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Bildungspolitik

Hochschulfreiheit und W-Besoldung – Eine Umfrage des Hochschullehrerbundes NRW unter Fachhochschulprofessorinn/en

Die Absicht des Gesetzgebers, durch Einführung der W-Besoldung die Vergütung für Professorinnen und Professoren leistungsgerechter zu gestalten, wurde nach Ansicht von 72 % der Befragten nicht erreicht. 76 % fühlen sich nicht motiviert mehr Leistung als zuvor zu erbringen. Für 86 % entspricht das W-Vergütungssystem nicht den Anforderungen der Professur. Berufungen werden schwieriger und die Qualität der Bewerber/innen ist schlechter geworden.
Mit Einführung des Hochschulfreiheitsgesetzes in NRW wurde für knapp drei Viertel der Befragten die Selbstverwaltung der Hochschule durch den akademischen Senat entwertet.
Als Ursache wird von den meisten die Verlagerung der Entscheidungsbefugnisse auf die Leitungsorgane (69 %) gesehen. Das mit großen politischen Visionen eingeführte Gesetz hinterlässt bereits nach einigen Jahren erhebliche Kollateralschäden. So beklagen in der Umfrage rund 40 % der Befragten, ihr Engagement in der Hochschule sei dadurch gebremst worden und 43 % der Professorinnen und Professoren fühlen sich sogar in ihrer wissenschaftlichen Freiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG beeinträchtigt. Ergebnisbericht von Leo Hellemacher.

Für eine demokratische und soziale Hochschule, für eine freie Forschung und Lehre in Verantwortung vor der Gesellschaft

Die Kritik von Seiten der Rektoren, von Hochschulratsvorsitzenden und von einzelnen Wirtschaftsvertretern, aber auch von konservativen Ordinarien am Referentenentwurf eines Hochschulzukunftsgesetzes für NRW hat teilweise geradezu hysterische Züge angenommen. Schaut man auf die rasch organisierten Reaktionen, so kann man den Eindruck gewinnen, als seien hier Freiheitskämpfer gegen eine Politik angetreten, die einen „bürokratischen“ Kontroll- und Überwachungsstaat über die Hochschulen errichten will.
Angesichts der Vermachtung der veröffentlichten Meinung im Sinne der konservativen Wortführer kommen Kritiker der „unternehmerischen“ Hochschule kaum noch zu Wort.
Die Politik nimmt allerdings den Kampf mit den Propagandisten der inzwischen funktionell privatisierten Hochschulen nicht wirklich auf. Man hat politisch offenbar nicht mehr den Mut, klar zu bekennen, dass das Leitbild der „unternehmerischen Hochschule“ noch nie zu wissenschaftlichen Hochschulen gepasst hat und dass es darum gehen müsste, für eine demokratische und soziale Hochschule, für eine freie Forschung und Lehre in Verantwortung vor der Gesellschaft einzutreten. Von Wolfgang Lieb.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Freie Wissenschaft als Geisel der Wirtschaft

Es war einmal eine freie Wissenschaft, über Jahrhunderte und über alle Staatsformen hinweg hat es Einrichtungen gegeben, in denen (wenigstens der Idee nach) frei von politischer, ökonomischer oder sonstiger Macht kluge Menschen „freigestellt“ wurden, um sich auf die Suche nach Wahrheit zu begeben und die Menschen aufzuklären. Dieses Märchen hat unser Grundgesetz in einen Grundrechtsartikel gefasst, der diese Freiheit der Wissenschaft an staatlichen Hochschulen garantieren soll.
Wenn man die Debatte um den Referentenentwurf für ein „Hochschulzukunftsgesetz“ in NRW verfolgt, dann muss man resigniert konstatieren, dass das Pathos der Wissenschaftsfreiheit nur noch hohl ist. Wie die Politik allgemein in den Fängen der Finanzwirtschaft zur „marktkonformen Demokratie“ gezwungen wird, so ist offenbar auch die Wissenschaft an staatlichen Hochschulen schon eine Geisel der Geldgeber geworden. Von Wolfgang Lieb

Unternehmerlobby will die Hochschulen steuern – Zum offenen Brief der Vorsitzenden der Hochschulräte an die NRW-Landesregierung

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Vorsitzenden der Hochschulräte in NRW mehrheitlich die Hochschulen als durch den Wettbewerb um die Einwerbung von Drittmitteln gesteuerte „Unternehmen“, ja noch mehr als die verlängerten Werkbänke der Wirtschaft betrachten, dann liefert diesen Beleg ihr offener Brief an die Landesregierung [PDF – 78.5 KB].
Allein dieses Schreiben an die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und an die Wissenschaftsministerin Svenja Schulze müsste eigentlich alle, für die die Freiheit von Forschung und Lehre noch den im Grundgesetz verbürgten hohen Wert besitzt, von der Notwendigkeit der Novellierung des bisherigen sog. „Hochschul-„Freiheits“-Gesetz des früheren FDP-Innovationsministers Pinkwart überzeugen. Die „unternehmerische Hochschule“, wie sie die Mehrheit der Hochschulratsvorsitzenden anstrebt, hat nichts mehr mit dem Grundgedanken der Wissenschaftsfreiheit zu tun, wie ihn das Bundesverfassungsgericht postuliert hat. Den unterzeichnenden Hochschulratsvorsitzenden geht es nicht um die Wahrung einer autonomen Wissenschaft an den Hochschulen, ihnen geht es – wie sie selbst schreiben – um den „Schulterschluss der Hochschulen mit Industrie und Wirtschaft“. Von Wolfgang Lieb.

Schwarz-Grüner hessischer Löwe als Bettvorleger

Der sich aufbäumende rot-weise Löwe im hessischen Wappen ist mit dem Koalitionsvertrag zwischen der CDU und Bündnis 90/Die Grünen als schwarz-grüner Bettvorleger gelandet. Wobei bestenfalls der Schwanz noch grün eingefärbt ist. Der Koalitionsvertrag trägt die Überschrift „Verlässlich gestalten, Perspektiven eröffnen“. Mit diesem Koalitionsvertrag ist nicht ein von den Grünen vor der Wahl geforderter „Wechsel“ in der hessischen Politik vollzogen. Noch weniger: Es werden nicht einmal „Perspektiven eröffnet“. Nur zwei von zehn Ministerien sollen an die Grünen gehen. In Hessen wird „verlässlich“ die Politik weitergemacht, die die CDU nun schon seit 14 Jahren betrieben hat. Kein Wunder, dass der konservative Hardliner Volker Bouffier nach den Koalitionsverhandlungen sein gelassenes Raubtiergrinsen aufsetzen konnte. Von Wolfgang Lieb.

Quo vadis Bildung?

Seit Jahr und Tag werden uns die „Bildungsrepublik Deutschland“ und „Vorrang für Bildung“ versprochen. Geschehen ist in all der Zeit nicht wirklich viel. Wird sich dies nun ändern – mit und dank der Großen Koalition? Jens Wernicke sprach mit Ulrich Thöne, ehemaliger Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Wochenrückblick auf zwei beachtliche Vorgänge verbunden mit zwei Tipps zu nahe liegenden Themen

Das betrifft den weit unterschätzten rechtsextremen Terror und das weit überschätzte PISA der OECD. Die Tipps gelten Medienterminen zu Willy Brandt und Mollath. Allen vier Vorgängen eigen ist die Tatsache, dass das öffentliche Bild von Ereignissen und Personen sehr viel anders gezeichnet und verzeichnet wird, als es der Wahrheit entspricht. Alle vier Beispiele zeigen, wie sehr Menschen und unsere Gesellschaft davon betroffen sein können. Von Albrecht Müller

Macht PISA dumm?

Herr Wolfram Meyerhöfer, am 3. Dezember werden die Ergebnisse der neuesten, inzwischen fünften PISA-Studie, PISA 2012 genannt, der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie gehören von Beginn an zu den größten Kritikern dieses Programms [PDF – 89.4 KB]. Wogegen richtet sich Ihre Kritik?
Nun, ich habe ursprünglich mal versucht, mit Hilfe von PISA und ähnlichen Studien Wege zur Verbesserung von Schule zu finden. Dafür geben diese Studien aber nichts her. Zudem war es, als würden Sie ein Bild aufhängen wollen: Sie schlagen einen Nagel in die Wand und Schlag für Schlag bröckelt Ihnen die ganze Wand entgegen. Bei näherer Betrachtung erweist sich jedes theoretische und methodische Element von PISA als brüchig. Ein Interview von Jens Wernicke.

Pawlowsche Reflexe aufgrund ideologischer Konditionierung – Zu den Kritiken am Referentenentwurf für ein „Hochschulzukunftsgesetz“ NRW

Die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze hat letzte Woche unter dem Titel „Hochschulzukunftsgesetz“ einen Referentenentwurf für eine Novelle des vom früheren FDP-Innovationsminister Andreas Pinkwart im Jahre 2006 durchgesetzten sog. Hochschul-„Freiheits“-Gesetz dem Kabinett vorgelegt.
Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) – die „Stimme der Hochschulen“, wie sie von sich selbst behauptet – läuft dagegen Sturm. Ihr Präsident, Horst Hippler, sieht in einem Offenen Brief an die NRW-Landesregierung im Namen aller Hochschulrektoren durch den Gesetzentwurf „in zentralen Punkten die Wissenschaftsfreiheit und Autonomie in inakzeptabler Weise“ eingeschränkt [PDF – 68.2 KB]. „Die Zeit“ – die Medienplattform für das bertelsmannsche CHE-Hochschulranking – meint in ihrer jüngsten Printausgabe in dem Referentenentwurf gar eine „Rückkehr zur Planwirtschaft“ (Die Zeit vom 21. November 2013, Nr. 48, S. 99) erkennen zu müssen.
Die Rektoren und ihre medialen Sprachrohre hätten aber besser einmal das geltende Gesetz gelesen und mit dem Novellierungsentwurf verglichen, statt in einer Art pawlowscher Reflex „Paternalismus“ (so die Zeit) oder ein „Untergraben“ der Autonomie der Hochschulen (so die HRK) zu wittern. So aber bleiben die Kritiken nur Beißreflexe aufgrund einer ideologischen Konditionierung. Von Wolfgang Lieb.

Wer steuert die Hochschulen in Zeiten von Postdemokratie?

Der Begriff „Postdemokratie“ wurde vor allem durch den britischen Politikwissenschaftler Colin Crouch in die Debatte eingeführt. Crouch beschreibt damit zwar die formale Fortexistenz demokratischer Institutionen, hinter deren Fassade aber eine weitreichende Selbstaufgabe der Politik stattgefunden hat.
In einer Gesellschaft gibt es aber kein Vakuum der Macht. In dem Maße, in dem die Politik ihre Macht selbst abgegeben hat, hat es eine Verlagerung der Macht- und Entscheidungszentren auf andere Machtinhaber gegeben.
Eine solche Verlagerung der Macht bei formaler Fortexistenz demokratischer Institutionen hat es gerade auch an den nach wie vor weitgehend öffentlich finanzierten Hochschulen im Verlauf der letzten 10 Jahre gegeben.
Vorbereiteter Beitrag von Wolfgang Lieb in der Podiumsdiskussion an der Goethe Universität Frankfurt am Main [PDF – 180 KB] (ich habe allerdings frei gesprochen)

Wolfgang Lieb nimmt heute an einer Podiumsdiskussion an der Goethe Universität in Frankfurt a.M. teil

„Wer steuert die Hochschulen in Zeiten von Postdemokratie?“, so lautet die Einladung zu einer Podiumsdiskussion an der Goethe Universität Frankfurt am Main. Veranstalter ist die Demokratische Liste im Senat (DL). Auf dem Podium diskutieren Prof. Dr. Tanja Brühl (Vizepräsidentin der Goethe-Universität), Gerd Köhler (Mitglied des Hochschulrates der Goethe-Universität) Wolfgang Lieb (Mitherausgeber von www.NachDenkSeiten.de)
Moderation: Prof. Dr. Birgit Blättel-Mink (Demokratische Liste im Senat).
Montag, 18.11.13, 18.00 c.t., Campus Westend, Casino 1.811 [PDF – 180 KB]

„Für eine demokratische und soziale Hochschule – Hochschulräte zu Kuratorien“

Referat von Wolfgang Lieb auf einem Workshop des DGB zum Thema „Für eine demokratische und soziale Hochschule – Hochschulräte zu Kuratorien“ am 14. November 2013 in Berlin.

10 Thesen zur Kritik an Hochschulräten, Vorschläge für eine neue Balance zwischen der institutionellen Autonomie der Hochschulen einerseits und der subjektiven, individuellen Wissenschaftsfreiheit der Hochschulangehörigen andererseits und drittens der demokratischer Verantwortung des Staates im Spannungsfeld der Freiheit von Forschung und Lehre.

Von wegen Rechtschreipkaterstrofe!*

Einen allgemeinen Verfall der Rechtschreibung oder gar der Rechtschreibfähigkeit bei Kindern und Jugendlichen gibt es nicht, meint Hans Brügelmann, bis 2012 Professor für Grundschulpädagogik und -didaktik an der Uni Siegen. Was es stattdessen aber sehr wohl gebe, seien immer mehr Diagnostiziererei und Pathologisierung abweichenden Verhaltens. Mit Konzepten wie Legasthenie, ADHS usw. würden Schwierigkeiten so zu individuellen Eigenschaften deklariert anstatt zu sehen, dass diese stets auch Folge der Wechselwirkung zwischen Kind und Umwelt seien. Mit Hans Brügelmann sprach Jens Wernicke.

Chance 2020 – Die INSM will es noch einmal wissen (3/4)

Als vor fast 10 Jahren die NachDenkSeiten das Licht der Welt erblickten, kritisierte Albrecht Müller in unserem allerersten Artikel eine Kampagne der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Seitdem begleiten uns die Kampagnen der INSM in steter Regelmäßigkeit – wer auf den NachDenkSeiten nach „INSM“ such, kommt auf stolze 1.320 Treffer. Wie zu befürchten war, versucht die INSM nun auch mit einer aktuellen Kampagne Einfluss auf die kommenden Koalitionsverhandlungen zu nehmen. Da die maßgeblich von Wolfgang Clement erarbeitete aktuelle Kampagne mit dem Namen „Chance 2020“ im Grunde alter neoliberaler Wein aus neuen Schläuchen ist, auf den wir bereits unzählige Male inhaltlich eingegangen sind, wollen wir Ihnen an dieser Stelle eine vierteilige Serie anbieten, in denen wir Ihnen zahlreiche Gegenargumente zu den 21 Forderungen der Chance 2020 an die Hand geben. Im dritten Teil geht es heute um die Themenfelder „Bildung“ und „Sozialversicherung“.  Von Jens Berger.

Das „QS World University Ranking“ – Es geht nicht um Wissenschaft sondern ums Geschäft

Dieser Tage ist wieder einmal das jährliche „QS World University Ranking“ veröffentlicht worden. Das QS Ranking wird in einschlägigen Kreisen, also an den Hochschulen, in der Politik und bei den Arbeitgebern, wie üblich, Furore machen. Man muss allerdings wissen, dass dieses Ranking aus rein kommerziellen Motiven erstellt wird.
Der Unsinn des QS Rankings beginnt schon damit, dass Gesamturteile über Hochschulen gefällt werden und nicht nach Stärken und Schwächen differenziert wird, die jede Hochschule hat. Die Reihung der Hochschulen erfolgt nach kaum durchschaubaren und höchst zweifelhaften Kriterien. Es ist nach wissenschaftlichen Standards eher peinlich, wenn sich Hochschulen ihrer Platzierung in solchen Rankings rühmen. Und es ist gefährlich, wenn Studierende ihre Auswahlentscheidung für eine Hochschule an solchen Rankings orientieren, weil zumindest das QS Ranking ziemlich wenig darüber aussagt, wie die Lehr- und Studienqualität an den „gerankten“ Hochschulen in den einzelnen Fächern ist. Noch schlimmer ist allerdings, wenn Hochschulleitungen und Hochschulpolitiker ihre Entscheidungen danach ausrichten, wie sie ihre jeweiligen Hochschulen auf solchen Rankinglisten nach oben bringen könnten. Von Wolfgang Lieb.