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Hochschulen und Wissenschaft

Korrektur zu „An den Hochschulen bleibt die „Elite“ unter sich“

In meinem Beitrag vom 15.08.08 ist mir ein Irrtum unterlaufen. Ich habe aus dem „9. Studierendensurvey“ zitiert und nicht aus dem neuen, gerade veröffentlichten „10. Studierendensurvey“ [PDF – 1.5 MB]. Das bedaure ich sehr.
Ich muss meine Kritik jedoch nur insoweit korrigieren, dass in der Presseerklärung, die das BMBF anlässlich der aktuellen Veröffentlichung herausgegeben hat, darauf hingewiesen wird, dass sich die “Schere” der sozialen Herkunft beim Hochschulzugang vergrößert hat. Allerdings sieht Ministerin Schavan die Schuld für die „akademische Selbstreproduktion“ ausschließlich bei den Schulen. Die Tatsache, dass auch die Übergangsquoten von Abiturienten an die Hochschulen von der sozialen Herkunft bestimmt werden, wird von der Bundesbildungsministerin nach wie vor ignoriert. Wolfgang Lieb

An den Hochschulen bleibt die „Elite“ unter sich

Bei der Vorstellung des „9. Studierendensurveys“ lenkt das Bundesbildungsministerium das Augenmerk vor allem die vermeintlichen Erfolge. Die zentralen Aussagen seien, dass die Studierenden mit der Qualität der Lehrveranstaltungen zunehmend zufrieden seien. Viele wünschten sich allerdings noch eine bessere Betreuung während des Studiums und beim Übergang in den Arbeitsmarkt sowie einen höheren Praxisbezug.
Unerwähnt bleibt, dass die soziale Selektion im Studium eher zugenommen hat und dass dien neuen Studienabschlüsse mit Bachelor und Master vor allem an den Universitäten an Zustimmung verloren haben. Wolfgang Lieb

Am falschen Ende gespart – 5.500 Euro pro Studierendem im Jahr

Dieser Betrag entspricht nach Angaben der Bundesregierung [PDF – 84 KB] in etwa den „jährlichen Ausgaben pro Studierenden für eigentliche Bildungsdienstleistungen“ in der Bundesrepublik Deutschland. Der Durchschnittsbetrag für die „eigentlichen Bildungsdienstleistungen“ in Höhe von 5.500 Euro ist die Berechnungsgrundlage für den Hochschulpakt, mit dem der erwartete, demografisch bedingte „Studentenberg“ bewältigt werden soll. Aus dieser Annahme lässt sich auch ablesen, in welchen Fächern eine Ausweitung der Studienplatzkapazitäten angestrebt wird, nämlich bei den „billigen“ Buchwissenschaften, wie BWL oder Jura, nicht jedoch bei den teuren Ingenieurwissenschaften oder gar in der Medizin. Wolfgang Lieb

Hochschulräte in NRW: Wirtschaft übernimmt die Kontrolle an den Hochschulen

“Eine beeindruckende Mischung von Führungspersönlichkeiten aus allen gesellschaftlichen Bereichen prägt das Bild der ersten Hochschulräte in Nordrhein-Westfalen”, erklärte Innovationsminister Pinkwart nachdem nun alle 26 öffentlich-rechtlichen Universitäten und Fachhochschulen ihre Hochschulräte besetzt haben. Knapp die Hälfte, nämlich 67 der 146 „Führungspersönlichkeiten“ kommen aus der Wirtschaft. 19 aus weiteren gesellschaftlichen Bereichen, wie Medien oder Kultur, darunter etwa der Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe, Bodo Hombach, der Chefredakteur der WAZ Ulrich Reitz oder als weitere „Prominente“ die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Barmer Ersatzkasse, Birgit Fischer. Aus „unternehmerischen Hochschulen“ werden künftig von Unternehmensführern gesteuerte Hochschulen.

„Hochschulfreiheit“ oder das Ende der Hochschulautonomie

An der Universität Siegen wird zum ersten Mal die weitgehende Entmachtung der Selbstverwaltung der Hochschulen gegenüber dem im Hochschul-„Freiheits“-Gesetz neu geschaffenen „Hochschulrat“ offenkundig. Dieser Aufsichtsrat hat ohne jede Rückkoppelung mit dem Senat der Hochschule einen neuen Präsidenten gewählt. Der Senat hat diese Wahl mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Man hatte mit der Wiederwahl des bisherigen Rektors gerechnet. Doch der Hochschulrat kann sich mit einer Zweidrittelmehrheit über dieses ablehnende Votum des Senats hinwegsetzen. „Dieses Gesetz hätte in Berlin eine Palastrevolution ausgelöst, das hätte sich keine Universität gefallen lassen“, meinte der vom Hochschulrat gewählte neue Präsident Jörg Steinbach von der TU Berlin, und weiter: „Habt Ihr alle geschlafen als das gemacht worden ist?“ Es ist schlimmer: Die Hochschulen in NRW haben mit dem Hochschul-„Freiheits“-Gesetz freiwillig auf ihre Freiheit verzichtet.

Anmerkungen zu den Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Qualitätsverbesserung von Lehre und Studium

Nach Jahren umwälzender Hochschulreformen hin zur „unternehmerischen“ Hochschule, nach einer weitgehend vollzogenen grundsätzlichen Umstrukturierung des Studiums in konsekutive Bachelor- und Masterstudiengänge im Rahmen des sog. Bologna-Prozesses, nach einer mit hohem propagandistischen Aufwand durchgeführten „Exzellenz-Initiative“ nimmt sich endlich ein wissenschaftspolitisch bedeutsames Gremium der neben der Forschung zentralen Aufgabe der Hochschulen an: der Lehre und dem Studium. Das ist für sich genommen schon ein Gewinn.

Aus vielen Feststellungen ergibt sich ein ziemlich kritisches Urteil über die zurückliegenden Reformen. Vielen Forderungen und Empfehlungen kann man nur zustimmen, sie sind allerdings altbekannt. Neues, wie die Einführung von Lehrprofessoren, ist kritisch zu bewerten. Der WR hat einen ganzen Bauchladen an unverbindlichen Vorschlägen vorgestellt, woraus sich jeder bedienen kann, ohne dass sich viel ändern dürfte. Eine Konzentration auf das Wesentliche wäre wirkungsvoller gewesen.

Studiengebührenurteil des Hessischen Staatsgerichtshofs: Chancengleichheit durch Verschuldung

Mit Wortverdreherei und juristischer Rabulistik gelingt es der Mehrheit der Richter am hessischen Verfassungsgerichtshof, den eindeutigen Wortlaut des Artikels 59 der Hessischen Landesverfassung in sein Gegenteil zu wenden. Aus der Unentgeltlichkeit des Studiums wird die Zulässigkeit des Bezahlstudiums für alle. Wer kein Geld hat, muss sich eben verschulden, dann hat er genauso viel, wie derjenige, der Geld hat. Ein klassischer Fall von Oberschichten-Justiz.

Die Verwendung von Studiengebühren in NRW – eine Studie ohne Wert

Eine wunderschön ausgewogene Studie über die „Verwendung von Studienbeiträgen an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen“ [PDF 2,6 MB] hatte „Innovationsminister“ Andreas Pinkwart in Auftrag gegeben. Auftragnehmer waren das „Deutsche Studentenwerk“, das sich um soziale Anliegen der Studierenden kümmert, und der „Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft“, der verlängerte Arm der Unternehmerverbände in Hochschule und Wissenschaft. Die Auftragnehmer der Studie mögen ausgewogen sein, allerdings ist ihre Studie ohne Wert.

Die Debatte um Studiengebühren: Die systematische Rekonstruktion eines rapiden Meinungswandels

Wie kam es eigentlich zur Einführung von Studiengebühren? Wie änderte sich die öffentliche Einstellung dazu in den letzten 15 Jahren? In dem Buch „Die Debatte um Studiengebühren“ wird versucht, Antworten auf diese Fragen zu finden. Der Autor zeichnet darin den Studiengebührendiskurs nach, indem er über 1000 Artikel aus der FAZ und der SZ untersucht, die in der Zeit zwischen 1993 und 2005 zu diesem Thema erschienen sind. Zudem führte er Interviews mit den Hauptakteuren der Debatte, um zu klären, wie diese sich den Meinungswandel erklären. Der Beitrag wurde uns vom Autor des Buches, Norbert Krause, zur Verfügung gestellt.

Bildungsreform als Herrschaftsinstrument

Kaum irgendwo wird derzeit soviel ‚Reform‘-Kraft entfaltet wie im deutschen Bildungssystem. An vielen Stellen wird reformiert, um- und neugestaltet. Die in großen Teilen hiergegen kontext-argumentativ wehrlose Linke sieht sich mit scheinbar zusammenhanglosen Versatzstücken technokratischer Modernisierung konfrontiert, die sie mit dem Ruf „Bildung ist keine Ware!“ oder mit der Forderung, mehr Arbeiterkinder sollten an die Hochschulen gelangen können, zu parieren versucht. Dabei bilden diese ‚Reformen‘ sehr wohl ein einheitliches Bild, wenn man sie aus materialistischer Perspektive betrachtet. Die linke Kritik verharrt überall dort, wo sie diese Perspektive negiert, gar zu oft in einer affirmativen Position, die nur das Bestehende verteidigt oder schützt.

Im Folgenden wird der Versuch unternommen, die Zusammenhänge zu verdeutlichen und einer neuen und weitergehenden Kritik den Boden zu bereiten. Hierzu wird zunächst der Bereich der höheren Bildung betrachtet und dann im Rahmen einer Gesamtperspektive auch der Primar- und Sekundarbereich.
Jens Wernicke hat uns diesen Beitrag zur Verfügung gestellt.

Stellungnahme zu den Gesetzentwürfen der hessischen Landtagsfraktionen zum Thema Studiengebühren

Nach der Landtagswahl vom 27. 1. 2008 ergibt sich in Hessen eine rechnerische Mehrheit für die Abschaffung der in der vergangenen Legislaturperiode eingeführten Studiengebühren, die juristisch inkorrekt Studienbeiträge genannt werden.

Zu diesem Thema liegen zwei Gesetzentwürfe vor, die in der Tat die Abschaffung der Studiengebühren zum Gegenstand haben und nur mit unterschiedlichen Überschriften versehen sind, nämlich die Entwürfe von SPD und Bündnis 90/Die Grünen einerseits und Die Linke andererseits. Demgegenüber will der Entwurf der FDP die Entscheidung über die Beibehaltung der Studiengebühren den hessischen Hochschulen überlassen und nach nordrhein-westfälischem Vorbild lediglich eine Obergrenze von 500 € pro Semester einziehen. Professor Bernhard Nagel stellt uns seine Stellungnahme zu den Gesetzentwürfen zur Verfügung.
Mehr: [PDF – 32 KB]

„Branding“ von Hochschulen

Was vor wenigen Jahren bei Naomi Klein in ihrem zum modernen Klassiker der globalisierungskritischen Bewegung gewordenen Buch „No Logo!“ noch wie Ge-schichten aus dem fernen Amerika klang, wird zunehmend Realität – auch an Hochschulen in Deutschland: „Das Branding des Lernens“. Ein augenfälliges Beispiel hierfür ist der so genannte „Campus Contest 2008“, der vom Modelabel QS der Firma S.Oliver (Bernd Freier GmbH & Co. KG) erfunden, gestaltet und finanziell unterstützt wird. Von Carsten Müller

Die Dialektik der bürgerlichen Revolte der 68er

Die Studierendenrevolte der „68er“ ist mythenumrankt. Während von konservativer Seite, der sich unlängst auch Götz Aly hinzugesellt hat [1], aktuell versucht wird, die damals junge Generation als „Linksfaschisten“ zu konstruieren, die vor allem von Größenwahn, Lust an Veränderung und Gewalt getrieben waren, neigen einige Linke dazu, die Geschehnisse der späten 60er Jahre auf andere Art und Weise zu verklären: die große, starke, linke Bewegung von einst hätte, so meinen sie, nicht nur zahllose Erfolge verbucht, sondern auch etliche Helden hervorgebracht. Es sei an der Zeit, deren Arbeit fortzusetzen, die Voraussetzungen hierfür seien ideal da die gesellschaftliche Situation heute der damaligen wesensgleich [2]. Kaum etwas davon trifft zu. Von Jens Wernicke, Klemens Himpele und Dominik Düber.

Die Wüste wächst – Über die Selbstzerstörung der deutschen Universität

Vortrag an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn auf Einladung des Kritischen Gesprächskreises an der Universität Bonn (KGK), in Zusammenarbeit mit dem Studium Universale, am 23. Januar 2008 von Peter J. Brenner, Professor für Neuere deutsche Literaturgeschichte und Fakultätsbeauftragter für Qualitätsmanagement an der Philosophischen Universität der Universität zu Köln sowie Leiter des privaten Instituts für Medienevaluation, Schulentwicklung und Wissenschaftsberatung.