Kategorie:
Berufliche Bildung

Gespensterdebatten um die duale Berufsausbildung

Letzte Woche debattierte der Bundestag über den Berufsbildungsbericht 2007 [PDF – 41.8 MB]. Es ist eine Gespensterdebatte, die hier vorgeführt wurde. Statistiken werden geschönt oder gar gefälscht, das Scheitern wird mit partiellen Erfolgsmeldungen übertüncht. Die nüchterne Wahrheit ist: Die duale Ausbildung ist nur noch ein Fetisch, weniger als die Hälfte der neu hinzukommenden Bewerber finden einen Ausbildungsplatz, für Hauptschüler werden die Chancen immer schlechter und nur noch ein Drittel aller Jugendlichen mit Migrationshintergrund können in einen Ausbildungsbetrieb vermittelt werden. Die tatsächliche Arbeitslosigkeit der Jugendlichen ist doppelt so hoch wie bei den Erwachsenen. Hier sammelt sich ein sozialer Sprengstoff von bisher unbekanntem Umfang an. Wolfgang Lieb.

Der neu entdeckte Fachkräftemangel

Die Klagen der Arbeitgeber über den Fachkräftemangel sind alarmierend, das Wirtschaftswachstum werde gebremst. Doch dieser Notstand ist nicht über Nacht aufgetreten. Er war mit großer Treffsicherheit vorhersehbar.
Insbesondere die Arbeitgeber wissen aus Erfahrung, dass die Nachfrage nach Fachkräften bei einer Konjunkturbelebung regelmäßig steigt. Eine Besonderheit ist diesmal allenfalls darin zu sehen, dass der Mangel an Fachkräften schon bei relativ bescheidenen Wachstumsraten einsetzt. D.h. die Unternehmen haben ihren Personalbestand in den letzten Jahren radikal ausgedünnt.
Lesen Sie mehr in einem Beitrag, der uns von einem Arbeitsmarktexperten zur Verfügung gestellt wurde, der namentlich nicht genannt werden möchte.

Sozialpolitik aktuell: Neue Grafiken zur sozialen Lage

  1. Die Förderung der beruflichen Weiterbildung wurde seit Mitte der 1990er Jahre drastisch zurückgefahren. Die jahresdurchschnittliche Zahl der TeilnehmerInnen reduzierte sich um ca. 80% von 560.000 im Jahr 1994 auf 116.000 im Jahr 2005. Analog hierzu ist ein starker Rückgang der Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit für die Förderung der beruflichen Weiterbildung zu beobachten.
  2. In den alten Bundesländern zeigt sich ein deutlicher Unterschied in der durchschnittlichen Rentenhöhe zwischen den Geschlechtern: Am Jahresende 2005 bezog gut die Hälfte (51,4%) der Frauen eine Rente unterhalb von 450 Euro. Bei den Männern lag der Anteil mit 17,1% wesentlich niedriger. Umgekehrt erreichte nur knapp ein Zehntel (9,3%) der Frauen eine Rentenhöhe von über 900 Euro, während der Großteil der Männer (59,5%) oberhalb dieser Grenze lag. In den neuen Bundesländern liegen die Rentenhöhen der Frauen zwar ebenfalls mehrheitlich unter denen der Männer, jedoch ist keine derart ausgeprägte Spreizung festzustellen. Renten unterhalb von 450 Euro beziehen 14,6% der Frauen und 2,6% der Männer.
  3. Der Vergleich der Steigerung der Gesundheitskosten im Vergleich zum BIP zeigt, dass es keine „Explosion“ der Kosten im Gesundheitswesen gegeben hat. 1996 betrugen den Gesundheitsausgaben 10,1% des BIP, 2004 lag der Anteil bei 10,6%.

Quelle: sozalpolitik-aktuell

Berufsbildungsbericht 2006. Stellungnahme des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung

Die Ausbildungssituation hat sich in den zurückliegenden Jahren in den alten und neuen Ländern zugespitzt. Insgesamt wurden 550.180 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen, 22.800 oder 4 % weniger als im Vorjahr. Nur etwa jeder zweite ausbildungsberechtigte (auf alle Betriebe bezogen sogar nur etwa 30 %) Betrieb bildet aus.
Dem Rückgang betrieblicher Ausbildungsplätze stand in den letzten Jahren eine stetig wachsende Zahl von Absolventen aus den allgemein bildenden Schulen gegenüber. Im Jahr 2005 wurden mit 948.200 rund 174.000 Schulabgänger mehr registriert als 1992. Die beiden gegenläufigen Bewegungen führten dazu, dass bundesweit der rechnerische Anteil der Anfänger einer dualen Berufsausbildung gemessen an der Zahl der Schulabgänger mit einem Wert von 58% erstmals unter die Sechzig-Prozent-Marke sank. Im Minderheitsvotum der Gruppe der Beauftragten der Arbeitnehmer heißt es: Am 1. April 2005 ist das neue Berufsbildungsgesetz in Kraft getreten. Aus Sicht der Gewerkschaften ist das jetzt vorliegende Gesetz kein großer Wurf, sondern nach wie vor dringend reformbedürftig. Der Ausbildungspakt von Wirtschaft und Regierung hat auch im zweiten Jahr nicht das gehalten, was vollmundig versprochen wurde.

Quelle: Berufsbildungsbericht 2006 [PDF – 228 KB]

Die Reformen beginnen zu greifen? Zum Beispiel der Ausbildungspakt

Ich bin nach wie vor zuversichtlich, dass die Wirtschaft ihre Zusagen im Rahmen des Ausbildungspaktes auch in diesem Jahr wieder erfüllt, wenn möglich: mehr als erfüllt.


Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

Das sagte Wirtschaftsminister Clement anlässlich der Pressekonferenz zum Arbeitsmarkt im Juli am 28. Juli 2005. Für Juli ermittelte die Bundesagentur eine Lücke von 169 853 Ausbildungsplätze. Die Lücke ist damit innerhalb eines Jahres um 8419 Stellen oder 5 % größer geworden. (FR v. 4.8.05)

Wie soll der Pakt für mehr Ausbildungsplätze funktionieren? Heiße Luft.

Zur Zeit wird wie schon seit Monaten um den besten Weg für mehr Ausbildungsplätze gefeilscht. Dabei wird von Seiten des Bundeswirtschaftsministers u.a.m. statt der beschlossenen Ausbildungsabgabe ein Pakt mit der Wirtschaft favorisiert. Der SPD-MdB Rainer Wend meinte gerade, man könne auf die Abgabe verzichten, falls die Wirtschaft eine bestimmte Anzahl von Ausbildungsplätzen garantiere. Wie soll das denn funktionieren? In einer Marktwirtschaft unserer Art können die Spitzen der Wirtschaftsverbände ihre Mitglieder nicht verpflichten, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen. Sie können dazu aufrufen, das ist alles. Ansonsten sind das dann dezentrale Entscheidungen vieler tausend Unternehmen und Handwerksbetriebe. Dieses Verfahren hat schon nicht funktioniert, als die Gewerkschaften sich bei den Löhnen zurückhielten gegen das Versprechen der Unternehmerseite, Arbeitsplätze zu schaffen. Wirklich heiße Luft, auch wenn es gut klingt.