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Parteien und Verbände

„Neue Gerechtigkeit“ hört man von der CDU, „neosozial“ von der FDP, dabei wird nur Abgestandenes in neue Begriffen verpackt.

Heiner Geißler hat in den siebziger Jahren die zynische These vertreten, dass eine Partei, die die Macht erobern will, die „Begriffe besetzen“ muss. Wer die Macht haben will, muss das Sagen haben. Deshalb hat er damals den Begriff der „neuen sozialen Frage“ erfunden, um von der wirklichen sozialen Frage abzulenken.
Auf diese geißlersche Manipulation des öffentlichen Bewusstseins mittels Sprache, dass eben nicht die Wahrheit oder die nüchternen Tatsachen auszusprechen, sondern das Besetzen von Begriffen Macht verschafft, hat sich offenbar die CDU wieder besonnen, als sie mit ihrer sog. Mainzer Erklärung vom 7.1.06 den Begriff „Neue Gerechtigkeit“ besetzte. Ganz ähnlich hat wohl auch Guido Westerwelle gedacht, als er jüngst für seine FDP das neue Etikett „neosozial“ erfunden hat.

Angesichts des „Bergs von Aufgaben“ kennt der Bundespräsident keine Parteien mehr, sondern nur noch „Veränderungen“

Der Bundespräsident freut sich über die Große Koalition. Kein Wunder, er hat sie ja ermöglicht, als er das getürkte Misstrauensvotum als Anlass für Neuwahlen sah und verfassungsrechtliche Bedenken beiseite schob.
„Jetzt haben wir eine handlungsfähige Regierung“! Ja, so fragt man sich verdutzt, war die rot-grüne Bundesregierung eigentlich nicht handlungsfähig? Sicher, sie passte Köhler nicht und sie ging ihm bei den von Köhler für nötig erachteten „Veränderungen“ nicht weit genug.

Endlich ein offensiver Gewerkschaftsvorsitzender

In einem bemerkenswerten Interview in der Welt “Es gibt einen Machtkampf” äußert sich IG-Metall-Chef Jürgen Peters über die Krise bei VW, und die Lohnforderungen seiner Gewerkschaft.

Was hat man nicht alles geunkt, als die Wahl von Jürgen Peters zum IGMetall-Vorsitzenden anstand. Heute erweist er sich als ein Gewerkschaftsvorsitzender, von dem man zu vielen aktuellen Fragen Vernünftiges und vor allem endlich auch Offensives hört und lesen kann. Die Gewerkschafter müssen lernen, wieder selbstbewusst aufzutreten. Angesichts des Wahnsinns, den viele Arbeitgeber und die Politik anrichten, gibt es gute Gründe dafür.

Die SPD begreift immer noch nicht, dass sie gelinkt worden ist.

Heute wird gemeldet, SPD-Chef Platzeck halte Unterstellungen, es gebe einen Zusammenhang zwischen Schröders Neuwahlbegehren und seinem Abgang einerseits und seinem neuen Engagement bei Gasprom andererseits, für „schlicht und ergreifend nicht für hinnehmbar“. Als Begründung führt Platzeck an, erstens sei das Pipeline-Projekt lange vor dem 22. Mai, dem Tag der Ankündigung von Neuwahlen, in Gang gesetzt worden, und zweitens habe Schröder wie ein Löwe für seinen Verbleib im Amt gekämpft, auch über den Wahltag hinaus. – Die Logik dieser Argumente erschließt sich wohl einzig und allein Matthias Platzeck.

„danke, gerd!“ – meint Gazprom

… und der Sprecher der ostdeutschen SPD-Bundestagsabgeordneten, Stephan Hilsberg, wundert sich. Er sagte dem “Kölner Stadtanzeiger”: “Da zieht jemand persönlichen Nutzen aus seinen eigenen politischen Entscheidungen.” Schröder habe Gazprom den Weg geebnet. “So entsteht der Eindruck, dass jemand durch sein politisches Handeln im Nachhinein Geld verdient.” Das meldet SpiegelOnline.
Ich wundere mich nur darüber, dass sich SPD-Abgeordnete wundern. Das Neuwahlbegehren von Gerhard Schröder konnte man nur verstehen, wenn man miteinbezieht, was jetzt offenbar wird. In den NachDenkSeiten hatten wir das nie anders gesehen.

Die Realität der Folter und unser Glaube an die Worte von Condoleeza Rice

Die Frankfurter Rundschau hat heute die Folter und das Verschwinden von Menschen zum Thema des Tages gemacht. Im folgenden die Links zu zwei der Beiträge auf dieser Seite. Mit zur bundesrepublikanischen Realität gehört die unerhörte Reaktion unserer Offiziellen. Soviel wissen wir jetzt: Man kann auch als deutscher Staatsbürger von der Bildfläche verschwinden, ohne dass sich unsere Offiziellen darum kümmern. Im Gegenteil. Und sie lernen nichts daraus. Unten finden Sie auch einen Link zu einem Schreiben des neuen Generalsekretärs der SPD an interessierte Mitglieder.

“US turns to secret bombing and dirty war as peace sentiment surges”

Hier ein Tipp von Norman Birnbaum aus Washington. Leider auf Englisch. Norman schreibt: There are innumerable US articles which would potentially interest or actually interest your readers and I refrain from sending these on obvious grounds. However, the one that follows is of special value and I call it to your attention. Tom Hayden was a well known leader of the movement of protest in the sixties and has recently been a member of the California State legislature. Since the new Bush strategy will no doubt be endorsed by Merkel, this might serve German opinion as a warning about the political and imperial fraud it entails. Regards Norman.

Martin Gehlen: Angela Merkel personalisiert den Wandel der CDU – weg von der katholischen Soziallehre hin zu einer traditionell-konservativen Partei

Der ehemalige Gastkollegiat am Max-Weber-Kolleg und Autor des Buches „Politikberatung in den USA , der Einfluss der Think Tanks auf die amerikanische Sozialpolitik“, Martin Gehlen, beschreibt in einem lesenswerten Essay im „Tagesspiegel“, wie sich die ursprünglich der katholischen christlichen Soziallehre verpflichtete CDU in ihrem sozialpolitischen Denken immer näher dem eher staatsskeptischen Profil traditionell-konservativer Parteien nach angelsächsischem Muster annähert und wie dieser Paradigmenwechsel im Aufrücken von Politikern aus Ostdeutschland in die politischen Führungsebenen seinen personellen Ausdruck findet.

Eine ganze Zeitungsseite, ohne inhaltlich etwas zu sagen.

Die Frankfurter Rundschau brachte gestern ein Interview mit Matthias Platzeck. Er behauptet in diesem Interview, unsere Gesellschaft sei nun mal im Umbruch. Aber er sagt weder, wohin die Reise geht, noch wie die Antwort des Vorsitzenden der SPD aussieht. Die Tiefe der inhaltlichen Festlegung wird durch Sätze beschrieben wie: „Der Sinn des Lebens liegt für mich im Miteinander.“ Oder, auf die Frage, wofür Platzeck stehe: „Für eine Politik, die wirtschaftliche Dynamik und gesellschaftlichen Zusammenhalt vereint.“ Mit Recht kommentieren die Interviewer diese Antwort mit: „Wieder wolkig.“
Das Interview ist lesenswert, weil es dokumentiert, welches unbeschriebene Blatt der SPD-Parteitag in Karlsruhe mit 99,4% der Stimmen zum Vorsitzenden gewählt hat. Außerdem sagt Platzeck auch in diesem Interview, er finde Schröders Politik richtig, hätte sich nur gewünscht, dass alles schon 1999 angepackt worden wäre und nicht erst 2003.

Quelle: FR

FinanzFachFrauen zum Koalitionsvertrag: Verlängerte Lebensarbeitszeit benachteiligt berufstätige Frauen

Nur sieben Prozent aller Frauen erreichen 45 Pflichtbeitragsjahre. Wer unterhalb des Durchschnittsverdienstes liegt, also keine sog. „Eckrentnerin“ ist, schaut in die Röhre. Frauen verdienen noch immer nur etwa 80 Prozent von dem, was Männern bezahlt wird – das ist der Grund dafür, dass sie künftig fast in jedem Fall mit Rentenkürzungen zu rechnen haben. Wenn im Koalitionsvertrag gesagt wird, dass neben den Beschäftigungszeiten auch Kindererziehung und Pflegeleistung angerechnet werden sollen, so ist dies Augenwischerei. Das sagt Heide Härtel-Herrmann, Finanzexpertin aus Köln.

Eure Rede sei Ja, Ja oder Nein, Nein, was darüber ist, das ist vom Übel, sagt Matthäus in der Bibel. Der EKD-Vorsitzende Bischof Huber kann offenbar Ja und Nein zugleich sagen – und davon könnte einem Übel werden

Vom Ratsvorsitzenden der EKD, Bischof Wolfgang Huber, haben wir gerade in letzter Zeit, anlässlich der Synode der Evangelischen Kirche in Berlin viele nachdenkliche Reden und Interviews gehört, in denen er sich mahnend für die Wahrung der sozialen Gerechtigkeit ausgesprochen hat. Wenn er sich aber nicht an seine Mitchristen sondern an Politiker wendet, wird er aber offenbar selbst zum Politiker und biedert sich an.

Franz Walters Tipps für die Große Koalition in der FR sind fragwürdig

Von Franz Walter konnten wir in letzter Zeit immer mal wieder weiterführende Essays lesen. Von dem heute in der Frankfurter Rundschau abgedruckten Beitrag lässt sich das nicht sagen. Ich muss vielem widersprechen und habe dazu Texteile von Franz Walter kommentiert, jeweils mit „AM:“ gekennzeichnet und kursiv geschrieben.