Hinweise des Tages II
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Albrecht Müller – Revolte dringend gesucht
- Deutsche Politiker, die die Seiten gewechselt haben, auf einen Blick
- Chart des Tages
- Deutschland ist keine Insel
- Austeritätspolitik
- Pierre Larrouturou: Wir wollen nicht in den Trümmern des Neoliberalismus sterben!
- Automarkt: Premiumautobauer deklassieren Massenhersteller
- Steuergeschenke für die Banken
- Die Reichen sind die wahren Sozialschmarotzer
- Gesundheitssystem in Deutschland – Was derzeit wirklich passiert
- Leistungs- oder Lustgesellschaft – Leben wir noch, oder arbeiten wir nur?
- Provisionsverbot für Versicherungsberater in den Niederlanden – Genug mit der Abzockerei
- “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” mit manipulativer Umfrage zum Schuldenabbau
- Nach Wunsch der Pharmaindustrie – Union will Medikamentenpreise geheim halten
- Kuwait beschließt Todesstrafe bei Blasphemie
- Rassismus: Die europäische Krankheit
- Ukraine am Scheideweg: Sind 20 Jahre nicht schon genug?
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Albrecht Müller – Revolte dringend gesucht
Wir müssen die Politik aus den Fängen der Finanzwirtschaft befreien. Der linke Teil der Gesellschaft wird es allein nicht schaffen.
Fünfmal in der Woche kommen wir kurz vor der „Tagesschau“ in den Genuss von „Börse im Ersten“. Da wird uns dann zum Beispiel von Anja Kohl mit freudigem Gesicht verkündet, die Aktienkurse seien heute gestiegen. Und sie schaut traurig drein, wenn sie gesunken sind. Börsenberichterstattung zur besten Sendezeit auch im ZDF und bei den kommerziellen Sendern. Rauf oder runter mit den Kursen, wie auch immer, 100 Prozent aller Deutschen können allabendlich Zeugen von Stimmungsberichten werden, die 95 Prozent eigentlich gar nicht zu interessieren brauchten. Denn nur rund fünf Prozent aller Deutschen sind Besitzer von Aktien. Warum mutet man uns diese Börsenberichterstattung dennoch zu?
Das hat etwas damit zu tun, dass sich die Finanzwirtschaft eine Sonderrolle anmaßt und dass es ihr gelungen ist, das Geschehen auf den Finanzmärkten ins Zentrum des öffentlichen Interesses zu rücken. Damit wird der Eindruck erweckt, an den Börsen könne man leicht Geld verdienen, und Spekulation sei etwas außerordentlich Nützliches. Wenn die Kurse steigen, dann würden irgendwie irgendwo Werte geschaffen.
Und wenn sie zusammenbrechen, dann würden Werte vernichtet. So hatte sich sogar ein leibhaftiger Bundeskanzler einmal öffentlich geäußert: Gerhard Schröder.
Quelle: Sächsische Zeitung [PDF – 209 KB]Anmerkung: Albrecht Müller wird am Samstag in Dresden beim „Dresdner Frühjahrsgespräch 2012“ zu Gast sein. Der NachDenkSeiten-Gesprächskreis Dresden wird versuchen, die Veranstaltung unter folgender Adresse streamen. Sollte es technische Probleme beim Stream geben, wird das Video unter der gleichen Adresse nach der Veranstaltung abrufbar sein.
- Deutsche Politiker, die die Seiten gewechselt haben, auf einen Blick
Der Seitenwechsel, auch Drehtür-Effekt (Revolving door) genannt, ist ein häufig auftretendes und typisches Phänomen in der Welt des Lobbyismus: Politiker oder hochrangige Mitarbeiter von Ministerien wechseln aus ihrem Amt oder Mandat zu Unternehmen oder Interessenverbänden, und übernehmen dort lukrative Lobbytätigkeiten. Häufig werden sie dabei in Bereichen tätig, für die sie zuvor in ihrer politischen Funktion auch zuständig waren. Sie wechseln quasi auf die andere Seite des Verhandlungstisches und sitzen dort ihrem jeweiligen Nachfolger im Amt gegenüber. Diese Wechsel erfolgen oftmals unmittelbar nach Beendigung der politischen Funktion oder nur kurz darauf („fliegend“).
Das lobbykritische Online Lexikon Lobbypedia hat nun eine aktualisierte Liste ehemaliger deutscher Politiker veröffentlicht, deren Seitenwechsel den Verdacht eines Interessenkonflikts zumindest nicht vollkommen ausschließen. Der übersichtlichen Tabelle sind nicht nur die Namen betroffener Politiker zu entnehmen, sondern auch deren wichtigsten früheren Positionen und Funktionen in der Politik sowie die Tätigkeiten, die die Seitenwechsler im Anschluss an ihre politischen Karrieren übernommen haben.
Quelle: LobbyControl - Chart des Tages
Bei Eurostat liegen aktualisierte Daten für März 2012 vor, zu den realen Einzelhandelsumsätze von Deutschland, Frankreich und der Südperipherie der Eurozone (Portugal, Italien, Griechenland und Spanien), wobei Griechenland und Italien mit den berichteten Daten immer um einen Monat hinterherhinken und diese Daten dokumentieren die “erfolgreiche” Anpassung der PIGS-Länder an die deutsche Wachstumsrate bei den realen Einzelhandelsumsätzen. “Auf Linie des Verzichtes” der breiten Masse beim Konsum muss noch Frankreich gebracht werden, wobei dies angesichts des potentiellen Wahlergebnisses schwerer fallen könnte:Quelle: Querschuesse
Anmerkung JB: Beeindruckend und unverzichtbar als Argument gegen das Frankreich-Bashing der deutschen Politik und Teilen der deutschen Medien.
- Deutschland ist keine Insel
Jetzt kommen die Einschläge doch näher. Es ist an der Zeit, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass die Prognosen, die in den letzten Wochen veröffentlicht wurden, vermutlich zu optimistisch waren. Auch in Deutschland muss inzwischen dringend darüber nachgedacht werden, wie das Wachstum stimuliert werden kann. Das ist im eigenen Interesse, nicht zuletzt damit die Währungsunion nicht auseinander fliegt.
Quelle: ZEIT HerdentriebAnmerkung unseres Lesers G.K.: Weiter heißt es im Beitrag von Dieter Wermuth:
“Die immer noch gute Stimmung in der Wirtschaft, der starke Anstieg der Beschäftigung (…) und eine Arbeitslosenquote von nur 6,8 Prozent, die weiterhin sehr gesunden Staatsfinanzen (…), der gewaltige Überschuss in der Leistungsbilanz (…) sowie eine Inflationsrate nahe der Zielmarke von etwas unter zwei Prozent kommen mir fast unwirklich vor, wenn ich mir ansehe, was sich in den Nachbarländern tut. (…) So eine Diskrepanz zwischen der wirtschaftlichen Situation in Deutschland und dem benachbarten Ausland hat es seit Menschengedenken nicht mehr gegeben.”
Wundert sich Dieter Wermuth wirklich über diesen Befund? Insbesondere die deutsche Exportwirtschaft profitiert ganz entscheidend von der in den vergangenen Jahren von Deutschland betriebenen Dumpingpolitik bei Löhnen, Unternehmenssteuern und bei den sozialen Sicherungssystemen (Stichwort: “Agenda 2010”, insbes. Hartz IV). Diese Dumpingpolitik ermöglicht es der deutschen Exportwirtschaft, sowohl die europäische Konkurrenz als auch die Konkurrenz von Unternehmen ausserhalb der Eurozone (wegen des für die deutsche Exportwirtschaft sehr vorteilhaften Euro-Umtauschkurses) preislich auszustechen. Die negativen Folgen für die Mehrheit der Menschen hierzulande sowie für die Stabilität innerhalb der Eurozone werden von nahezu allen deutschen Medien geleugnet oder kleingeredet und daher von den NachDenkSeiten immer wieder thematisiert.
- Austeritätspolitik
- Thomas Fricke – Totgesparte kriseln länger
Zwei Jahre lang wurde in Merkel-Europa jede neue Marktpanik damit zu beantworten versucht, dass es noch einen Pakt gegen Staatsschulden gab, noch ein hektisches Austeritätspaket aus höheren Steuern und hastig gekürzten Ausgaben (bei den anderen). Jetzt hat Europa ein monströses juristisches Nebeneinander von Stabilitätsprogrammen, verschärftem Stabilitätspakt, Sixpack (gegen alle möglichen Unbilden) und einem Fiskalpakt, in denen oft das Gleiche noch mal steht, manchmal aber irgendwie auch was anderes. Es gibt Regierungen, die haben in ein paar Monaten drei Konsolidierungspakete gemacht, für die wir 15 Jahre nach Konsens suchen müssten.
Mit bitterem Ergebnis. Jetzt zittert Europa von einem Konjunkturalarm zum nächsten – ohne dass die Staatsschuldenquote niedriger ist. Im Gegenteil. Weil allzu rabiate Konsolidierung in Rezessionszeiten dazu führt, dass Konsumausgaben einbrechen, Investitionen gekappt werden und die Arbeitslosigkeit hochschnellt, steigen am Ende die konjunkturbedingten Staatsdefizite, wie jetzt in Spanien, wo das Strukturdefizit ja enorm abgebaut wurde. Und die Schuldenquote steigt, schon weil bei einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts die relative Schuldenlast größer wird. Ein Teufelskreis. Selbst die stabilitätsheiligen Holländer sind überfordert, das hinzukriegen, was sie jahrelang von anderen gefordert haben. Die Deutschen haben Glück, dass die Wirtschaft gerade läuft.
Quelle: FTDAnmerkung unseres Lesers G.K.: In dem ftd-Beitrag “Konjunkturstützen: Europa vergeigt den Wachstumspakt” merkt selbst der Bankökonom Schulz (Berenberg-Bank) zum andiskutierten europäischen Investitionsvolumen in Höhe von 10 Mrd. Euro kritisch an: “Die in Aussicht gestellte Erhöhung der finanziellen Mittel der EIB von 10 Mrd. Euro sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein”, sagte Berenberg-Ökonom Schulz. Gemessen an der gesamten Euro-Wirtschaftsleistung von knapp 9000 Mrd. Euro liegen diese zusätzlichen Gelder bei rund 0,1 Prozent.“
Die Merkelschen “Wachstumsimpulse für Europa” lassen sich schwerpunktmäßig auf einen Nenner bringen: “Strukturreformen”, d.h. europäische “Agenda 2010” (“Arbeitsmarktflexibilisierung”, Lockerung des Kündigungsschutzes, Reallohnsenkung), europaweite “Rente mit 67” etc.. Hierzu heißt es im soeben zitierten ftd-Beitrag unter Bezugnahme auf den Berenberg-Ökonomen Schulz:
“Dass der von Deutschland bislang favorisierte Weg der Strukturreformen das Wachstumsproblem lösen kann, glaubt er ebenfalls nicht. Politiker und Ökonomen führen hierzulande gern an, dass die Randländer nur ähnlich hart ihre Arbeitsmärkte reformieren müssten, wie Berlin das ab 2003 getan habe. “Der Vergleich hinkt aber, weil Deutschland damals kein ernstes Haushaltsproblem hatte”, so Loynes von Capital Economics.
Im heutigen Umfeld dürften Strukturreformen die Erholung belasten und nicht fördern, glaubt Dekabank-Ökonom Scheuerle. “Wird der Kündigungsschutz in Ländern wie Italien und Spanien gelockert, dürfte es erst mal mehr Entlassungen geben”, sagte er. Das wiederum schwächt den Konsum. Tatsächlich fiel Italiens Verbrauchervertrauen im April um sechs Zähler auf 89 Punkte und damit den tiefsten Stand seit Beginn der Erhebung vor mehr als 30 Jahren. Zu Monatsbeginn hatte Premier Mario Monti die ersten Details seiner Arbeitsmarktreform präsentiert.”Die darüber hinaus drohenden Negativfolgen einer Übernahme der neoliberalen deutschen “Reformpolitik” durch die übrigen europäischen Staaten hat Wolfgang Lieb in dem NachDenkSeiten-Beitrag “Häufig gestellte Fragen: Was ist an Merkels Politik zur Bewältigung der Euro-Krise so falsch?” sehr plastisch beschrieben:
“Und nun verordnen wir unser deutsches „Erfolgsmodell“ der Lohnzurückhaltung und damit der Senkung der Lohnstückkosten, des Sozialabbaus und der Privatisierung dem gesamten Europa. Am deutschen Wesen soll Europa genesen. Wir schaffen damit einen Tribüneneffekt: Wenn wir deutschen Zuschauer in der ersten Reihe aufgestanden sind, dann müssen alle anderen auf den dahinter liegenden Reihen auch aufstehen und keiner sieht besser, es ist für alle nur deutlich unbequemer.”
- Mit dauerhaft hohen Schulden leben lernen
Die Austeritätspolitik hat die Staatsverschuldung bisher nicht reduziert; vielmehr ist diese als Folge der Bekämpfung der Schuldenkrise markant gestiegen und droht weiter zu steigen. Allerdings sind Schuldenzahlen Definitionssache. Die offiziellen Zahlen haben begrenzte Aussagekraft, denn sie enthalten nicht Konvergenz- und Garantieverpflichtungen. Angesichts der hohen Schuldenniveaus sollte man sich darauf einstellen, mit ihnen leben zu können, empfiehlt der Chefökonom der HSBC, Stephen King. Ein Abbau der Schulden, die in der entwickelten Welt nun den nach dem Zweiten Weltkrieg erreichten Rekordstand eingestellt haben, sei weniger schnell als damals erreichbar, da alte Strategien, vor allem Wachstum und Inflation, diesmal nicht so einfach einsetzbar seien. Um den raschen Schuldenabbau der fünfziger und sechziger Jahre wiederholen zu können, fehlten wichtige Voraussetzungen. Vor allem sei nicht zu erwarten, dass die damals üblichen Wachstumsraten von über 4% erreicht werden könnten. Im Gegensatz zu anderen Analytikern scheint King eine höhere Inflation als Spätfolge der Liquiditätsspritzen der Notenbanken nicht zu erwarten. Je langsamer der Schuldenabbau vorangehe, desto grösser werde die Wahrscheinlichkeit der «finanziellen Repression», meint King. Unter ihr versteht er alle Massnahmen, die zulasten anderer eine Reduktion der Kosten der Staatsschulden bewirken. Zwar baut sie die Verschuldung nicht ab, erleichtert aber der Regierung den Schuldendienst und das Leben mit Schulden. Ein historisches Beispiel finanzieller Repression ist die «Regulation Q» in den USA, die zwischen 1933 und 1986 die Verzinsung von Bankeinlagen verbot bzw. begrenzte und den Effekt hatte, dass sich die Regierung günstig und ohne Konkurrenz finanzieren konnte. Leidtragende waren Anleger jeder Art, die sich mit negativem Realzins begnügen mussten.
Quelle: NZZAnmerkung Orlando Pascheit: Nur zur Erinnerung, unter QE (Quantitative Easing) versteht man eine quantitative Lockerung der Geldpolitik wie z.B. den unmittelbaren Ankauf von Staatspapieren wie in den USA oder Großbritanniens. Der IWF betrachtet auch LTRO (Long Term Refinancing Operations) wie die rund 1 Billion Euro schwere Finanzspritze der EZB zu einem äußerst niedrigen Zinssatz als Quantitative Lockerung.
- Paul Krugman – How to End This Depression
The depression we’re in is essentially gratuitous: we don’t need to be suffering so much pain and destroying so many lives. We could end it both more easily and more quickly than anyone imagines—anyone, that is, except those who have actually studied the economics of depressed economies and the historical evidence on how policies work in such economies.
The truth is that recovery would be almost ridiculously easy to achieve: all we need is to reverse the austerity policies of the past couple of years and temporarily boost spending. Never mind all the talk of how we have a long-run problem that can’t have a short-run solution—this may sound sophisticated, but it isn’t. With a boost in spending, we could be back to more or less full employment faster than anyone imagines.
Quelle: The New York Review of Books - Eurozone: Sparpakete treiben Industrie in Dreijahres-Tief
Der Markit-Einkaufsmanagerindex signalisierte im April nur mehr für Österreich und Irland Wachstum. Die harten Sparprogramme schlagen durch. Die ohnehin schwierige Lage der Industrie in den Euroländern hat sich zu Frühlingsbeginn verschärft. Der Einkaufsmanagerindex rutschte im April um 1,8 auf 45,9 Punkte ab, teilte das Markit-Institut am Mittwoch zu seiner Umfrage unter 3000 Firmen mit. Das ist der schlechteste Wert seit knapp drei Jahren. Das Barometer entfernte sich damit weiter von der 50-Punkte-Marke, ab der Wachstum signalisiert wird.
Die Schwäche ist nicht mehr nur auf Krisenstaaten wie Spanien, Griechenland und Italien begrenzt. Lediglich in Österreich und Irland signalisierte das Barometer noch Wachstum. “Da sich ein Großteil des Warenverkehrs mit Industrieerzeugnissen zwischen den Euro-Ländern abspielt, haben die Nachfrageausfälle aus den mit harten Sparprogrammen kämpfenden Schuldenländern Südeuropas zunehmend negative Auswirkungen auf die gesamte Eurozone”, sagte Williamson. “Offensichtlich auch auf Deutschland, was die neuerlichen Produktionskürzungen dort zeigen.”
Quelle: Die Presse - Europa: Fiskalpakt Mittel zum Zweck
Es wird einsamer um Merkel in Europa. Immer mehr Länder und Politiker brechen ihr Schweigen. Grund: Die katastrophalen Folgen des Merkelschen Krisenmanagements werden immer sichtbarer. Nun blickt Europa hoffnungsvoll auf die Wahlen in Frankreich. Selbst der neue EZB-Präsident, Draghi, erkannte rechtzeitig die Zeichen der Zeit und fordert einen Wachstumspakt –
ganz in der Sprache von Hollande. Der Fiskalpakt alleine reiche nicht aus, er soll geändert und durch einen Wachstumspakt ergänzt werden. Und die EZB solle direkt die Staaten finanzieren, statt Banken mit billigem Geld zu versorgen, die anschließend die Staaten mit Wucherzinsen abzocken und ihnen Ausgabenkürzungen zulasten der Allgemeinheit aufzwingen. Doch Merkel duldet keine Vertragsänderung, wohl wissend, dass in Rom, Madrid, Dublin, Lissabon und Athen – eigentlich fast in ganz Europa – längst die Tücken des Fiskalpaktes erkannt wurden. Der Fiskalpakt funktioniert nicht, wie er konstruiert ist.
Er ist in Wahrheit Mittel zum Zweck. Er dient dazu, Privatisierungen, Lohn-, Renten- und Sozialkürzungen und insgesamt Ausgabenkürzungen für alle Ewigkeiten politisch zu legitimieren und das Sparen als vorrangiges fiskalpolitisches Ziel festzuschreiben. Folge: Der Steuerkuchen wird für alle anderen Politikfelder kleiner, weil jeder Steuer-Cent zuerst für die Schuldentilgung ausgegeben werden muss und neue Schulden ebenfalls untersagt sind. Politik verkommt mit Merkelschem Fiskalpakt zur Mangelwirtschaft.
Quelle: DGB klartext [PDF – 135 KB] - Selbstentmachtung der Parlamente: Der Fiskalpakt und die autoritäre Tranformation der EU
Die Eurokrise ist noch lange nicht ausgestanden. Griechenland, Spanien, Italien und Portugal sind den härtesten Kürzungsmaßnahmen seit Jahrzehnten ausgesetzt und rutschen in eine tiefe Rezession, während die Zinsen auf die Staatsanleihen dieser Länder schon wieder nach oben klettern. EU-Kommission und EZB setzen auf Druck besonders der Merkel-Regierung weiter auf radikales Sparen, obwohl dieses Rezept bisher die Krise verschärft statt gelöst hat.
Teil dieser Kürzungspolitik ist auch der sogenannte Fiskalpakt, der am 2. März von den EU-Staaten (mit Ausnahme Großbritanniens und Tschechiens) unterzeichnet wurde und am 25. Mai im Bundestag ratifiziert werden soll. Gegen diesen Pakt erhebt sich zum Teil massiver Widerstand innerhalb und außerhalb des Bundestages, weil der Pakt in das Haushaltsrecht des Parlaments eingreift – und das unwiderruflich. Kontext TV sprach mit Alexis Passadakis von Attac darüber, was ein Inkrafttreten dieses Vertrages für die Menschen und die Demokratie in Europa bedeuten würde, welche Alternativen es gibt und wie sich in diesem Mai Widerstand dagegen organisiert – vom globalen Aktionstag am 12. Mai bis zu Blockupy Frankfurt.
Quelle: Kontext.tv
- Thomas Fricke – Totgesparte kriseln länger
- Pierre Larrouturou: Wir wollen nicht in den Trümmern des Neoliberalismus sterben!
Inhalte eines in der Ökonomie-Beilage (S.9) der Pariser Tageszeitung Le Monde vom 2.5.2012 erschienenen Artikels, übertragen von Gerhard Kilper.
Originaltitel: „ Nous ne voulons pas mourir dans les décombres du néoliberalisme!“
Autor: Pierre Larrouturou, Ökonom; er schreibt als Mitglied des frz. Kollektivs Roosevelt 2012, dem Stéphane Hessel, Edgar Morin, Michel Rocard u.a. angehören.
Quelle: Le Monde – Die Übertragung ins Deutsche [PDF – 57 KB] - Automarkt: Premiumautobauer deklassieren Massenhersteller
Auf dem Automakt hat sich eine Zweiklassengesellschaft gebildet: Während Unternehmen wie Opel und Peugeot über Werkschließungen nachdenken, verbuchen BMW, Porsche und Mercedes Rekordgewinne. Für die Premiumhersteller zahlt sich die weltweite Präsenz aus.
Quelle: FTDAnmerkung Orlando Pascheit: Ein ziemlich alberne Argumentation, das Premiumsegment profitiert vor allen von der zunehmenden Ungleichheit der globalen Einkommensverteilung. Natürlich sind auch VW, Toyota und General Motors weltweit präsent. Nur, die globalen Massenkommen wachsen nicht wie Zahl der Millionäre, vor allem in China. Aber gerade China betreffend, sollten unsere Autobauer berücksichtigen, dass China eine eigene Autoindustrie entwickelt und die heimischen Hersteller fördert.
- Steuergeschenke für die Banken
Rechnungshof: Wenn Banken Tätigkeiten auslagern, sparen sie nicht nur bei den Gehältern, denn durch ein Schlupfloch verringert sich auch die Steuerlast. Grundlage dafür ist lediglich ein Beschluss der Steuerabteilungsleiter der obersten Finanzbehörden von Bund und Ländern aus dem Jahr 2008. So wurden die Leistungen der ausgelagerten “Kreditfabriken” von der Mehrwertsteuer befreit.
Rechnungshof-Präsident Dieter Engels sieht hier “dringenden Handlungsbedarf” – denn die Befreiung von der Mehrwertsteuer fördert geradezu das Outsourcing und erfolgt “ohne gesetzliche Grundlage” ( Sondergutachten des Bundesrechnungshofes ) Dem Staat sind laut Rechnungshof schon mindestens 50 Millionen Euro an Steuereinnahmen entgangen.
Quelle: TAZ - Die Reichen sind die wahren Sozialschmarotzer
Gespräch mit Kathrin Hartmann über Hartz IV, Super-Gentrifizierung und die Politik der Tafeln
Die zunehmende Rücknahme der zivilisatorischen Elemente in der ausgereiften bürgerlichen Gesellschaft schildert Kathrin Hartmann in ihrem Buch Wir müssen leider draussen bleiben. Ein Gespräch mit der Autorin.
Quelle: Telepolis - Gesundheitssystem in Deutschland – Was derzeit wirklich passiert
Ich bin 38 Jahre alt und Allgemeinarzt mit einer gut gehenden Hausarztpraxis in Neuötting, Oberbayern, geistig gesund und ein völlig normaler Bürger mit einer Lebensgefährtin und einem 15 Monate altem Sohn, bin seit 12 Jahren Gemeinderat und seit sechs Jahren Kreisrat der CSU, einer Partei, die sicherlich weit entfernt ist vom Ruf, linkspolitische und revolutionäre Gedanken zu pflegen. Es ist nicht meine Aufgabe, solche Texte zu schreiben und es gibt in Deutschland Tausende, die dies besser, packender und erheblich vollständiger schaffen und wenigstens einer von denen sollte das auch tun. Ich bin von tiefstem Herzen Demokrat und, wie mir in den letzten Tagen bewusst geworden ist, ein hoffnungsloser Idealist. Ich habe nicht mehr gemacht, als mir selbst die Frage zu beantworten, warum wir niedergelassenen Ärzte, Hausärzte und Fachärzte aussterben sollen, obwohl sich an der Charakteristik unseres Berufes und der Faszination für die nachfolgende Generation nichts geändert hat; der Wunsch dazu kam mit Sicherheit nicht aus der Bevölkerung, nicht von unseren Patienten.
Quelle: Jan Erik DölleinAnmerkung JB: Sehr lesenswert!
- Leistungs- oder Lustgesellschaft – Leben wir noch, oder arbeiten wir nur?
Wir sind zunehmend überfordert – das belegen aktuelle Studien aus Deutschland und Österreich: Wir alle müssen immer mehr in immer kürzerer Zeit schaffen, Hetze und Überstunden bestimmen unseren Arbeitsalltag. Kein Wunder, dass die Krankenstände wegen psychischer Störungen explosionsartig ansteigen. Dabei galten wir lange Zeit als Freizeit-Weltmeister. Was ist los in unserer Arbeitswelt?
Das Wörtchen „mehr“ scheint unseren Arbeitsalltag zu bestimmen. Arbeitgeber fordern mehr, und Arbeitnehmer bringen mehr: Verantwortung, Flexibilität, Überstunden. Allerdings wird die Zeit, in der wir all das schaffen sollen, nicht mehr. Kein Problem, denn dank Smartphone sind wir ja immer und überall erreichbar und einsatzbereit. Doch welche Folgen hat die dauerhafte Verschmelzung von Arbeit und Freizeit – für unsere Gesundheit, unser Leben und unsere Gesellschaft? Macht Arbeit wirklich krank, oder bilden wir uns das alles nur ein? Arbeiten wir heute mehr als noch zu Zeiten der Industrialisierung, in der die Menschen wohl über unsere Arbeitszeiten gelacht hätten?
Der weltweite Wettbewerb hat längst auch die Arbeitswelt erreicht – andere Gesellschaften arbeiten mehr und billiger. Müssen wir einfach auch mehr leisten und weniger leben, um wettbewerbsfähig zu bleiben, oder gibt es auch andere Wege? Zahlt sich der ewige Leistungsdruck überhaupt noch aus? Billiglöhne, Dauer-Praktika und All-Inclusive-Verträge sprechen eine deutlich andere Sprache.
Kurz nach dem „Tag der Arbeit“ diskutiert Johannes Willms beim aktuellen Talk im Hangar-7 u.a. mit Arbeitswelt-Pragmatiker Volker Kitz und dem gewohnt gesellschaftskritischen Autor Robert Misik über unseren wichtigsten Zeitvertreib: Die Arbeit.
Quelle: Talk im Hangar-7Anmerkung unseres Lesers F.: Ich würde gerne auf die gestrige Sendung von “Talk im Hangar” hinweisen. Die Talkrunden dort sind -im Gegensatz zu unseren deutschen Pendants- eigentlich fast immer sehenswert.
- Provisionsverbot für Versicherungsberater in den Niederlanden – Genug mit der Abzockerei
Wann will ein Versicherungsvertreter nur die Provision einstreichen, wann Qualität verkaufen? Um klare Verhältnisse für den Kunden zu schaffen, planen die Niederlande und Großbritannien ein Provisionsverbot in der Branche. Das setzt Deutschland unter Druck.
Quelle: SZ - “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” mit manipulativer Umfrage zum Schuldenabbau
Die “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” (INSM) ist weniger eine Initiative als vielmehr eine neoliberale Lobbyorganisation der Arbeitgeber. Dennoch tritt sie immer wieder mit vermeintlich objektiven und neutralen “Expertisen” und “Stellungnahmen” an die Öffentlichkeit. Aktuell berichten verschiedene Medien über eine “repräsentative” Umfrage, die TNS Emnid im Auftrag der “INSM” durchgeführt habe. Ergebnis: Bundesbürger seien auch zu eigenen Einschnitten bereit, wenn dies dem Abbau der Staatsverschuldung diene. Die “INSM” jubelt: “Das Thema Schuldenstopp ist populärer als gedacht.” Die Umfrage ist allerdings derart manipulativ, dass man sich fragen muss, weshalb ein vermeintlich seriöses Institut wie TNS Emnid sie überhaupt durchgeführt hat.
Quelle: annotazioni.de - Nach Wunsch der Pharmaindustrie – Union will Medikamentenpreise geheim halten
Wieviel zahlen Krankenkassen Pharmakonzernen wirklich für neue Medikamente? Diese Information möchten die Arzneimittelhersteller verbergen, denn sie fürchten Umsatzeinbußen im Ausland. Die Union will die geforderte “Vertraulichkeit” nun sogar gesetzlich festschreiben – und untergräbt damit eigene Bemühungen zur Reduzierung der Preise. Der Bundestag verzichtet auf eine Debatte.
Quelle: Süddeutsche Zeitung - Kuwait beschließt Todesstrafe bei Blasphemie
Wer Gott oder den Propheten Mohammed in Kuwait verunglimpft, soll in Zukunft mit dem Tod bestraft werden. Das Parlament hat ein entsprechendes Gesetz beschlossen. Nicht-Muslimen droht Haft.
Quelle: WELTAnmerkung JB: Was für ein „Glück“, dass Kuwait kein Fußball-Turnier austrägt. Wo bleibt eigentlich der Aufschrei der Empörung? Wahrscheinlich haben unsere Medien ihre gesamte Empörungskapazitäten momentan für die Ukraine und China verplant.
- Rassismus: Die europäische Krankheit
All diesen Überlegungen ist gemein, dass sie die Hauptursachen des Rassismus in sozialem Neid und ökonomischer Konkurrenz sehen; andere analysieren verstärkt die kulturellen und diskursiven Muster des Rassismus. Und angesichts all dieser vielfältigen Erklärungsmöglichkeiten mag es einem manchmal einfach scheinen, als ob es sich bei der Abwehr des “Fremden” um einen gleichsam universellen Mechanismus handele, nach dem jedes Gemeinwesen eines Gegenübers, jedes “Wir” eines “Anderen” bedarf, von dem es sich abheben kann. Handelt es sich beim Aufstieg der Rechten vielleicht um eine Art kaum zu erklärender Epidemie, die in Europa gerade auf einen “Tipping-Point” (Malcolm Gladwell) zusteuert? Was die Ursache für den Ausbruch auch sein mag, die Beispiele belegen, dass es sich bei dem momentanen Rassismus nicht um eine spezifisch deutsche, sondern eine paneuropäische Krankheit handelt. Auffällig dabei ist, dass sich die Symptome jeweils einen nationalen Anstrich geben: “Wir wollen unsere Werte behalten und dass Frankreich Frankreich bleibt”, sagte Sarkozy kürzlich bei einem Wahlkampfauftritt. Das sind Textbausteine, die jeder rechte europäische Redner verwenden kann, indem er nur sein eigenes Land einsetzt. Und doch richtet sich dieser Nationalismus nicht wie früher gegen andere europäische Nationen, sondern gegen ein gemeinsames, vermeintlich nichteuropäisches Außen – in Form von Muslimen, Juden und Roma.
Quelle: TAZAnmerkung Orlando Pascheit: Wenn sich das starke Abschneiden der FDP während der letzten Bundestagswahl, immerhin zu 8 Prozent von Arbeitslosen gewählt, das Aufkommen der Piraten, ca. 1/3 ehemalige FDP Wähler, nicht als nachhaltiger Protest gegen die Großparteien erweist, wie auch die Entwicklung der Linkspartei in der Wählergunst andeutet, so dürfte am Ende auch in Deutschland nur noch der Weg nach rechts offen bleiben – z.B. mit einer nationalliberalen Partei.
- Ukraine am Scheideweg: Sind 20 Jahre nicht schon genug?
In weniger als 40 Tagen wird die Ukraine zusammen mit Polen die Europäische Fußballmeisterschaft ausrichten. Polen als unmittelbarer Nachbar ist den Deutschen bestens bekannt, während Ukraine erst seit der „Orangenen Revolution“ öffentlich wahrgenommen wird. Aufgrund der „Prozyklität“ der klassischen Medien (im Fall der Organgenen Revolution war die Berichterstattung zu positiv und in anderen Fällen zu negativ), erscheint es angebracht, ein paar Hintergrundinformationen anzubringen, um schließlich zum aktuellen Boykott-Aufruf Stellung zu nehmen. Der vorliegende Artikel spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider. (Der Autor ist der Redaktion bekannt, seine Familie lebt in der Ukraine, deshalb möchte er namentlich nicht genannt werden.) Lesen Sie auch die Anmerkungen der Redaktion.
Quelle: Ukraine am Scheideweg [PDF – 131 KB]Siehe dazu auch: Julia Timoschenko – Ihr Körper ist jetzt ihr Kampfplatz
Julia Timoschenko hatte schon immer Talent zum Rollenwechsel. Von der reichen Geschäftsfrau wandelte sie sich zur prominentesten Politikerin der Ukraine. Nun ist sie die bekanntest politische Gefangene, die große Schatten auf die politische Bühne ihres Landes wirft. Möglicherweise droht ihr bald eine Zwangsernährung.
Sie taugt eigentlich nicht für die Rolle der verfolgten Unschuld, diese Frau. Aber hat sie nicht schon schwierigere Rollenwechsel gemeistert? Julia Timoschenko, einst die reichste Geschäftsfrau der Ukraine und dann die prominenteste Politikerin, ist zum bekanntesten politischen Häftling geworden…
Sie ist keine Dissidentin. Sie ist eine politische Gefangene insofern, als sie in einem politischen Prozess verurteilt wurde. Aber sie ist ja zugleich noch mehr: sie ist eine Geschäftsfrau, die ihre Milliarden ausschließlich deshalb verdienen konnte, weil sie zur Mannschaft eines sagenhaft korrupten Politikers gehörte.
Sie ist eine Premierministerin, deren Regierungszeiten vielen Bürgern als katastrophal in Erinnerung blieben. Sie ist eine machtdurstige Politikerin, die nicht einen Moment zögern würde, das Strafrecht so gegen ihre Gegner anzuwenden, wie es jetzt gegen sie angewendet wird.
Quelle: FR