Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (KR/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Griechenland spart – so viel, wie niemand sonst in Europa
  2. „Es besteht die Gefahr von Wirtschaftskriegen.“ – Im Gespräch mit Stephan Schulmeister
  3. Neues Mobilisierungsvideo vom Bündnis UmFAIRteilen
  4. Wasser bis zum Hals
  5. Folgt Mario Draghi
  6. Brandbeschleuniger Fiskalpakt: Wie Kürzungspolitik die Eurokrise verschärft!
  7. Leiharbeiter in der Industrie : Ein bisschen Zuschlag
  8. Beitragssatzsenkung: Versteckte Wahlkampfsubvention für die FDP bringt mehr Altersarmut für die Versicherten
  9. »Der Ton wird rauher«
  10. Arbeitsbedingungen: Neue Vorwürfe gegen Samsung
  11. Titanenkampf mit hilflosen Zuschauern
  12. Ein umstrittener Dialog und seine Folgen
  13. Affäre um Pussy Riot: Wie schockierend darf Kunst sein?
  14. Illegale Netzwerke: Mit Algorithmen gegen die organisierte Kriminalität
  15. 20 Jahre nach Rostock-Lichtenhagen: Wenn die Politik in Deckung geht

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Griechenland spart – so viel, wie niemand sonst in Europa
    Griechen-Bashing ist gerade mal wieder ziemlich in Mode in Deutschland. Der CSU-Politiker Stefan Müller brachte des Volkes Stimme jüngst auf den Punkt. In Griechenlandsei kein ausreichender Wille erkennbar, die Auflagen der internationalen Geldgeber zu erfüllen.
    Zumindest mit Blick auf die Entwicklung der Staatsfinanzen stimmt das aber schlicht und ergreifend nicht. Ein schöner Beleg dafür ist eine Studie der Irischen Notenbank, über die die Kollegen der FAZ heute in ihrer Printausgabe unter der Überschrift “Niemand saniert so hart wie die Griechen” berichtet. In dem Artikel heißt es…
    Quelle: Handelsblog
  2. „Es besteht die Gefahr von Wirtschaftskriegen.“ – Im Gespräch mit Stephan Schulmeister
    …weil in den letzten zwei Jahren der Eindruck zumindest immer stärker geworden ist, dass auf der Ebene der Wirtschaftspolitik Deutschland die Rolle des Lehrmeisters übernommen hat, und dass das wiederum Reaktionen auslöst, die, wenn die Krise sich weiter vertiefen sollte, zu einer gewissen Isolation Deutschlands, möglicherweise mit einigen seiner „Satelliten“, wie Holland oder Österreich, führen könnte; kurzum: dass dies einen politischen Prozess auslösen könnte, der für Europa nichts Gutes verheißt. Natürlich besteht nicht die geringste Gefahr eines Krieges, sehr wohl aber die Gefahr von Wirtschaftskriegen…
    Das eine ist das Konfliktfeld zwischen wirtschaftswissenschaftlichen Weltanschauungen, wo die Eliten in Deutschland jedenfalls, bis hin zu den sozialdemokratischen Eliten, nicht bereit sind, zu akzeptieren, dass man die Welt verschieden sehen kann…
    Der Grundgedanke dabei ist: Ich muss die Wirtschaft auf einen nachhaltigen Wachstumspfad bringen, dann löst sich das Budgetproblem im Wesentlichen von selbst.
    Wenn die Wirtschaft nachhaltig wächst, dann sinkt die Arbeitslosigkeit von Jahr zu Jahr. Genauso ist es auch passiert unter Clinton. Damit sinken die Ausgaben für Arbeitslose, die Steuereinnahmen steigen. Die einzige so genannte diskretionäre Maßnahme, die Clinton ergriffen hat und die von Belang war, war die Anhebung des Spitzensteuersatzes auf für amerikanische Verhältnisse relativ hohe 42 Prozent, einschließlich der Sozialabgaben. Aber, auch das ist natürlich eine Maßnahme, die der neoliberalen Vorstellung, der Staat solle in erster Linie durch Ausgabenkürzungen seine Finanzen konsolidieren, widerspricht…
    Für die beiden großen Traditionsparteien, die christdemokratische und die sozialdemokratische Partei, gilt leider – eben leider gerade auch für die Sozialdemokratie –, dass das kurzfristige, Wählerstimmen maximierende Denken dominiert. Am deutlichsten wurde das bei der Auseinandersetzung um den so genannten Fiskalpakt, weil eben – so meine Interpretation – in den Meinungsumfragen so offensichtlich ist, dass die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung für eine Sparpolitik plädiert, die Griechen an ihrem eigenen Schicksal für schuldig erklärt etc., kurzum: Die Tatsache, dass eben diese Symptomdiagnosen eine so große Verbreitung haben, verführt dann Politiker im Hinblick auf die Bundestagswahl im nächsten Jahr dazu, zu sagen, da können wir uns nicht die Zivilcourage leisten, gegen den Strom zu schwimmen und müssen daher einer Sache zustimmen, von der ich vermute, dass manche SPD-Abgeordnete, die dem zugestimmt haben, nicht wirklich überzeugt waren, dass dies richtig ist…
    Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft

    Anmerkung WL: Schulmeister sagt viel Richtiges. Völlig anderer Meinung bin ich hinsichtlich seiner These, dass vor allem Investitionen der Unternehmen Profit schafften.
    Da gerät Schulmeister in die Nähe der Argumentation von Sinn und anderen Vertreter der angebotsorientierten ökonomischen Schulen, wo es ausschließlich auf die Bildung des Kapitalstocks ankommt und die Nachfrage gar nicht vorkommt. Die Unternehmen machen alles selbst, sie konsumieren, investieren und exportieren. Wenn das in allen anderen Ländern auch so geschehen würde, dann müssten wir nur noch die Wesen vom Mars davon überzeugen, dass wir von nun an alles produzieren, was sie brauchen, und schon wäre die Sache geritzt (Flassbeck).
    Warum sollte ein Unternehmen investieren, wenn es nicht die Erwartung hätte, dass es seine Produkte (mit Profit) absetzen kann. Und wenn man nicht nur darauf baut, dass man sie im Ausland absetzen, also exportieren kann, dann braucht man eben die Binnennachfrage und die hängt wiederum wesentlich von der Kaufkraft, also vor allem von den Löhnen ab.

  3. Neues Mobilisierungsvideo vom Bündnis UmFAIRteilen
    Quelle: Bündnis UmFAIRteilen via YouTube

    passend dazu: Für wie gerecht halten Sie das Steuersystem in Deutschland?
    Sehr/eher gerecht 33%; eher/sehr ungerecht 65%.
    Halten Sie den Ankauf der Steuersünder-CDs für richtig?
    Ja 56%; Nein 41%
    Weitere steuerpolitische Umfrageergebnisse. Siehe
    Quelle: DIE LINKE im Bundestag

  4. Wasser bis zum Hals
    Zwei Ereignisse jährten sich dieser Tage. Beide traten vor zehn Jahren in die Welt. Beide wurden in den Medien stark thematisiert. Beide wurden jedoch voneinander gesondert abgehandelt, nicht zusammengelegt.
    Vor zehn Jahren war ein großer Teil des deutschen Ostens landunter. Vor zehn Jahren entschloss man sich, die Vorgaben der Hartz-Kommission, jene die die Nummern I bis IV trugen, in die Realität umzusetzen. Das sind zwei Geschichten, die sich voneinander geschieden ereigneten und doch miteinander verbunden sind. Während dieser Kanzler zum Anfassen mit Gummistiefeln durch den Osten watete, Siegerpose hier, Verständnis heuchelnd dort, während er für die Betroffenen präsent war, hemdsärmelig und mit einstudierten Sorgenfalten, während er einen guten Eindruck hinterließ, adelte man die Zielsetzungen einer Lobbyistengruppe, die man euphemistisch Kommission nannte, zu einem Gesetz. Fast war es so, als hätte man diese Sozialreform verdeckt unter Wasser gegurgelt, im Schutz der Brühe, die sich über Land und Felder, in Häuser und Geschäfte goss. Das Hochwasser umspülte den Sozialabbau etwas, machte ihn zur Marginalie, machte ihn zum Kritikpunkt für Pedanten, in einer Zeit, da doch offenbar so viel wichtigere Sorgen das Land quälten.
    Quelle: ad sinistram
  5. Folgt Mario Draghi
    Wer mitten in der Euro-Krise die große Institutionendebatte beginnt, handelt fahrlässig. Alle Konzentration muss sich auf die richtige Krisenstrategie richten. Der EZB-Chef macht das vor. […]
    Diese Gefahren und Handlungsbeschränkungen räumt der Draghi-Vorschlag elegant aus dem Weg. Er sieht vor, dass die Notenbank Staatsanleihen nur dann kauft, wenn das Schuldnerland sich vorher unter den Rettungsschirm begibt. Selbst wenn der gewährte Kredit nur gering ausfiele, müssten nach den Regeln des ESM grundsätzlich alle Finanzminister der Euro-Zone ihm zustimmen und ihn an strenge wirtschaftspolitische Auflagen binden, die vom Empfängerstaat verbindlich akzeptiert werden und jede nachfolgende Regierung binden. Erst danach könnte nach diesem Vorschlag die Zentralbank Anleihen kaufen, um Anleihezinsen im Schuldnerland zu drücken. Sie brauchte weder statutenwidrig Auflagen für die Schuldnerstaaten formulieren, noch müsste sie befürchten, dass Mitgliedsstaaten sie mit Klagen überziehen.
    Denn über das Gesamtpaket von ESM Kredit und Zentralbankkäufen bestünde nach dem Draghi-Vorschlag Einvernehmen zwischen Zentralbank und allen Regierungen der Euro-Zone. Der Draghi-Vorschlag ist daher ein sowohl tragfähiger als auch der Not gehorchender Beitrag zur Überwindung der Krise.
    Quelle: FTD
  6. Brandbeschleuniger Fiskalpakt: Wie Kürzungspolitik die Eurokrise verschärft!
    2008 begann die größte Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Spekulationsblase der internationalen Immobilienmärkte platzte. Viele Banken standen vor dem Bankrott. Die Staaten stützten sie mit milliardenschweren Rettungspaketen. Dies führte zu einem massiven Anstieg der Staatsverschuldung und zu Haushaltsproblemen. Die folgende Kürzungspolitik verschärfte die Krise und führte die Krisenstaaten in die Rezession. Sinkende Steuereinnahmen und weitere Eskalation der Krise sind die Folge. Der Fiskalpakt mit seinen Schuldenbremsen schreibt die Kürzungspolitik nun für ganz Europa fest. Auch in Deutschland wird auf Jahre hinaus im sozialen Bereich gespart werden müssen. Das Haushaltsrecht der nationalen Parlamente wird ausgehöhlt. Deswegen klagt DIE LINKE gegen den Fiskalpakt vor dem Bundesverfassungsgericht.
    Quelle: Linksfraktion via YouTube
  7. Leiharbeiter in der Industrie : Ein bisschen Zuschlag
    Zwischen den Gewerkschaften herrscht Zwist. „Ich persönlich halte den Abschluss für eine politische Fehlleistung der IG Metall“, sagt Jörg Wiedemuth, Leiter der tarifpolitischen Grundsatzabteilung der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, über den neuen Tarifvertrag zwischen der Metallgewerkschaft und den Leiharbeitsverbänden. Die im Mai getroffene Regelung sieht vor, dass Metall-Leiharbeiter künftig Zuschläge erhalten. Mit diesem Abschluss habe der Druck auf die Bundesarbeitsministerin nachgelassen, per Gesetz die Gleichbezahlung und Gleichbehandlung von Leih- und Stammbeschäftigten vorzuschreiben, so Wiedemuth.
    Quelle: TAZ
  8. Beitragssatzsenkung: Versteckte Wahlkampfsubvention für die FDP bringt mehr Altersarmut für die Versicherten
    Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Festsetzung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung für das Jahr 2013 (Beitragssatzgesetz 2013)
    Dies ist für die FDP die letzte Chance vor der Bundestagswahl, ihr Versprechen „Mehr Netto vom Brutto” einzulösen. Deshalb hat sie so erbittert dafür gestritten, dass die Beitragssatzsenkung aus dem Paket mit der von ihr massiv bekämpften Zuschussrente ausgekoppelt wird. Die gesetzliche Rente setzt im Kern auf langfristige Vorsorge, aber die vorgesehene Beitragssatzsenkung steht dem diametral entgegen. Es wäre unvernünftig und unverantwortbar, die langfristige Orientierung der Rente parteiegoistischen, rein wahlkampfmotivierten Erwägungen unterzuordnen. Im Gegenteil: das Beitragssatzdogma muss fallen!
    Quelle: Matthias W. Birkwald (MdB)
  9. »Der Ton wird rauher«
    Viele private Klinikbetreiber setzen auf Konfrontation mit ihren Belegschaften, um Lohnerhöhungen zu vermeiden. Streiks und Repression bei Helios und Asklepios
    Die Arbeitskonflikte bei privaten Klinikbetreibern häufen sich. Bei der Helios Service Nord GmbH (HSN) begann am Dienstag ein unbefristeter Streik. Damit wollen die Gewerkschaften ver.di und IG BAU den Helios-Konzern zwingen, Tarifverhandlungen für seine norddeutsche Servicetochter aufzunehmen. Bislang sind die Einkommen und Arbeitsbedingungen bei HSN tariflich nicht geregelt. Gleiches gilt für die zum Asklepios-Konzern gehörende Nordseeklinik Sylt. In beiden Fällen beklagt ver.di ein extrem konfrontatives und teilweise illegales Vorgehen der Geschäftsleitungen.
    An der Sylter Nordseeklinik war Dienstag bereits der 21. Streiktag. Seit dem 4. Juli legen die Beschäftigten verschiedener Bereiche immer wieder tageweise die Arbeit nieder, um das Unternehmen zur Aufnahme von Tarifverhandlungen zu zwingen. Aktuell liegen die Löhne und Gehälter auf der Insel nach Gewerkschaftsangaben rund 14,5 Prozent unter dem Niveau des Flächentarifs für den öffentlichen Dienst.
    Quelle: Junge Welt
  10. Arbeitsbedingungen: Neue Vorwürfe gegen Samsung
    Die Vorwürfe gegen den südkoreanischen Konzern Samsung wegen gesundheitsgefährdender Arbeitsbedingungen reißen nicht ab. Nachdem Samsung im Januar 2012 eines der Unternehmen war, denen der Schmähpreis “Public Eye People’s Award 2012” verliehen wurde, hat sich jetzt das ZDF-Magazin Frontal 21 der Geschichte angenommen. Das Magazin wiederholt in seiner aktuellen Ausgabe die massiven Vorwürfe der südkoreanischen Organisation Supporters for the Health and Right of People in Semiconductor Industry (SHARPS). SHARPS zufolge zufolge sind insgesamt rund 140 ehemalige Mitarbeiter von Samsung nach ihrer Tätigkeit schwer erkrankt, unter anderem an Krebs. Nach dem Tod der 31-jährigen Yoon, einer ehemaligen Arbeiterin in einer Fabrik für LC-Displays, zählt die südkoreanische Tageszeitung The Hankyoreh darüber hinaus inzwischen 56 Todesopfer…“
    Quelle: heise online

    Siehe dazu: Tod nach Arbeit für Samsung: Südkoreanischer Konzern lehnt Verantwortung ab
    Die südkoreanische Samsung-Gruppe sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt. So sollen ehemalige Mitarbeiter gestorben sein, weil sie die Arbeit bei Samsung krank machte. Ursache seien krebserregende Chemikalien, denen die Opfer während ihrer Arbeit in Samsung-Fabriken ausgesetzt waren.
    Quelle: ZDF Frontal21

  11. Titanenkampf mit hilflosen Zuschauern
    Die Freiheit im Internet ist längst zur Illusion geworden. Google grast derzeit pro Tag zwanzig Milliarden Websites ab, um seine Suchalgorithmen zu füttern. Jede der drei Milliarden Suchanfragen am Tag soll dem Nutzer aus dreißig Billionen gespeicherten Links möglichst die Informationen anbieten, die er sucht. Doch entgegen der ursprünglich postulierten Google-Politik, die eine faire Berücksichtigung „relevanter“ Websites bei der Ergebnisliste anstrebt, werden zukünftig Websites, gegen die besonders viele sogenannte DMCATakedown-Notices vorliegen, irgendwo auf den hinteren Seiten der Suchergebnisse begraben. Um die Dimension dieser Entscheidung zu verstehen, muss man sich kurz mit der Natur solcher DMCATakedowns auseinandersetzen. Sie sind im amerikanischen Recht ein Instrument, mit dem Inhalte ausschließlich aufgrund von Behauptungen des Absenders aus dem Netz entfernt werden. Ein Betroffener kann erst danach auf dem vergleichsweise beschwerlichen Rechtsweg die Wiederherstellung widerrechtlich entfernter Inhalte erzwingen. Natürlich werden die Schnittstellen zur Sperrung auch missbraucht, um unter dem Vorwand einer Urheberrechtsverletzung missliebige Inhalte zu zensieren. Menschen sind bei der Abarbeitung solcher Begehren kaum mehr beteiligt; man benötigte auch eine halbe Armee, um die Unmengen zu bewältigen.
    Bei anderen Problemfällen, etwa Mobbing auf Facebook, zeigt sich die drastische Unausgewogenheit des Prinzips. Facebook ist sehr zögerlich, etwa Videos von Schulhof-Quälereien zu sperren – es sei denn, das Opfer behauptet schlicht Urheberrechtsverletzungen. Dann ist das Filmchen tatsächlich schnell verschwunden: nicht etwa, weil Persönlichkeitsrechte verletzt wurden, sondern um Ärger mit den Verwertern zu vermeiden. Selbstverständlich wären ausgewogene und praktikable rechtliche Regelungen dem derzeitigen Zustand vorzuziehen. Doch die Grundhaltung der Gesetzgeber, die noch keinen Sinn für moderne Methoden entwickelt haben, die die freie Kommunikation nicht strangulieren, lässt für die Zukunft nichts Gutes erahnen.
    Quelle: FAZ
  12. Ein umstrittener Dialog und seine Folgen
    Nach Jahrzehnten erbitterter Auseinandersetzungen und Feindschaft zwischen SPD und SED präsentierten die Grundwertekommission der SPD und die Akademie für Gesellschaftswissenschaften der SED am 27. August 1987 erstmals ein gemeinsames Grundsatzpapier: „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“. Die Erklärung sorgte in Ost und West für Irritation. Nicht alle wussten sie produktiv zu nutzen. Statt die politischen Karten neu zu mischen, wurden sie nicht selten in die alten Muster einsortiert. Die Kritiker in der Bundesrepublik sahen darin einen „Verrat an der westlichen Wertegemeinschaft“, die in der SED eine beginnende „Sozialdemokratisierung“ der Staatspartei und eine Aufweichung der DDR. Das gemeinsame Papier von SPD und SED und seine Folgen bleiben bis heute umstritten: in der Politik, in der Öffentlichkeit und auch in der Wissenschaft. Verwundern kann das kaum, denn mit diesem Unterfangen wurde Neuland beschritten und begann ein Experiment, dessen Ausgang zunächst offen schien.
    Quelle: Das Blättchen
  13. Affäre um Pussy Riot: Wie schockierend darf Kunst sein?
    Die drakonische Strafe gegen die russische Frauenband Pussy Riot wegen eines Putin-kritischen «Punkgebets» in einer Moskauer Kirche hat im Westen starken Protest ausgelöst. Auch aus Russlands Kunst- und Intellektuellenszene meldeten sich zahlreiche kritische Stimmen. Skandalös ist aber nicht nur das Urteil, skandalös ist auch die öffentliche Reaktion auf den Prozess. Die harte Strafe scheint dem Rechtsempfinden der Russen nicht grundsätzlich zu widersprechen. Laut einer Umfrage des unabhängigen Lewada-Zentrums halten 16 Prozent der Russen eine Gefängnisstrafe von mehr als zwei Jahren für angemessen, 10 Prozent fordern Haft von sechs Monaten bis zu zwei Jahren, 11 Prozent betrachten die halbjährige Untersuchungshaft als ausreichende Strafe, 29 Prozent möchten die Angeklagten in die Zwangsarbeit schicken, 20 Prozent würden eine hohe Geldstrafe aussprechen, und nur gerade 5 Prozent sehen keinen Straftatbestand erfüllt. Fast die Hälfte der Befragten hält die lange Untersuchungshaft für gerechtfertigt. Die neuesten Zahlen sprechen ebenfalls eine deutliche Sprache: 44 Prozent attestieren dem Gerichtsverfahren «Gerechtigkeit», «Objektivität» und «Unvoreingenommenheit».
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist schon erstaunlich, wie stark die orthodoxe Religion nach jahrzehntelanger Abwesenheit bzw. Verdrängung heute in der russischen Bevölkerung verankert scheint, so dass es der Regierung gelingt, die Form der Kritik an Putin als Angrif auf den Glauben für sich zu nutzen. Der Zusammenklang der Orthodoxen Kirche mit dem Staat ist so neu nicht, aber die Macht der neu erstandenen Orthdoxie als Volksglauben erstaunt. Als ob in Zeiten der Krise nur doch jenseits der Vernunft, der unmittelbare Sprung in den Glauben Sinn stiften kann.

  14. Illegale Netzwerke: Mit Algorithmen gegen die organisierte Kriminalität
    Ein Ziel der Verbrechensbekämpfung ist es, illegale Netzwerke aufzudecken. Ermittler verwenden vermehrt Computer-Algorithmen, um Informationen nutzbar zu machen, die tief in Datenbanken verborgen sind.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ein von grenzenlosem Optimismus und kaum vorstellbarer Naivität zeugender Beitrag: “Ein Pluspunkt ist, dass in der modernen Internet-Ära enorme Mengen von Daten anfallen, die von spezialisierten Unternehmen gesammelt und aufbereitet werden. Dies ist jedoch oft zu viel des Guten, und der Ermittler kann vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen. Die Fähigkeit, grosse Datenbanken zu durchforsten und zu analysieren, ist der Schlüssel zur erfolgreichen Aufdeckung illegaler Netzwerke. Moderne Technologien machen es möglich, relevante Fakten aus dem Wust von Informationen herauszufiltern, die Aufschluss auf rechtswidrige Netzwerke geben.” – Nur, mit den gleichen Metoden werden schon längst Kunden und Verbraucherprofile durch Unternehmen erstellt. Und nicht nur autoritäre Regime können in den neuen digitalen Räumen nicht nur Kriminelle, sondern sogar potenzielle Kritiker und Gegner von Regierungen überwachen und gegebenenfalls einsammeln. Also lieber Aktivist, bleibe lieber analog.

  15. 20 Jahre nach Rostock-Lichtenhagen: Wenn die Politik in Deckung geht
    Ein bisschen Aufregung, ein paar Personalspiele in der Politik, das war’s. Die Morde der NSU haben den Rassismus in Deutschland nicht zum Thema gemacht. Dabei wäre es jetzt, 20 Jahre nach den Angriffen auf Asylbewerber in Rostock-Lichtenhagen, höchste Zeit. Es kann und darf nicht sein, dass einfach alles so weitergeht, wie es dort begonnen hat.
    Quelle: SZ

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