Die Bertelsmann Stiftung und ihre Verflechtungen
Referat im Rahmen einer Vortragsreihe des Rosa-Luxemburg-Clubs Wupptertal am 26.2.07.
Referat im Rahmen einer Vortragsreihe des Rosa-Luxemburg-Clubs Wupptertal am 26.2.07.
“Oeconomix”, die “Wirtschaft fürs Klassenzimmer”, steht dem Schulprojekt von FOCUS-Money sicher in nichts nach. Zitat: “Oconomix ist ein Projekt der Citigroup. Die Lernsoftware ist vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln in Kooperation mit der Citibank entwickelt worden. Die Citigroup Foundation unterstützt dieses Programm unter dem Dach ihrer globalen Initiative zur Verbesserung des finanziellen und wirtschaftlichen Allgemeinwissens.” Und die INSM bewirbt es fleißig.
„Das Wissen um wirtschaftliche Zusammenhänge wird in modernen Gesellschaften immer wichtiger; die Auseinandersetzung mit Themen zu ökonomischen Abläufen und Hintergründen ist gerade für Jugendliche entscheidend für ihre Weiterbildung und Karriere. Aus diesem Grund hat FOCUS-MONEY das Schulprojekt „Wir erklären die Wirtschaft“ ins Leben gerufen. Einmal im Monat erhalten interessierte Lehrer und Schüler das 8- bis 10-seitige PDF kostenlos per Mail. Aktuelle Themen, eine spannende Aufbereitung und eine verständliche Erklärung bringen Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I und II ökonomische Zusammenhänge näher. Unterstützt wird das Projekt von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und ThyssenKrupp.“ So lautet eine Ankündigung von FOCUS macht Schule. Das ist nur eines von vielen Beispielen, wie Netzwerke zur neoliberalen Um-Erziehung arbeiten. Wolfgang Lieb.
Unter dem Titel „Hochschulen auf neuen Wegen“ hat NRW-Innovationsministerium eine Jubel-Broschüre [PDF – 1.5 MB] zum neuen „Hochschulfreiheitsgesetz“ herausgegeben. Kein anderes Land mache „Freiheit mit dieser Konsequenz zur Grundlage seiner Hochschulpolitik“, rühmt Innovationsminister Pinkwart sein vom Bertelsmann Centrum für Hochschulentwicklung abgekupfertes Gesetz. Fragt man jedoch einmal danach für wen und wozu die „neue“ Freiheit dienlich ist, so wird man feststellen, dass die weit überwiegende Mehrheit der Forschenden und Studierenden gemessen an ihren früheren Forschungs- und Lernfreiheiten und verglichen mit ihren bisherigen Beteiligungs- und Mitwirkungsrechten wesentlich „unfreier“ sein werden als mit der – durchaus nicht optimalen – früheren akademischen Selbstverwaltung. Wolfgang Lieb.
Wir hatten schon mehrmals berichtet: überall wird privatisiert und meist kräftig daran verdient. Jetzt macht uns einer unserer Leser darauf aufmerksam, dass in Bremerhaven einer der Profiteure großzügig einen PPP-Lehrstuhl stiftet. Seine Mail folgt. Unser Rat: Gehen Sie auch in Ihrer Region PPP/ÖPP-Projekten nach und auf den Grund. Unten folgt noch ein Hinweis auf PPP bei einem A 8-Tunnel. Und noch mal der Hinweis, sich das Vergnügen eines Besuches bei der Website von Rudolf Scharpings PPP-Beratungsgesellschaft RSBK zu gönnen. Albrecht Müller.
Da nach der gegenwärtig vorherrschenden Meinung der Staat sich aus den Hochschulen möglichst komplett heraushalten soll, wurden auch Rahmenprüfungsordnungen und sonstige rechtlichen Vorgaben zur Qualitätskontrolle von Studiengängen abgeschafft. Akkreditierung hieß das neue Zauberwort zur Kontrolle der Qualität der Studiengänge. Diese Akkreditierung sollte selbstverständlich von privaten Akkreditierungsagenturen verliehen werden, die ihrerseits allenfalls noch von einer öffentlich eingerichteten Stiftung anerkannt werden sollten.
Ein in der Juristenzeitung veröffentlichtes Rechtsgutachten von Prof. Joachim Lege kommt nun zu dem Ergebnis, dass das Akkreditierungswesen „in tiefer rechtlichen Finsternis“ liege. Es sei „Kontrolle ohne Verantwortung“ und sowohl das Verfahren selbst, als auch die Pflicht zur Akkreditierung seien formal- sowie verfassungsrechtlich äußerst bedenklich. War also der bisherige teure Aufwand der Hochschulen ohne rechtliche Relevanz? Wolfgang Lieb.
Anhänger des Marktradikalismus bekämpfen die in Artikel 38 Grundgesetz verankerte allgemeine, unmittelbare, freie und vor allem die gleiche Wahl: Die „Leistungselite“ müsse vor der Mehrheit geschützt werden.
In einem „ordnungspolitischen Blog ´Wirtschaftliche Freiheit`“ stellt der Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim, Roland Vaubel, das schon 1787 in der amerikanischen und mit der Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts seit 1918 in den deutschen Verfassungen verankerte gleiche Wahlrecht zugunsten eines Schutzes der „Leistungselite“ in Frage. Noch mehr Schutz als eine Änderung des Wahlrechts im Grundgesetz biete allerdings der „Standortwettbewerb“ zwischen den Staaten. Deshalb liege in der Globalisierung eine große Chance: sie zwinge die Politiker jenseits aller Wahlergebnisse um die Gunst der „Leistungseliten“ zu konkurrieren.
Auf eine kleine Anfrage der Fraktion der Grünen antwortete die Bundesregierung [PDF – 80 KB] dass die die Zahl der Studienanfänger in 2006 im Vergleich zu 2005 um 3,5 Prozent gesunken. Übergangsquote von Hochschulzugangsberechtigten auf die Hochschulen betrug 2004 81,8 Prozent und 2005 nur noch 71,2 Prozent. Derzeit sind nur 33 Prozent der neu eingeführten Bachelor- und Masterstudiengänge akkreditiert (d.h. von einer Qualitätssicherungsagentur anerkannt). Fast zwei Drittel der neuen BA/MA-Studiengänge sind zulassungsbeschränkt. Im Jahr 2005 gab bei insgesamt 356 076 Studienanfängern 85 412 (24 Prozent) Anfänger in Bachelorstudiengängen (1. Hochschulsemester). Der Anteil der männlichen Studierenden in den Masterstudiengängen ist im Vergleich zu ihrem Anteil in den Bachelorstudiengängen höher (von 53,6 auf 60 Prozent), während er bei den weiblichen Studierenden geringer ist (von 46,6 auf 40 Prozent).
Fazit: Im Gegensatz zu dem Ziel den Anteil der Studierenden pro Altersjahrgang zu erhöhen, sinkt die Zahl der Studienanfänger und die Übergangsquote der Hochschulzugangsberechtigten. Statt einer Öffnung der Hochschulen nehmen die Zulassungsbeschränkungen zu. Mehr männliche Studierende in höherqualifizierenden Studiengänge. Wolfgang Lieb.
Nachtrag zur Meldung von 9:14 h über „Altersvorsorge macht Schule“. Gerade erreichte mich folgende Mail:
Heute kommen Versicherungsvertreter in die Schule meines Sohnes, um die Schüler über die verschiedenen Möglichkeiten und “Notwendigkeiten” von Versicherungen zu informieren. Dabei werden diese selbstlosen Menschen mit Sicherheit die Schüler “informieren”, wie wichtig (mit den gängigen Propagandaparolen) eine private Altersvorsorge sei. Jetzt bekommen die Schüler wahrscheinlich von Versicherungsvertretern gezeigt und erklärt, wie unser Staat zu funktionieren hat. Schöne Demokratie – Danke u.a. Bertelsmann. Mit freundlichen Grüssen, Uwe M.
Als im Januar 2004 die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder erstmals über ein Programm zur Schaffung von Eliteuniversitäten in Deutschland sprach, löste sie einen enormen Medienwirbel aus. Die Tatsache, dass ausgerechnet die Sozialdemokratie – auf dem Bildungssektor traditionell für das Prinzip der Chancengleichheit zuständig – den Begriff der Elite enttabuisierte, sorgte für größte Verwunderung. Die Reaktionen führten schnell zur offiziellen Umbenennung der geplanten Initiative. Sie hieß fortan „Exzellenzinitiative.“ Damit sollte signalisiert werden, dass es keinesfalls um die Privilegierung einzelner Universitäten, sondern um einen allgemeinen Leistungswettbewerb gehen solle. Alle Hochschulen hätten im Grundsatz die gleichen Chancen; jede Universität, die in der ersten Runde des Wettbewerbs verliere, könne in der zweiten zu den Gewinnern zählen, so die öffentlich immer wieder zu hörenden Äußerungen von den Befürwortern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.
Der Eliteforscher Michael Hartmann hat uns diesen Beitrag, der in der Zeitschrift für Sozialwissenschaft „Leviathan“ abgedruckt ist, zur Verfügung gestellt.
„Die Wirtschaft will nun ihre Elite selbst ausbilden“, denn für „High-Potentials“ zeigten die staatlichen Hochschulen eine „deutlich sichtbare Schwachstelle“ so protzte der Gründungspräsident Walter Zimmerli der von VW inklusive einem Protzbau mit insgesamt 90 Millionen Euro gesponserten AutoUni.
Sie ernannte sich zu einer „global agierenden, international anerkannten wissenschaftlichen Einrichtung…, die durch Forschung und Lehre anwendungsbezogenes Wissen auf höchstem Niveau“ vermittle.
Vier Jahre nach der Präsentation des hochgestochenen Konzepts im Herbst 2002 hat die AutoUni allerdings bis heute noch keinen Hochschulabschluss vergeben und kein nennenswertes Forschungsergebnis veröffentlicht, schreibt das manager-magazin.
Nach dem Hochmut, jetzt also der Fall: Die private Elite-Uni wird von VW weitgehend abgewickelt . Vielleicht brauchen die Unternehmen aber auch nur deshalb keine eigenen Unis mehr, weil die staatlichen Hochschulen ja inzwischen wie Unternehmen geführt werden sollen. Wolfgang Lieb.
Referat im Rahmen der Vortragsreihe „Ende der Geschichte oder Geschichte ohne Ende. Wohin steuert die Wissensgesellschaft?“ an der Philipps-Universität Marburg am 6.12.2006 von Wolfgang Lieb.
Ein Referat von Wolfgang Lieb an der TU-Darmstadt im Rahmen der Kampagne für eine Verfassungsklage gegen das im Oktober vom Hessischen Landtag verabschiedete Studienbeitragsgesetz. Wolfgang Lieb.
Das nordrhein-westfälische „Hochschulfreiheitsgesetz“ wurde nicht nur am Schreibtisch des CHE formuliert, nach seiner Verabschiedung soll es nun auch noch bei seiner Umsetzung von den gleichen „unabhängigen Experten“ begleitet werden, um damit eine „möglichst hohe Qualität bei der Umsetzung zu sichern“.
Nachdem sich also schon der Staat dem Einfluss dieser privaten Lobbyorganisation preisgegeben hat, sollen sich nun auch noch die Hochschulen selbst dem Regime des CHE unterordnen. Wolfgang Lieb.
Unter dem Titel „SEIS macht Schule“ bietet die Bertelsmann Stiftung den Schulen ein Selbstevaluations- und Steuerungsinstrument an, das den „Entwicklungsprozess einer Schule zielgerichtet, effizient, systemisch und nachhaltig“ zu einer “Besseren Qualität in allen Schulen” führen soll.
An die Stelle der Urteilskraft von erfahrenen Pädagogen als Beratungslehrer oder der staatlichen Schulaufsicht oder der Willensbildung von Eltern, Schülern und Lehrer in Schulkonferenzen, steuert nunmehr Bertelsmann mit einer von ihr ausgearbeiteten Datenerhebung und mittels des Datenabgleichs die Qualität unserer Schulen. Wolfgang Lieb.