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Wertedebatte

Das sind unsere Eliten – Ein Video von der Abschiedsfeier des gerade wegen Insiderhandels verurteilten Chefs von Freenet

In dem verlinkten Video sehen Sie den eben auf Druck von Aktionären zurückgetretenen Vorstandsvorsitzenden der freenet AG Eckhard Spoerr, der auf eine Strafanzeige hin am vergangenen Freitag vom Landgericht Hamburg wegen Insiderhandels verurteilt wurde. Spoerr und der noch amtierende Finanzvorstand Axel Krieger gehen zwar in Revision, doch wird diese nach Ansicht von Experten scheitern. Sehenswert als Schlaglicht auf den „Charakter“ unserer Führungskräfte. Albrecht Müller.

Mantel oder Kürbis?

Halloween mehrt seit Jahren seinen Anspruch, auch als eine Festlichkeit der Deutschen zu gelten. Mehr und mehr findet dieses Fest Einzug in den Kalender der hier lebenden Menschen – und dies, obwohl es keinerlei Tradition gibt, auf die sich dieses Fest stützen könnte. Eine andere Festlichkeit schwindet währenddessen, wird verstärkt ausgehöhlt oder einfach verworfen – der Martinstag. Dass ein Fest obsiegt, während ein anderes ins Hintertreffen gerät, ist natürlich kein einzigartiges Phänomen, zumal die beiden erwähnten Festtage zeitlich eng zusammenfallen. Und wenn man bedenkt, dass es beispielsweise im Ingolstädter Raum Kindergärten geben soll, die ganz basisdemokratisch die Kinderchen fragen, ob sie denn lieber dem heiligen Martin huldigen oder um einen Kürbis tanzen wollen, dann braucht man sich auch nicht mehr wundern, dass der Martinstag langsam aber sicher zum Relikt anderer, vergangener Tage wird. Von Roberto De Lapuente

Das Fundament des elitären Klassenbewusstseins

Ist eine Gesellschaft, die offen von “sozial Schwachen” und “bildungsfernen Schichten” spricht, eingebettet in ein sozialdarwinistisches Fundament? Meint eine solche Gesellschaft etwa damit, dass Armut und mangelnde Bildung vererbte Mängel sind? Oder handelt es sich bei solchen und ähnlichen Begrifflichkeiten nur um unglücklich gewählte Wortkonstrukte?
Von Roberto De Lapuente

Nur der Irre übt Kritik

Wer nicht mit dem Massenstrom schwimmt, wer sogar noch versucht ist, gegen die Strömung anzuschwimmen, quasi einen Wasserfall von unten nach oben bezwingen möchte, dem macht man es gemeinhin schwer. Schlimmer noch, man erklärt solche Zeitgenossen dann und wann für geistig verwirrt, verschroben, vielleicht psychisch schwer angeschlagen, weswegen er die Segnungen des Massenspektakels nicht beherzigen will. Wenn einer nicht tut was alle tun, dann kann er nicht sein wie alle – und wenn sich diese Allgemeinheit als höchst vernünftig und weltzugewandt bezeichnet, vereinfachend gesagt als “normal” wahrnimmt, dann muß derjenige, der nicht gerne in der Wanne der Allgemeinheit badet, höchst unvernünftig, weltfremd und damit “unnormal” sein. Und da man heute vornehm ist, da man niemanden der Idiotie bezichtigen will, strickt man sich daraus das Szenario, wonach der Entgegenschwimmer ein neurotischer Notfall sei, der eigentlich anders wäre, wenn es ihm seine gesundheitlichen Zustände nur erlaubten.

Ein Beitrag einer Pfarrerin mitten aus Recklinghausen zu „Unternehmerisches Handeln in Evangelischer Perspektive“

Wir hatten schon auf die Denkschrift der EKD hingewiesen – am 17. Juli 2008 mit dem Beitrag ‚Vergessen: „Vorrang der Arbeit vor dem Kapital“ und mit Hinweis Nr. 11 vom 22.7. „Bischof der Bosse“ aus „junge Welt“: Zum gleichen Thema schrieb Silke Niemeyer, Pfarrerin in der Altstadtkirchengemeinde Recklinghausen, einen Hörer-Brief an den WDR. Weil der Brief selbst und die Entwicklung der EKD interessant sind, geben wir diesen Beitrag in der Rubrik „Andere interessante Beiträge“ wieder.

Vergessen: „Vorrang der Arbeit vor dem Kapital“

Das hatte vor wenigen Jahren jedenfalls der jetzige Ratsvorsitzende der EKD Wolfgang Huber noch eingefordert. Davon ist jetzt keine Rede mehr in einer Denkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, die von der Kammer für soziale Ordnung erarbeitet wurde. Ihr Titel: „Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive.“ In diesem Text hat sich die Arbeitgeberseite der Mitglieder der Kammer durchgesetzt. Dr. Franz Segbers hat diese Denkschrift für Publik Forum kommentiert. Die Denkschrift ist im download [PDF – 488 KB] verfügbar:

Springer und der „Fußballkrieg“, oder: Wie der Springer-Verlag die Polen und die Deutschen aufeinander hetzt

In den Unternehmensgrundsätzen der Axel Springer AG
wird als erstes Essential für die publizistische Ausrichtung genannt: „Das unbedingte Eintreten für … die Förderung der Einigungsbemühungen der Völker Europas“. Wie es um diese „Förderung der Einigungsbemühungen“ bestellt ist, wenn es um Auflage und damit um Geld geht, beweisen die publizistischen Hetztiraden, zwischen dem 2003 von Springer aufgekauften Blatt „Fakt“ und Springers „Bild“ im Vorfeld des EM-Spiels, mit denen neuer Hass zwischen Polen und Deutschen gesät wurde. Wolfgang Lieb

Der “Frankfurter ZukunftsRat” fordert politische Sonderrechte für Eliten

Es ist eine erklärte Strategie unternehmensnaher Stiftungen und Vereine, politische Entscheidungen der öffentlichen Debatte zu entziehen. Was in einer parlamentarischen Demokratie als Stoff gegensätzlicher Positionierungen der Parteien vorgesehen ist, wird von einer Beraterlobby zum Fachdiskurs erklärt, der auch nur von Fachleuten verhandelt werden könne. Im Falle des “Frankfurter ZukunftsRat” wurde ein neuartiges, populistisches Organ geschaffen, das ethische und moralische Überlegenheit für sich behauptet. Unter dem Deckmantel fachlicher Kompetenz wurden bereits jetzt Ziele festgelegt, die kaum über das Gedankengut der finanzierenden Wirtschaftslobbyisten hinausgehen.
Beitrag eines Lesers, der aus persönlichen Gründen nicht genannt werden möchte.

Steuerhinterziehung – ein Spiegelbild gesellschaftlicher Verhältnisse

Steuerbetrug und obskure Konten in Liechtenstein oder anderen „Steueroasen“ sind kein neues Phänomen. Schon Anfang der 80er Jahren wurden z.B. über 20 Millionen Mark von der Hessen-CDU als „jüdisches Vermächtnis“ auf ein Geheimkonto des Schweizer Bankenvereins transferiert. Die Rechnungshöfe beklagen seit Jahren: „Dem Fiskus entgehen durch nationale und internationale Betrugsdelikte im Bereich der Umsatzsteuer jährlich zweistellige Milliardenbeträge“, so etwa in der Unterrichtung des Bundestags durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes (Drucksache 15/1495 [PDF – 268 KB]) vom September 2003. Auf 30 Milliarden Euro veranschlagt der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, das Volumen der jährlichen Steuerhinterziehung in Deutschland (Süddeutsche Zeitung vom 18.02.08). Gar auf 70 bis 100 Milliarden werden die Einnahmeverluste durch Steuerhinterziehung in einer Veröffentlichung der Memo-Gruppe geschätzt [PDF – 172 KB]. Selbst Bundesfinanzminister Steinbrück gesteht ein: “Wenn es nicht ein solches Ausmaß an Steuerhinterziehung in Deutschland gäbe, könnte ich die Steuersätze senken” (taz v. 5.3.08). Warum wurde aus einem angeblichen „Volkssport“ plötzlich ein Skandal? Wolfgang Lieb

Tod auf dem Hochsitz

Vor einigen Tagen meldeten die Medien, dass sich ein 58 Jahre alter Mann auf einem Hochsitz zu Tode gehungert hat. Er hinterließ ein Tagebuch, in dem er sein Sterben dokumentierte. Weiter heißt es: „Aus dem in blaues Plastik eingebundenen Büchlein geht hervor, dass der frühere Außendienstler schon länger arbeitslos war. Seine Ehe sei gescheitert, seine erwachsene Tochter habe sich von ihm losgesagt“. Er bekam kein Arbeitslosengeld mehr. Er musste seine Wohnung räumen. Er hätte Hartz IV beantragen können, tat dies aber nicht, so dass er völlig ohne Geld dastand. Das Tagebuch des Toten wird an seine Tochter geschickt. Der Tote hatte in dem Büchlein darum gebeten.

Soweit die Meldung. Was mag in dem Büchlein gestanden haben? Vielleicht das Folgende.
Von Joke Frerichs.

FAZ liefert ein Gaunerbrevier für Steuerhinterzieher

„Die deutsche Finanzverwaltung macht mobil…Der Grund: Die Jagd auf Bundesbürger, die ihr Geld ins steuerschonende Ausland gebracht haben oder „vergessen“ haben, Spekulationsgewinne und andere Kapitalerträge zu versteuern. Viele Sünder sehen ihre Rettung in einer so genannten Selbstanzeige nach § 371 Abgabenordnung (AO). Diese ist für viele Betroffene eine beliebte Möglichkeit, beim Fiskus „reinen Tisch“ zu machen und einer Bestrafung zu entgehen. Doch was muss man dabei beachten? Die steuerliche Selbstanzeige entpuppt sich in der Praxis als Minenfeld.“ So beginnt ein Beitrag der FAZ vom 15.2.08 unter der Überschrift „Sieben Tipps für eine steuerliche Selbstanzeige“.
Der eitle Werbetext der FAZ „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“ sollte zutreffender lauten: Dahinter steckt häufig ein krimineller Kopf. Sonst wäre die Häufung von Beiträgen mit Tipps für Steuerhinterzieher wohl kaum zu erklären. Wolfgang Lieb

Mindestlohn und Maximalgehalt

Zurzeit findet in Deutschland eine äußerst interessante Debatte statt, bei der es offenbar um zwei Seiten der gleichen Medaille geht. Auf der einen Seite wird heftig diskutiert, ob sich Deutschland einen Mindestlohn leisten kann, auf der anderen stehen die nach Meinung der meisten Beobachter weit überzogenen Gehälter vieler Vorstandsmitglieder in der öffentlichen Kritik. Heiner Flassbeck hat uns diesen Beitrag aus WuM, Januar 2008, zur Verfügung gestellt.

Heiner Flassbeck zum Tarifkonflikt im Öffentlichen Dienst: Der Wert der Arbeit

Wenn die Tarifrunde der öffentlichen Dienstes in den nächsten Wochen in die heiße Phase gerät und eine durch die letzten Landtagswahlen gestärkte SPD lauter nach einem Mindestlohn ruft, wird sich wieder die alte Frage stellen, was Arbeit eigentlich wert ist. Auf diese für unsere Wirtschaft fundamentale Frage hat die herrschende Lehre von der Ökonomie leider nur eine sehr unbefriedigende Antwort gegeben. Man sagt, Arbeit sei genau so viel wert, wie der letzte eingesetzte Arbeiter produziert. Der Lohn pro Stunde müsse in einem funktionierenden Markt immer der Produktivität pro Stunde entsprechen. Sei er höher, sei Arbeitslosigkeit unvermeidlich. Für den öffentlichen Dienst und viele andere Menschen, die in Dienstleistungsberufen arbeiten, ist das eine frustrierende Vorstellung.
Diesen am 31.01.08 im Rheinischen Merkur erschienen Artikel hat uns Heiner Flassbeck zur Verfügung gestellt.

„Die Vision des Neoliberalismus widerspricht entscheidenden Anforderungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes“

Das ist einer der Kernsätze eines Essays von Wieland Hempel, den wir Ihnen zur Lektüre und zur Diskussion empfehlen. Unser Autor, Ministerialbeamter und ausgewiesen im Verfassungsrecht, unternimmt es, die herrschende neoliberale Politik am unveränderbaren Kern des Grundgesetzes zu messen. Sein Befund bestätigt die häufig diffuse Vermutung, dass die neoliberalen “Reformen” auf eine andere Republik zielen. Albrecht Müller.

2008 – 40 Jahre 68er

Das Jahr 1968 als das Attentat auf Rudi Dutschke militante Proteste und eine Blockade des Axel-Springer-Verlages und Unruhen in der gesamten Republik auslöste, wird von vielen zu einer Zeitenwende in der Geschichte der alten Bundesrepublik, ja geradezu zu einem Mythos stilisiert. 2008 liegt dieses Datum 40 Jahre zurück und man muss befürchten, dass sich zahllose selbsternannte „Zeithistoriker“ über die 68er auslassen werden. Es dürfte Bücher, Zeitungsartikel und Talk-Shows en masse geben und selbst die Filmbranche wird ihre alten Schinken nochmals ins Kino bringen.
Für mich als Angehörigen dieser sog. 68er reden und schreiben allzu viele, die sich über dieses Thema auslassen, wie Blinde über die Farbe, die meisten projizieren nur ihre eigene Gesinnung oder ihre Vorurteile in die damalige Bewegung hinein. Wolfgang Lieb