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Globalisierung

Der Westen möchte die UNCTAD als kritische Stimme loswerden

Heute erschien in Asia Times ein Artikel von Vijay Prashad mit dem Titel “Ex-UNCTAD staff join battle on North“. Es geht darin wie auch schon in einem Artikel von Robert Wade im Guardian blog “West strikes back against new world order” vom 3. April um den Versuch des Westens/Nordens, die Kapazität der UNCTAD in Fragen der Makroökonomie und Finanzpolitik so zu beschränken, dass diese Stimme kein Störfaktor mehr für die neoliberale Einheitsideologie darstellt. Es stehen einige Termine an, bei denen über diese kritische Kapazität entschieden wird. Albrecht Müller.

Was schwache Gewerkschaften mit den Profiten des international agierenden Exportkapitals verbindet

Wenn wir in Deutschland den Bedeutungsverlust der Gewerkschaften beklagen, dann gleicht die Entwicklung in den USA einem Desaster. Eine Entwicklung, die sich hier mustergültig aufführende Konzerne ausnutzen. Die Globalisierung erlaubt aus einzelwirtschaftlicher Sicht die Differenz zwischen relativ starken Gewerkschaften z.B. in Deutschland, schwachen wie in den USA bzw. das praktische Nichtvorhandensein z.B. in China als Kostenersparnis zu realisieren. Stefan Scheytt berichtet in einer bemerkenswerten Recherche vom Anti-Gewerkschaftskurs deutscher Unternehmen in den USA und geht dabei auch auf die spezifische Situation der Gewerkschaften in den USA ein. Von Orlando Pascheit

Die Sozialenzyklika von Benedikt XVI. – Eine Moralpredigt über Liebe und Wahrheit

Die Mächtigen und Reichen in der Welt können nach dem Rundschreiben des Papstes „Über die ganzheitliche Entwicklung in der Liebe und in der Wahrheit“ [PDF – 443 KB] ruhig schlafen. In wohlabgewogenen Worten „beleuchtet“ die Enzyklika zahllose Missstände und ruft im Sinne einer positiven Motivation „alle Menschen guten Willens“ auf, in „von Wahrheit erfüllter Liebe, caritas in veritate“ „entsprechend ihren Einflussmöglichkeiten in der Polis“ zu handeln.
Die gegenwärtige Krise ist nach Meinung der höchsten kirchlichen Autorität den „schädlichen Auswirkungen einer schlecht eingesetzten und darüber hinaus spekulativen Finanzaktivität auf die Realwirtschaft“ geschuldet. “Die Kompliziertheit und Schwere der augenblicklichen wirtschaftlichen Krise besorgt uns zu Recht, doch müssen wir mit Realismus, Vertrauen und Hoffnung die neuen Verantwortungen übernehmen“, tröstet der Papst. Die Kirche habe keine „technischen Lösungen“ anzubieten und beanspruche keineswegs, „sich in die staatlichen Belange einzumischen“. „Die Liebe und die Wahrheit –, zeigt uns, was das Gute ist und worin unser Glück besteht. Es zeigt uns somit den Weg zur wahren Entwicklung.“
„Die Soziallehre der Kirche beleuchtet die immer neuen Probleme, die auftauchen, mit einem Licht, das sich nicht verändert.“ Mit vielen Worten also nichts Neues von der katholischen Kirche. Wenn wir uns nur von der „Kultur der Liebe“ beseelen lassen, dann wird alles gut: „Die Finanzmakler müssen die eigentlich ethische Grundlage ihrer Tätigkeit wieder entdecken, um nicht jene hoch entwickelten Instrumente zu missbrauchen, die dazu dienen können, die Sparer zu betrügen.“
„Die Krise verpflichtet uns, unseren Weg neu zu planen, uns neue Regeln zu geben und neue Einsatzformen zu finden, auf positive Erfahrungen zuzusteuern und die negativen zu verwerfen. So wird die Krise Anlass zu Unterscheidung und neuer Planung.“ Genau so reden auch die weltlichen Würdenträger. Vom Papst haben sie also nichts zu befürchten. Und wenn es mit der „Liebe in der Wahrheit“ im realen Leben nicht so ganz klappt, dann kann man ja beichten gehen. Der Papst steht als gnädiger Beichtvater zur Verfügung. So viel ist nach dieser Enzyklika gewiss. Wolfgang Lieb

Ist die Finanz- und Wirtschaftskrise eine Folge der „Entgrenzung“ und des damit verbundenen Mangels an politischer Handlungsfähigkeit?

Eigentlich hätte die Politikwissenschaft die vornehme Aufgabe, die politischen Vorgänge kritisch zu beobachten und zu hinterfragen. Wir erleben seit Jahren nun das Gegenteil. Namhafte Politikwissenschaftler helfen vor allem beim Zudecken. Einer davon ist Herfried Münkler. Er ist Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin und regelmäßiger Kolumnist der Frankfurter Rundschau. Gestern war von ihm ein Text über „Die Kunst der Grenzziehung“ zu lesen. Auszüge sind in der Anlage wiedergegeben. Er behauptet, durch den Wegfall der Grenzen, man könnte auch sagen durch die Globalisierung, sei die Handlungsfähigkeit des Staates so stark eingeschränkt, dass „die Effekte politischen Handelns wie ungedämmte Sprengladungen“ verpuffen. „Die Politik muss den Dingen ihren Lauf lassen und darauf vertrauen, dass alles wieder ins Gleichgewicht kommt. Sie hat darauf so gut wie keinen Einfluss.“
Das ist eine Verharmlosung der Verantwortung der Politik für die Krise und zugleich eine Missachtung der Handlungsmöglichkeiten auch des Nationalstaates. Albrecht Müller

Rezension: Weltdemokratie als aktuelle Gestaltungsaufgabe

Von Globalisierung ist die Rede, wenn es um die weltweiten selbstzerstörerischen Entwicklungen geht, wenn die großen Zukunftsaufgaben – die Bändigung des Finanzmarktkapitalismus, die Überwindung von Massenarmut in den Entwicklungsländern und von sozialen Spaltungen in der Wohlstandszone, die Ersetzung fossiler und nuklearer Ressourcen durch erneuerbare Energiequellen – angemahnt werden. Politisch-institutionelle Antworten (polity) auf die Weltprobleme bleiben in der Regel jedoch unscharf. Eine Rezension des Buches von Christoph Zöpel „Politik mit 9 Milliarden Menschen in einer Weltgesellschaft“ von Klaus-Jürgen Scherer

Warum die Europäer immer wieder NEIN zu Europa sagen

Jedes Mal, wenn man die Europäer fragt, ob sie Europa zusätzliche Kompetenzen geben wollen, ist die Antwort dieselbe: nein! Und jedes Mal erklären unsere Eliten dies mit einem Mangel an inhaltlicher Auseinandersetzung, an Pädagogik. Anders gesagt, sie glauben zu wissen, dass dieses „Nein“ daraus resultiert, dass die Bürger nicht verstanden hätten. Jenseits von Partikularinteressen und lokalen Eigenheiten kann man einen anderen Erklärungsvorschlag wagen. Von Arnaud Parienty, aus dem Französischen übertragen von Florian Baum.

Die Privatisierung der Post führt zu schleichender Entpersonalisierung und zwingt den Kunden an Automaten

Die Grundversorgung wurde in der Vergangenheit von der öffentlichen Hand erbracht und war mit dem daseinsvorsorgerischen Grundgedanken verknüpft, Bürgern flächendeckend eine solidarische Versorgung zu fairen Preisen zur Verfügung zu stellen. Infolge der Privatisierungsbestrebungen und den dahinterstehenden Interessen privater Anbieter, Unternehmensberater, Wirtschaftsberater, Banken und Investoren, die vom Börsengang ehemals staatlicher Betriebe in erheblichem Umfang profitieren, werden die Leistungen nun nach gewinnorientierten Maßstäben erbracht. Der Staat hat mit der Entscheidung zur Privatisierung der Post auf seine Gestaltungsfähigkeit verzichtet und damit zugleich eine demokratische Mitsprache oder wenigstens Kontrolle aufgegeben. Ein Nutzen, der hinter dieser Privatisierungspolitik stehen soll, ist für den Kunden, der „Briefkastenoptimierung“ und erhöhte Gebühren bei weniger Leistung hinnehmen muss, nicht erkennbar. Die Postmitarbeiter können schon gar keinen Vorteil in der Privatisierung erkennen. Für sie seht sie in erster Linie für verschlechterte Arbeitsbedingungen und permanente Umstrukturierungen nach den Ratschlägen der Unternehmensberatung McKinsey. Von Christine Wicht

Nach dem Stocken der Doha-Runde ist der Hydra der neoliberalen Globalisierung ein neuer Kopf gewachsen – die „Global Europe Strategie“ der EU-Kommission steht für den Ausbau der Macht europäischer Konzerne

Die „Global Europe-Strategie“ soll durch Freihandelsabkommen den Außenhandels- und globalen Investitionsinteressen europäischer Unternehmen dienen. Kernpunkt des „Global Europe“ ist eine Handelsstrategie der Europäischen Union, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen gegenüber anderen konkurrierenden Wirtschaftsräumen zu verbessern. Zur Verringerung und Beseitigung von Handelshemmnissen beim Austausch von Gütern und Dienstleistungen sollen alle verfügbaren, politischen Instrumente eingesetzt werden. Da die so genannten Singapur-Themen (Investitionen, Wettbewerb und öffentliches Beschaffungswesen) in der Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) von den Entwicklungsländern abgelehnt wurden, benötigt die EU diese neue Strategie, um die Ansprüche der europäischen Exportwirtschaft statt über eine internationale Abmachung praktisch durch die Hintertür in Form von bilateralen Verträgen doch noch durchzusetzen. Von Christine Wicht

Blind für die makroökonomische Verantwortung und ihre Möglichkeiten

Auf einer meiner letzten Diskussionsveranstaltungen wurde seltsamerweise gerade von gewerkschaftlich Engagierten die These vertreten, dass die hohe Arbeitslosigkeit und der Niedergang wirtschaftlicher Tätigkeit quasi das Ergebnis eines Trends ist, konkret: die Folge hoher Produktivitätszuwächse und der gleichzeitig stattfindenden Globalisierung. Das Streben nach Vollbeschäftigung sei veraltet, quasi mit den siebziger Jahren beerdigt. Die damit verbundene Missachtung der wirtschaftspolitischen Verantwortung der handelnden Personen in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft ist ein Gottesgeschenk für diese neoliberalen Führungsschichten. Sie sind verantwortlich für den Absturz der Lohnquote und eine dekadenlange Stagnation der Reallöhne, sie sind verantwortlich für eine miserable Geldpolitik wie auch jetzt wieder ganz aktuell bei der Weigerung der EZB, die Zinsen zu senken. Diese Fehler sind kein unabweisbarer Trend. Albrecht Müller.

„David gegen Goliath“ – das geplante Handelsabkommen zwischen der EU und den Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten soll den reichen Ländern neue Märkte eröffnen

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit laufen die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und den Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten (AKP-Staaten) zu den Economic Partnership Agreements (EPAs). Die wirtschaftliche Zusammenarbeit wird mit wohlklingenden Begründungen wie etwa der “Beseitigung der Armut”, der „Förderung nachhaltiger Entwicklung“, der „Förderung der Menschenrechte“ und der „Förderung der Demokratie” propagiert. Ein Beitrag von Christine Wicht.

Und wieder wird die Globalisierung als etwas ganz Neues und als besonders große Herausforderung bemüht – dabei ist das meiste Elend hausgemacht

Das Abschlusspapier der Kabinettsklausur auf Schloss Mesberg [PDF – 56 KB] „Aufschwung – Teilhabe – Wohlstand“ (wir sind in den NachDenkSeiten schon darauf eingegangen) beginnt mit folgenden Sätzen: „Deutschland befindet sich im Wandel. Die Globalisierung und die demographische Entwicklung stellen Politik und Gesellschaft vor große Herausforderungen.“ Sind das wirklich unsere größten Herausforderungen? Aus meiner Sicht gibt es viel gravierendere Probleme. Und was uns im Kontext internationaler Finanzbeziehungen aktuell stört und bedrückt, hat mit Globalisierung wenig zu tun. Albrecht Müller.

Hintergründiges zur Bahnprivatisierung

Über die Hintergründe der Verlängerung des Vertrages von Vorstandschef Mehdorn, über die Geschäfte der Bahn und über die Geschäfte mit der Bahn und über die verfassungsrechtlichen Streitigkeiten zwischen den Ressorts und der Bahn über das vorliegende Privatisierungsgesetz hat Christine Wicht einige Informationen zusammengetragen.

Alle reden über die soziale Gestaltung der Globalisierung, doch von den Ergebnissen der Internationalen Arbeitskonferenz (IAK) wird in den Medien kaum Notiz genommen

Die IAK wird von der ältesten multilateralen Organisation, der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) durchgeführt. Sie soll die Interessen von Arbeitnehmern in allen Teilen der Welt schützen und fördern. Die IAK tagte vom 30. Mai bis 15. Juni 2007 alljährlich in Genf. Während die Show-Veranstaltung des G 8-Treffens wochenlang von den Medien hochgejubelt wurde und 4.500 Journalisten nach Heiligendamm reisten, um ein paar nichtssagende Pressestatements groß aufzublasen, wurde über die Konferenz von 160 Mitgliedstaten, wo Beschlüsse über die weltweite Förderung von Arbeitnehmerrechten gefasst wurden, fast gar nicht berichtet.
Trotz intensivster Suche haben wir gerade zwei ernstzunehmende Berichte, einen in der FR und einen in der taz, gefunden. Wir haben sogar davon gehört, dass von einzelnen Wirtschaftsredaktionen, die IAK ganz bewusst totgeschwiegen wurde.
Die NachDenkSeiten wollen dieser Schweigespirale gegenüber Arbeitnehmerinteressen wenigstens ein wenig entgegenwirken. Die ehemalige DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer hat für die deutschen Gewerkschaften auf dieser Konferenz teilgenommen, sie stellt uns ihren Bericht zur Verfügung.

‚Attacs und Merkels Ziele sind identisch.’ Ja, Sie haben richtig gelesen.

In meiner Tagebuchnotiz vom 5.6. zur Kommunikationsstrategie von Angela Merkel bin ich bewusst freundlich mit Heiner Geißlers Rolle umgegangen. Sein neues Interview, diesmal mit FAZ.NET vom 6.6., irritiert jedoch gehörig. Da wird allen Ernstes behauptet, die Ziele von Attac „sind identisch mit denen der Bundeskanzlerin“. Hier wird das Bild der inhaltlichen Orientierung von Bundeskanzlerin Merkel auf nicht mehr nachvollziehbare Weise beschönigt. Und Attac muss dafür herhalten. Dieser aktuelle Versuch einer Gehirnwäsche zwingt mich dazu, an einige markante Positionen und Einlassungen, Taten und Unterlassungen von Angela Merkel zu erinnern.

Ein Musterbeispiel dafür, wie der fortschrittliche Teil auseinander fliegt.

„Brauchen wir ein neues Sozialsystem?“, fragt die taz. Und weiter:
“Nur noch eine Minderheit hat einen unbefristeten und sozialversicherten Arbeitsplatz. Deren Risiko, zum Sozialfall zu werden, hat erheblich zugenommen. Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte das bedingungslose Grundeinkommen als verlässliche Existenzsicherung für alle sein. Die Koalition für das Grundeinkommen wird immer größer.“
Quelle: taz
Der Text ist lesenswert, weil er typisch ist für einen Teil der Linken oder Grünen, wie man auch immer das Spektrum der taz-Autoren nennen will. Sie haben nahezu alles drauf, was es an Vorurteilen über Zwangsläufigkeiten unserer Wirtschaftsentwicklung gibt. Gestaltungsmöglichkeit gleich null. Beachtlich: Albrecht Müller.