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Hochschulen und Wissenschaft

Zur Zukunft der Hochschulen in NRW – Anhörung zur Novellierung des Hochschulgesetzes

Am 7. Mai 2013 findet im Düsseldorfer Landtag eine öffentliche Anhörung zur Weiterentwicklung des NRW-„Hochschulfreiheitsgesetzes“ statt. Ich bin von der Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als Sachverständiger benannt worden.
Dazu bin ich um eine schriftliche Stellungnahme gebeten worden. Meine Stellungnahme möchte ich auch den hochschulpolitisch interessierten Leserinnen und Lesern anbieten.
Sollte Sie Hochschulpolitik nicht interessieren, so könnten Sie ja meine Stellungnahme an Ihnen bekannte Hochschulangehörige oder mit Hochschulpolitik Befassten weiterleiten.
Ich wäre an Kritik, Anregungen und zusätzlichem Rat interessiert.
Die in der Anhörung zu erörternden Anträge der Landtagsfraktionen, geben einen Überblick über den Streitstand zu einer von der Landesregierung geplanten Novelle des NRW-Hochschulgesetzes: CDU und FDP wollen am Konzept der „unternehmerischen“ Hochschule festhalten, die Fraktion der PIRATEN wollen die Hochschulräte abschaffen und SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN suchen nach einer neuen Balance zwischen der institutionellen Autonomie der Hochschulen einerseits und der demokratischer Verantwortung des Staates sowie der Stärkung der Selbstverwaltungsorgane der Hochschule andererseits. Wolfgang Lieb.

Die Exzellenzinitiative und die Hierarchisierung des deutschen Hochschulsystems

Das große Versprechen der Exzellenzinitiative lautet: Dieser Wettbewerb wird die Leistungsfähigkeit der deutschen Wissenschaft deutlich steigern. Vor allem aus zwei Gründen ist Skepsis gegenüber dieser Aussage angebracht. Einmal ist mehr als fraglich, ob die hohe Qualität in der Breite an Deutschlands Universitäten tatsächlich bewahrt werden kann. Wenn in Universitäten aufgrund des schlechten Abschneidens im Exzellenzwettbewerb und des daraus resultierenden Rückgangs bei den Forschungsgeldern die Lehrkapazitäten hochgefahren werden, um auf diesem Wege zusätzliche Mittel zu akquirieren, muss das fast zwangsläufig zu einem Verlust an Forschungsleistung führen. Dasselbe trifft auf Universitäten zu, die wichtige Wissenschaftler an die erfolgreichere Konkurrenz abgeben müssen. Ob man solche Verluste, die für die Masse der Verlierer typisch sind, durch die Konzentration an den Siegeruniversitäten nicht nur ausgleichen, sondern sogar noch überkompensieren kann, ist doch eher unwahrscheinlich. Von Michael Hartmann [*]

Unternehmen Universität – Wie die manageriale Revolution die akademische Forschung und Lehre verändert

Die unternehmerische Universität entmachtet die wissenschaftliche und die akademische Gemeinschaft und die Fachgesellschaften als Treuhänder des Erkenntnisfortschritts im inneren Kern der Wissenschaft und der Wissensvermittlung in ihrem Außenverhältnis zur Gesellschaft. Die kollektive Suche nach Erkenntnis als Kollektivgut und der kollektive Prozess der Bildung und des Wissenstransfers in die Gesellschaft in der Hand der wissenschaftlichen und der akademischen Gemeinschaft sowie der einzelnen Fachgesellschaften wird von der privatisierten Nutzung des Erkenntnisfortschritts, der Bildung und des Wissenstransfers durch unternehmerische Universitäten im Wettbewerb um Marktanteile abgelöst. Dieser grundlegende institutionelle Wandel bedroht die innere akademische Freiheit und unterwirft Bildung und Wissenstransfer äußeren Zwecken. Er bedeutet eine zunehmende Engführung der Wissensevolution und die Schrumpfung des aus dem wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt resultierenden Erneuerungspotentials der Gesellschaft. Die Gleichschaltung aller Funktionsbereiche der Gesellschaft im Zuge der globalen Hegemonie des Marktparadigmas und der Umwandlung von Organisationen mit ganz unterschiedlichen Aufgaben in Unternehmen ist ein Beweis dafür, wie weit die Verarmung des Wissens in den Gesellschaftswissenschaften schon fortgeschritten ist.
Von Richard Münch[*]

Schavan: „Die angesehenste Bildungspolitikerin des Landes“ – Ein Meisterstück politischer Propaganda

Wenn es ums Selbstlob geht, ist Angela Merkel keine Übertreibung zu peinlich. Nachdem sie sich als Kanzlerin der „erfolgreichsten Regierung seit der Wiedervereinigung“ gepriesen hat, hat sie nun mit Annette Schavan rührselig als „die angesehenste Bildungspolitikerin des Landes“ aus dem Kabinett entlassen. Und ohne auch nur eine Sekunde über Schavans Bildungspolitik nachzusinnen, stimmen alle, von Gabriel, über Trittin bis zu Rösler, die CDU-Politiker sowieso in Merkels Lobeshymne ein. Die Medien überschlagen sich mit würdigenden Nachrufen.
Der unvermeidbare Rücktritt der Bildungsministerin wurde als politische Erfolgspropaganda inszeniert. Welche Erfolge hat Schavan der Bildung, der Wissenschaft oder der Forschung tatsächlich hinterlassen?

Ausgrenzung des hochschulpolitischen Programms des DGB aus der öffentlichen Debatte

Am Dienstag den 11. Dezember hat der DGB ein hochschulpolitisches Programm für eine demokratische und soziale Hochschule der Öffentlichkeit vorgestellt. Bis auf eine Vorabmeldung im Berliner Tagesspiegel habe ich bisher auf keiner Suchmaschine auch nur eine einzige Meldung darüber in den Medien gefunden. Nicht einmal der „Informationsdienst Wissenschaft“ (idw), wo sonst nahezu jede Presseerklärung einer einzelnen Hochschule einen Eintrag wert ist, ist bisher darauf eingegangen.
Vergleicht man diese mediale Missachtung einmal mit der Aufmerksamkeit, die beliebige Pressemeldungen zur Hochschulpolitik des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft oder ganz zu schweigen der Bertelsmann Stiftung oder der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) in den Medien auslöst, dann muss man von einer demokratischen und sozialen Ausgrenzung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) auf dem Feld der Hochschulpolitik sprechen. Eine demokratische und soziale Hochschule, wie sie die Gewerkschaften fordern, scheint für die veröffentlichte Meinung kein Thema zu sein. Von Wolfgang Lieb

Müssen Examensnoten vergleichbar sein?

98 Prozent der Biologen, und 97 Prozent der Psychologen sind gut oder sehr gut. Das kann doch nicht sein, sagt der Wissenschaftsrat, zumal nur sieben Prozent der Juristen im ersten Staatsexamen besser als befriedigend sind. Nur ein Prozent der Hochschulabsolventen schließt mit einer vier, also ausreichend ab. Wolfgang Marquardt, der Vorsitzende des Wissenschaftsrats spricht von einer Noteninflation und einer Aufweichung der Bewertungsstandards. Noten müssten untereinander vergleichbar sein, die Bewertungsmaßstäbe müssten auch zwischen den Hochschulen angeglichen werden. Warum zum Beispiel kann ein Germanistik-Student in Gießen mit einem Schnitt von 1,6 rechnen, an der Humboldt-Universität aber nur mit 2,2? Von Karl-Heinz Heinemann.

„Wissenschaftsfreiheitsgesetz“ – Freiheit für wen?

Immer wenn sich der Staat und damit auch das demokratisch legitimierte Parlament aus ihrer Verantwortung zurückziehen, wird das von den Wirtschaftsliberalen „Freiheit“ genannt. So war das beim sog. Hochschul-„Freiheits“-Gesetz des FDP-Innovationsministers Pinkwart in Nordrhein-Westfalen, so ist es auch beim Wissenschafts-„Freiheits“-Gesetz der Bundesregierung [PDF – 229 KB].
Letztlich wird unter dem Freiheitsbegriff demokratische oder wissenschaftsinterne Steuerung durch anonyme, äußere Zwänge des Wettbewerbs ersetzt. Dafür werden unternehmerische Managementprinzipien eingeführt und damit die Macht der Führungsebene gestärkt. Im Falle des Wissenschafts-„Freiheits“-Gesetzes soll Wettbewerbssteuerung vor allem über frei aushandelbare Bezahlung der „Spitzenkräfte“ stattfinden. Von Wolfgang Lieb

»Goldader« Bildung

Über den Trend zur Privatisierung, marktkonforme Hochschulen und Bologna. Interview der Zeitschrift „Forschung & Lehre“ mit Wolfgang Lieb

Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten oder Großbritannien herrschte in Deutschland lange Zeit ein breiter gesellschaftlicher Konsens, dass Bildung ein öffentliches Gut sei. Dieser Konsens scheint zu bröckeln. Fragen an einen Kritiker dieser Entwicklung über die Hintergründe, deren Gewinner und Verlierer. Hier das Interview ..

Häufig gestellte Fragen: Welche Ziele verfolgt Bertelsmann in der Hochschulpolitik?

Immer wieder werde ich zu Vorträgen an Hochschulen vor allem auch in Nordrhein-Westfalen, zu Gesprächen oder zu Interviews eingeladen. Sowohl die Anfragenden, aber vor allem auch in Diskussionen werden mir immer wieder folgende Fragen gestellt:

  • Welche Ziele verfolgt Bertelsmann in der Bildungspolitik?
  • Wie gehen Bertelsmann und CHE vor, um ihre Ziele umzusetzen?
  • Welchen Einfluss hat das CHE auf den Prozess der Ökonomisierung, speziell auf das Hochschulfreiheitsgesetz in NRW ausgeübt?

Ich will versuchen, in gebotener Kürze meine Antworten auf diese häufig gestellten Fragen zu geben. Wolfgang Lieb

Stefan Kühl: Der Sudoku-Effekt – Hochschulen im Teufelskreis der Bürokratie. Eine Streitschrift

Vergleichbarkeit, Zweigliedrigkeit, „European Credit Transfer and Accumulation System“ – kurz ECTS –, Modularisierung, Workload, Akkreditierung, Evaluation, Qualitätssicherung, das sind nur einige der Schlagworte, die sich mit einer Studienreform verbinden, die in Deutschland zusammenfassend als Bologna-Prozess bezeichnet wird.
Der Bielefelder Soziologieprofessor Stefan Kühl hat in seiner Streitschrift[*] den Versprechen der Bologna-Reform die – für manche – überraschenden negativen Folgen gegenüber gestellt. In der Einleitung seines Buches kommt er zu folgendem Resümee:
„Es bildeten sich so immer mehr die Konturen einer Kunstwährung heraus, die mit Eigenschaften des Transfers, Sammelns, Speicherns und Tauschens aufgeladen wurde. Gerade unter Planungsgesichtspunkten erhielt die Kunstwährung ECTS so eine hohe Attraktivität, weil plötzlich viele vorher eher im Dunkeln von Seminaren, Vorlesungen und Studierstuben ablaufenden Prozesse wenigstens von ihrem Zeitaufwand her berechen-, kontrollier- und planbar erschienen. Das Ergebnis war jedoch eine bis dahin nicht gekannte Komplexitätssteigerung in der Konzeption und Durchführung von Studiengängen an den Universitäten, die sich mit dem Begriff des „Sudoku-Effekts“ am besten erfassen lässt.“

10 Thesen der Kritik an Hochschulräten

Die nachfolgenden Thesen habe ich vorgetragen in einem Eingangsstatement zu einem Streitgespräch mit dem Hochschulratsvorsitzenden der Universität Paderborn und früheren Vorsitzenden des Wissenschaftsrats Prof. Dr. Winfried Schulze gestern bei der Mercator Stiftung in Essen. Professor Schulze war auch Koordinator eines „Positionspapiers der Vorsitzenden deutscher Hochschulräte [PDF – 137 KB]“, zu dem ich zum damaligen Zeitpunkt Stellung genommen habe. Von Wolfgang Lieb.

Abkehr von der „Mutter aller Reformen“: Das „Kooperationsverbot“ wird abgeschafft

Vielleicht erinnern sich manche von Ihnen noch daran, als die Vorsitzenden der sog. Föderalismuskommission, Franz Müntefering und Edmund Stoiber, die „Föderalismusreform“ als die „Mutter aller Reformen“ verkündeten. Ein Kernelement des Mitte 2006 mit zweidrittel Mehrheit von Bundestag und Bundesrat im Grundgesetz verankerten Systemwechsels war die Abschaffung des „kooperativen Föderalismus“ zugunsten eines Wettbewerbsföderalismus. Unter anderem sollte durch die Übertragung der nahezu ausschließlichen Zuständigkeit für das Hochschulwesen auf die Bundesländer ein Wettlauf zwischen den Länderregierungen in der Hochschul-„Reform“-Politik ausgelöst werden. Der Bund sollte sich aus der Bildungspolitik komplett heraushalten. Dieses „Kooperationsverbot“ zwischen Bund und Ländern soll nun zumindest in der Hochschulpolitik klammheimlich wieder abgeschafft werden. Von einem Scheitern der zugrundeliegenden Wettbewerbsideologie will allerdings niemand sprechen. Von Wolfgang Lieb.

Die Lobby der Hochschulräte kämpft um ihre Macht

Das bertelsmannsche Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) – ein maßgeblicher Propagandist der „unternehmerischen Hochschule“ und hauptverantwortlich für die Zerstörung der sich selbstverwaltenden Hochschule – spürt, dass die Hochschulräte in die Kritik geraten sind. In Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen gibt es auf politischer Ebene Überlegungen, die Hochschul-„Freiheits“-Gesetze zu novellieren und die Aufsichtsräte über die „Hochschul-Unternehmen“, wenn nicht abzuschaffen, so doch zumindest ihre Rolle als „Fachaufsicht“ in Frage zu stellen. Auch juristisch gibt es inzwischen Gutachten, die zum Ergebnis gelangen, dass zumindest das NRW-Modell der Hochschulräte weder den Anforderungen der grundgesetzlich garantierten Wissenschaftsfreiheit noch der in der Landesverfassung verankerten Selbstverwaltungsgarantie für die Hochschulen genügt.
Was liegt also näher, als dass das CHE eine Gegenoffensive startet und einige Vorsitzende von Hochschulräten ein „Positionspapier“ [PDF – 140 KB] schreiben lässt, mit dem die parlamentarische Debatte bestimmt werden soll. Bertelsmann lässt also – bildlich gesprochen – die Frösche fragen, ob der Sumpf trocken gelegt werden soll. Von Wolfgang Lieb