ziemlich aussichtslosen Krieg nach Afghanistan schickt.

  19. Zu guter letzt:
    Kanzlerin Merkel zur Rolle der SPD in der Großen Koalition: Im Sommerinterview mit der ARD:
    Die große Koalition habe viele Probleme gelöst, z.B. die Rente mit 67: Ein Thema bei dem „sonst mehr Demonstrationen, mehr Proteste gewesen wären“.
    Die SPD also in der Rolle, den Widerstand der Bevölkerung zu brechen.

Rubriken:

Hinweise des Tages

Schlagwörter:

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!