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Hochschulen und Wissenschaft

Wo bleibt das Positive? Wo das Programm? Wo ein Stück Optimismus?

Gelegentlich erhalten wir E-Mails von Menschen, die bemängeln, dass wir sehr kritisch mit den herrschenden Verhältnissen und den handelnden Personen umgehen, die NachDenkSeiten und unsere sonstigen Veröffentlichungen seien zu negativ. Wir nehmen diesen Eindruck ernst. Dass er entsteht, ist nicht verwunderlich. Zum ersten sind wir mit diesem Anspruch angetreten. Unter dem Titel „NachDenkSeiten“ steht „Die kritische Website“. Zum zweiten können wir wirklich nichts dafür, dass die Verhältnisse so schrecklich und die handelnden Personen so zweifelhaft sind. Zum dritten aber enthalten unsere Texte und Gedanken sehr viel mehr Programm, sehr viel mehr Positives und sogar mehr Optimismus, als sofort zu erkennen ist. Albrecht Müller.

Studiengebühren nach australischem Vorbild?

Es ist erstaunlich, was in der Studiengebührendebatte alles als neue Vorschläge durchgeht. Einerseits feiert die Akademikersteuer fröhliche Urstände, andererseits wird in NRW mit dem Impetus einer vermittelnden Neutralität das Thema nachgelagerte Studiengebühren wieder aus der Schublade geholt. Diese will auch ein Professor aus Bochum im Landtag präsentieren. Es ist klar: Die StudiengebührenbefürworterInnen bekommen kalte Füße: Wenn nach Hessen und dem Saarland nun auch NRW die Gebühren abschafft, dann ist dies ein starkes Zeichen. Deswegen werden jetzt wieder alle alten Argumente ausgegraben – über eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben hört man nichts. Von Klemens Himpele und Lars Schewe

Rezension: Klaus Dörre/Matthias Neis, Das Dilemma der unternehmerischen Universität

Eine interessante Studie legten die beiden Soziologen an der Friedrich-Schiller-Universität Jena vor. Sie untersuchten die Gretchenfrage, ob die „unternehmerische Hochschule“ tatsächlich unternehmerisch erfolgreich ist.
Das Ergebnis ist ernüchternd: Das Konzept der unternehmerischen Universität „mag geeignet sein, das Personalmangement an den Hochschulen zu verbessern und die Ressourcenverteilung transparenter zu gestalten. Doch angesichts der chronischen Unterfinanzierung des Hochschulsystems und aufgrund nicht intendierter Effekte für kollektive Arbeitsprozesse, die Innovation überhaupt erst ermöglichen, kann eine allzu nahtlose Umsetzung des Leitbildes der unternehmerischen Universität alte Innovationsblockaden verstärken oder ganz neue erzeugen.“ (S. 137) Von Wolfgang Lieb

Wenn sich Anbieter und Nachfrager suchen: Nobelpreis an ein Arbeitsmarktforscher-Trio

In diesem Jahr ist das Komitee zur Vergabe des durch die Schwedische Reichsbank 1968 gestifteten Preises für Ökonomik im Gedächtnis an Alfred Nobel seiner Linie in den letzten Jahren treu geblieben: Geehrt und damit gefördert wird die Grundlagenforschung zur Funktionsweise von Märkten unter allerdings realistischen Verhaltensannahmen und bei Berücksichtigung institutioneller Beziehungen. Die reine Marktlehre, die modellhaft auf die Preisbildung aus dem Zusammenspiel der von einander unabhängigen Nachfrage gegenüber dem Angebot setzt, ist nicht in der Lage, die Prozesse auf den heutigen Märkten zu erklären. Sind noch vor Jahren die Forschungsarbeiten zu ungleich verteilten Informationen (J.A. Stieglitz / George A. Ackerlof, geehrte 2001) belohnt worden, so geht es in diesem Jahr um Forscher mit dem Schwerpunkt: Akteure auf den Märkten befinden sich auf Suche nach der angemessenen Entscheidung und bringen dafür Kosten und Zeit auf. Wegen dieser Kritik der reinen Marktlehre lassen sich diese Theorien auch nicht als neoliberal abtun. Allerdings steht bei der Suche nach der Arbeitslosigkeit das Verhalten der Arbeitslosen bei der Suche nach einem Job im Vordergrund. Fehlverhalten der Arbeitgeber beispielsweise wegen zu geringer Ausbildungsangebote wird zu wenig thematisiert. Ausgeblendet wird vor allem der Einfluss der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, die eine aktive Finanzpolitik und expansive Lohnpolitik fordert. Dafür hatte Paul Krugman den Nobelpreis 2009 erhalten. Von Rudolf Hickel

Die Regelungen des NRW-„Hochschulfreiheitsgesetzes“ über den Hochschulrat sind mit dem Grundgesetz und der Landesverfassung nicht vereinbar

Im Rahmen einer Dissertation an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln prüft Thomas Horst, ob die Regelungen des nordrhein-westfälischen „Hochschulfreiheitsgesetzes“ über den Hochschulrat mit dem Grundgesetz und der Landesverfassung vereinbar sind und gelangt im Ergebnis zur Verfassungswidrigkeit der Regelungen. Die Arbeit erscheint im Verlag Dr. Kovač, Schriften zum Hochschulrecht, Band 1 Hamburg 2010, 228 Seiten, ISBN 978-3-8300-5197-8. Autor und Verlag haben uns dankenswerterweise erlaubt Auszüge vorab zu veröffentlichen. Das Ergebnis bestätigt meine Kritik, die ich in vielen Beiträgen auch in den NachDenkSeiten zum Ausdruck gebracht habe. Sie etwa „Hochschulfreiheit“ oder das Ende der Hochschulautonomie oder Die „neue Freiheit“ der NRW-Hochschulen – Freiheit für wen und wozu? oder „Hochschulfreiheitsgesetz“ in NRW – oder der Putsch von oben gegen ein öffentlich verantwortetes, demokratisches Hochschulwesen. Wolfgang Lieb

Freiheit der Wissenschaft und Selbstverwaltung der Universität. Zur Frage der Verfassungskonformität des „Hochschulfreiheitsgesetzes“ NRW

Sowohl nach dem Grundgesetz als auch nach der Landesverfassung NRW ergeben sich schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken gegen das nordrhein-westälische Hochschulgesetz. Ein Aufsatz, der die undemokratische, die Selbstverwaltung der Hochschule aushebelnde Praxis des Hochschulrats an einer Hochschule exemplarisch schildert und der zum Ergebnis kommt, dass die Befugnisse dieses Entscheidungsgremiums weder mit dem Grundsatz der Freiheit der Wissenschaft nach Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz noch mit Art. 16 Abs. 1 der Verfassung Nordrhein-Westfalens vereinbar sind. Von Marion Heinz und Thomas Horst.
Der Aufsatz erscheint demnächst in Christian Krijnen (Hg.): “Wahrheit oder Gewinn? Über die Ökonomisierung von Universität und Wissenschaft”. Der Verlag Königshausen & Neumann, GmbH hat uns freundlicherweise das Recht zu einem Vorabdruck eingeräumt.

Odyssee durch das deutsche Universitätssystem

Zu mehr Durchlässigkeit, Transparenz und Mobilität sollte der Bologna-Prozess führen, dafür wurde das gesamte deutsche Studiensystem mit Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge umgebaut. Was von diesen Versprechen zu halten ist, zeigt ein Einblicke in den deutschen Studienalltag von S.H.

»Studiengebühren sind sozial gerecht«?

Schwarz-Gelb in NRW ist abgewählt, und es gibt eine Mehrheit für die Abschaffung der Studiengebühren. Sowohl SPD und Grüne als auch die Linkspartei hatten erklärt, diese abschaffen zu wollen. Pünktlich nach der Wahl beginnen sich nun die GebührenbefürworterInnen mit alten Argumenten zu positionieren. Gerade dieser Tage haben neun ProfessorInnen der Ruhr Universität Bochum wieder einmal die These vertreten dass der „Verzicht auf Studiengebühren sozial ungerecht“ sei. Wer die Gerechtigkeit von Studiengebühren behauptet löst die Betrachtung jedoch aus dem gesellschaftlichen Kontext. Wir veröffentlichen dazu einen Beitrag von Sonja Staack aus dem Jahr 2009 aus dem Sammelband herausgegeben von Klemens Himpele und Torsten Bultmann: Studiengebühren in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung.

Veranstaltungshinweise WL

  • Am Mittwoch, dem 21. April halte ich an der Johannes Guttenberg-Universität Mainz ein Referat zum Thema „Das Bertelsmann Centrum für Hochschulentwicklung und die Ökonomisierung der Hochschule“. Beginn um 14.30 Uhr. Ab 16.00 findet eine Diskussion mit dem Universitätspräsidenten Professor Dr. Georg Krausch statt.
    Veranstaltungsort Alte Mensa, Becherweg 5, Mainz
  • Am Montag, dem 26. April bin ich in meine alte Heimat in Stetten im Remstal eingeladen. Ebbe Kögel, der dort die „Allmende Stetten“ organisiert, hat mich zu der Veranstaltungsreihe „Provinzielle Lebenswege“ unter der Überschrift „Ein Schwoobabiable aus „Rom“ wird Regierungssprecher“ (der Titel wird wohl nur Remstälern etwas sagen) gebeten.
    Veranstaltungsort TV-Heim Stetten, Am Sportplatz 4, 71394 Stetten im Remstal. Beginn 20.00 Uhr. Eintritt 5 Euro. Einladung [PDF – 82 KB].

Schavan: “Eindrucksvoller Beleg für die Bildungsrendite”

Eine neue Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft rechnet vor, dass Investitionen in ein Studium gut angelegtes Geld sind. Der Jubel der Bildungsministerin über die „Bildungsrendite“ erscheint auf den ersten Blick wie eine Werbung für höhere Bildung. Schaut man jedoch genauer hin, so geht es nicht um Bildungswerbung, sondern darum die Privatisierung von Bildungskosten voranzutreiben. Insoweit handelt es sich bei der Studie um eine politische Auftragsarbeit. Wolfgang Lieb

Bachelor schöngeschrieben?

Am Donnerstag und Freitag dieser Woche findet eine Konferenz der Europäischen BildungsministerInnen in Budapest und Wien statt. Thema ist der Bologna-Prozess. Dieser hatte im vergangenen Jahr zahlreiche Studierende, SchülerInnen und Beschäftigte auf die Straße getrieben. In der Folge sind Studien erschienen, die zu dem Ergebnis kommen, dass alles nicht so schlimm sei. Ein Leser der NachDenkSeiten hat sich die Methodik zweier Studien genauer angesehen und kommt zu interessanten Ergebnissen. Albrecht Müller.