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Bildungspolitik

Von der Freiheit der Wissenschaft zur „unternehmerischen Hochschule“

Kein anderes Land mache „Freiheit mit dieser Konsequenz zur Grundlage seiner Hochschulpolitik“, rühmt Innovationsminister Pinkwart das nordrhein-westfälische Hochschul-„Freiheits“-Gesetz. Stellt man die Kantsche Frage, für wen und wozu die „neue“ Freiheit dienlich ist, so wird man feststellen, dass die weit überwiegende Mehrheit der Forschenden und Studierenden in der „unternehmerischen Hochschule“ – gemessen an ihren bisherigen Forschungs- und Lernfreiheiten – wesentlich „unfreier“ sein werden. Die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit von Forschung und Lehre gegenüber dem Staat und die in Angelegenheiten der Wissenschaft gewährte Autonomie werden in der „unternehmerischen Hochschule“ der Freiheit des Wettbewerbs und damit den anonymen Zwängen der Konkurrenz auf dem Wissenschafts- und Ausbildungsmarkt unterworfen: Konkurrenz um die Einwerbung von Studiengebühren als privates Investment in ein Studium. Ein Referat von Wolfgang Lieb auf einer Veranstaltung der GEW an der Universität Regensburg am 13. Juni 2007.

Der neu entdeckte Fachkräftemangel

Die Klagen der Arbeitgeber über den Fachkräftemangel sind alarmierend, das Wirtschaftswachstum werde gebremst. Doch dieser Notstand ist nicht über Nacht aufgetreten. Er war mit großer Treffsicherheit vorhersehbar.
Insbesondere die Arbeitgeber wissen aus Erfahrung, dass die Nachfrage nach Fachkräften bei einer Konjunkturbelebung regelmäßig steigt. Eine Besonderheit ist diesmal allenfalls darin zu sehen, dass der Mangel an Fachkräften schon bei relativ bescheidenen Wachstumsraten einsetzt. D.h. die Unternehmen haben ihren Personalbestand in den letzten Jahren radikal ausgedünnt.
Lesen Sie mehr in einem Beitrag, der uns von einem Arbeitsmarktexperten zur Verfügung gestellt wurde, der namentlich nicht genannt werden möchte.

Geschönte BAFöG-Zahlen – Die Studiengebühren fressen jedoch die Erhöhung bei weitem auf

Nach einer dpa-Meldung erhalten derzeit etwa 500.000 Studenten und 350. 000 Schüler das Bafög, das je zur Hälfte als Zuschuss und als zinsloses Darlehen gezahlt wird.
Nach dem BAFöG-Bericht der Bundesregierung vom Januar 2007 [PDF – 1,8 MB] liegt die Zahl der monatsdurchschnittlich geförderten Studierenden aber nur bei 345.000 die es werden nur 199.000 Schüler gefördert. Ein Rechenfehler oder eine Beschönigung?

Über das traurige Leben der 10jährigen Kinder in Bayern und anderswo

SpiegelOnline meldete am 4.5.:
„BAYERNS GRUNDSCHÜLER UNTER DRUCK.
Hauptsache nicht Hauptschule. – Mit drastischen Mitteln versuchen Eltern in Bayern, ihre Kinder fit zu machen fürs Gymnasium. Oder für die Realschule, auf keinen Fall sollen sie auf die Hauptschule. Klemmt es bei den Noten, müssen Privatpauker ran – oder Medikamente gegen den Prüfungsstress.“
Quelle: Spiegel Online
Ein Mitstreiter der NachDenkSeiten, ein mit seiner Familie in Bayern lebender US-Amerikaner, schickt dazu eine Mail mit der Skizze einer bedrückenden praktischen Erfahrung. Was er schildert, verstößt aus meiner Sicht schon gegen Artikel 1 unseres Grundgesetzes. Hier werden schon die Zehnjährigen nicht menschenwürdig behandelt.

Das Gymnasium macht alle anderen Bildungsanstalten, seien es nun Hauptschulen oder Stadtteilschulen, zu Restschulen

Schulstrukturdebatten sind überflüssig und blöde. Nicht auf die Struktur kommt es an, sondern auf den Unterricht?
Es ist genau umgekehrt – solange das Gymnasium als einzige, national gültige Krone des Auslese-Schulsystems erhalten bleibt, solange bleibt das ganze Gerede von individueller Förderung ideologische Tünche. Einen wirklich individualisierenden Unterricht gibt es erst, wenn die Schulform nicht mehr die Schablonen von Begabungen und Niveaus vorgibt, in die die Schüler gepresst werden, also, wenn es eine Schule für alle gibt.
Karl-Heinz Heinemann hat uns seinen Beitrag zur Einführung von Stadtteilschulen in Hamburg zur Verfügung gestellt.

Bildungsreformen ohne Verbesserungspotential

An allen Ecken und Enden wird das deutsche Bildungssystem „reformiert“. Ziel sei, so die einhelligen Verlautbarungen der Politik, eine Erhöhung der Chancengleichheit. Tatsächlich jedoch ist mit Chancengleichheit längst nicht mehr, wie einst, die soziale Emanzipation einer Klasse, sondern lediglich noch die Wettbewerbsmobilmachung von Individuen gemeint. Mit der Konsequenz, dass Ungleichheit im Zuge solcher Maßnahmen nicht etwa ab-, sondern vielmehr hinter dem politisch wie sozial blinden Konstrukt vermeintlicher „Leistungsgerechtigkeit“ verschleiert, modernisiert und ausgebaut wird. Ein Beitrag von Jens Wernicke.

„Unicheck“: Die Täuschung geht weiter

Als neueste Nachricht berichtet „Unicheck“ über eine aktuelle Emnid-Umfrage: „Mehr als drei Viertel von Ihnen wollen künftig mehr Leistung und Angebot von Ihren Unis fordern. Neun von zehn wollen zudem mit darüber bestimmen, wie ihr Geld verwendet wird.“ Kein Hinweis darauf, dass die Umfrage im Auftrag der INSM durchgeführt wurde und dass „Unicheck“ ein Ziehkind dieser neoliberalen Lobbyorganisation ist.
Die Umfrage muss allerdings für ihre Initiatoren eine Riesenenttäuschung sein, denn über zwei Drittel der befragten Studierenden (67%) lehnen Studiengebühren auch noch nach ihrer Einführung ab und 83% bezweifeln, dass die von ihnen in fünf Bundesländern bezahlten Studiengebühren „tatsächlich für eine bessere Ausbildung verwendet werden.“ „Die Gebühren müssen das Vertrauen der Studierenden noch verdienen“ meint „Unicheck“ und tröstet sich damit, dass 62% der Befragten meinen, dass Studiengebühren die Ausbildung an den Hochschulen verbessern „könnten“.
Die exakte Fragestellung würde einen interessieren, vielleicht meinten die Befragten eher, dass Studiengebühren die Studienbedingungen verbessern ´müssten` und nicht im allgemeinen Hochschulhaushalt versickern dürften. Wolfgang Lieb.

„Unicheck“, ein als studentisches Projekt getarnte Studiengebühren-Kampagne der INSM

Die mit 8,8 Millionen im Jahr vom Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie finanzierte, sich selbst als „neoliberal“ bekennende Gehirnwaschagentur „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ hat sich für ihre Kampagne für die Studiengebühren mal wieder ein neues Täuschungsmanöver ausgedacht: Unter der Deckadresse „Unicheck.de von Studenten für Studenten“ sollten Studierendenvertretungen bewerten, wie gut oder wie schlecht die eingenommenen Studiengebühren von den Hochschulen verwendet werden. Die Ergebnisse sollen offenbar heute auf einer Pressekonferenz vorgestellt werden und von der Financial Times Deutschland und von der als Werbebroschüre verpackten und meistverteilten Studentenzeitung „Unicum“ medial vermarktet werden: „Wer Anfang April ahnungslos auf die Mail von Thorsten Schröder geantwortet hat, könnte sich dann plötzlich als Statist einer gut geplanten Pro-Gebühren-Kampagne wiederfinden“ schreibt der ausnahmsweise einmal INSM-kritische UniSpiegel. Wolfgang Lieb.

Bildungsausgaben rückläufig

Angefangen vom Bundespräsidenten über die Kanzlerin, bis hin zur Wirtschaft reden alle davon, dass wir mehr Investitionen in die Bildung brauchten. Die SPD will mit dem „vorsorgenden Sozialstaat“ über die Bildung gar die nachsorgenden sozialen Sicherungssysteme weitgehend obsolet machen.
Die Wirklichkeit sieht anders aus. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, sind die Bildungsausgaben von Bund, Ländern, Kommunen und Privaten in Höhe von 144,8 Milliarden Euro im Jahre 2005 gegenüber dem Vorjahr um 1,3 Milliarden zurückgegangen. Der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttosozialprodukt ist von 6,6% auf 6,5% gesunken. Vor allem die Förderung der Weiterbildung ging zurück.

Dramatischer Rückgang der Studierenden nach Einführung von Studiengebühren in NRW

Zum Start des Sommersemesters – dem zweiten Semester mit Studiengebühren – ist die Zahl der Studierenden an der größten nordrhein-westfälischen Universität zu Köln erneut um 5.000 Studierende gesunken Nachdem schon bei Einführung der Studiengebühren in NRW ein Rückgang der Erstsemesterzahlen um 5,3 Prozent zu verzeichnen war. An der benachbarten Uni Bonn ging die Zahl der Studierenden seit Einführung von Studiengebühren um 7.000 zurück. Das entspricht einem Rückgang von ca. 25 Prozent. Was jeder vorhersehen konnte, scheint einzutreten: Der höhere Preis senkt die Nachfrage nach Studienplätze – und das in einem Land, in dem ständig gefordert wird, dass wir mehr Studierende brauchen.

UN-Sonderbericht über das deutsche Bildungssystem: Ohrfeige für Deutschland

Der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Bildung, Vernor Muñoz, hat gestern vor dem UN-Menschenrechtsrat seinen mit Spannung erwarteten Bericht über das deutsche Bildungssystem vorgestellt. Auch in diesem übt er deutliche Kritik an den diskriminierenden Wirkungen des deutschen Schulsystem: “Indeed, the Special Rapporteur believes that the classification process which takes place at lower secondary level (average age of students is 10, depending on each Land’s regulation) does not assess students in an adequate manner and instead of being inclusive, is exclusive; since he could verify during the visit that, for example, poor and migrant children – as well as children with disabilities – are negatively affected by the classification system.” (Quelle: ohchr.org [PDF – 196 KB]) Ein Beitrag von Jens Wernicke

Stuttgart Institute of Management and Technology: Schon wieder eine private Elitehochschule pleite

Die private Universität Witten-Herdecke wurde jüngst vom Gesundheitskonzern SRH vor der Pleite bewahrt, die “International University Bremen” (IUB) musste jüngst von der Kaffeeröster- Stiftung Jacobs gerettet werden, der Größenwahn der „European School of Management and Technology“ (ESMT) im ehemaligen DDR-Staatsratsgebäude Berlin ist längst an der Realität zerplatzt. Und nun wird auch die „Eliteeinrichtung“ des Stuttgart Institute of Management and Technology (SIMT) verramscht: Für einen symbolischen Euro übernahm die Steinbeis-Gruppe des akademischen Multi-Unternehmers Professor Johann Löhn aus Stuttgart die Führung. Über 20 Millionen Euro staatlicher und privater Mittel flossen – viel Geld für eine private Universität, die nach neun Jahren lediglich 281 Absolventen vorzeigen kann.

Stiftungsprofessuren die Kopflanger des großen Geldes

Die Universität Frankfurt am Main, hat insgesamt 500 Professoren. Sie hat 23 Stiftungsprofessoren und 14 Stiftungsgastprofessoren. Von diesen 37 Stiftungsprofessuren wurden 13 von Banken oder Stiftungen der Finanzwirtschaft gestiftet, mindestens 6 von Stiftungen der Pharma- und Gesundheitsindustrie, etliche durch Quandt-, Herthie oder sonstigen Stiftungen von Großindustriellen oder durch Konzerne wie T-Mobil und einige wenige von ungenannten Spendern. Die Gastprofessuren werden semesterweise, die Stiftungsprofessuren dauerhaft besetzt.
Nun könnte man ja das Hohe Lied auf das Mäzenatentum singen. Doch daraus wird schnell ein Trauerspiel: denn die Stiftungsprofessuren werden nur zwischen drei bis fünf Jahren privat finanziert, anschließend werden sie aus Landes- oder Hochschulmitteln weiterfinanziert. D.h. hier kauft sich großes Geld die von ihr gewünschte Wissenschaft und von ihm (mit) ausgewählte Wissenschaftler ein, um sie dann auf Dauer dem Steuerzahler aufzuhalsen.