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Bildungspolitik

Einblicke in die Wirklichkeit der Schul- und Hochschulreformen.

Über Sinn und Unsinn der Bertelsmannschen „Selbst-Evaluation“ an den Schulen, über den „Bachelor“ als Flaschenhals für den „Master“ und der Gefahr der Dequalifizierung und Nivellierung akademischer Ausbildung, über eine Spaltung in Elite und Fußvolk in der Ausbildung schreibt uns unserer Leser Helwig Börger einen kritischen Kommentar. Er ist Mitglied des Berufsverbandes der Studienberater/innen des Landes Baden-Württemberg.

Jahrzehntelang galt für die CDU Deutschland nicht als Einwanderungsland, jetzt stellt die Union plötzlich fest, dass wir ein Auswanderungsland sind.

„Während in den letzten Jahren viel darüber geschrieben und gestritten worden ist, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist, hat sich im Windschatten fast unbemerkt eine ganz andere Entwicklung vollzogen: Deutschland wird zum Auswanderungsland!“ Und, oh Schreck, bei den Auswanderern handle es sich um „Menschen, die Leistungsträger in unserer Gesellschaft werden könnten und müssten: Wissenschaftler, Handwerker, Ingenieure.“ So wird Roland Koch in Bild am Sonntag vom 16.07.06 zitiert.
Auch die Bundesforschungsministerin Anette Schavan und Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger und die üblichen Alarmisten, also Arbeitgeberpräsident Hundt und Industrie-Präsident Thuman, blasen in der BamS Alarm.

Zur Denkschrift der EKD über Armut in Deutschland.

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland schließt seinen Frieden mit dem wirtschaftspolitischen Kurs der Bundesregierung. Er macht viele moralisch und theologisch begründete Vorschläge zur Armutsbekämpfung und zur gerechten Teilhabe an der Gesellschaft. Über die Bekämpfung der Ursachen von Armut und Ausgrenzung schweigt er sich in seiner Denkschrift leider weitgehend aus.

Die Tragödie der Almende: Studiengebühren nun auch im von Sozialdemokraten allein regierten Rheinland-Pfalz

Entgegen allen Beschlüssen und Bekundungen von Sozialdemokraten will das vom SPD-Vorsitzenden Kurt Beck geführte das Mainzer Kabinett Studiengebühren einführen, wenn auch zunächst nur für jene Studierenden, die ihren Erstwohnsitz nicht in Rheinland-Pfalz haben.
Der „freie zusammenschluss von studentInnenschaften“ (fzs) hält diese „Landeskinderregelung“ – wohl richtiger Weise – für verfassungswidrig. Ministerpräsident Beck versteht diese Maßnahme als “politische Notwehr gegen die Einführung von Studiengebühren”, die rund um Rheinland-Pfalz bereits beschlossen Sache ist. Diese Art von „Notwehr“ gegenüber dem Druck von außen wird von Ökonomen als das Phänomen der „Tragödie der Almende“ beschrieben.

McKinsey-Studie: 56 Prozent der Studierenden denken darüber nach, auszuwandern. Vor lauter Standortwettbewerb kehrt die akademische Jugend dem Standort Deutschland den Rücken zu.

Bei den Ingenieurstudenten können sich sogar 60 Prozent vorstellen, Deutschland zu verlassen. Darin spiegeln sich erhebliche Skepsis im Hinblick auf die eigenen Zukunftsaussichten in Deutschland, verbunden mit großen Sorgen vor wirtschaftlicher Krise und hoher Arbeitslosigkeit wider. 44 Prozent blicken wenig zuversichtlich in die Zukunft. Die Deutsche Wirtschaft strahlt wenig Faszination auf den Nachwuchs aus, nur 9 Prozent meinen, dass sie gemeinwohlorientiert ist, 37 Prozent sehen eine Dominanz von Shareholder-Value. Soziale und konservativ-traditionelle Werte dominieren bei den jungen Akademikern. Das sind einige der Ergebnisse einer Umfrage von McKinsey für das manager-magazin. Je attraktiver der Wirtschaftsstandort Deutschland gestaltet werden soll, desto weniger attraktiv scheint er offenbar für die akademischen Hoffnungsträger zu werden.

„Wenn Banker in die Schule kommen“. Das Projekt „Handelsblatt“ in der Schule.

Das öffentliche Bildungswesen leidet an chronischer Unterfinanzierung. In diese Lücke stoßen von Unternehmen finanzierte Meinungsmache-Institute. Mit wohlklingenden Namen und unter dem Deckmantel scheinbar öffentlicher Institutionen nehmen sie Einfluss auf die Lerninhalte in Schulen. Zuweilen wird dabei unverhohlen neoliberale Propaganda betrieben und Werbung für Privatunternehmen gemacht. Der öffentliche Bildungsauftrag wird dabei unterlaufen. Einer unserer Leser hat uns dazu einen Beitrag zur Verfügung gestellt.

DIE ZEIT, sponsored by Bertelsmann – Ein Lehrstück dafür, wie das Centrum für Hochschulforschung der Bertelsmann Stiftung die Öffentliche Meinung beeinflusst.

Als ich das Titelbild der ZEIT Nr. 19 vom 4. Mai las, traute ich meinen Augen nicht. Das liberale Vorzeigeblatt, das ganze Generationen von Studierenden auch wegen seiner Berichterstattung zur Bildungs- und Hochschulpolitik immer gerne gelesen haben, ist eine publizistische Partnerschaft mit dem “Centrum für Hochschulentwicklung” eingegangen. Auf dem Titelbild prangt groß das Logo des CHE, die Werbeanzeige ist untertitelt mit “Der ZEIT-Studienführer mit dem größten deutschen Uni-Ranking vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE)”.

SPD: Hochschulfreiheitsgesetz NRW: Freiheit durch Fremdbestimmung. Deregulierung als blinde Doktrin.

Auswertung der Stellungnahme zum Referentenentwurf eines „Hochschulfreiheitsgesetztes“: Die im Gesetz vorgesehene faktische Abschaffung der Gruppenhochschule mit Monopolisierung der Entscheidungskompetenzen auf das Präsidium, sowie einer Stärkung des Einflusses von Externen über einen sog. Hochschulrat, wird abgelehnt. Die Verantwortung für Bildung und Wissenschaft dürfe der Staat resp. das Land nicht abgeben. Hochschulen müssten weiterhin Einrichtungen des Landes bleiben.

Quelle: Allgemeine Anmerkungen zum Referentenentwurf des Hochschulfreiheitsgesetzes [PDF – 81 KB]

Berufsbildungsbericht 2006. Stellungnahme des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung

Die Ausbildungssituation hat sich in den zurückliegenden Jahren in den alten und neuen Ländern zugespitzt. Insgesamt wurden 550.180 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen, 22.800 oder 4 % weniger als im Vorjahr. Nur etwa jeder zweite ausbildungsberechtigte (auf alle Betriebe bezogen sogar nur etwa 30 %) Betrieb bildet aus.
Dem Rückgang betrieblicher Ausbildungsplätze stand in den letzten Jahren eine stetig wachsende Zahl von Absolventen aus den allgemein bildenden Schulen gegenüber. Im Jahr 2005 wurden mit 948.200 rund 174.000 Schulabgänger mehr registriert als 1992. Die beiden gegenläufigen Bewegungen führten dazu, dass bundesweit der rechnerische Anteil der Anfänger einer dualen Berufsausbildung gemessen an der Zahl der Schulabgänger mit einem Wert von 58% erstmals unter die Sechzig-Prozent-Marke sank. Im Minderheitsvotum der Gruppe der Beauftragten der Arbeitnehmer heißt es: Am 1. April 2005 ist das neue Berufsbildungsgesetz in Kraft getreten. Aus Sicht der Gewerkschaften ist das jetzt vorliegende Gesetz kein großer Wurf, sondern nach wie vor dringend reformbedürftig. Der Ausbildungspakt von Wirtschaft und Regierung hat auch im zweiten Jahr nicht das gehalten, was vollmundig versprochen wurde.

Quelle: Berufsbildungsbericht 2006 [PDF – 228 KB]

Fragen an die Pisa-Studien

Statt zweifelhafter Rankings und einem Denken in Kategorien von „Standort“ und „Konkurrenz“ wäre es wichtiger zu fragen: Was bedeutet Bildung? Was ist „Leistung“? Welche Leistung ist wichtig? Und um welchen Preis? Wer entscheidet hierüber? Was müsste getan werden damit jeder und jede endlich gleich Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe hat? Und last, but not least: Wofür lernen wir eigentlich?
Einer unserer Leser, Jens Wernicke, stellt berechtigte Fragen an die Pisa-Studien.

Alle fordern mehr Studierende, aber keiner will sie wirklich.

Mehr Studierende fordern fast alle, aber keine Uni, kein Rektor oder Präsident und auch nur ganz wenige Professoren wollen sie wirklich haben. Im Gegenteil, mit der Umdefinition von Lehr- in Forschungsuniversitäten, mit der Selbstauswahl der Studierenden durch die Hochschulen, mit höheren Studiengebühren, versuchen sich die Hochschulen, die Studierenden fern zu halten. Ein Beitrag von Karl-Heinz Heinemann.

Der Widerstand gegen die Einführung von Studiengebühren nimmt zu: Seit dem 1. Februar besetzen Studierende der Uni Bielefeld ihr Rektorat.

Die Mehrheit der Bevölkerung und natürlich auch eine große Mehrheit der Studierenden ist gegen die Einführung von Studiengebühren. Das kümmert allerdings die konservativen Regierungen in den Ländern wenig. In nahezu allen CDU-regierten Ländern soll das Studium künftig zu einem privaten Investment in das eigene „Humankapital“ werden. Tausende Studierende demonstrierten gegen diese Barrieren gegen das Bürgerrecht auf Bildung und gegen den Abbau von Chancengleichheit. Es hat nichts bewirkt. Nachdem der Senat der Uni Bielefeld am 1. Februar 2006 die Einführung von Studiengebühren beschlossen hat, haben die Studierenden ihr Rektorat besetzt.
Außer in den örtlichen Zeitungen wird darüber und über die Ziele der Studierenden kaum berichtet, deshalb halten wir es für richtig, unseren Lesern die Möglichkeit zu bieten, sich ein eigenes Bild von den Hintergründen und von den Argumenten der Studierenden zu machen.