Hinweise des Tages
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (OP/JW/RS)
Hier die Übersicht. Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert.
- Norbert Häring: Wirtschaftsweise weisen Kritik zurück
- Wolfgang Münchau. Wehe, wenn Italien aus dem Euro austritt
- Heiner Flassbeck: Was ist von Junckers Investitionsprogramm zu halten? Kann das funktionieren?
- Mehr Praxis im Studium? Ein Problem für die Forschung
- Abrechnung des Ex-Arbeitsministers: Blüm hält Rente nicht mehr für sicher
- 125 Jahre Altersvorsorge: Altersarmut wird zunehmen
- Stefan Dudey: Prof. Hans-Werner Sinn und die Inflation
- OECD-Bericht zur Auslandsbestechung fordert schärfere Straf- und Kontrollmechanismen
- Bankermoral vs. Bankerregulierung
- Wenn Wohnen unbezahlbar wird
- Überschuldung: Du unterschreibst einen Pakt mit dem Teufel
- Französisches Parlament stimmt für Anerkennung Palästinas
- Maut und Soli: Die Steuerlüge der großen Koalition
- Ehemaliger britischer Umweltminister zum Klimaschutz: Merkel sollte dem Beispiel Thatchers folgen
- Wenn Indien der Kohle verfällt, sind wir dem Untergang geweiht
- Kill Zone USAs: Spurensuche in einer waffenverrückten Nation
- Alle ins Gefängnis stecken ist gefährlich
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Norbert Häring: Wirtschaftsweise weisen Kritik zurück
Das Handelsblatt berichtet in seiner Montagsausgabe auf Seiten 1 und 13 über die Kontroverse um den Sachverständigenrat und Ungereimtheiten in dessen jüngstem Jahresgutachten. Auf handelsblatt.com/sachverstaendigenrat dokumentiert das Handelsblatt die Anfrage des Redakteurs Norbert Häring mit der Auflistung der vermeintlichen Ungereimtheiten und die sehr ausführliche Antwort des Sachverständigenrats. So kann sich jeder selbst ein Bild davon machen, ob an den “etlichen Ungereimtheiten” von denen das Handelsblatt schreibt, etwas dran ist, und ob das, was in der Artikelserie des Bloggers Norbert Häring „Wie die Wirtschaftsweisen tricksen und täuschen“ auf dieser Website zu lesen ist, wirklich solch ein strenges Label verdient. Bei einigen der dokumentierten Antworten ist aus meiner Sicht besonders interessant auf welche Punkte in den Fragen der Rat nicht oder ausweichend antwortet. Leider muss man dafür zwei separate Dokumente öffnen. Aber ich glaube, die Mühe lohnt sich. Das Team [email protected] freut sich immer über Leserbeiträge.
Quelle: Geld und mehrDazu: Fragen zum Gutachten 2014/15 des Sachverständigenrats
Im Kapitel zur Ungleichheit stützt sich der Sachverständigenrat zum Beleg der zentralen These, dass die Bevölkerung die Ungleichheit falsch einschätzt („Verzerrte Wahrnehmung“) ganz überwiegend (Ziffer 514) auf das arbeitgeberfinanzierte Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Dies ist für den Leser, der die zitierte Studie (Nihues 2014) nicht im Literaturverzeichnis aufsucht, im Haupttext nicht erkennbar. Und selbst im Literaturverzeichnis erschließt es sich nur aus der Publikationsreihe, in der der Aufsatz erschienen ist, sofern man weiß, was sich hinter „IW“ in IW-Trends verbirgt. Niehues, J. (2014), Subjektive Ungleichheitswahrnehmung und Umverteilungspräferenzen – Ein internationaler Vergleich, IW-Trends 41, 75-91. Mit der Aussage: „Dass in Umfragen regelmäßig ein Großteil der deutschen Gesellschaft am unteren Rand der Wohlstandsverteilung verortet wird, widerspricht … der tatsächlichen Verteilung der Haushaltsnettoeinkommen, die den Großteil der Bevölkerung im mittleren Einkommenssegment ausweist“, übernimmt der Rat die These der arbeitgebefinanzierten Studie.
Frage 1: Ist es mit wissenschaftlichen Standards vereinbar, die These einer Studie bei der man aufgrund der Autorenschaft interessengeleitete Ergebnisse nicht ausschließen kann oder gar vermuten muss, ohne kritische Würdigung zu übernehmen und die Leser über die sensible Autorenschaft nicht ausdrücklich aufzuklären?
[…]
Quelle: handelsblatt.com [PDF – 332 KB]Dazu: Antwortkatalog zu den Anfragen von Herrn Dr. Norbert Häring (Handelsblatt) 2 zum Jahresgutachten 2014/15 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der 3 gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
Quelle: handelsblatt.com [PDF – 295 KB] - Wolfgang Münchau. Wehe, wenn Italien aus dem Euro austritt
Einer der Gründe, warum wir überhaupt den Euro haben, war der breite politische Konsens in allen Ländern, die später daran teilnehmen würden. Egal ob Regierung oder Opposition, sie waren alle dafür. Gerade die Zustimmung der Oppositionsparteien war wichtig, denn im Verlauf von 15 Jahren haben die alle mal die Regierung übernommen – die SPD in Deutschland, und die Sozialisten in Frankreich und Spanien. Der Euro hat dadurch auch die vielen Regierungswechsel seit seiner Einführung vor fast 16 Jahren gut überstanden.
Mit der Eurokrise hat sich dieser Konsens relativiert. In Deutschland sind Regierung und Opposition noch weitestgehend für den Euro. In Frankreich ist das formell auch so. Nur der Front National ist dort dagegen. Anders in Italien. Dort sind jetzt alle Oppositionsparteien gegen den Euro. Zunächst hat das nichts zu bedeuten. Die italienischen Sozialdemokraten unter ihrem Chef Matteo Renzi haben eine große Mehrheit im Parlament. Und sie genießen eine große, wenn auch nicht mehr überwältigende Zustimmung in der Bevölkerung. Aber in Demokratien kommen Oppositionen irgendwann einmal an die Regierung. Und dann ist es natürlich wichtig zu wissen, ob eine solche Regierung ihre Anti-Euro-Politik umsetzen würde.
Die Fünf-Sterne Partei, die größte Oppositionspartei, hatte sich vor der Europawahl für ein Referendum zum Euro ausgesprochen. Die Partei war bis dahin eurokritisch, aber die Positionen waren damals noch nicht so hart wie jetzt. Parteichef Beppe Grillo hat vor Kurzem seine ablehnende Haltung offengelegt. Seine Partei wolle die Eurozone so bald wie möglich verlassen. Bei den Regionalwahlen in der norditalienischen Provinz Emiglia Romana siegte zwar Renzis Partei knapp, aber die Lega Nord kam auf 30 Prozent, womit niemand gerechnet hätte. Die Lega ist nicht nur für eine Trennung von Norditalien und Süditalien. Sie ist neuerdings auch für eine Trennung vom Euro. Und diese Position wurde vom Wähler belohnt. – Italiens Austritt wäre das schlimmste aller Szenarien
Quelle: Spiegel OnlineAnmerkung Orlando Pascheit: Ob dieser breite politische Konsens so gut war, wage ich zu bezweifel. Es hatte leider sehr wenig mit ökonomischen Überlegungen zu, dass alle zum Club gehören wollten. Ansonsten hat Wolfgang Münchau leider recht: Italiens Austritt wäre das schlimmste aller Szenarien. Und die Unterstützung für Renzis neoliberalen Kurs, der aus dem finsteren Herzen der Währungsunion kommt, schwindet.
- Heiner Flassbeck: Was ist von Junckers Investitionsprogramm zu halten? Kann das funktionieren?
Quelle: flassbeck-economics - Mehr Praxis im Studium? Ein Problem für die Forschung
Ein typischer Bachelor-Abschluss umfasst 180 Leistungspunkte. Studierende sammeln diese Punkte unter anderem durch das Absolvieren von Seminaren, Hausarbeiten oder Praktika. Das Problem mit einer stärkeren Fokussierung auf Beschäftigungsfähigkeit ist: Da die Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit innerhalb des Studiums erreicht werden soll, reichen freiwillige Zusatzangebote wie Jobmessen oder freiwillige Vorträge außerhalb des Studiums nicht aus. Die Forderungen zielen auf eine Veränderung der (bepunkteten) Studieninhalte ab. Das bedeutet allerdings, dass jeder Praxiskurs, jede Praktikumswoche, jede Exkursion in einen Betrieb durch das Leistungspunkte-System automatisch zu Lasten von anderen forschungsorientierten Leistungen. Wenn im Studium mehr Leistungspunkte für praxisbezogene Leistungen vorgesehen werden, dann stehen weniger Punkte für forschungsbezogene Leistungen zur Verfügung. Mehr Praxisinhalte im Studium bedeuten zwingend weniger Forschungsinhalte. Damit riskiert man dann allerdings den drohenden Qualitätsverlust in der Wissenschaft nur weiter anzukurbeln.
Von diesem Problem ausgehend, scheint eine andere Strategie erfolgversprechender. Anstatt die wissenschaftliche Ausbildung flächendeckend zu verschlechtern, indem man Uni-Studiengänge nach wirtschaftlichen Bedürfnissen ausrichtet, könnte man auch die Verteilung der Studierenden zwischen Fachhochschulen und Universitäten verändern. Tatsächlich landen nur die wenigstens Uni-Absolvent_innen in der Wissenschaft – trotz ihres wissenschaftsorientierten Studiums. Mehr noch zieht nur eine Minderheit der Uni-Studierenden eine Tätigkeit in der Wissenschaft überhaupt in Erwägung. Wenn ein großer Teil der Studierenden aber ohnehin keine wissenschaftliche Tätigkeit anstrebt, scheint es entsprechend sinnvoll, dass mehr von ihnen direkt ein anwendungsbezogenes Studium an einer Fachhochschule aufnehmen.
Quelle: Was bildet ihr uns ein?Anmerkung Orlando Pascheit: Mir scheint, dass in diesem Beitrag das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Rein praktisch erscheint es mir unmöglich, dass Fachhochschulen mittelfristig den Anteil von Studenten aufnehmen können, die keine wissenschaftliche Tätigkeit anstreben (Sowohl von der Studentenzahl als auch vom Lehrpersonal her). Abgesehen davon vernachlässigt diese Argumentation die Rolle eines Universitätsabschlusses in unserer Gesellschaft. Man sehe doch, wie sehr sich unsere Politikerkaste bemüht, einen akademischen Abschluss in Form einer Promotion zu erreichen – ohne je eine wissenschaftliche Tätigkeit anzustreben.
Andererseits hat Michael Grothe-Hammer natürlich recht, mehr Leistungspunkten für praxisbezogene Leistungen stehen weniger Punkte für forschungsbezogene Leistungen gegenüber. Allerdings würde ich noch viel weitergehen und das größte Hindernis für wissenschaftliche Qualität im derzeitigen Studienbetrieb selbst suchen. Das beginnt damit, das Universitäten heute eher wie Unternehmen geführt werden mit großen Einflussmöglichkeiten der Wirtschaft. Dem entspricht der Bachelor als erstem eher berufsqualifizierenden Hochschulabschluss. Wie überhaupt der Bologna-Prozess, der nicht nur eine europäische Vereinheitlichung, sondern auch eine kürzere Studiendauer und einen stärkeren Praxisbezug des Studiums befördern sollte, damit gewiss nicht wissenschaftsfreundlich ausgestaltet wurde. Hier ließe sich eine lange Liste bilden, zentral dabei die Herausbildung eines akademischen Niedriglohnsektor, der in unterfinanzierten Universitäten für alles Mögliche herhalten muss und nicht mehr zum Forschen kommt. – Generell würde ich, das ist allerdings eine subjektive Wahrnehmung, meinen, dass wissenschaftliches Arbeiten in hervorragender Weise auf die allgemeine Berufswelt vorbereitet. Die erweiterte Fähigkeit von Beschreiben, Abstrahieren, Systematisieren, Analysieren und daraus seine Schlüsse ziehen, ist geeignet, sich vielen Situationen erfolgreich zu stellen. - Abrechnung des Ex-Arbeitsministers: Blüm hält Rente nicht mehr für sicher
Er ist der Mann, der die “sichere Rente” erfunden hat. Jetzt räumt er indirekt ein, geirrt zu haben. Zum 125-jährigen Geburtstag der Rentenversicherung rückt der frühere Arbeitsminister Blüm von seinem einstigen Versprechen ab. “Wenn das Rentenniveau weiter so sinkt wie in den letzten Jahren, dann kommt man in die Nähe der Sozialhilfe, was die Rentenversicherung nicht nur um ihren guten Ruf bringt, sondern auch um ihre soziale Sicherungsfunktion”, sagte der frühere Arbeitsminister der “Saarbrücker Zeitung”. Ein System, aus dem man mit Beiträgen nicht mehr bekomme als jemand, der keine Beiträge gezahlt habe, “erledigt sich von selbst”. Blüm hatte 1986 mit einer Kampagne um Vertrauen für die Rentenversicherung geworben. Auf 15.000 großen Plakaten wurde verkündet: “Denn eins ist sicher: Die Rente.” Blüm wiederholte das Versprechen fortan immer wieder persönlich.
Quelle: Spiegel OnlineAnmerkung unseres Lesers M.F.: Ein wunderbares Beispiel dafür, wie SPON versucht, durch “lying by omission” die Kernaussage von Norbert Blüm durch einen aus dem Zusammenhang gerissenen Interviewbeitrag zu verfälschen.
Auch der Focus verdreht Blüms Aussage ins Gegenteil: Jetzt selbst Blüm: Die Rente ist nicht mehr sicher
Ausgerechnet der ehemalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm sorgt sich um die Rente. Von ihm stammt der legendäre Satz, dass ebenjene schlichtweg sicher sei. Nun sieht der CDU-Mann die Gefahr, dass sich das System selbst erledigt.
Quelle: FocusAnmerkung unseres Lesers H.W.: Der Skandal ist, dass der Focus Blüms Interview mit der Saarbrücker Zeitung so verbiegt, dass die eigentliche Aussage Blüms unterschlagen wird: die Rente ist “Besser als alle Konkurrenz-Modelle”, aber das System verliert an Legitimität bei den Jungen, weil das Rentenniveau zugunsten der privaten Versicherungsindustrie so weit abgesenkt wird, dass im Alter die Armut droht. Blüm erledigt außerdem noch die kapitalgedeckte Rente und den Demografie-Mythos. Dass der Focus Blüm dennoch für sich vereinnahmt, ist wohl hohe journalistische Kunst. Man muss das Interview lesen, um festzustellen: Blüm ist noch der Alte. Gott sei Dank.
Hier das Interview mir der Saarbrücker Zeitung: Die Rente war oft nicht sicher
Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm warnt vor Entwertung der Rentenversicherung: “… Die Höhe der Rente ist Ausdruck dafür, welchen Beitrag wir zu zahlen bereit sind, um nach einer langen Arbeitsbiografie ein auskömmliches Leben im Alter zu sichern. Wenn man aber vier Prozent des Beitrages abzweigt, wie mit der unseligen Riester-Rentenreform geschehen, dann fehlt dieses Geld in der Rentenkasse. Und am Ende zahlen die Beitragszahler sogar mehr als nach der alten Regelung, weil die Riester-Beiträge nicht vom Arbeitgeber mitfinanziert werden. … Wenn das Rentenniveau weiter so sinkt wie in den letzen Jahren, dann kommt man in die Nähe der Sozialhilfe, was die Rentenversicherung nicht nur um ihren guten Ruf bringt, sondern auch um ihre soziale Sicherungsfunktion. Ein System, aus dem man mit Beiträgen nicht mehr bekommt als jemand, der ohne Arbeit war und auch keine Beiträge gezahlt hat, erledigt sich von selbst. … wir waren uns damals einig, dass das Rentenniveau nicht unter 64 Prozent sinken darf. Allein schon deshalb, um einen deutlichen Abstand zur Sozialhilfe zu garantieren. Bei den Reformen, die nach meiner Amtszeit kamen, wurde allerdings der Beitragssatz zur festen Größe. Er darf langfristig nicht über 22 Prozent liegen. Damit wurde jedoch das Rentenniveau zu Variablen. Das ist ein prinzipieller Unterschied. …”
Quelle: Saarbrücker Zeitung - 125 Jahre Altersvorsorge: Altersarmut wird zunehmen
125 Jahre nach ihrem Beschluss ist die gesetzliche Rentenversicherung in einem desolaten Zustand, beklagt der Rentenexperte und Wirtschaftswissenschaftler Winfried Schmähl. Das allgemeine Leistungsniveau der Rentenversicherung werde immer weiter reduziert, sagte Schmähl im Deutschlandradio Kultur. Gleichzeitig hätten die Menschen immer weniger Möglichkeiten, durch ihre Erwerbstätigkeit Ansprüche zu erwerben – “so dass insgesamt hier ein Entkoppeln der Renten und der Rentenentwicklung von der Lohnentwicklung stattfindet. Man könnte ein bisschen überspitzt formulieren: Wir haben seit jetzt gut zehn Jahren eine systematische Demontage der gesetzlichen Rentenversicherung eingeleitet.”
Der berühmte Satz “Die Rente ist sicher” gelte nur dann, wenn die Beitragszahler das Gefühl hätten, dass sie einmal einen angemessenen Gegenwert erwarten könnten. “Dieses ist natürlich jetzt durch die Reform aus dem Jahr 2000 grundlegend in Frage gestellt worden.” Von der Politik werde die Frage, wie es mit der Rentenversicherung weitergehen soll, “überhaupt nicht diskutiert”, beklagte Schmähl. Stattdessen hoffe sie noch immer darauf, “dass die private Vorsorge und die betriebliche Alterssicherung – im Grunde also kapitalmarktabhängige Alterssicherung – die Lücke, die man durch politische Entscheidungen aufreißt, dass diese Lücke geschlossen wird.” Dies habe sich allerdings bereits als Fehlkalkulation erwiesen: “Die private und die betriebliche Alterssicherung als solche leisten nicht den flächendeckenden Ersatz und können ihn auch gar nicht leisten.”
Sollte es der Politik nicht gelingen umzusteuern, werde die Altersarmut und damit auch der soziale Konfliktstoff zunehmen. Winfried Schmähl habe da “leider nicht so große Hoffnung”. Erinnere man sich heute daran, dass der damalige Minister bei der Einführung der Reform im Jahr 2000 verkündet habe, jeder Rentner werde in Zukunft mehr Rente erhalten – “das stößt einem schon sauer auf, wenn man sich das noch einmal vergegenwärtigt”.
Quelle: DeutschlandradioAnmerkung JK: “Wir haben seit jetzt gut zehn Jahren eine systematische Demontage der gesetzlichen Rentenversicherung eingeleitet.” An diesem Satz ist nichts überspitzt formuliert, er schildert die Situation wie sie ist. Die umlagenfinanzierte Rentenversicherung wird seit zehn Jahren gezielt zerstört. Die Profiteure sind bekannt. Die politischen Verantwortlichen und der gezahlte Judaslohn ebenso! Wie die Meinungsmache dazu funktioniert lässt sich sehr schön an den Fragen oder besser Phrasen der Journalistin des Deutschlandradios erkennen, die das Gespräch beständig in die übliche propagandistische Richtung drängen will.
- Stefan Dudey: Prof. Hans-Werner Sinn und die Inflation
Heiner Flassbecks Artikel Professor Sinn kennt das europäische Inflationsziel nicht kommentierte ein Leser auf unserer Facebook-Seite und wies uns auf einen Vortrag hin, den Hans-Werner Sinn am 15.9.2014 in Washington gehalten hat. Dort sagt er ab Minute 25:16 “Germany would have to increase its price level by 30 percent to rebalance the whole Eurozone, while others would have to go down by 30 percent” (“Deutschland müsste sein Preisniveau um 30% erhöhen, um die ganze Eurozone wieder in Balance zu bringen, während andere um 30% senken müssten”).
[…]
Gerät eine Volkswirtschaft mit der Entwicklung ihres Preisniveaus in die Nähe der Null, kann sich ein deflationärer Sog entwickeln. Er zerstört ein positives Sachinvestitionsklima und damit jegliche Aussichten auf eine positive Entwicklung des Arbeitsmarktes. Japan ist seit vielen Jahren das traurige Beispiel dafür. Und deshalb ist es so wichtig, dass sich die Wirtschaftspolitik ein Inflationsziel deutlich oberhalb der Null setzt. Hans-Werner Sinns Forderung nach einer Zielinflation von 0% ist aus diesem Grund alles andere als gesamtwirtschaftlich wünschenswert. Es hat auch seit 1998 (dem Jahr des Beschlusses der EZB, eine Inflationsrate von unter 2% anzustreben) nie jemand behauptet, dass dieser 2%-Wert “falsch” sei oder viel zu hoch verglichen mit den Zielwerten, die sich verschiedene Zentralbanken in der Eurozone vor 1999 gegeben haben.
Es bleibt bei unserem ceterum censeo, dass wir bei allen Wirtschaftspolitikern in Deutschland, bei allen Wirtschaftsredakteuren und bei allen Wirtschaftswissenschaftlern – auch bei Hans-Werner Sinn – dafür werben, offensiv über die richtige Lohnpolitik in Deutschland zu sprechen. Wir brauchen, soll die historische Einigung Europas seit 1945 nicht gefährdet werden, für Jahre oder eher Jahrzehnte in Deutschland Lohnstückkostensteigerungen von mehr als 2%. Und das geht nur über eine im wahrsten Sinne des Wortes “verantwortungsvolle” Lohnpolitik.
Quelle: flassbeck-economics - OECD-Bericht zur Auslandsbestechung fordert schärfere Straf- und Kontrollmechanismen
Auf internationaler Ebene werden die meisten Bestechungsgelder von großen Unternehmen gezahlt – in der Regel mit dem Wissen der Geschäftsleitung. Das geht aus dem ersten OECD-Bericht zur Auslandsbestechung, dem “Foreign Bribery Report”, hervor. Der Bericht wertet mehr als 400 Fälle aus, in denen seit Inkrafttreten des OECD Übereinkommens gegen die Bestechung ausländischer Amtsträger 1999 ermittelt wurde. In diesen Fällen machen Bestechungsgelder rund elf Prozent der gesamten Transaktionskosten aus. Im Durchschnitt flossen knapp 14 Millionen US-Dollar pro Bestechungsvorgang. Der Bericht kommt allerdings zu dem Schluss, dass selbst diese Zahlen nur die Spitze des Eisberges darstellen. Das reale Ausmaß internationaler Korruption sei wegen der komplexen Strukturen korrupter Geschäfte schwer zu erfassen.
Die Adressaten von Auslandsbestechung sind in der Regel eher entwickelte Volkswirtschaften als Entwicklungsländer. Das Ziel der Bestechung ist es, Verträge mit staatseigenen oder staatlich gelenkten Unternehmen zu schließen. Die meisten Zahler und Empfänger von Bestechungsgeldern stammen aus wohlhabenden Staaten. In fast zwei Dritteln der Fälle konzentriert sich die Bestechung auf nur vier Sektoren: die Rohstoffindustrie (19%), das Baugewerbe (15%), Verkehr und Lagerung (15%) und Kommunikation (10%). Angestellte staatseigener Betriebe führen die Liste derer an, denen Bestechungsgelder versprochen oder gezahlt wurden (27%). Daneben stehen Zollbeamte sowie Mitarbeiter von Gesundheits- und Verteidigungsbehörden häufig auf Bestechungslisten. In fünf Prozent der Fälle waren aber auch Staats- und Regierungschefs, beziehungsweise Minister das Ziel der Bestechung – sie bezogen sogar elf Prozent aller illegalen Zahlungen.
Quelle: OECDDer Bericht in Wortlaut: OECD Foreign Bribery Report: An Analysis of the Crime of Bribery of Foreign Public Officials
Quelle: OECD Publishing - Bankermoral vs. Bankerregulierung
Dass Banken ein Problem mit ihrer Kultur haben, zeigt nun auch eine Studie. Setzt eine strengere Regulierung etwa durch Kapitalvorschriften am falschen Ende an? Im Gegenteil. Storys von Bankern, die keine Skrupel beim Brechen von Regeln zeigen, reissen nicht ab. Banker waren es bereits, die durch ihr Verhalten einen wesentlichen Anteil an der Finanzkrise hatten. Seither werden alle paar Monate neue Skandale bekannt, die zu weltweiten Untersuchungen führen und die Institute Milliardensummen an Bussen kosten. Jetzt scheint die verbreitete Unmoral unter Bankern selbst eine wissenschaftliche Erhebung zu bestätigen. Gemeint ist ein bereits viel zitierter Artikel in der neusten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins «Nature», verfasst von den an der Uni Zürich tätigen Ökonomen Alain Cohn, Ernst Fehr und André Maréchal. Was die Ökonomen mit ihrem Experiment zeigen, ist allerdings nicht, dass Banker als Menschen besonders unmoralisch handeln. Gemäss der Studie ist es gerade umgekehrt: Menschen, die sich gewöhnlich moralisch verhalten, handeln deutlich unmoralischer, wenn sie dies als Banker tun.
Quelle: Never Mind the MarketsZusammenfassung der Studie: Business culture and dishonesty in the banking industry.
Quelle: Universität ZürichAnmerkung Orlando Pascheit: Die Studie zeigt, dass jeder moralische Appell an die Banker verhallen muss, da nicht die Banker als Menschen generell unehrlicher sind, sondern in ihrem Umfeld entsprechend agieren, geprägt durch die Unternehmenskultur der Banken. Umso erstaunlicher, dass die Autoren vorschlagen, dass Bankangestellte einen professionellen Eid, ähnlich dem Hippokratischen Eid für Ärzte, ablegen sollten. Markus Diem Meier schreibt denn auch: “Die Gefahr der Kulturanalyse ist aber, dass sie zu einer Verwedelung der Zusammenhänge führt. Die Feststellung, dass eine andere wünschbare Bankkultur alles viel besser machen würde, ist theoretisch schwer zu bestreiten, aber für sich gesehen so nutzlos wie die Beschwörung einer neuen inneren Ausrichtung der Menschen mit dem Zweck, den internationalen Frieden für immer zu sichern. Die Forderung ans Management, für eine bessere Kultur zu sorgen, oder jene der Autoren der oben erwähnten Studie, von den Bankern einen Eid zu besserem Verhalten zu verlangen, wirkt ziemlich hilflos.” Und weiter: “Die Anreize, mit unredlichem Verhalten besonders viel verdienen zu können – wie sie jetzt Aufsichtsbehörden kritisieren –, waren kein unerwünschter Nebeneffekt der Entwicklung: Die Vorstellung, sich an allgemeine Massstäbe halten zu müssen, hatte einen sehr geringen Stellenwert. Nur das Gewinnstreben zählte. Mit ihm nütze man dem Gemeinwohl letztlich am meisten, so der Leitspruch. Wie kann man über die Kultur bei den Banken überrascht sein?” Er fordert deshalb: “Wichtiger als ein Appell an eine bessere Kultur der Banker sind gescheite Regulierungen und Anreize, die ein Verhalten (das für die gesamte Volkswirtschaft schädlich ist) bestrafen und nicht mehr wie bisher belohnen.”
- Wenn Wohnen unbezahlbar wird
Immer mehr Menschen konkurrieren um immer weniger günstige Wohnungen. Jedes Jahr verschwinden 100.000 Sozialunterkünfte. Nicht nur die unteren Einkommenschichten sind betroffen.
Deutschland war einst Vorreiter im sozialen Wohnungsbau; die Idee, vielen Menschen günstigen Wohnraum zu verschaffen gab es schon im 19. Jahrhundert. In die Praxis umgesetzt wurde sie seit den 1920er-Jahren bis weit in die Nachkriegszeit der Bundesrepublik, in deren Gesetzgebung sie auch verankert wurde. Von dem Ansatz, breiten Schichten günstiges Wohnen zu ermöglichen, hat sich die Politik seitdem immer weiter verabschiedet. Seit den 1980er-Jahren verlieren immer mehr der ursprünglich geförderten Wohnungen ihre Sozialbindung. Hatte es zu Hochzeiten noch vier Millionen Sozialwohnungen gegeben, waren es 2001 noch 1,8 Millionen.
Quelle: SZ - Überschuldung: Du unterschreibst einen Pakt mit dem Teufel
Als es kalt wurde, merkte Anja Schneider, dass es so nicht weitergehen kann. “Zwei Paar Winterschuhe für Kinder kosten 100 Euro. Da dachte ich: Das bringt mich um.” Sie hatte zwei Töchter, ihr Studium unterbrochen, sich von ihrem Mann getrennt – und stand allein mit ihrem Studentenkredit da. Besser gesagt: mit jenem Mutanten in Höhe von fast 17 000 Euro mit 15,89 Prozent Zinsen, zu dem ihr Studentenkredit mit Hilfe der Deutschen Bank zwischenzeitlich angewachsen war. Das Leben von Schneider, die eigentlich anders heißt, war einigermaßen geplant. Schulden ließen es kippen. Nur mit Hilfe von außen kam sie wieder aus der Falle. Die Geschichte der 36-Jährigen spielt in Wuppertal, einer Stadt, in der Schulden zum Leben dazugehören wie an wenigen anderen Orten in Deutschland. Wer etwas über Schulden lernen will, fängt am besten hier an.
Schulden dominieren in Wuppertal nicht nur die privaten Finanzen vieler Menschen. Die Stadt selbst hat fast zwei Milliarden Euro Miese, mehr als 5000 Euro pro Einwohner. Jährlich kommt ein hoher zweistelliger Millionenbetrag dazu. Nur wenige deutsche Städte stehen finanziell so schlecht da. Bis 2012 galt Nothaushaltsrecht, die Stadt musste sich Investitionen und Personalentscheidungen von der Bezirksregierung in Düsseldorf genehmigen lassen.
Quelle: SZ - Französisches Parlament stimmt für Anerkennung Palästinas
Schweden, Großbritannien, Irland und Spanien sind vorangegangen – nun hat sich auch das französische Parlament dafür ausgesprochen, Palästina als Staat anzuerkennen. Das französische Parlament hat sich für die Anerkennung Palästinas als eigenständiger Staat ausgesprochen. Die Abgeordneten in der Nationalversammlung stimmten mehrheitlich für eine entsprechende Resolution. Der Entscheid ist für die französische Regierung allerdings nicht bindend. Der symbolische Schritt soll den Druck erhöhen, damit der Friedensprozesses zwischen Israel und den Palästinensern wieder aufgenommen wird.
Quelle: Spiegel - Maut und Soli: Die Steuerlüge der großen Koalition
Der Soli kostet die Deutschen 18 Milliarden Euro pro Jahr, in die neuen Länder fließt jedoch nur ein Bruchteil davon. Er ist längst, was er nie sein sollte: eine versteckte Steuererhöhung. Mit der Maut könnte es ähnlich enden. Und plötzlich ist da ein neues Wort in der Debatte um die Ausländer-Maut der CSU: Einführung heißt es. Das Versprechen nämlich, die Maut werde Deutsche nicht belasten, das gelte ja nur “mit der Einführung” der Maut. So sagte es an diesem Morgen die durchaus mächtige CSU-Landesgruppenchefin im Bundestag, Gerda Hasselfeldt. – Ach so? Nur mit der Einführung? Nie vorher gehört. Bisher hatte es immer geheißen, die Maut werde zu keiner Mehrbelastung für deutsche Autofahrer führen. Egal wann. Das war das Versprechen.
Quelle: SZDazu: Klaus Ernst: Pkw-Maut für alle kommt durch die Hintertür
Pkw-Maut für Ausländer – das war die Schnapsidee, mit der die CSU im Wahlkampf in den Niederungen des bayrischen Stammtischs punkten wollte. Pkw-Maut für Ausländer – das Versprechen dieser Wahlkampfrhetorik aus dem Hause Seehofer und Dobrindt lautete, deutsche Autofahrerinnen und Autofahrer kostet die Maut keinen Pfennig. Nun kommt es, wie es kommen musste. Das große Versprechen, das auch die große Koalition gegeben hat, fällt: Die Maut in Deutschland werden eben nicht nur europäische Nutzer deutscher Autobahnen zahlen – auch jene, die bereits in Deutschland KfZ-Steuer zahlen, werden über kurz oder lang durch die Maut belastet.
Die Wahrheit kommt wie so oft häppchenweise ans Licht. Erst war klar, dass die mit der Pkw-Maut vermeintlich zu erzielenden Einnahmen um Längen hinter den Versprechungen von Verkehrsminister Dobrindt (CSU) zurückbleiben werden, dass durch die Ausgestaltung sogar ein Minusgeschäft und jeglicher Schindluder durch elektronische Überwachung droht. Und nun das Tüpfelchen auf dem I: Das Bundesfinanzministerium von Wolfgang Schäuble (CDU) will bei kommenden Anhebungen der Mautsätze bei der Kfz-Steuer nicht in gleichem Maß entlasten. Das soll nur für die Einführungszeit so sein. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Die Pkw-Maut für alle wird so durch die Hintertür eingeführt.
Quelle: linksfraktion.deDazu: Gegen die Wand
Regierungsentwurf zur Änderung des Datenschutzgesetzes von den Sachverständigen im Innenausschuss sauber zerpflückt
Quelle: Linksfraktion - Ehemaliger britischer Umweltminister zum Klimaschutz: Merkel sollte dem Beispiel Thatchers folgen
Angela Merkel und Margaret Thatcher verbindet viel. Das meint John Gummer, Thatchers früherer Umweltminister. Denn beide hätten sich frühzeitig für den Klimaschutz eingesetzt. Und wie Thatcher sollte auch Merkel jetzt das Ende des Kohlebergbaus einleiten.
Die Bedeutung des anhaltenden Engagements Deutschlands im Kampf gegen den Klimawandel lässt sich kaum überbewerten. Als Europas bevölkerungsreichster Staat, größte Volkswirtschaft und wichtigster Geldgeber für saubere Energie gibt Deutschland im größeren europäischen und somit auch im weltweiten Kontext den Ton an. Hätte China vor kurzem die wegweisende Ankündigung gemacht, seine Treibhausgasemissionen ab 2030 zu senken, wenn Europa seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen wäre? Nein. Könnte Europa seine weltweite Führungsrolle beibehalten, wenn Deutschland ins Schwanken geriete? Wieder ist die Antwort Nein. Der Gedanke einer europäischen und weltweiten Führungsrolle findet bei den Deutschen aus nachvollziehbaren Gründen nur begrenzten Anklang. Doch in Bezug auf den Klimawandel ist diese Führungsrolle Wirklichkeit. Ein neues weltweites Klimaabkommen, das die Tendenz der steigenden Emissionen ein für allemal umkehrt, ist zweifelsohne die schwierigste Aufgabe, die Regierungen weltweit bevorsteht. Uns wird jedoch eine große Gelegenheit geboten: In rund einem Jahr werden sich die Minister in Paris versammeln, um ein entsprechendes Abkommen zu besiegeln. Diese Chance dürfen wir nicht verpassen. Es ist daher absolut notwendig, dass Deutschland seinen Zielen jetzt treu bleibt und sein Engagement zum Abbau der eigenen Emissionen bis 2020 und darüber hinaus beibehält.
Quelle: TagesspiegelAnmerkung J.K: Thatcher hat die englischen Kohlegruben aus Umweltschutzgründen schließen lassen? Noch blöder geht es nicht!
- Wenn Indien der Kohle verfällt, sind wir dem Untergang geweiht
Beim UNO-Klimagipfel Ende 2015 in Paris soll endlich ein neues bindendes Klimaabkommen vereinbart werden. Die Hoffnungen, dass nach den mehr oder weniger gescheiterten Gipfeln von Kopenhagen (2009), Cancún (2010), Durban (2011) und Doha (2012) endlich ein Nachfolger des Kyoto-Protokolls zur Reduktion der Treibhausgasemissionen ausgehandelt wird, sind zurzeit so hoch wie schon lange nicht mehr. Am G-20-Gipfel in Brisbane verkündeten die USA und China überraschend, sich auf gemeinsame Emissionsziele verständigt zu haben. «Kein Land ist immun, jedes Land hat die Verantwortung, seinen Teil beizutragen», sagte US-Präsident Barack Obama in Brisbane. Die Frage ist aber, welche Verpflichtungen die einzelnen Länder einzugehen gewillt sind. Die USA versprechen, ihre Emissionen bis 2025 um 26 bis 27 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken. China verspricht, die Emissionen ab dem Jahr 2030 nicht mehr ansteigen zu lassen. Die EU verspricht gar eine Reduktion um 40 Prozent.
Entscheidend wird aber sein, welches Angebot Indien als drittgrösster Produzent von Treibhausgasen macht. Bislang hat die indische Regierung nichts versprochen – und ihre jüngsten Beschlüsse lassen wenig Raum für Zuversicht. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, plant das Kabinett von Indiens Premier Narendra Modi, den Kohleabbau für internationale Konzerne zu öffnen. Zudem soll die von den Gewerkschaften protegierte, auf viel Handarbeit beruhende Produktion modernisiert werden. Den Kohleabbau fördern will die Regierung Modi dem Bericht zufolge zudem mit der Investition einer Milliarde Dollar in Bahnwagen und Infrastruktur zwecks Abtransport des Rohstoffs. Die Massnahmen machen den Kohleabbau interessant für internationale Konzerne wie die Giganten Rio Tinto und BHP Billiton. Umgekehrt versorgt er die indischen Kohlekraftwerke mit viel billiger Kohle. – Deutlich äusserte sich auch Indiens Energieminister Piyush Goyal. «Das für Indiens notwendige Wachstum darf nicht auf dem Altar in einigen Jahren allenfalls drohender Klimaveränderungen geopfert werden», sagte er laut der «New York Times» kürzlich an einer Konferenz in Delhi. «Der Westen wird anerkennen müssen, dass die Armen Bedürfnisse haben.»
Quelle: Tages-AnzeigerAnmerkung Orlando Pascheit: Indien ist einfach etwas deutlicher als China, die Emissionen ab dem Jahr 2030 nicht mehr ansteigen zu lassen. In der Tat, wenn China bis 2030 seine Emissionen steigert und “Indien mehr und mehr der Kohle verfällt, sind wir dem Untergang geweiht”. Aber können wir den Entwicklungsländern ihre auf Energiezugang beruhende Modernisierung verwehren? Die Phantasie und die finanzielle Unterstützung der hochentwickelten Industriestaaten sind gefragt.
- Kill Zone USAs: Spurensuche in einer waffenverrückten Nation
Ausgehend vom Massaker an der Sandy Hook Elementary School fragt der Dokumentarfilm: Warum kann der Waffenwahnsinn nicht gestoppt werden?
Es war ein Blutbad, das die Welt erschütterte: Am 14. Dezember 2012 stürmte ein psychisch gestörter junger Mann die Sandy Hook Elementary School in Newtown, Connecticut. Er erschoss 20 Kinder und sechs Lehrer. Adam Lanza tötete seine Opfer mit der in den USA frei verkäuflichen Zivilversion eines militärischen Sturmgewehrs. Der Amoklauf von Newtown ist ein Fanal. Für den Präsidenten Barak Obama, für viele Bürger im Land. Auch für die Waffenlobby: das Signal zum Gegenangriff – die Vereinigten Staaten sind so gespalten wie noch nie in ihrer über 200-jährigen Geschichte: Waffengegner fordern mit lautstarken Protesten Gesetzesverschärfungen. Waffenlobbyisten setzen in den Hinterzimmern der Parlamente diskret weitere Lockerungen der ohnehin schon unvergleichlich laxen Regeln durch. Die Umsätze der Waffenindustrie explodierten in den Wochen nach Newtown förmlich. Obama wird zum „Salesman of the Year“ ernannt.
Und das Töten geht unvermindert weiter: Bei 66 Schulschießereien, die sich nach Newtown ereigneten, wurden weitere 45 Menschen getötet und 73 verletzt. 30.000 Menschen sterben in den USA jährlich durch Schusswaffen. Kollateralschäden eines unerklärten Bürgerkrieges, mit dem die Waffenindustrie – unter deutscher und europäischer Beteiligung – seit Jahrzehnten die USA überzieht. „Kill Zone“ nennen amerikanische Soldaten einen Kampfabschnitt, den sie derart unter Sperrfeuer nehmen, dass dort kein Überleben möglich ist. Ausgehend vom Massaker an der Sandy Hook Elementary School folgt die Dokumentation der Spur der Tatwaffe: zum Hersteller und dessen Eigentümern, einem Investmentfonds und zu dessen Lobbyisten, angeführt von der National Rifle Association (NRA). Wieso kann der Waffenwahnsinn in den USA nicht gestoppt werden? Was steckt hinter dem Täterprofil der zumeist jungen weißen Männer, frustriert und voller Hass, die in ihrem selbstempfundenen Untergang alles um sich herum zerstören?
Quelle 1: arte
Quelle 2: DossierAnmerkung: Das Video stand kurz nach der Sendung noch nicht zur Verfügung. Sie wird am Montag, 15.12. um 8:55 Uhr wiederholt.
- Alle ins Gefängnis stecken ist gefährlich
Kann man in den Westen zurückgekehrte IS-Kämpfer wieder in die Gesellschaft integrieren, Peter Neumann? Einige schon, sagt der Terrorismusforscher vom King’s College in London: ” Wir unterscheiden zwischen zwei Ausreisewellen. Die erste war 2012/2013. Da sind die eher humanitär Orientierten ausgereist, die wollten gegen Assad kämpfen. Das waren Islamisten, aber nicht alle waren ideologisch fundierte Salafisten, die hätten nicht alle eine riesengroße Gefahr darstellen müssen. 2014 mit der Deklaration des Kalifats hat sich das verändert. Die Leute, die jetzt gehen, sind extremistischer. Wer das Kalifat mit aufbauen will, kann nicht sagen, er wüsste nicht, um was es beim “Islamischen Staat” geht. … Einige erzählen, dass sie zurückwollen, aber nicht können. Denn das Einzige, was man von hier hört, ist, dass sie ins Gefängnis gehören. Das ist natürlich keine attraktive Option. … Sie gehören zur ersten Ausreisewelle und haben sich damals Gruppen angeschlossen, die noch nicht Teil des “Islamischen Staats” waren, es jetzt durch diese ganzen Fusionen aber sind. Sie befinden sie sich in einer Situation, in die sie nicht wollten. Sie sagen: Ich wollte gegen Assad kämpfen, aber ich wollte kein Terrorist sein. Ich bin jetzt Teil des “Islamischen Staats”, aber ich stimme mit seinen Taten nicht überein. Ich will nicht mehr kämpfen, aber ich kann nicht zurück. Was soll ich tun? … Nach meiner Einschätzung gibt es, grob gesagt, drei Gruppen, die wir im Englischen mit drei “d” beschreiben: dangerous, disturbed, desillusioned. Die ersten, die Gefährlichen, sind Vollblutdschihadisten, die eine Sicherheitsgefahr darstellen, wenn sie zurückkommen. Mit denen muss man strafrechtlich umgehen. Leute wie Denis Cuspert. … Die zweiten, die Gestörten, sind nicht besonders ideologisch motiviert. Aber sie sind durch den Konflikt traumatisiert, durch das, was sie gesehen und erlebt haben. Ein Beispiel ist sicher Mustafa K. aus Dinslaken, der sich mit enthaupteten Köpfen abbilden lässt. Dessen Facebook-Einträge aus Syrien sind dramatisch. Da muss man kein Psychologe sein, um zu erkennen, dass der eine Gefahr für die Gesellschaft ist. Nicht als Terrorist, sondern weil er das Erlebte nicht verarbeitet hat. Der braucht kein Gefängnis, sondern psychologische Hilfe. Die Gesellschaft muss man trotzdem vor ihm schützen. … Die Desillusionierten sind häufig von den Kämpfen der Oppositionsgruppen untereinander frustriert. Die glauben zum Teil noch an den Dschihad, aber diese Art von Dschihad wollen sie nicht. Ich schätze diese Gruppe auf 20 Prozent. Für sie muss es Reintegrationsprogramme geben. Man kann natürlich nicht einfach sagen: Wunderbar, ihr habt abgeschworen, und wir glauben euch das. Wir brauchen strenge Programme mit Überprüfungen. Man muss sich jeden Einzelfall anschauen. In England gibt es mit diesen Programmen seit 10 bis 15 Jahren Erfahrungen. … Channel ist ein Programm, das sich mit individuellen Interventionen an Leute richtet, die kurz davorstehen, einer gewalttätigen Organisation beizutreten. Es wird von der Polizei zusammen mit lokalen Behörden und NGOs durchgeführt. Wir haben Leute, die machen das seit 10 Jahren erfolgreich. Sie haben Hunderte Fälle behandelt. Die Herausforderung ist, dieses Programm für Syrienrückkehrer anzupassen. … Die Sicherheitsbehörden kennen ja einen Teil der Rückkehrer, die hier sind, aber nicht alle. Das Angebot der Reintegration wäre ein Anreiz, sich bei den Behörden zu melden. Man könnte dieses Problem also besser in den Griff kriegen. Außerdem ist die Strategie, alle ins Gefängnis zu stecken, langfristig gefährlich. In Gefängnissen findet weitere Radikalisierung statt. … vor zwei Monaten hieß es noch, jeder, der zurückkehrt, komme ins Gefängnis, bekäme die Staatsbürgerschaft entzogen und so weiter. Nun sagte die Innenministerin, man müsse das von Fall zu Fall betrachten. … In Deutschland wird viel über Prävention gesprochen, es fließt Geld, aber dahinter steht keine wirkliche Strategie. Hier gibt es eine Hotline, da ein Modellprojekt. Aber die klare Ansage, das funktioniert unter den und den Bedingungen und das machen wir jetzt bundesweit, die fehlt.
Quelle: tazAnmerkung Orlando Pascheit: Großbritannien scheint uns nicht nur einen Schritt voraus zu sein. Ich wüsste nicht, dass wir ein Programm haben, das sich mit individuellen Interventionen an Leute richtet, die kurz davorstehen, einer gewalttätigen Organisation beizutreten.