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Wahlen

Sigmar Gabriels intellektueller Offenbarungseid

Es ist schon ein kleines Kunststück, sich selbst in einem zweiseitigen Aufsatz in gleich mehreren Kernpunkten zu widersprechen. Dieses kleine Kunststück ist dem SPD-Vorsitzenden Gabriel in seinem unsäglichen Debattenbeitrag im FAZ-Feuilleton gelungen, den Albrecht Müller bereits gestern kommentiert hat. Mehr noch – Gabriel widerspricht sich nicht nur selbst, sondern auch dem erst letzte Woche verabschiedeten Positionspapier der rot-grünen Schattenregierung, das er höchstpersönlich mitunterzeichnet hat. All dies wäre eigentlich nur ein weiteres Indiz für den maroden Zustand der SPD, ginge es dabei nicht um so elementare Fragen wie die ökonomische und politische Zukunft Deutschlands und Europas. Wenn man sich die künftigen potentiellen Regierungskoalitionen anschaut, kann einem da nur angst und bange werden. Von Jens Berger

Warum die Mindestlohn-Wende von Merkel? Zwei Erklärungen für einen Schwenk, der die Union nicht viel kostet und ihr viel bringt.

Ein Freund, der die deutsche und die internationale Szene beobachtet, vermutet, Merkel habe in Brüssel beim letzten Gipfel-Deal die Zusage gemacht, in Deutschland eine Lohnuntergrenze einzuführen bzw. dies zu versuchen. Diese Erklärung ist schlüssig. Sie passt zur zweiten Erklärung des Schwenks: Merkel bereitet die nächsten Wahlen einschließlich der Bundestagswahl vor. Sie frischt damit ein Imageelement auf: die angebliche Sozialdemokratisierung der Union. Damit stößt sie weit hinein in das Lager der potentiellen SPD-Wähler und macht sogar die Gewerkschaften zu ihren Wahlhelfern. Albrecht Müller.

Albrecht Müllers Wochenrückblick: Zur besonderen Verankerung der Union bei Medien und Vorfeldorganisationen.

Bei den Wahlen in Berlin am vor-vergangenen Sonntag ist die FDP abgestraft worden. Die CDU nicht. Warum eigentlich nicht? Die Politik von Merkel (CDU) und Schäuble (CDU) in der wichtigen Frage, wie man mit der Finanzkrise und der Krise um Griechenland umgeht, ist nur in Nuancen kompetenter. Auch diese beiden haben die Spekulation im Zusammenhang mit Griechenland immer wieder angeheizt. Und sie huldigen der populären aber falschen Vorstellung, mit Sparabsicht könne man immer und überall einen Sparerfolg erzielen. Die Union kommt trotz ihrer wirtschaftspolitischen und finanzpolitischen Inkompetenz besser weg als die FDP, und als SPD, Grüne und Linke sowieso, weil CDU und CSU in den Medien und auch in anderen wichtigen Einrichtungen ausgezeichnet vertreten ist. Albrecht Müller.

Putin inszeniert sich neu

Angesichts anhaltender Krisenängste wollen auch die Russen unterhalten und abgelenkt werden. Dabei muss es bunt und gefährlich zugehen, kann aber auch ein bisschen schmusig sein. Allround-Talent Putin nimmt die neuen Herausforderungen der russischen Mediengesellschaft gekonnt auf. Von Ulrich Heyden, Moskau.

Das Ergebnis gesteuerter Meinungsmache wird zum Volkswillen umdeklariert; die FDP bedient sich mieser Vorurteile.

Wir werden in diesen Tagen immer neu mit der alten Erfahrung von NachDenkSeiten-Lesern konfrontiert. Die Meinungsbildung und die darauf gründenden Entscheidungen sind weitgehend gesteuert. Aktuelle Beispiele: Deutsche „Tea-Party“ mit tausenden Mails an MdBs gegen Euro-Hilfen, die FDP mit dem gleichen Thema auf dem Weg zur rechtsradikalen Partei und die SPD auf dem Weg in die Arme des Versagers Steinbrück. Albrecht Müller.

Mecklenburg-Vorpommern: Ein Scheinsieg für die SPD, ein Debakel für Schwarz-Gelb

Zweitbestes Prozentergebnis für die SPD, schlechtester Wahlausgang für die CDU im Heimatland der Kanzlerin, die Linke stabilisiert sich, die FDP stürzt ab, die Grünen sind nun auch in das sechzehnte Länderparlament eingezogen und die rechtsradikale NPD marschiert erneut in den Landtag von Schwerin ein. Nur noch die Hälfte der Mecklenburger und Vorpommern ging zur Wahl. Die Enttäuschung über die mit der friedlichen Revolution errungene Demokratie nimmt bedrohliche Formen an. Obwohl das strukturschwache MeckPomm eine aktive Finanzpolitik zur Ankurbelung seiner Wirtschaft dringend brauchte, setzt der „Wahlsieger“ Erwin Sellering (SPD) weiter vor allem auf seine Sparpolitik. Eine zwar kleinere Große Koalition von SPD und CDU ist deshalb wahrscheinlich. Andere Ziele des Wahlprogramms der SPD, die mit der Linkspartei durchsetzbar wären, bleiben wohl uneingelöste Wahlversprechen. Von Wolfgang Lieb

Frankreich: Der Abbruch der Schweigemauer – oder der erotische Winter – Wie die Affäre Strauss-Kahn Frankreich verändert –

Heute (8. Juni 2011) ist ein recht interessanter Beitrag in der SZ (Feuilleton, S. 11, nicht im Netz) von Stefan Ulrich nachzulesen:

… Die Würde des Dominique Strauss-Kahn – Frankreich ist sie besonders wichtig. Denn das Land nimmt den Fall persönlich. Brechen nicht gerade in Amerika alte Ressentiments durch? Wird die Republik nicht als libertär und moralisch verkommen geschmäht? Sitzt sie nicht mit auf der Anklagebank in New York?…
Frankreich fühlt sich herausgefordert durch dieses spektakulär inszenierte Strafverfahren in den USA…
Nun da der erste Schock überwunden ist, öffnet sich das Land dem Zweifel. Falls sich hinter dem formidablen Siegertypen Strauss-Kahn tatsächlich ein zwielichtiger Mann verbergen sollte, könnte es da nicht sein, dass auch die strahlende Kulturnation Frankreich düstere Seiten hat?…

Die Kanzlerkandidaten-Meinungsmache

Es ist eine uralte Geschichte, mit Popularitätswerten von Spitzenpolitikern wie sie die Meinungsforschung regelmäßig erhebt zu manipulieren. Gerade erleben wir wieder eine Hochzeit dieser so beliebten wie unsinnigen Datenspielerei – mit absichtsvollen Motiven der Initiatoren. Von Eckehart Hagen

Wahlen in Bremen – Der Roland wird grüner

Die SPD stagniert, die Grünen überholen erstmals die CDU und werden zweitstärkste Partei, die FDP verschwindet, die Wahlbeteiligung erreicht einen traurigen Tiefstand, so lässt sich das Ergebnis zur Bürgerschaftswahl zusammenfassen. Die Bremer Bürgerschaftswahl ist in Wirklichkeit eher eine “Kommunalwahl”, die dennoch von der allgemeinen Stimmungslage beeinflusst ist. Das Vertrauen in die Lösungskompetenz der Parteien ist gering und die Zufriedenheit mit der Demokratie bröckelt. Von Wolfgang Lieb

Wenn Genosse Steinbrück Wall Street spielt – eine aufschlussreiche Skizze seiner teuren Politik findet sich bei Sahra Wagenknecht

Wer Steinbrück kennt, wer die Kette seiner Misserfolge von der verlorenen Nordrhein-Westfalen Wahl bis zum Bankenrettungsschirm und der zig-Milliarden schweren Rettung der HRE noch zu erinnern im Stande ist, begreift nicht, wie man auch nur das Schwarze unter dem Fingernagel eines Gedankens darauf verwenden kann, diesen Mann zum Kanzlerkandidaten der SPD zu machen. Sahra Wagenknecht hat in ihrem neuen Buch „Freiheit statt Kapitalismus“ kompakt und faktenreich dokumentiert, wie Steinbrück und Eichel, Merkel und Schröder den „Finanzplatz Deutschland“ den Spekulanten geöffnet und uns Milliarden-Lasten aufgebürdet haben. (Hier finden Sie die einschlägigen Seiten 47-55 [PDF – 123 KB] *) Albrecht Müller.

Glaubt jemand im Ernst, Merkels Wahlkampf von 2009 sei nicht auch vom Kanzleramt aus geführt worden?

Es ist ja prima, dass man sich jetzt der Tatsache zuwenden will, dass Wahlkämpfe auch aus Regierungszentralen heraus geführt bzw. unterstützt werden. (Siehe Hinweis Nr. 1 von Hinweisen II) Und dass sie über Strohmänner finanziert werden. Bei aller Bereitschaft zur Kritik an Maschmeyer und Schröder – zu meinen, die Vorgänge von Hannover seien einzigartig, ist lächerlich. Albrecht Müller.

Vorsichtiger Wechsel in Baden-Württemberg

Zugegeben, der Koalitionsvertrag zwischen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD Baden-Württemberg [PDF – 900 KB] hebt sich mit seinen inhaltlichen Ankündigungen, in der Wortwahl oder in seinem Verständnis einer demokratischen Kultur, wohltuend von Koalitionsvereinbarungen schwarz-gelber Regierungsbündnisse ab. Die guten Botschaften hört man wohl, doch viele Zweifel bleiben, ob ihnen auch entsprechende Taten folgen werden. Allzu oft heißt es in dem Papier „wir streben an“, „mittelfristig soll“, wir wollen „im Dialog regieren“, „in Zusammenarbeit mit den Akteuren“ oder „wir werden das Gespräch suchen“ und „Brücken bauen“. Das hört sich sympathisch und demokratisch an, lässt aber für viele mit großem Pathos vorgetragene Ankündigungen alle Auswege offen. „Wir werden verändern, wo es notwendig ist, Manches anders und Vieles besser machen.“ Man wolle mit „Maß und Mitte“ vorgehen. Da spürt man die Vorsicht, mit der dieses Bündnis den „Wechsel beginnen“ will.
Bei vielen Entscheidungen, die eine klare politische Festlegung verlangen würden, beinhaltet der Vertrag nur Formelkompromisse. Die Hoffnung der Grünen, dass Stuttgart 21 nicht kommt, hängt an einem dünnen Faden und beim Atomausstieg schiebt man die Verantwortung auf den Bund ab. Wolfgang Lieb

Im Tal der Tränen – die SPD und ihre Selbstfindung

SPD-Präsidiumsmitglied Heiko Maas denkt in einem Gastartikel für den SPIEGEL laut über die Renaissance des rot-gelben Projektes nach und wirbt dafür, sich intensiver um die grüne Wählerklientel zu kümmern. Dabei rücken die ureigenen sozialdemokratischen Inhalte programmatisch immer weiter in den Hintergrund. Im aufgeregten Koalitionsbildungs-Geschwätz der Stunde werden von den Medien, die sich stets gegen „linke Mehrheiten“ ausgesprochen haben, bereits künftige Bündnisse herbeigeschrieben, in denen Union, SPD, FDP und Grüne bunt gemischt untereinander koalitionsfähig sein sollen. Von einer „linken Mehrheit“ und von politischen Inhalten spricht schon lange niemand mehr und eine Alternative zum neoliberalen Mainstream scheint somit ferner denn je. Jens Berger