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Bildungspolitik

Ein westfälischer (Schul-)Frieden

Der gestern zwischen SPD/Grünen und der CDU erzielte „Schulkompromiss“ [PDF – 2 MB] wird gefeiert wie der Westfälische Frieden, mit dem der Dreißig Jährige Krieg beendet wurde. Ein Stück weit trifft der Vergleich sogar zu, denn seit einem Volksbegehren über den ersten Anlauf zu einer „kooperativen Schule“ im Jahre 1978, herrschten heftige Auseinandersetzungen über das Schulsystem in diesem Lande, einem der wenigen verbliebenen Herzstücke der Landespolitik. Zwar wurde die Gesamtschule eingeführt und leider auch ständig bekämpft, aber am dreigliedrigen Schulsystem hat sich letztlich nichts geändert. Die Hauptschule war in Art. 12 der Landesverfassung festgeschrieben und keine Regierungsmehrheit seit über 30 Jahren konnte diese Barriere überwinden. Insofern ist die Möglichkeit der Einführung eines „Sekundarschule“ ein Fortschritt und vielleicht eine Chance. Doch mehr als eine Hoffnung besteht nicht. Von Wolfgang Lieb

Arbeitssuche als Facharbeiter

Der bei Bayer in Ausbildung zum Chemikanten befindliche R. freute sich Mitte 2010, nach 3 jähriger Lehrzeit, darauf, endlich bald Vollzeit zu arbeiten und Geld zu verdienen, was ihm mit rund 1900 € brutto Monatslohn immerhin ermöglichen würde, eine kleine Wohnung zu mieten und sein Leben außerhalb des Elternhauses in Selbstständigkeit zu beginnen. Er büffelte also, um seine Abschlussprüfung gut zu bestehen.
Wie bestürzt war er, als – 4 Wochen vor dieser Abschlussprüfung – ein formloses Schreiben der Bayer AG eintraf, welches ihm, ohne Gründe zu nennen, mitteilte, dass er nicht in eine Festanstellung übernommen würde und er sich bei der zuständigen Agentur für Arbeit melden solle, damit ihm dort geholfen würde. Es beruhigte ihn natürlich nicht, dass alle seine Mitauszubildenden das gleiche Schreiben erhielten. Von unserem Leser R.K.

Wirtschaft in der Schule: Der Zug fährt auch ohne uns – Gewerkschaften sollten sich einmischen!

Eine Replik auf Wolfgang Liebs Beitrag „Gewerkschaften springen auf den falschen Zug auf: Nach der Wirtschaft wollen sich nun auch die Gewerkschaften in die Schule einmischen“ vom 18. Februar 2011.
Von den Mitgliedern der Steuerungsgruppe der Initiative Schule und Arbeitswelt, Jeanette Klauza (DGB), Martina Schmerr (GEW), Oliver Venzke (IG BCE) Bernd Kaßebaum (IG Metall), Gunther Steffens (ver.di) und Klaus Buchholz (IG Metall).

Bis zu 100.000 € für einen Dr. – und der Löwenanteil landet bei den Doktorvätern und -müttern

Angestoßen durch den Beitrag vom 11. Mai „Teil der Welt des angeblichen Großbürgertums und Adels: Betrug. Gedeckt von bisher nicht behelligten Professoren.“ machte eine Nutzerin der NachDenkSeiten auf die Sendung des Hessischen Rundfunks Der Tag vom 21.2. mit dem Titel “Geliehener Geist – wenn der Autor ein anderer ist” aufmerksam. In einem Interview hatte Manuel Theisen, Professor an der Uni München, der sich seit langem mit erschlichenen akademischen  Titeln (und offenbar auch anderen Korruptionsformen) befasst, berichtet, dass bei den rund 300 gekauften Doktortiteln pro Jahr sehr oft die Doktorväter und -Mütter finanziell mit im Boot sind. Albrecht Müller.

Teil der Welt des angeblichen Großbürgertums und Adels: Betrug. Gedeckt von bisher nicht behelligten Professoren.

„Die Zahl der prominenten Ex-Doktoren wächst: Nach Karl-Theodor zu Guttenberg muss jetzt auch die Tochter von Edmund Stoiber den Dr. vor ihrem Namen streichen.“ So berichtet sueddeutsche.de. Siehe auch vroniplag.wikia.com. Und auch bei der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Koch-Mehrin (FDP) wächst der Verdacht auf Plagiate. Die Universität Bayreuth hat den Bericht zum Fall Guttenberg veröffentlicht. (Siehe unten Anlage) Darin wird Vorsatz festgestellt. Die Gutachter – Doktorvater Häberle und der Zweitgutachter – kommen glimpflich davon. Das ist nicht gerechtfertigt. Albrecht Müller.

Nationale Bologna-Konferenz

Am 6. Mai findet die zweite Nationale Bologna-Konferenz in Berlin statt. Die erste Konferenz („Schavan-Show“) war eine Folge der Bildungsproteste des Jahres 2009 und sollte einen Dialog zwischen Studierenden, Beschäftigten, Hochschulen und Politik eröffnen. Die zweite Konferenz findet in einem deutlich kleineren Rahmen statt und bereits heute lässt sich das Ziel dieser Veranstaltung erahnen: Der Bachelor soll als Erfolgsmodell dargestellt werden. Auf der Tagesordnung stehen daher: Der Übergang vom Bachelor in den Master, die Berufschancen von Bachelorabsolventen auf dem Arbeitsmarkt und Mobilität. Klemens Himpele beleuchtet die Themen im Vorfeld der Konferenz.

Deutschland lebt von der Substanz

Europas weitaus größte Wirtschaftsmacht, die durchsetzen möchte, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union dem deutschen Beispiel folgen und über Lohnsenkungen und Sozialabbau wieder wettbewerbsfähig werden, verspielt auf einem der wichtigsten Felder, nämlich der Bildung und Qualifizierung der nachrückenden Generation seine Zukunftsfähigkeit. Das belegt nicht nur der neue Bildungsbericht der EU-Kommission, das beweist auch das Scheitern der groß angekündigten „Qualifizierungsinitiative für Deutschland“. Wolfgang Lieb

Was zu erwarten war: Das Bürokratiemonster Bildungspaket floppt

Rund 2,5 Millionen Kinder sollten über das Bildungspaket Kindern Nachhilfe, Musikschule, Sport Schulmittagessen oder Klassenausflüge angeboten werden. Nach einer Spiegel-Meldung sollen aber erst zwei Prozent der Berechtigten bei den Jobcentern Anträge auf eine Förderung durch das Bildungspaket gestellt haben. Bis Ende April sollten die Eltern die Anträge einreichen, wenn sie die Leistungen rückwirkend zum 1. Januar beanspruchen wollten. Was jeder, mit einigermaßen gesundem Menschenverstand ausgestattete, vorhersehen konnte, ist nun eingetreten: Das mit dem Bildungspaket in die Welt gesetzte Bürokratiemonster frisst die Kinder, die es fördern sollte. Wolfgang Lieb

Zu Guttenberg versucht seine Plagiate zu vertuschen

„Ich habe wie jeder andere auch zu meinen Fehlern und Schwächen zu stehen – zu großen und kleinen im politischen Handeln bis hin zum Schreiben meiner Doktorarbeit. Und mir war immer wichtig, diese vor der Öffentlichkeit nicht zu verbergen“, erklärte zu Guttenberg am 1. März in seiner Rücktrittserklärung. Doch seit bekannt geworden ist, dass die Selbstkontroll-Kommission der Universität Bayreuth zu dem (vorläufigen) Urteil gekommen ist, dass Ausmaß und Art der Plagiate keinen anderen Schluss zu ließen, als dass zu Guttenberg mit Absicht gehandelt haben müsse, lässt der „Selbstverteidigungsminister“ seine Anwälte alles unternehmen, um eine Veröffentlichung der Vorwürfe einer absichtlichen Täuschung durch die Verwendung zahlreicher Plagiate als auch des Missbrauchs von Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zu verhindern. Wolfgang Lieb

Berufsbildungsbericht 2011: Bildungsministerin setzt auf die Verblödung der Öffentlichkeit durch die veröffentlichte Meinung

Die Vorstellung des Berufsbildungsberichts ist seit Jahren eine PR-Show der Bundesbildungsministerin. In jedem Frühjahr wird eine Verbesserung der Ausbildungslage junger Menschen verkündet und der sog. Ausbildungspakt in höchsten Tönen gelobt. Da werden dann irgendwelche Statistiken herausgepickt, die Ministerin Schavan als Jubelmeldungen verkündet. Mit der tatsächlichen Lage auf dem Ausbildungsmarkt haben solche Meldungen kaum etwas gemein. Die Darstellung des BMBF ist eine Beschönigung der Lage, um nicht zu sagen, die Bildungsministerin betreibt reine Propaganda zugunsten der Spitzenverbände der Wirtschaft und zulasten hunderttausender junger Leute. Und die veröffentlichte Meinung plappert das munter nach. Von Wolfgang Lieb.

Hochschulräte: Viel Macht, wenig Rat

Die neueste Studie des bertelsmannschen CHE über das „strategische Management“ an den Hochschulen [PDF – 1.7 MB] kommt hinsichtlich der Hochschulräte zum Ergebnis, dass diese zwar kaum „fachlichen Impulse“ geben, aber dafür die Macht hätten, Strategien einzufordern. Die fehlende Kompetenz vor allem der externen Hochschulratsmitglieder über hochschulinterne Fragen ein fachliches Urteil zu fällen, ist für jeden einigermaßen Kundigen eigentlich nichts Neues.
Man fragt sich deshalb, warum die Landesgesetzgeber ihre Hochschulgesetze nicht längst novelliert haben, die den Hochschulräten immer noch die Kompetenz einräumen, über die strategische Ausrichtung einer Hochschule zu entscheiden und eine „Fachaufsicht“ wahrzunehmen, obwohl sie fachlich damit völlig überfordert sind. Wolfgang Lieb

Nun steht der Ruf der Uni Bayreuth auf dem Spiel

Nach dem Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg aus allen politischen Ämtern steht nunmehr die wissenschaftliche Anerkennung, Reputation und das Renommee der Universität Bayreuth auf dem Spiel. Die Universität hat sich bislang darauf beschränkt, zu Guttenberg den Doktorgrad unter Rückgriff auf das Verwaltungsverfahrensrecht wegen objektiver Fehlerhaftigkeit der Dissertation abzuerkennen. Sie scheute damit davor zurück, zu Guttenberg den persönlichen Schuldvorwurf einer absichtlichen Täuschung zu machen. Damit wird die politische Affäre zu Guttenberg zu einer wissenschaftspolitischen Affäre der Uni Bayreuth. Der Schaden für diese Hochschule ist schon jetzt erkennbar, der beschädigte Ruf dürfte nämlich mit eine Rolle gespielt haben, dass die Uni Bayreuth entgegen allen Erwartungen bei der Exzellenzinitiative leer ausgegangen ist.
Aus Kreisen der Hochschule wurde uns der nachfolgende Brief eines Hochschulratsmitglieds an die Uni-Leitung zur Kenntnis gebracht.
Wolfgang Lieb

Guttenbergs unaufrichtiger Rücktritt

Der heute vollzogene Rücktritt von Verteidigungsminister zu Guttenberg war überfällig und richtig. Die Art und Weise, in der Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Rücktritt vollzogen hat, ist jedoch schäbig. Selbst in seiner bittersten Stunde bleibt Guttenberg sich selbst treu und bestätigt seine Kritiker in ihren Vorwürfen. Von Einsicht, Demut oder gar Selbstkritik war in seiner Rücktrittsrede keine Spur. Stattdessen stellte sich zu Guttenberg einerseits als Opfer der Medien und andererseits als tapferer Dienstherr, der sich vor seine Soldaten stellt, dar. Dabei hat es den Anschein, als ob zu Guttenberg sogar selbst glaubt, was er da sagt. Er ist aber kein Opfer, sondern ein Täter. Er schützt mit seinem Rücktritt die Soldaten nur vor seinen eigenen Verfehlungen. Von Jens Berger

Wetten, dass Guttenberg seinen Doktortitel behalten darf, schreibt NachDenkSeiten-Leser H.K.

Nicht aus Überzeugung, sondern aus Lust, setze ich dagegen. Eine Flasche Südpfälzer Rotwein Cuve. Wenn HK gewinnt, dann ist wieder mal bewiesen: Unsere Demokratie wird von den Herrschenden kaputt gemacht, Sanktionen gibt es nicht mehr, mit Frechheit und der notwendigen PR kann man alle Schandtaten überlagern; wer über viel Geld und publizistische Kraft verfügt, kann aus Mist Marmelade machen und sowohl die Personalpolitik als auch die Sachentscheidungen bestimmen. Wenn ich die Wette gewinne, dann keimt ein bisschen Hoffnung. Albrecht Müller.