Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Regierung ganz eng mit Bankern
  2. Immer mehr Arbeitslose beziehen ergänzend Hartz IV – Ursache sind niedrige Löhne
  3. Stephan Hebel – Die zwei Gesichter der Angela M.
  4. WSI-Mindestlohnbericht 2013 – Anhaltend schwache Mindestlohnentwicklung in Europa
  5. Zum Teufel mit der Troika – Massenproteste in Spanien und Portugal
  6. EZB-Direktor Jörg Asmussen – “Die Gerechtigkeit hat gelitten”
  7. Der Freihandel als Retter oder warum die Phantasielosigkeit der Neoliberalen wirtschaftliche Entwicklung verhindert
  8. Quadratur des Kreises
  9. Jedes fünfte Kind wächst unter prekären Verhältnissen auf
  10. Pro & Contra: Soll die 30-Stunden-Woche eingeführt werden?
  11. „Fachkräftemangel“ – Und sie kommen doch
  12. Konzernforscher warnten: Spekulation treibt Preise
  13. Sachverständige für Einführung eines Korruptionsregisters auf Bundesebene
  14. Von Böcken, die gärtnern
  15. Lieber Hasso, laß mal stecken …
  16. „Kapitalismus in der Wissenschaft“
  17. Merkels Allzweckwaffe streut mal wieder
  18. Unterschiedliche Abi-Noten – Die mangelhafte Reifeprüfung
  19. Wer darf ins Fernsehen?

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Regierung ganz eng mit Bankern
    Mitarbeiter des Finanzministeriums hatten seit 2009 über 100 Termine mit Experten aus Geldhäusern. Besonders gesprächig: Deutsche Bank und Goldman Sachs.
    Die Listen erstrecken sich über zwei Dutzend Seiten. Detailliert stellt die Bundesregierung darauf dar, wie häufig sich Regierungsvertreter in der laufenden Legislaturperiode mit Bankenvertretern getroffen haben – bei Auslandreisen, Empfängen oder beim persönlichen Gespräch.
    Besonders beliebt bei den Bankern: Zusammenkünfte mit Vertretern des Finanzministeriums. 102 Termine führt die Bundesregierung hier auf. Darunter Treffen zwischen dem Deutsche-Bank-Kovorstandschef Anshu Jain und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) samt Staatssekretär a .D. oder Besprechungen zum Thema „Einschätzungen zum Finanzmarkt und dem Privatisierungsumfeld“.
    Die Listen sind Teil einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion. Deren steuerpolitische Sprecherin, Barbara Höll, zeigt sich empört: „Von unabhängiger Politik kann unter diesen Umständen keine Rede mehr sein.“ Wenn sich der Staatsminister im Kanzleramt in dreieinhalb Jahren 25-mal mit dem Cheflobbyisten von Goldman Sachs treffe, müsse man sich über die Zurückhaltung der Bundesregierung bei der Bankenregulierung nicht wundern.
    Quelle: taz
  2. Immer mehr Arbeitslose beziehen ergänzend Hartz IV – Ursache sind niedrige Löhne
    Immer mehr Arbeitslose erhalten wegen ihres vormals geringen Lohns so wenig Arbeitslosengeld, dass sie zusätzlich auf Hartz IV angewiesen sind. Nach einem Bericht der „Saarbrücker Zeitung“ (Montag-Ausgabe) gab es im Oktober des Vorjahres bundesweit 83.118 Parallelbezieher von Arbeitslosengeld I und Hartz IV. Das war etwa jeder zehnte Arbeitslosengeld-Empfänger. Ein Jahr zuvor, im Oktober 2011, waren 73.178 Menschen sowohl auf Arbeitslosengeld als auch auf Hartz IV angewiesen. Im Jahresvergleich ist ihre Zahl damit um fast 14 Prozent gestiegen. Das Blatt beruft sich auf aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA).
    Quelle: Saarbrücker Zeitung
  3. Stephan Hebel – Die zwei Gesichter der Angela M.
    Die Beliebtheit von Angela Merkel kennt fast keine Grenzen. Doch sie beruht auf einem Täuschungsmanöver: Die „Kanzlerin für alle“ macht in Wahrheit Politik für wenige.
    Wenn der Grieche wackelt und der Euro wankt, geht es uns allen ein bisschen schlecht. Nicht, dass wir gleich ärmer würden, jedenfalls nicht jeder – Deutschland steht ja, wie es scheint, so mies gar nicht da! Aber mulmig wird einem schon, wenn ein EU-Gipfel den nächsten jagt und kein Mensch mehr versteht, wer all die teuren Rettungspakete bezahlt. Oft höre ich dann von Freunden und Bekannten ein erleichtertes Seufzen: „Die Merkel, die macht das doch gar nicht so schlecht.“Einerseits: Ich verstehe, was gemeint ist. Wir in Deutschland kommen noch ganz gut über die Runden, und wenn nicht, dann ist es wenigstens nicht so schlimm wie in Griechenland. Im Fernsehen spricht zu uns eine persönlich bescheidene Frau, und sie sagt: Fürchtet euch nicht, ich halte den deutschen Laden schon zusammen.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung: Stephan Hebels Buch „Mutter Blamage“ ist im Westend Verlag erschienen und seit heute im Handel.

    Anmerkung JK: Wenn Sie dieses Buch interessiert, dann kaufen Sie dieses Buch doch bitte bei Ihrer lokalen Buchhandlung.

    Dazu: Stephan Hebel: „Merkel bedient den Konservatismus und Marktliberalismus fast mustergültig“
    Ich fange mal mit dem an, was ich mit Blamage NICHT meine: Gemessen an ihren eigenen Zielen und der Strategie, mit der sie sie verfolgt, hat sich Angela Merkel nicht blamiert. Im Gegenteil: Sie hat damit – leider, wie ich finde – Erfolg. Allerdings blamiert sie meiner Meinung nach gerade deshalb das Land, dem sie zu dienen hätte. Sie blamiert sich und uns alle, indem sie Deutschland zum neoliberalen Lehrmeister Europas macht und dabei Schaden nicht nur für andere in Kauf nimmt, sondern auch für Deutschland.
    Sie tut das zum Beispiel, wenn sie die europäischen Exportmärkte, von deren Schulden unsere Wirtschaft jahrelang profitierte, dazu zwingt, sich kaputtzusparen. Das wird auf uns zurückfallen, sobald China, die USA und einige Schwellenländer an Importkraft verlieren sollten. Und sie blamiert sich – durch Nichtstun – angesichts der ökonomischen und sozialen Herausforderung, durch echte Mindestlöhne und andere soziale Verbesserungen für mehr Gerechtigkeit und zugleich für eine bessere Binnennachfrage zu sorgen. Nur damit nämlich würde die gefährliche Exportabhängigkeit Deutschlands reduziert.
    Quelle: annotazioni

  4. WSI-Mindestlohnbericht 2013 – Anhaltend schwache Mindestlohnentwicklung in Europa
    Von 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verfügen 20 über einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn. Die Mehrheit unter ihnen hat ihre Lohnuntergrenze zum Jahresbeginn angehoben. Doch Massenarbeitslosigkeit in den Euro-Krisenstaaten sowie der strikte Sparkurs, den die nationalen Regierungen auch auf Drängen von EU-Kommission und IWF verfolgen, bremsen die Anpassung der Lohnuntergrenzen in Europa weiterhin stark ab, zeigt der neue Mindestlohnbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung.
    10,83 Euro in Luxemburg, 9,43 Euro in Frankreich, 9,01 Euro in den Niederlanden – zum 1. Januar 2013 haben 12 EU-Länder ihre gesetzlichen Mindestlöhne erhöht (siehe Infografik; Link unten). Großbritannien und Belgien hatten schon im vergangenen Herbst aufgeschlagen. Gleichwohl habe sich zuletzt “die schwache Mindestlohnentwicklung der Vorjahre weiter fortgesetzt und in einigen europäischen Ländern sogar noch verschärft”, schreibt WSI-Tarifexperte Dr. Thorsten Schulten. Der Mindestlohnbericht erscheint in der Ausgabe 2/2013 der WSI-Mitteilungen.
    Regelrecht dramatisch war der Verlauf in Griechenland. Die Regierung in Athen kürzte den Mindestlohn auf internationalen Druck um knapp 23 Prozent auf 3,35 Euro pro Stunde. Portugal, Irland, Rumänien und die Tschechische Republik froren ihr Lohnminimum ein.
    In den Ländern, in denen es Erhöhungen gab, fielen diese meist geringer aus als in den Vorjahren. Nach Abzug der Inflation waren die realen Zuwächse bestenfalls bescheiden, etwa in Frankreich mit einem realen Plus von 0,3 oder in Belgien von 1,2 Prozent. In mehreren Ländern zehrte die Teuerung die Anhebung sogar auf. Das geschah nach Schultens Auswertung beispielsweise in den Niederlanden, Spanien oder Großbritannien, wo die gesetzlichen Mindestlöhne bereits seit mehreren Jahren real an Wert verlieren. Es gab allerdings auch Ausnahmen, zeigt der Wissenschaftler: Litauen erhöhte seinen Mindestlohn um preisbereinigt knapp 22 Prozent. In Polen und Bulgarien stiegen die Lohnminima real um gut drei und um fast 12 Prozent. Auch einige Länder außerhalb der EU hoben ihre Mindestlöhne spürbar oberhalb der Inflation an, darunter Argentinien, Südkorea und Brasilien.
    In den westeuropäischen Euro-Ländern betragen die niedrigsten erlaubten Stundenlöhne nun zwischen 8,65 Euro in Irland und 10,83 Euro brutto in Luxemburg. In Großbritannien müssen umgerechnet mindestens 7,63 Euro gezahlt werden. Dieser Wert ist jedoch von der anhaltenden Schwäche des Britischen Pfunds beeinflusst. Sonst würde der britische Mindeststundenlohn heute bei gut neun Euro und damit auf westeuropäischem Durchschnittsniveau liegen, erklärt Schulten.
    Die südeuropäischen EU-Staaten haben Lohnuntergrenzen zwischen knapp drei Euro in Portugal und 4,06 Euro auf Malta. Etwas darüber liegt mit 4,53 Euro Slowenien. In den meisten anderen mittel- und osteuropäischen Staaten sind die Mindestlöhne noch deutlich niedriger. Allerdings haben mehrere davon auch in den vergangenen Krisenjahren aufgeholt. So müssen in Polen jetzt mindestens 2,21 Euro pro Stunde bezahlt werden. Zudem spiegeln die Niveauunterschiede zum Teil auch unterschiedliche Lebenshaltungskosten wider. Legt man Kaufkraftparitäten zugrunde, reduziert sich das Verhältnis zwischen dem niedrigsten und dem höchsten gesetzlichen Mindestlohn in der EU von 1:12 auf etwa 1:6.
    Außerhalb der EU verfügen nach Daten der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) rund 80 weitere Staaten über eine allgemeine Untergrenze für Löhne.
    Quelle 1: WSI-Mindestlohnbericht 2013, Download [PDF – 246 KB]
    Quelle 2: Infografik zum Download (Höhe von Mindestlöhnen und nominale Entwicklung) [PDF – 361 KB]
    Quelle 3: Mehr Forschungsergebnisse zu Mindestlöhnen
  5. Zum Teufel mit der Troika – Massenproteste in Spanien und Portugal
      Spanier protestieren gegen Korruption und Sparmaßnahmen
      Zehntausende Spanier haben am Samstag gegen die Sparmaßnahmen der konservativen Regierung sowie gegen die Korruptionsaffären in den höchsten Bereichen der Politik protestiert. Kundgebungen fanden in knapp 80 Städten statt. Allein in Madrid marschierten am späten Abend nach Medienschätzungen mehrere zehntausend Menschen zur Hauptveranstaltung am Neptunplatz in der Nähe des Parlaments. Große Demonstrationen gab es auch in Barcelona, Gran Canaria und La Coruna.
      Zu dem Protest hatte die Initiative Marea Ciudadana (Bürgerflut) aufgerufen. An den Aktionen beteiligten sich unter anderem Anhänger der Linkspartei Izquierda Unida und Umweltgruppen, Feuerwehrmänner und Minenarbeiter. Auch viele Menschen, die von Zwangsräumung ihrer Wohnung oder Massenentlassungen betroffen waren, nahmen an den Demonstrationen teil. Die Kundgebungen wurden auch von dem sozialistischen Oppositionsführer Alfredo Pérez Rubalcaba unterstützt.
      Quelle: ZEIT

      Proteste der vorhergehenden Woche:

    1. Protest Zehntausender
      Tausende Menschen haben am Samstag in ganz Spanien gegen die Zwangsräumung von Wohnungen demonstriert. An der größten Kundgebung in Barcelona nahmen am Abend nach Angaben der Veranstalter 80000 Menschen teil, die Polizei sprach von 12500 Demonstranten. Sie protestierten vor Bankfilialen und der Zentrale der konservativen Regierungspartei PP, wie die Zeitung El País berichtete. »Unsere mächtigste Waffe – die Solidarität«, skandierten die Demonstranten. Vor dem PP-Sitz protestierte auch eine Gruppe Einwanderer. »Sie haben uns alles genommen, alles bis auf die Angst«, sagte einer der Aktivisten in einer Rede.
      Proteste gab es auch in Valladolid und in Santander. »Wir bringen den Druck auf die Straße – den einzigen Ort, an dem wir das können«, zitierte die Zeitung den Sprecher der Aktivisten, José Ramón Blanco.
      Seit Beginn der Finanzkrise in Spanien mußten etwa 400000 Familien ihre Wohnung räumen, weil sie die Kredite nicht mehr bedienen konnten. Aus Angst vor Obdachlosigkeit sollen sich Schätzungen zufolge über 100 Menschen das Leben genommen haben.
      Auch in Portugal protestierten Zehntausende erneut gegen die Kürzungspolitik und forderten den Rücktritt der Mitte-rechts-Regierung von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho. Unter dem Motto »Gegen die Verarmung und gegen die Ausbeutung« gingen die Unzufriedenen am Samstag in 24 Städten auf die Straßen. In Lissabon marschierten Tausende am Abend zur Hauptveranstaltung auf dem Gemeindeplatz am Tejo-Fluß. »Passos muß endlich das Klagen der Menschen hören«, forderte Armenio Carlos, Generalsekretär des Gewerkschaftsdachverbandes CGTP, der zur ersten großen Protestkundgebung des Jahres aufgerufen hatte.
      Carlos sagte, der CGTP werde den Kampf intensivieren und sich am 2. März der Demonstration der einflußreichen Bürgerinitiative »Zum Teufel mit der Troika« anschließen.
      Quelle: junge Welt
    2. Zehntausende Spanier protestieren gegen Sparkurs
      Zu Zehntausenden sind sie auf die Straße gegangen, um ihrem Frust Ausdruck zu verleihen. In Spanien haben am Samstag landesweit Zehntausende Menschen gegen soziale Einschnitte, die Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen und Korruption in der Politik demonstriert. Kundgebungen fanden in rund 80 Städten statt.
      Allein in Madrid marschierten am späten Abend nach Medienschätzungen mehrere Zehntausend Menschen zur Hauptveranstaltung am Neptunplatz in der Nähe des Parlaments. Große Demonstrationen gab es auch in Barcelona, Gran Canaria und La Coruna.
      Zu dem Protest hatte die Initiative “Marea Ciudadana” (Bürgerflut) aufgerufen. An den Aktionen beteiligten sich unter anderem Sympathisanten der Linkspartei Izquierda Unida und von Umweltgruppen, Feuerwehrmänner und Minenarbeiter sowie Menschen, die von Zwangsräumung ihrer Wohnung oder Massenentlassungen betroffen waren.
      Die Demonstranten forderten zum Teil den Rücktritt der Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy. Auf Plakaten war zu lesen “Das Gesundheitswesen ist nicht zu verkaufen” oder “Rajoy, mach es dem Papst nach und trete zurück”. Die Kundgebungen wurden auch vom sozialistischen Oppositionsführer Alfredo Pérez Rubalcaba unterstützt. Er forderte Rajoy auf, die Demonstranten “nicht zu unterschätzen”.
      Die Regierung fährt einen der schärfsten Sparkurse in der Geschichte der spanischen Demokratie. Rajoy will verhindern, dass das hochverschuldete Land unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen muss – und sich dann Auflagen der Geldgeber beugen muss. Für die Bevölkerung brachte diese Politik in den letzten Jahren viele Entbehrungen mit sich.
      Quelle: SPON
    3. »Die Leute haben Angst«
      Warum niedrige Löhne nicht die Probleme Spaniens lösen können. Über staatliche Subventionen für Kündigungen, fehlende Steuereinnahmen und die Annäherung ans lateinamerikanische Modell. Ein Gespräch mit Albert Recio
      Albert Recio ist Wirtschaftsprofessor an der Autonomen Universität Barcelona
      junge welt: Vor zwei Wochen haben Analysten der Großbank Morgan Stanley verkündet, Spanien könne sich zu einem »neuen Deutschland« entwickeln. Dank Strukturreformen und sinkender Arbeitskosten seien die Exporte des Landes bald wettbewerbsfähiger als die der Nachbarstaaten. Können die fast fünf Millionen Arbeitslosen auf neue Jobs hoffen?
      Albert Recio: Auf kurze Sicht ist es unmöglich, die Arbeitslosigkeit in Spanien zu senken; schlicht weil sich die Wirtschaft in einer schweren Rezession befindet. Eine Fokussierung auf die Exporte, wie es Morgan Stanley oder auch Angela Merkel nun vorschlagen, wird daran ganz sicher nichts ändern. Es ist doch relativ einfach. Wenn die Exporte eines Landes zunehmen, müssen die eines anderen Landes abnehmen. … Zudem muß man die Leute von Morgan Stanley fragen, was wir denn überhaupt exportieren sollen? Momentan stehen die Bänder still, es wurden bereits massenweise Fabriken geschlossen.
      junge welt: Das Argument lautet, nun, da die Lohnkosten sinken und der Arbeitsmarkt flexibler ist, sind die Produkte billiger als die anderer Staaten …
      Albert Recio: Aber die Löhne sind doch schon lange geringer als in Deutschland oder anderen Industriestaaten. Sie befinden sich auf dem Niveau von Portugal oder Griechenland. Es ist doch nicht so, daß Deutschlands seine Autos wegen der niedrigen Löhne im Land produziert.
      Um das prognostizierte Wachstum bei den Ausfuhren zu erreichen, bräuchte es zudem viele Länder, die unsere Produkte kaufen können. Doch halb Europa befindet sich in der Krise.
      Quelle: junge welt
  6. EZB-Direktor Jörg Asmussen – “Die Gerechtigkeit hat gelitten”
    Die Politik hat in der Euro-Rettung die Gerechtigkeit vernachlässigt, sagt der deutsche EZB-Direktor Jörg Asmussen. Zu viel Ungleichheit gefährde den Wohlstand in Europa.
    ZEIT ONLINE: Der eine Schmerz, den viele empfinden, sind die ausgebliebenen weltweiten Reformen nach dem Ausbruch der Krise. Der andere Schmerz ist der Mangel an Gerechtigkeit, den auch ihr früherer Dienstherr und heutige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück im Wahlkampf thematisiert. Teilen Sie diese Empfindung?
    Asmussen: Ja, die Gerechtigkeit hat gelitten. Das zeigen auch unsere Daten. Jeder vierte junge Europäer ist heute arbeitslos. Das ist völlig unbefriedigend. Eine Untersuchung der OECD zeigt außerdem, dass die Einkommensunterschiede seit Mitte der achtziger Jahre in fast allen Industriestaaten gewachsen sind, auch in Deutschland. Mehr als die Hälfte der Menschen lebt heute in Ländern, in denen die Einkommensungleichheit größer ist als noch zur Zeit ihrer Eltern.
    ZEIT ONLINE: Mit welchen Folgen?
    Asmussen: Ungleichheit ist nicht nur ein Gerechtigkeitsproblem, sondern kann auch rein ökonomisch betrachtet negative Folgen haben. Der Internationale Währungsfonds hat unlängst in einer Studie gezeigt, dass eine wachsende Ungleichheit das Wachstum hemmen kann. Wenn die Einkommensunterschiede zu groß werden, sinkt etwa die Akzeptanz für Reformen. Die Leute haben dann den Eindruck, dass Reformen immer nur den anderen nützen, nicht ihnen selbst. Zu viel Ungleichheit schadet dem Wohlstand, und zwar von uns allen.
    ZEIT ONLINE: Hat die Krise die Gesellschaften ungleicher gemacht?
    Asmussen: Sie hat Entwicklungen verschärft, etwa den Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit. Die Einkommensschere hat sich jedoch schon früher geöffnet, nicht erst 2007 und 2008.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung JK: Das ist schier unglaublich! Jörg Asmussen, der Erfüllungsgehilfe der Finanzindustrie, einer der zentralen Protagonisten der Finanzmarktderegulierung unter Steinbrück, beklagt ein zu viel an Ungleichheit in Europa. Für wie blöd hält dieser Mann das Publikum eigentlich?

  7. Der Freihandel als Retter oder warum die Phantasielosigkeit der Neoliberalen wirtschaftliche Entwicklung verhindert
    Hat nun der amerikanische Präsident nicht verstanden, dass ihn die Europäer auf’s Glatteis des Freihandels führen wollen, um den USA europäische Handelsüberschüsse aufzuzwingen, oder haben die Europäer nicht verstanden, dass sie langfristig selbst bei freien Devisenmärkten auf dem Glatteis der Wechselkurse kräftig ausrutschen werden, wenn sie die merkantilistische deutsche Überschussstrategie in europäischem Maßstab wiederholen wollen? Die USA können es sich jedenfalls auch bei Abschluss eines Freihandelsabkommens aussuchen, ob sie die Abwehr europäischer Überschüsse den Devisenmärkten überlassen, oder ob sie sie selbst in die Hand nehmen wollen, damit es gar nicht erst zu so jahrelangen Fehlbewertungen wie etwa beim Yen kommt. Die Europäer sitzen mit Sicherheit in beiden Fällen am kürzeren Hebel. Denn sie werden kurzfristig durch freihandelsgeschützte Überschüsse nie das an Arbeitsplätzen gewinnen, was sie intern durch ihre Deflationsstrategie an Arbeitsplätzen verlieren. Und langfristig, wenn Devisenmärkte oder Wechselkurspolitik den Handelsüberschüssen den Garaus gemacht haben werden, bleiben die Europäer auf ihren Deflationsproblemen sitzen wie die Japaner heute schon.
    Quelle: flassbeck-econonmics
  8. Quadratur des Kreises
    Mit privater Altersvorsorge lässt sich die Demographie nicht überlisten. Das Problem ist nicht die steigende Zahl der Rentner, sondern eine falsche Politik
    Die Argumente für die private Altersvorsorge sind bekannt: Wegen der geringen Geburtenhäufigkeit nimmt die Zahl der Jungen, der Erwerbstätigen ab, während es immer mehr Alte gibt, die zu versorgen sind. Behauptet wird, diese Frage könne mit dem traditionellen Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung nicht gelöst werden. Deswegen soll die gesetzliche Rente ergänzt oder ersetzt werden durch private Altersvorsorge.
    Richtig ist, dass sich das Zahlenverhältnis Alte/Junge verändert: Von 1991 bis 2011 nahm die Zahl der über 65jährigen um 40,3 Prozent zu, die Zahl der Jungen dagegen um 1,8 Prozent ab. Die Frage der Altersversorgung ist dann gestellt, wenn es deswegen zu wenig Arbeitskräfte gibt, die genug produzieren könnten, um die Alten und sich selbst zu versorgen. Falsch dagegen ist, dass hier das Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung versagt und dass daher privat vorgesorgt werden müsse. Das ist nicht die Lösung. (…)
    Beim privaten Sparen wird überdies ein Dilemma deutlich: Wenn das etwas einbringen soll, dann muss das Gewinneinkommen (die Dividenden und Zinsen) hoch sein. Das aber bedeutet ein niedriges Lohneinkommen, was es schwer macht, zu sparen. Für welches Ziel nun demonstrieren, für höhere Löhne oder höhere Gewinne?
    Quelle: freitag.de
  9. Jedes fünfte Kind wächst unter prekären Verhältnissen auf
    Der 14. Kinder- und Jugendbericht zeigt, dass die Spaltung der Gesellschaft nicht kleiner wird.
    Erstmals seit 2001 gibt es wieder einen umfassenden Gesamtbericht über die Lage der Kinder und Jugendlichen in Deutschland, erarbeitet von einer unabhängigen Sachverständigenkommission im Auftrag des Bundesfamilienministeriums. Bereits Ende Januar hat das Bundeskabinett den Bericht beschlossen und befunden und erklärt, dass dieser die Kinder- und Jugendpolitik der Bundesregierung bestätige. Doch wer sich den rund 500 Seiten langen Bericht genau ansieht, wird feststellen, dass es um die Situation vieler junger Menschen in Deutschland alles andere als gut bestellt ist.
    Quelle: Telepolis
  10. Pro & Contra: Soll die 30-Stunden-Woche eingeführt werden?
    Im Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit und Billigjobs sollte die 30-Stunden-Woche eingeführt werden – bei vollem Lohnausgleich. Das sagt Rudolf Hickel.
    In Deutschland sollte die 30-Stunden-Woche eingeführt werden. Die heftigen, zum Teil diffamierenden Reaktionen auf unseren Vorschlag waren zu erwarten. Offensichtlich sind mit dem Aufruf einige mühsam zusammengehaltene Tabus des vorherrschenden politisch-ökonomischen Denkens über die Arbeitsmärkte aufgebrochen worden. So wird derzeit das “deutsche Beschäftigungswunder” gepriesen. Da stört ein Vorschlag zur Vollbeschäftigung auf der Basis guter Arbeit. Jedoch, die Wirklichkeit zeigt ein anderes Bild: Von der offenen und verdeckten Arbeitslosigkeit sind über vier Millionen Menschen betroffen, die existenziell auf Arbeit angewiesen sind. Hinzu kommen über sieben Millionen, die in Niedriglohnverhältnissen arbeiten. Gemessen an dem Wunsch nach ausreichend bezahlter, guter Arbeit nimmt die Zahl derjenigen zu, die zur Übernahme von tariflich nicht geschützten Billigjobs gezwungen werden. Im Klima gespaltener Arbeitsmärkte dominiert das Lohndumping. Wer die Legende vom “Beschäftigungswunder” angreift, muss mit der Verunglimpfung seiner Idee als Griff in die “marxistische Mottenkiste” rechnen. Schließlich legt er mit seiner Forderung die negativen Folgen der Agenda 2010 offen, vor allem die Deregulierung der Leiharbeit und den Zwang in Hartz IV, schlechte Jobs annehmen zu müssen.
    Quelle: Badische Zeitung
  11. „Fachkräftemangel“ – Und sie kommen doch
    Der Fachkräftemangel ist eine angesagte Sau, die regelmäßig durchs Dorf getrieben wird. So beschwört die deutsche Wirtschaft, dass schon heute ein solches Defizit existiere, obwohl die dafür sichersten Anzeichen – Lohnsteigerungen – nicht nachzuweisen sind. Allenfalls haben wir es derzeit in einigen wenigen Branchen und Regionen mit Fachkräfteengpässen zu tun, darunter in der Pflege, in Erziehungs- oder in einigen Fertigungsberufen sowie in der Gastronomie, die Arbeitskräfte mit ihren niedrigen Löhnen abschreckt. …
    Wenn aber die Politik schon eine Dramatisierung des Fachkräftemangels bemüht, wäre zu erwarten, dass sie sinnvolle Weichenstellungen vornimmt. Weit gefehlt.
    Beispiel ältere Beschäftigte. Ihre Zahl steigt. Aber nicht unbedingt, weil es attraktiver geworden ist, länger zu arbeiten, sondern weil die 2007 beschlossene Rente mit 67 die Menschen dazu zwingt. Gleichzeitig bieten nur 19 Prozent aller Betriebe überhaupt spezielle Maßnahmen für Ältere an.
    Während Beschäftigte also länger arbeiten müssen, um nicht mit Abschlägen in Rente zu gehen, bleibt es bei Appellen an die Unternehmen, das Potenzial älterer Beschäftigter nicht zu vernachlässigen.
    Quelle: taz

    Passend dazu: Lesetipp – Die Hungermacher
    Harald Schumann
    Die Hungermacher
    Wie Deutsche Bank, Allianz und Co. auf Kosten der Ärmsten mit Lebensmitteln spekulieren
    Ein foodwatch-Buch
    Preis € (D) 9,99| € (A) 10,30
    ISBN: 978-3-10-402431-8

    Anmerkung JK: Wenn Sie dieses Buch interessiert, dann kaufen Sie dieses Buch doch bitte bei Ihrer lokalen Buchhandlung.

  12. Konzernforscher warnten: Spekulation treibt Preise
    Insgesamt sechs Papiere aus den Forschungsabteilungen von Deutscher Bank und Allianz belegen: Entgegen öffentlicher Äußerungen gehen die Unternehmen selbst davon aus, dass Spekulation mit Agrarrohstoffen zu höheren Nahrungsmittelpreisen und damit zu Hunger führen kann. Die Deutsche Bank hat darüber sogar den Deutschen Bundestag belogen.
    In einem als „ausschließlich zur internen Nutzung, vertraulich“ gekennzeichneten Dokument des Allianz-Konzerns, das der Verbraucherorganisation foodwatch vorliegt, heißt es: Es sei „doch wahrscheinlich“, dass „spekulative Kapitalströme (…) die Preisentwicklung zumindest verstärkt haben“. In einem weiteren Papier hielt die Forschungsabteilung von Allianz bereits 2008 fest: „Die Preisausschläge an den Agrarmärkten wurden durch spekulative Faktoren nicht ausgelöst, aber verstärkt“.
    Quelle: foodwatch
  13. Sachverständige für Einführung eines Korruptionsregisters auf Bundesebene
    In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie haben sich die Sachverständigen am Montag für die Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen zur besseren Bekämpfung der Korruption ausgesprochen. So erklärte der Deutsche Städte- und Gemeindebund, dessen Mitglieder jedes Jahr Aufträge von 250 bis 300 Milliarden Euro vergeben, vorrangiges Ziel müssten „saubere und transparente Vergabeverfahren im Wettbewerb bei der Gleichbehandlung aller Unternehmen“ sein. Wenn es ein bundesweites Register geben würde, könne der länderrechtliche Flickenteppich mit vielen noch bestehenden weißen Flecken beseitigt werden.
    Die Einrichtung eines bundesweiten Registers über unzuverlässige Unternehmen ist im Entwurf eines Korruptionsregister-Gesetzes (17/11415) vorgesehen, den die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in den Bundestag eingebracht hat. Öffentliche Auftraggeber von Bund, Ländern und Kommunen sollen danach Auffälligkeiten an das Register melden sowie „dort eine etwaige Notierung von Bietern bei ihren öffentlichen Auftragsverfahren erfragen“, heißt es in dem Entwurf weiter…
    Nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) geben Bund, Länder und Kommunen zusammen 400 Milliarden Euro pro Jahr für öffentliche Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen aus. Das seien 17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP)…Aufträge dürften nur an zuverlässige und gesetzestreue Unternehmen vergeben werden, und dafür sei die Einrichtung eines bundesweiten Korruptionsregisters ein wichtiger Baustein…
    Welcher gesamtwirtschaftliche Schaden durch Wirtschaftskriminalität und Korruption angerichtet wird, machte der DGB in seiner Stellungnahme unter Bezug auf Daten des Bundeskriminalamtes (BKA) deutlich. Danach betrug der Schaden durch Wirtschaftskriminalität 2010 rund 4,65 Milliarden Euro. Der Schaden durch Korruption wurde mit 276 Millionen Euro beziffert.
    Quelle: Deutscher Bundestag
  14. Von Böcken, die gärtnern
    Ein Nachmittag bei LobbyControl in Berlin.
    Die mächtigsten lobbyistischen Organisationen sind die Unternehmen, Verbände und diversen Zuarbeiter des Gesundheitssektors und der Pharmakonzerne, der Finanz-und Versicherungswirtschaft, Energie-und Atomwirtschaft, Rüstungs-und Automobilindustrie, Landwirtschaft-und Lebensmittelindustrie und einige mehr. Sie nehmen systematisch Einfluss auf die Gesetzgebung, manipulieren die sogenannte öffentliche Meinungsbildung und betreiben mit großer Energie und hohem Geldeinsatz die marktgerechte Zurichtung unserer Gesellschaft.
    Allein das Gesundheitsministerium wird von mehr als 400 Lobbygruppen “beraten”, es geht um einen 260 Milliarden schweren Gesundheitsmarkt…
    Gerade auch bei der Rüstungslobby wird deutlich, wie intransparent Lobbyismus in Deutschland ist. Es wäre wichtig und im öffentlichen Interesse, zu wissen, wer eigentlich im Hintergrund Lobbyarbeit etwa für Rüstungsexporte macht…
    Ehemalige Politikerinnen und Politiker sind bei der Wirtschaft natürlich die beliebtesten Lobbyisten. Manche kommen aber auch aus der PR-Ecke, aus dem Journalismus. Sie bezeichnen sich selbst nicht als Lobbyisten, viele sagen, sie sind Berater, Politikberater. Viele sind Juristen, Politologen, die eben ihre Karriere erst mal im Bundestag als Mitarbeiter von Abgeordneten oder auch im EU-Parlament begonnen haben. Das sind perfekte Voraussetzungen, um Lobbyist zu werden. Noch perfekter ist aber, wie gesagt, der ehemalige Politiker, denn er verfügt über ein Netzwerk von Beziehungen und eine Vielfalt von Informationen, die dem neuen Arbeitgeber natürlich einen großen und absolut einseitigen Vorteil verschaffen…
    Quelle: taz
  15. Lieber Hasso, laß mal stecken …
    oder Ermessen nach Laune (The Giving Pledge) wider gesetzlichen Ansprüchen (The Taxing Pledge)?
    Nein, Plattners splendider Eintrag ins Who is Who des Giving Pledge ist keine gute Nachricht, keine lobenswerte Einsicht eines Milliardärs, sondern ein Armutszeugnis für das “kapitalistische Weltethos”. Wenn sich Gesellschaften über die Lust und Laune von Krössusen finanzieren, dann ist das kein Grund, darüber wohlwollend zu berichten, sondern die Zurschaustellung der Misere und besorgniserregend.
    Ist es Großzügigkeit, wenn man die Hälfte seines Vermögens weggibt und immer noch beinahe drei Milliarden Euro besitzt? Oder ist das nicht das Eingeständnis einer Umverteilungs-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, die auf ganzer Linie gescheitert ist? Wer braucht drei Milliarden zum Leben? Oder lohnt sich Leistung unterhalb dieser Summe etwa nicht mehr?
    Quelle: ad sinistram
  16. „Kapitalismus in der Wissenschaft“
    Der Wettbewerb miteinander soll die Hochschulen besser machen. Das funktioniert so aber nicht, meinen manche Experten. Kritiker sagen, das Leistungssystem habe paradoxerweise einen konservativen Effekt.
    Was passieren kann, wenn Forschungsgelder nach dem „Leistungsprinzip“ verteilt werden, rechnet der Präsident Bernd Kriegesmann von der Westfälischen Hochschule gerne vor. Seit 2005 ist sein Haushaltsbudget um zwölf Millionen Euro gesunken. Allerdings nicht, weil die Fachhochschule in Gelsenkirchen schlecht gewirtschaftet hätte…
    Sein Pech war, dass andere Hochschulen, besonders im Raum Münster und Bonn-Rhein-Sieg, noch mehr Output hatten. Dafür wurden sie vom Land Nordrhein-Westfalen belohnt. Für ihre Leistung bekamen sie Zuschüsse, die ihnen im folgenden Jahr halfen, ihre Zahlen erneut zu erhöhen.
    Dass die Fachhochschule von Anfang an mit schwierigen Bedingungen zu kämpfen hatte, übersah das Bildungsministerium bei seiner Anreizpolitik, meint Kriegesmann. 95 Prozent der Studierenden an der Westfälischen Hochschule haben keine akademischen Vorbilder, viele studieren, weil sie keine Arbeit finden. Die Region ist insgesamt sozial schwach, auch die Unis Bochum und Essen gehören zu den Verlierern der „leistungsorientierten Mittelvergabe (LOM)“….
    Für den Soziologen Richard Münch von der Universität Bamberg hat dieser „akademische Kapitalismus“ zudem Folgen für die wissenschaftliche Qualität. Davon abgesehen, dass Forscher wertvolle Zeit mit Bürokratie und Mitteleinwerbung verbringen, orientieren sich viele bei ihren Anträgen an bewährten Thesen und Methoden. Für Münch führt das zu einer Standardisierung von Forschungsergebnissen. Das Leistungssystem hat also paradoxerweise nicht einen marktwirschaftlich-innovativen, sondern einen konservativen Effekt.
    Quelle: Tagesspiegel
  17. Merkels Allzweckwaffe streut mal wieder
    Thomas de Maizière ist Merkels Allzweckwaffe. Er war Innenminister, Kanzleramtsminister und Minister für Besondere Aufgaben. Er erledigte seine Jobs immer unauffällig. Doch als Verteidigungsminister haut er einen Brüller nach dem anderen raus. Erst rückte er das moderne Bild des deutschen Soldaten zurecht, wonach das Sterben inzwischen wieder zum Job gehöre. Dann überraschte de Maizière mit der Einschätzung, dass die Bundeswehr sehr viel häufiger und länger in Krisengebieten und selbstverständlich auch für wirtschaftliche Interessen kämpfen würde. Und nun bezeichnet er seine Soldaten als Jammerlappen, die bloß nach Anerkennung gieren.
    Und dann waren da noch die Rüstungslieferungen, über die nach Ansicht von de Maizière aus sicherheitspolitischen Interessen entschieden werde. Menschenrechtsüberlegungen spielen zwar eine Rolle, doch müssten die zurücktreten. Und jetzt stehen Patriots an der türkisch-syrischen Grenze, damit Zitat: “Niemand auf dumme Gedanken kommt”. Wer solche Minister hat, braucht sich vor der Regierungschefin nicht fürchten.
    Quelle: Écrasez l’infâme!
  18. Unterschiedliche Abi-Noten – Die mangelhafte Reifeprüfung
    Die Debatte über das Sitzenbleiben hat es erst kürzlich wieder gezeigt: Der Bildungsföderalismus schadet dem Grundsatz der Gleichbehandlung. Wer in Bremen ein Abitur mit 1,5 macht, wird in Sachsen-Anhalt nicht einmal zur Abschlussprüfung zugelassen…
    Anhand der Oberstufenverordnungen jedes Bundeslandes hat der ehemalige Oberstufenlehrer Günter Germann aus Halle berechnet, welche Abiturnoten bei identischer Schülerleistung möglich sind. Obwohl die Kultusministerkonferenz Rahmen zur Berechnung festgelegt hat, unterscheiden sich die Noten erheblich – je nachdem, wie welche Kurse gezählt werden und wie viele Leistungen unterhalb von 5 Punkten gestrichen werden dürfen.
    Quelle 1: Nordkurier
    Quelle 2: Flickenteppich beim Abitur, Norddeutsche Neueste Nachrichten
  19. Wer darf ins Fernsehen?
    Typologie der deutschen Talkshow: Ein fester Kreis von Charakterdarstellern zelebriert die Kunst des Machterhalts.
    In Wahrheit spielt das Talk-Fernsehen uns vor, was nicht stattfindet: Mitsprache, Partizipation, Debatte. Es ist ein Einwegmedium, von draußen führt kein Sprachrohr hinein. Deshalb braucht man Pocher, Hansch, Precht, Jörges und all die anderen – ein Ensemble von “bunten Personen”, welche die grauen Herren umwimmeln, die immer noch da sind. Auch in diesem Ensemble sollte es so wenig Fluktuation geben wie möglich – damit nicht so auffällt, dass die politische Seite stagniert. Es ist: Machterhalt auf beiden Seiten.
    Je länger man deutsche Talkshows betrachtet, desto mehr könnte man sie mit einem anderen beliebten Format verwechseln, der Kochshow. Beide zeigen nicht, was sich in unserer Gesellschaft abspielt, sondern was ihr fehlt.
    Quelle: Zeit Online

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