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Wettbewerbsfähigkeit

Unternehmerlobby will die Hochschulen steuern – Zum offenen Brief der Vorsitzenden der Hochschulräte an die NRW-Landesregierung

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Vorsitzenden der Hochschulräte in NRW mehrheitlich die Hochschulen als durch den Wettbewerb um die Einwerbung von Drittmitteln gesteuerte „Unternehmen“, ja noch mehr als die verlängerten Werkbänke der Wirtschaft betrachten, dann liefert diesen Beleg ihr offener Brief an die Landesregierung [PDF – 78.5 KB].
Allein dieses Schreiben an die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und an die Wissenschaftsministerin Svenja Schulze müsste eigentlich alle, für die die Freiheit von Forschung und Lehre noch den im Grundgesetz verbürgten hohen Wert besitzt, von der Notwendigkeit der Novellierung des bisherigen sog. „Hochschul-„Freiheits“-Gesetz des früheren FDP-Innovationsministers Pinkwart überzeugen. Die „unternehmerische Hochschule“, wie sie die Mehrheit der Hochschulratsvorsitzenden anstrebt, hat nichts mehr mit dem Grundgedanken der Wissenschaftsfreiheit zu tun, wie ihn das Bundesverfassungsgericht postuliert hat. Den unterzeichnenden Hochschulratsvorsitzenden geht es nicht um die Wahrung einer autonomen Wissenschaft an den Hochschulen, ihnen geht es – wie sie selbst schreiben – um den „Schulterschluss der Hochschulen mit Industrie und Wirtschaft“. Von Wolfgang Lieb.

Wie DIW-Präsident Fratzscher den deutschen Exportüberschuss liquidieren will

Jetzt hat Marcel Fratzscher – nach längerer Abwartezeit – seine persönliche Meinung zum Problem der deutschen Exportüberschüsse publiziert. Diese seien ein Problem für Deutschland aber nicht für die Welt [PDF – 88.9 KB]. Es ist höchst aufschlussreich, diese Variante der Problembehandlung des neuen DIW-Präsidenten kurz näher zu zeigen.
Zunächst verwahrt sich Fratzscher gegen den Vorwurf, dass die deutschen Exportüberschüsse „eine Mitschuld“ an der europäischen Krise haben. „Dieser Vorwurf ist falsch.” “Die hohe Sparquote und die Exportüberschüsse haben Deutschlands Wohlstand verschlechtert, nicht verbessert.” Wodurch ist dann die europäische Finanzkrise eskaliert? Hier gelangt Fratzscher bereits “auf dünnes Eis”, denn er ignoriert die Meinung vieler anderer Makroökonomen, um die deutsche Interessenlage im Export “aus der Schusslinie” zu nehmen. Von Karl Mai.

Wie die Europäische Kommission die Verfahren zur Beseitigung makroökonomischer Ungleichgewichte umsetzen wird – Gefahr ist im Verzug

Heiner Flassbeck weist auf flassbeck-economics.de darauf hin, dass die Kommission bei der Überprüfung der einzelnen Länder im Rahmen des Verfahrens zur Beseitigung makroökonomischer Ungleichgewichte schwerwiegende Fehler macht und sich die Welt zurechtbiegt, wie es ihr passt. Das ist in der Öffentlichkeit bisher weitgehend unentdeckt geblieben. Wir bringen hier den vollständigen Text, der auf flassbeck-economics im Abonnement erschienen ist. Albrecht Müller.

Merkel in ihrem Lauf – die Großkoalitionäre wollen an Merkels Krisenpolitik festhalten

Wer im Koalitionsvertrag [PDF – 1 MB] von CDU/CSU und SPD nach den dringend nötigen Impulsen sucht, mit denen Deutschland die ökonomische, soziale und politische Dauerkrise in Europa bekämpfen könnte, sucht vergebens. Die Formulierungen der Themenfelder „Finanzen“ und „Europa“ lesen sich vielmehr wie ein Bekenntnis zur Krisenpolitik Angela Merkels. Kürzungspolitik (also Austeritätspolitik), neoliberale Reformen und die klare Bekenntnis zu einem durch den Fiskalpakt geknebelten und damit handlungsunfähigen Staat ziehen sich wie ein roter Faden durch das 185-seitige Papier. Man kann der SPD hier jedoch noch nicht einmal vorwerfen, dass ihre Handschrift nicht zu erkennen ist – im Gegenteil, die SPD steht vielmehr bereits seit Beginn der Eurokrise treu Seit´ an Seit´ mit der Kanzlerin. Realistisch betrachtet, erfüllt der Koalitionsvertrag bei den genannten zwei Themenfeldern somit die schlimmsten Befürchtungen. Von Jens Berger.

Koalitionsvertrag: Viel Gegacker, wenig Eier

Weit über 70 Politiker [PDF – 119 KB] haben sich diese Nacht um die Ohren geschlagen um den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD zu beschließen. Wenn es bei dem Deckel von 16 Milliarden an zusätzlichen Leistungen bliebe, wäre die Große Koalition exakt diesen Preis wert und das auch nur wenn die Steuereinnahmen weiter steigen. Wie man beim neuesten Stand des Koalitionspapiers [PDF – 823 KB] ablesen kann (gelb unterlegte Passagen) haben sich die Streitthemen auf wenige öffentlich hochgespielte Themen, wie etwa Mindestlohn, Mautgebühren, Mütterrente , abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren, Geringverdienerrente, Regeln für die Leiharbeit, Ausbau der Erneuerbaren Energien oder doppelte Staatsangehörigkeit reduziert.
Wenn heute Morgen die Parteispitzen vor die Mikrofone getreten sein werden, dann sollen damit eher theatralische Effekte bei der Bevölkerung hervorgerufen werden, als dass wirkliche „Durchbrüche“ erzielt wurden. Die in der Nacht behandelten Papiere und die verbliebenen Streitpunkte machen deutlich, dass es in der kommenden Legislaturperiode bestenfalls ein „Weiter so“ geben wird. Der bisherige politische Kurs wird seitenlang im Kleingedruckten fortgeschrieben und bei den hochgespielten Streitthemen hat es windelweiche Kompromisse gegeben. Es ist die Fortsetzung der Großen Koalition von 2005 bis 2009 auf der Basis der danach erfolgten Fortschreibung durch die schwarz-gelbe Koalition. Von Wolfgang Lieb.

Schwergewicht Deutschland

Ende Oktober löste die Kritik des amerikanischen Finanzministeriums an den deutschen Exportüberschüssen in Berlin Empörung aus.
Doch man sollte dem amerikanischen Finanzministerium dankbar dafür sein, dass es öffentlich zum Ausdruck brachte, was Deutschlands Partner nicht zu sagen wagen: „Deutschland hatte während der ganzen Eurozonen-Finanzkrise große Zahlungsbilanzüberschüsse“. Und genau diese Sachlage „verhinderte die Wiederherstellung gleichgewichtiger Zustände“ in den anderen Euroländern bzw. führte zu einer „Deflationstendenz sowohl für die Eurozone als auch für die Weltwirtschaft“.
Auch der IWF teilt diese Besorgnis. Doch der deutsche Finanzminister wies die amerikanische Kritik zurück und meinte, Zahlungsbilanzüberschüsse seines Landes „seien kein Grund zur Besorgnis – weder für Deutschland noch für die Eurozone noch für die Weltwirtschaft“. Beitrag von Martin Wolf in Le Monde.
Ins Deutsche übertragen von Gerhard Kilper.

Austeritätspolitik in Griechenland: Ökonomische Verwüstung statt eines exportgetragenen Wachstums

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt (oder zumindest unkommentiert) hat sich in der Deutung der systemischen Krise der Europäischen Währungsunion durch den Mainstream eine Akzentverschiebung vollzogen. Als vor einigen Jahren die Schwierigkeiten der EWU offensichtlich wurden, herrschte zunächst weitgehend Konsens, dass es eigentlich gar keine Eurokrise gäbe, sondern lediglich ein Problem zu hoher Staatsschulden einiger kleiner Euroländer, ausgelöst durch ein unverantwortliches staatliches Ausgabeverhalten. So behauptete etwa Bundesbankpräsident Jens Weidmann im Juni 2011: „Die aktuelle Krise ist keine Krise des Euro. Es handelt sich um eine Staatsschuldenkrise einzelner kleiner Länder im Euroraum, die nicht zuletzt durch die Missachtung der Regeln entstanden ist“ (Süddeutsche Zeitung, 14.6.2011). ein Gastartikel von Günther Grunert

Koalitionsverhandlungen für die Wirtschaft oder für eine wirtschaftliche Wende?

Liebe Koalitionäre oder solche, die es noch werden wollen: Haltet ein! Fangt nicht sofort an zu verhandeln, sondern denkt erst einmal nach. Zieht euch für eine Woche in ein schönes Hotel zurück und tut nichts anderes als die Frage zu diskutieren, wie Deutschland wieder ein normaler Handelspartner in dieser Welt werden kann, ohne Überschüsse in der Leistungsbilanz, ja sogar mit Defiziten, weil die Schuldner ja ihre Schulden zurückzahlen sollen und wollen. Dann kommt die Frage, wie die deutschen Unternehmen wieder zu Schuldnern und Investoren gemacht werden können, und schließlich, welche Rolle der Staat bei der notwendigen Verschuldung spielen soll … Von Heiner Flassbeck.

Wo bleibt die Lokomotive für die Weltwirtschaft?

Dennis Snower gehört laut FAZ zu den einflussreichsten Ökonomen Deutschlands. In einem aktuellen Kommentar in der FAZ macht sich der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft seine Gedanken über die anstehenden „Hausaufgaben für Deutschland“. Snowers Aufsatz belegt dabei eindrucksvoll die Denkfehler vieler deutscher Ökonomen und Politiker. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die kläglichen Fundamente der Austeritätspolitik

Wenngleich große Teile der deutschen Medien in der letzten Woche die Nachricht feierten, dass das BIP im Euroraum im zweiten Quartal 2013 im Vergleich zum Vorquartal um 0,3 Prozent gestiegen ist („Es geht wieder bergauf“; „Ende der Rezession: Europa berappelt sich“ etc.), bleibt die wirtschaftliche Lage in den Euro-Krisenländern (Griechenland, Spanien, Portugal, Italien, Irland, Zypern) trostlos, wie ein Blick auf die neuen, von Eurostat veröffentlichten Daten zeigt (Eurostat 2013a). So fiel in Spanien, Italien und Zypern das BIP im zweiten Quartal 2013 abermals gegenüber dem Vorquartal, wenn auch in geringerem Maße als noch zu Beginn des Jahres (für Griechenland und Irland liegen noch keine Daten für einen solchen Vorquartals-Vergleich vor). Damit ist die Wirtschaftsleistung in Spanien seit nunmehr sieben Quartalen, in Zypern und Italien gar seit acht Quartalen in Folge geschrumpft. Von den Krisenländern verzeichnet allein Portugal im zweiten Quartal 2013 einen Anstieg des BIP gegenüber dem Vorquartal (von 1,1 Prozent), wobei aber zu berücksichtigen ist, dass die portugiesische Wirtschaft zuvor zehn Quartale hintereinander geschrumpft war. Ein Gastartikel[1] von Günther Grunert.

Rudolf Hickels Beitrag in den Blättern ist es wert, den Hinweis von heute noch zu ergänzen

Es geht bei diesem Essay „Raus aus dem Euro, zurück ins Chaos“ um die wichtige Frage, ob Währungs- und Lohnanpassungen eine wichtige Bedeutung für die Wiedergewinnung von Wettbewerbsfähigkeit und den Ausgleich der Wettbewerbsfähigkeit haben, und es geht um einen wichtigen Disput zwischen Ökonomen, die sich und die wir als vergleichsweise fortschrittlich einschätzen. In den Hinweisen von heute hatte ich auf Hickels Beitrag hingewiesen und ihn kurz kommentiert. Jetzt erhielt ich einen ergänzenden Text vom NDS-Hinweisgeber G.K. Albrecht Müller.

Jugendarbeitslosigkeit in Europa – Die wundersame Welt des Wolfgang Schäuble

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat in der letzten Woche bei „Cicero online“ einen Beitrag zur Jugendarbeitslosigkeit in Europa veröffentlicht. Der Titel „Das ist eine Gefahr für die Demokratie“ lässt Hoffnung auf einen vielleicht ersten Schritt zur Einsicht aufkommen. Doch weit gefehlt: Schäuble demonstriert einmal mehr seine völlige Lernunfähigkeit und -unwilligkeit. Ein Gastartikel von Günther Grunert.

Über Pawlow’sche Hunde im deutschen Medien- und Politikzirkus und die dringende Aufforderung an Frankreich etc., eine publizistische Gegenmacht aufzubauen

Unter den nicht zum neoliberal verseuchten Club gehörenden Ökonomen herrscht weit gehender Konsens darüber, dass ohne die Angleichung der Wettbewerbsfähigkeiten im Euroraum die Karre der von uns allen gewünschten gemeinsamen Währung an die Wand fährt. Diese Tatsache beeindruckt bisher die handelnden Personen in Berlin und die sie unterstützenden Medien nicht. Dort herrscht eine unverantwortliche Nach-uns-die-Sintflutmentalität. Diese gefährliche Position ist publizistisch und semantisch kräftig unterfüttert – siehe hier. Bisher setzen viele von uns darauf, dass sich Berlin doch noch bewegt und eine innere Aufwertung auf deutscher Seite möglich macht; andere haben die Hoffnung aufgegeben. Zu Letzteren zählt Oskar Lafontaine. Von ihm erschien am 30. April ein Diskussionsbeitrag unter dem Titel „Wir brauchen wieder ein europäisches Währungssystem“. Von Albrecht Müller

Der DGB hat nicht mehr alle Tassen im Schrank

Als so genannter „Klartext“ erschien am 15. März ein Blatt des DGB zur Agenda 2010 [PDF – 130 KB]. Darin stand einiges Lesenswerte, aber der Gesamttenor ist eigentlich unglaublich. Die Überschrift lautet: „Höhere Löhne: Keine Gefahr für Wettbewerbsfähigkeit“. Auch der Text ist in Bezug auf die verteilungspolitisch und ökonomisch gebotenen Lohnerhöhungen ausgesprochen defensiv. Am Ende des Textes werden Zukunftsinvestitionen zur Stabilisierung der Konjunktur gefordert und angemerkt: „Das ist für die Krisenländer, aber auch für uns gut. Zum anderen gefährdet ein höheres Lohnniveau unsere Wettbewerbsfähigkeit und Exportchancen nicht.“ „Unsere Wettbewerbsfähigkeit“ und „Exportchancen“ – das sind die Sorgen der Gewerkschaften in der jetzigen Situation. Das ist sachlich nicht zu rechfertigen. Die Verantwortlichen des DGB haben offenbar nicht verstanden, dass die auseinanderklaffende Lohnentwicklung und damit auch ihre eigene defensive Lohnpolitik mitverantwortlich sind für die Krise in Europa. Die Agenda 2010 ist einer der Hauptverursacher der Euro-Krise. Das und einiges mehr müssten DGB und Einzelgewerkschaften zu den Zehnjahresfeiern der Agenda 2010 sagen: Von Albrecht Müller