Beim „Bildungsgipfel“ der Bundesbildungsministerin machten sich die Bundesländer fast komplett rar, obwohl sie beim Thema das Sagen haben. Deutlicher lässt sich der Geringschätzung der Interessen von Kindern, Jugendlichen, Lehrkräften und Erzieherinnen kaum Ausdruck verleihen. So betrachtet war der Boykott ein Akt der Ehrlichkeit. Um Bildung im besten Sinne geht es in der „Bildungsrepublik“ ohnedies längst nicht mehr. Ein Kommentar von Ralf Wurzbacher.
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Am vergangenen Samstag wurde in der Nähe der Stadt Freudenberg ein zwölfjähriges Mädchen auf dem Nachhauseweg ermordet. Unter Verdacht stehen zwei Mädchen im Alter von zwölf und 13 Jahren. In der Berichterstattung unserer Medien wird die Frage nach der Gewaltbereitschaft und ihren Ursachen (noch) nicht umfassend gestellt. Dabei läge es nahe, angesichts der Inflation von Morden im Fernsehen die Frage nach der Gewöhnung an diese Art von Gewalt zu stellen. Die Antwort ist nicht leicht, jedenfalls ist der Zusammenhang nicht linear: viele Morde im Fernsehen – viele Morde im Alltag. Aber ein bisschen selbstkritische Diskussion würde man sich doch wünschen, zum Beispiel auch über die Frage, welche Bedeutung der sogenannte Urknall, der Einzug des kommerziellen Fernsehens im Jahre 1984, für die weitere Entwicklung hatte. Das wird verdrängt. Weil es nicht in den ökonomischen Kram passt. Vielleicht sprechen Sie ja in Ihrem Freundes- und Familienkreis über die Zusammenhänge. Für diesen Zweck habe ich ein bisschen Material herausgesucht. Albrecht Müller.
In ihrer Unfähigkeit, die kulturelle Bedingtheit des eigenen Denkens zu reflektieren, weltpolitische Ereignisse unvoreingenommen in einem umfassenden Zusammenhang zu erkennen, die Legitimation des politischen Handelns mit höheren Werten als längst überholt zu begreifen, verwandelt die westliche Wertegemeinschaft die Notwendigkeit des gesellschaftlichen Zusammenhalts in eine aus den vergangenen Herrschaftssystemen vertraute Selbstmanipulation. Eine philosophisch-ironische Analyse von Pentti Turpeinen.
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Als Dokument der Zeitgeschichte empfehle ich Ihnen heute das – wie ich fand – eindrucksvolle Buch von Ernst Toller. Ich habe es während des Studiums in München gelesen. Aber man muss nicht in München leben, um diese Biografie zu schätzen:
Der Westen lässt keine Gelegenheit aus, seine angebliche zivilisatorische Überlegenheit zu verlautbaren. Mit dem Ende des Kalten Krieges hat der westliche Liberalismus gewonnen – weltweit und für immer, so die Überzeugung seiner Protagonisten. Die USA riefen nach dem Ende der bipolaren eine „neue Weltordnung“ aus, die faktisch die „Pax Americana“ sein sollte – also die einzig von den USA geformte und dominierte politische und ökonomische Weltordnung. Wer sich nicht so recht von den westlichen Werten und Ordnungsvorstellungen begeistern ließ und lässt, bei dem wurde und wird auch schon mal mit militärischen Mitteln nachgeholfen, alles natürlich im Namen der Menschenrechte. Von Dr. Alexander Neu.
Warum sollte man sich als politisch interessierter Mensch für Superyachten interessieren und ein Buch darüber lesen? Weil Superyachten ein gesellschaftliches Symptom sind, mit dem man ein sehr aussagekräftiges Bild über die kapitalistische Weltordnung zeichnen kann. Aus diesem Grund hat sich unser Autor Udo Brandes mit dem Buch „Superyachten. Luxus und Stille im Kapitalozän“ des französischen Soziologen und Politikwissenschaftlers Grégory Salle befasst. Sie werden vielleicht sagen: Das hatten wir doch schon am Dienstag. Stimmt. Da ist uns eine Panne passiert. Diese Rezension haben wir doppelt vergeben. Aber so kommen Sie in den Genuss, zwei verschiedene Sichtweisen auf dieses Buch kennenzulernen.
Der Soziologe Grégory Salle konstatiert: „Eine Handvoll Superreicher amüsiert sich auf dem Meer – na und? Na und: alles!“ In seinem geistreichen und unterhaltsamen Essay über die Luxusboote der Hypervermögenden fordert er, deren Treiben auf den Wassern der Welt ernst zu nehmen und nicht als Marotte von Durchgeknallten abzutun. Denn die Kehrseite grenzenloser Mobilität und exklusiven Geltungskonsums der Wenigen sind die Ausbeutung, Unterdrückung und Armut von Milliarden Systemopfern, postuliert der Franzose. Recht hat er und ein lehrreiches Stück vorgelegt. Ralf Wurzbacher stellt es vor.
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In der Überzeugung, dass sich die qualitative und quantitative Beschaffenheit der sich abzeichnenden zukünftigen Entwicklungen besonders gut durch Vergleiche mit früheren Gegebenheiten beurteilen lässt, soll zunächst – beginnend mit den „fetten Jahren“ der Nachkriegszeit – ein Blick auf die einstmals üblichen Lebensbedingungen geworfen werden. Zwar sind die eigenen diesbezüglichen Erfahrungen weitgehend auf die damalige BRD beschränkt, dürften aber dennoch ausreichen, um das Ausmaß der strukturellen Veränderungen einschließlich der daraus resultierenden Umgestaltungen des alltäglichen Lebens zu veranschaulichen. Dabei versteht es sich von selbst, dass die hier aus Gründen der Übersichtlichkeit getrennt voneinander dargestellten Epochen in Wirklichkeit fließend ineinander übergegangen sind und dementsprechend nicht mit einer klaren zeitlichen Zuordnung versehen werden können. Dem als Zeitzeugenbericht angelegten ersten Teil dieses Artikels (Retrospektive) folgt ein zweiter Teil (Machtkampf), in dem es um den Versuch einer Ausleuchtung der im Hintergrund wirkenden Kräfte und deren zukünftige Absichten geht. Für beide Teile gilt, dass schon allein aus Platzgründen nicht auf alle der hierfür in Frage kommenden Einzelthemen eingegangen werden kann. Von Magda von Garrel.
„Du sollst nicht töten!“ Dieses Gebot gilt weltweit. Sieht ein Staat in seiner Rechtsordnung aber die Todesstrafe vor, ist die Tötung legitimiert. Ein Grundwiderspruch, der besteht, solange es die Todesstrafe gibt. Doch die historischen Legitimations-Argumente verlieren – zumindest in der westlichen Welt – an Zustimmung. Von Helmut Ortner.
Interessant, wie vieles zur Normalität gemacht werden kann, das noch vor einiger Zeit undenkbar war. Die Wehrbeauftragte fordert, so eine Tagesnachricht, die Aufstockung des Verteidigungsetats um zehn Milliarden und feste Finanzzusagen für die Rüstungsindustrie, weil diese Planbarkeit brauche.[1] Die Bundesrepublik unterstützt massiv ein Land mit Waffenlieferungen, militärischen Ausbildungsprogrammen und Finanzhilfen, dem gegenüber keine Bündnisverpflichtungen bestehen, ein Land, das mit seiner Politik einen Krieg provoziert hat[2] und Verhandlungen mit dem Aggressor verweigert. Nur weitere Waffenlieferungen infrage zu stellen, das haben einige gewagt. Von Georg Auernheimer.
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Seit der Eskalation des militärischen Feldzuges gegen China in den 1930er Jahren hatten der Generalstab und das Heeresministerium der Kaiserlich Japanischen Armee u.a. angeordnet, dass sich unverheiratete Mädchen und Frauen zum dreijährigen Dienst in einer japanischen Militärfabrik melden sollten. Die Koreanerin Hwang Kum-Ju folgte wie zahlreiche andere Mädchen und Frauen diesem Aufruf. Sie wollten Geld verdienen und so ihre Familien unterstützen. Sechs Jahre, von 1939 bis 1945, verbrachte Frau Hwang in der Mandschurei – nicht freiwillig in einer Fabrik, sondern als Zwangsprostituierte in japanischen Militärbordellen. Hwang Kum-Ju (1922-2013) war die zweite Koreanerin, die öffentlich auf ihr Schicksal aufmerksam machte. Unser Ost- und Südostasienexperte Rainer Werning hatte die Möglichkeit, Frau Hwang in den Jahren 2001 und 2003 in der südkoreanischen Metropole Seoul zu besuchen und zu interviewen. Aus mehrstündigen Gesprächen entstand ein beklemmendes Zeitdokument, das die NachDenkSeiten im Rahmen einer von Rainer Werning am 7. Januar begonnenen Serie anlässlich des 70. Jahrestags des Endes des Koreakrieges publizieren.
Mit dem Auftritt der Grünen auf der politischen Arena zu Beginn der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts bekam die Debatte um Umweltschutz einen bemerkenswerten Schub. Begonnen hat sie damit nicht. Sie begann in Westdeutschland mit Anmerkungen des damaligen Oppositionsführers Willy Brandt Anfang der Sechzigerjahre und erhielt dann wichtige Akzente mit einer Konferenz der IG Metall in Oberhausen. Dort hat der SPD-Politiker Erhard Eppler eine wichtige Rede gehalten. Ihr Thema: Die Qualität des Lebens. – Ich habe diese Rede in meinem Archiv gefunden und dokumentiere sie hiermit.
Das schwere Erdbeben, das am vergangenen Montagmorgen das türkisch-syrische Grenzgebiet erschütterte, hat Reliefweb zufolge bis zu 15.000 Menschenleben gefordert. Die Zahl der Verletzten wird von dem UN-Portal, das über humanitäre Hilfe weltweit berichtet, mit mehr als 30.000 angegeben. Doch mit jeder Stunde steigen die Opferzahlen und die Schäden werden deutlich. Sowohl in der Türkei als auch in Syrien sprachen Überlebende davon, dass sie an den Weltuntergang dachten, als die Erde unter ihnen bebte und ihre Heimat, ihre Nachbarschaft, ihre Familien, ihren Alltag, ihr Lebenswerk und alle Pläne zerstörte. Das Erdbeben ist für die Menschen jenseits aller Grenzen eine schreckliche Erfahrung und eine schwere Belastung. Für das kriegszerstörte, international vom Westen politisch, wirtschaftlich und medial blockierte Syrien ist die Last dennoch größer. Krieg und Wirtschaftskrieg, Flucht und Vertreibung, Tod und Zerstörung – Syrien hat seit 2011 alles verloren, was es aus eigener Kraft aufgebaut hatte. Bei der international versprochenen Hilfe für die Menschen in den verwüsteten Gebieten werden große Unterschiede deutlich. USA, EU und auch die Bundesregierung verteilen ihre Hilfe selektiv. Von Karin Leukefeld.
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Mit großer Doppelmoral sollen Auftritte von „umstrittenen“ Künstlern verhindert werden – teils mit offen politischer oder gar rassistischer Argumentation. Diese Versuche der Zensur sind auch deswegen so erfolgreich, weil viele Veranstalter schnell einknicken. Darum ist die aktuelle Reaktion eines Festivals, das die Versuche der politischen Einmischung auch endlich mal zurückweist, sehr erfreulich. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
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Der öffentlich-rechtliche Deutschlandfunk (DLF) hat in seiner Sendung „Informationen am Abend“ (30.01.2023) einen Beitrag „Von Argentinien nach Chile – Bundeskanzler Scholz auf Südamerika-Reise“ ausgestrahlt. Als regelmäßiger Hörer ärgerte ich mich dabei über das Fehlen wichtiger Informationen und Hintergründe der Nöte der Länder Argentinien und Chile, zudem fiel mir eine Zweigleisigkeit unangenehm auf: Zum einen präsentierte sich der deutsche Regierungschef als Menschenrechtsversteher, als Mahner vor Diktaturen und Gewaltherrschaften. Mir kamen schon ob dieser Worte Fragen zur Rolle von uns Deutschen. Schnell wurde mir zuhörend deutlich, weswegen Olaf Scholz mit einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation eigentlich nach Südamerika geflogen war: Rohstoffe und Geschäfte. Meine Schlussfolgerung: Immer wieder grüßt das Murmeltier. Der Westen, also auch wir, zeigt Interesse am Süden, wenn es was zu holen gibt. Die Medien zeichnen dazu begleitend nicht das ganze Bild. Ein Kommentar von Frank Blenz.
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