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Markt und Staat

Cornelia Heintze: Bildung und Gesundheit als öffentliche Güter – ein Vergleich zwischen Deutschland und skandinavischen Ländern

In einer Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung [PDF – 3.8 MB] werden Finanzierung, Wohlfahrtsergebnisse und Beschäftigungsrelevanz miteinander verglichen.
Statt allgemein über Bildung als Investition in die Zukunft oder abstrakt über den „vorsorgenden Sozialstaat“ zu reden, brauchte man nur die Praxis in Skandinavien anzuschauen. Wolfgang Lieb

Heiner Flassbeck: Finanzmärkte an die Kandare!

Wovor ich im Mai an dieser Stelle gewarnt hatte, ist nun schon eingetreten: Der Luftballon, der von Spekulationen am amerikanischen Hypothekenmarkt aufgeblasen worden war, ist geplatzt. Das ist nicht verwunderlich an einem Markt, der, wann immer der Staat glaubt, sich zurückziehen zu können, an seiner eigenen absurden Dynamik zugrunde geht. Erstaunlich ist nur, wie viele scheinbar seriöse Banker in diesem Kasino waren und sich die Finger verbrannt haben. Mehr als erstaunlich ist auch, dass die großen Marktstrategen, die über viele Jahre nichts Besseres zu tun hatten, als den Staat auszuhungern und ihm jede Kompetenz im Finanzbereich abzusprechen, immer sofort nach dem Staat und seiner Zentralbank schreien, wenn’s ernst wird. Beim Geldverdienen wollen sie gerne allein gelassen werden, beim Geldverlieren wollen sie immer sofort den Steuerzahler beteiligen.

Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes – Der Staat zieht sich zurück, der Wettbewerb steuert

Die Bundesregierung will das Hochschulrahmengesetz (HRG) aufheben und damit ein Signal geben, “die Hochschulen zugunsten von mehr Wettbewerb aus der staatlichen Detailsteuerung zu entlassen”. In einem Gesetzentwurf [PDF – 88 KB] schreibt sie weiter, mit der Reform seien unter anderem die Rahmengesetzgebungskompetenzen des Bundes für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens und für die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder stehenden Personen entfallen. Mit dem Pathos von „Freiheit und Autonomie“ werden nun die Hochschulen dem „unternehmerischen“ Wettbewerb auf dem Ausbildungs- und Wissenschaftsmarkt entlassen. Der Staat entledigt sich seiner grundgesetzlichen Pflicht die Freiheit der Wissenschaft der Wissenschaft zu garantieren. Wolfgang Lieb.

Der Bologna-Prozess für einen „Europäischen Hochschulraum“ – oder wie ein europäischer Traum an der Wettbewerbsideologie zerplatzte

Der Aufsatz von Dieter Lemke „Lernen im Gleichschritt“ hat mich in meiner Kritik bestätigt, die ich seit längerer Zeit am Hochschulreformprozess hin zur „unternehmerischen“ Hochschule übe. Lemke endet mit dem Satz „Schade, dass der Name Bologna nun auch zum Symbol für das Begräbnis der Europäischen Universität geworden ist!“ So sehe ich das auch.
Die Bologna-Erklärung für einen „Europäischen Hochschulraum“ ist 1999 von 31 europäischen Bildungsministern unterzeichnet wurde. Ich war bis zum Jahre 2000 Staatssekretär im Nordrhein-Westfälischen Wissenschaftsministerium und habe deshalb die Diskussion um diese Erklärung mitverfolgt, ja sogar mitbegleitet. Aus heutiger Sicht muss ich enttäuscht feststellen, dass die Visionen und Hoffnungen, die ich zu Beginn damit verbunden habe, im Verlauf des Bologna-Prozesses geradezu pervertiert worden sind. Wolfgang Lieb

Allmählich wächst der Widerstand der Hochschullehrer gegen die „unternehmerische“ Freiheit

Mit harscher Kritik an der hessischen Hochschulpolitik haben sich die Professoren des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Frankfurter Uni an die Öffentlichkeit gewandt, berichtet die FAZ vom 2. August 2007 auf Seite 4: Die den Hochschulen vom Wissenschaftsministerium zugewiesene Autonomie sei nicht bei den Professoren angekommen. Moderne Wissenschaftspolitik sehe in den Universitäten Wirtschaftsunternehmen und verabschiede sich aus der Verantwortung für die Ausstattung der Hochschulen mit der Empfehlung, sich Drittmittel zu beschaffen. Wolfgang Lieb.

Der Zug der Lemminge – Hochschulen unter dem Druck der Lissabon Strategie

Rückzug des Staates, Wettbewerb, Top-Management kontrolliert von einem Aufsichtsrat, Profilbildung, Evaluierung und Akkreditierung so kann man die die Kriterien zusammenfassen, an Hand deren eine Studie im Auftrag der Europäischen Kommission die Hochulentwicklung der letzten 10 Jahre in 32 Staaten mit einander vergleicht.
Interessant ist dabei, dass dabei wie selbstverständlich und völlig unkritisch ziemlich exakt die „Governance“-Strukturen miteinander verglichen werden, die das Centrum für Hochschulentwicklung“ (CHE) der Bertelsmann Stiftung seit Jahren der Wissenschaftspolitik in Deutschland andient.
Auf Kommando der Lissabon Strategie der EU sollen offenbar sämtliche europäischen Staaten und alle Hochschulen ihre bisherigen Paradigmen abwerfen und den Zielvorstellungen der „unternehmerischen“ Hochschule geradezu besinnunglos hinterherjagen. Wolfgang Lieb.

Young Leaders Akademie – auch ein Teil des reaktionären Netzes

Mich erreichte eine interessante Mail eines aufgeweckten jungen Menschen, der an einem Treffen der genannten Akademie teilnahm. Den doktrinären Charakter dieser Einrichtung kennen sicher viele Schüler/innen und Lehrer/innen nicht. Machen Sie in Ihrem Bekanntenkreis bitte darauf aufmerksam, damit sich die eingeladenen jungen Leute vorbereiten können. Es folgt die Mail an die Redaktion der NachDenkSeiten.

„Gründerpreis“ an Reinhard Mohn für den „konsequenten und fruchtbaren Transfer erfolgreicher Wirtschaftsprinzipien auf das Gemeinwesen“

Für das, was wir in unserer Rubrik „Krake Bertelsmann“ Reinhard Mohn und seine Stiftung seit langem kritisieren, erhält er nun den von seiner eigenen Zeitschrift, dem „stern“, den Sparkassen, dem ZDF und von Porsche ausgelobten „Gründerpreis“. Was wir mühselig analysiert haben und wofür wir den Vorwurf kassiert haben, wir seien „Verschwörungstheoretiker, bestätigten uns nun die Juroren des Gründerpreises ganz unverblümt. Dass es eine durch nichts anderem als durch Geld legitimierte Stiftung schaffen kann, die wichtigsten Politikfelder nach den unternehmerischen Prinzipien des Unternehmenspatriarchen Mohn umzubauen, wird nicht etwa als eine Bedrohung, des Parlamentarismus und als Niederlage des Parteienstaates, ja als Gefahr für die Demokratie angesehen, sondern auch noch als Dienst am Gemeinwesen hochgejubelt. So feiern also die im Kuratorium versammelten „namhaften“ Unternehmenspersönlichkeiten sich gegenseitig selbst, der Bundeswirtschaftsminister spendiert dafür noch Geld des Steuerzahlers und Phoenix überträgt auf Kosten des Gebührenzahlers. Wolfgang Lieb.

Staatsquote sinkt wie noch nie. Und das BMF will noch weiter senken.

Die Staatsquote ging von 49,3% im Spitzenjahr 1996 auf 45,6% in 2006 zurück. In der Eurozone haben nur noch Irland, Spanien und Luxemburg niedrigere Quoten. Das geht aus einer Vorlage für Bundesfinanzminister Steinbrück hervor, über die die Süddeutsche Zeitung am 13.6. berichtete: ”Weniger Staat!” wird wahr. Wirtschaftsliberale Forderungen werden damit weitgehend eingelöst. Und Steinbrücks Beamte – und wohl auch der Minister selbst – halten eine weitere Senkung der Staatstätigkeit und der Staatsquote für unabdingbar. – Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass unsere Eliten in entscheidenden Funktionen ideologisch bestimmt sind und keine nüchterne, optimierende Abwägung vornehmen. Albrecht Müller.

Wie schön wäre es, wir hätten einen Bundespräsidenten, der selbst denkt statt nachzuplappern.

Der Bundespräsident fordert zum Subventionsverzicht auf. Und dann lässt er noch verlauten, das Wirtschaftsleben lasse sich von staatlicher Seite weder planen noch lenken. Mehr Eigenverantwortung verlangt er. – Der Mann erzählt einfach und tut, was gerade populär ist – bei einer wichtigen Entscheidung über eine Begnadigung genauso wie in diesem Fall. Er merkt offenbar nicht, wie sehr solche Forderungen im Widerspruch zu dem stehen, was er sonst fordert.

ÖPP-Modelle in der Kritik des Obersten Bayerischen Rechnungshofs (ORH)

Über die Irrwege der so genannten Öffentlich Privaten Partnerschaften haben wir auf den NachDenkSeiten schon häufig berichtet und auch darüber, dass sie den Steuerzahler teuer zu stehen kommen. Nun hat auch der Bayerische Rechnungshof zwei ÖPP-Baumaßnahmen untersucht und sie auf ihre Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu einer konventionellen öffentlichen Finanzierung und Durchführung überprüft. Ergebnis: „Ein realistischer Kostenvergleich lässt keine Vorteile der ÖPP-Lösung gegenüber einer herkömmlichen Verwirklichung erkennen.“
Christine Wicht hat sich den Jahrsbericht 2006 daraufhin genauer angesehen.

Wettbewerb und Rechtsordnung

Die Wettbewerbspolitik der Europäischen Kommission habe sich in den letzten Jahren vom Leitbild der Ordoliberalen in Richtung der neoliberalen Anhänger von Milton Friedman bewegt. Es werde nicht mehr eine Rahmensetzung für den Wettbewerb durch einen starken Staat verlangt, staatliche Eingriffe sollten vielmehr so weit wie möglich abgebaut werden. Öffentliche Unternehmen sollten nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen zulässig sein.
Eine derart von der wirtschaftlichen Macht abstrahierte Wettbewerbspolitik verliere nicht nur an Legitimität, sondern könne auch in einen Widerspruch zu kollidierenden Verfassungsgrundsätzen der Gleichheit und der Solidarität geraten, die sich u. a. im Gleichheitssatz und im Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes niederschlagen, vor allem auch in der Koalitionsfreiheit.
Wenn eine neue europäische Verfassung verabschiedet werden sollte, müsste auch der Koalitionsfreiheit und dem Sozialstaatsprinzip unmittelbare Geltung in allen Mitgliedstaaten zuerkannt werden. Dies wären Bollwerke, die einer Verabsolutierung des Wettbewerbs entgegenstehen. Eine Abschiedsvorlesung von Bernhard Nagel.

Rechtsgutachten: Der Akkreditierung von Studiengängen fehlt Rechtsgrundlage

Da nach der gegenwärtig vorherrschenden Meinung der Staat sich aus den Hochschulen möglichst komplett heraushalten soll, wurden auch Rahmenprüfungsordnungen und sonstige rechtlichen Vorgaben zur Qualitätskontrolle von Studiengängen abgeschafft. Akkreditierung hieß das neue Zauberwort zur Kontrolle der Qualität der Studiengänge. Diese Akkreditierung sollte selbstverständlich von privaten Akkreditierungsagenturen verliehen werden, die ihrerseits allenfalls noch von einer öffentlich eingerichteten Stiftung anerkannt werden sollten.
Ein in der Juristenzeitung veröffentlichtes Rechtsgutachten von Prof. Joachim Lege kommt nun zu dem Ergebnis, dass das Akkreditierungswesen „in tiefer rechtlichen Finsternis“ liege. Es sei „Kontrolle ohne Verantwortung“ und sowohl das Verfahren selbst, als auch die Pflicht zur Akkreditierung seien formal- sowie verfassungsrechtlich äußerst bedenklich. War also der bisherige teure Aufwand der Hochschulen ohne rechtliche Relevanz? Wolfgang Lieb.