Kategorie:
Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik

IMK-Report: Deutschland bei Lohnkosten an vierter Stelle im Euroraum

Die realen Nettolöhne sind in Deutschland in den letzten Jahren gesunken und Deutschland gibt im Euro-Raum bei der Lohnentwicklung das Schlusslicht ab. Diese Tatsache wird von Vertretern der Wirtschaft immer wieder damit zu entkräften versucht, dass angeblich bei uns die absoluten Lohnkosten höher seien als sonst wo. Abgesehen davon, dass die Lohnkosten für die Produktivität kaum aussagekräftig und die Lohnstückkosten viel relevanter sind, ist die Behauptung, bei uns seien die Lohnkosten am höchsten, schlicht falsch. Das belegt der erstmalig erscheinende Report des „Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung“ (IMK).

So stellt sich Klein-Ulla das Funktionieren der Marktwirtschaft vor

„Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD) hat die deutsche Wirtschaft aufgefordert, mehr Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen,“ meldet die Netzeitung. «Nun sind die Arbeitgeber in der Pflicht», sagte Schmidt am Mittwoch in Berlin mit Blick auf die gesunkenen Lohnnebenkosten. Die Ministerin wandte sich dabei an Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und forderte ihn auf, sich dafür stark zu machen und keine neuen politischen Forderungen zu stellen.“

Mitbestimmung ein deutscher Sonderweg?

Eine Studie belegt: In anderen europäischen Länder haben die Arbeitnehmer teilweise sogar noch mehr Mitspracherechte als hierzulande.
Die Mitbestimmung in Deutschland sei ein „Investitionshindernis in einer globalisierten Welt“. Deswegen, so meint die Lobby der Wirtschaft, müsse eine „Reform“ her und deshalb setzte der Kanzler eine durch die Arbeitgeberseite dominierte „Mitbestimmungskommission“ ein.
Deren Auftrag soll es wohl sein, diesen „Fremdkörper“ (Peter Glotz) aus den deutschen Betrieben zu entfernen. In einer Studie für die Hans-Böckler-Stiftung schaut Hellmuth Gohde über den Tellerrand hinaus und belegt, dass unsere Nachbarn, etwa das wirtschaftlich erfolgreichere Schweden, weitergehende Beteiligungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer bieten als das angeblich so reformbedürftige deutsche Mitbestimmungsgesetz.

Die Reformen beginnen zu greifen? Zum Beispiel der Ausbildungspakt

Ich bin nach wie vor zuversichtlich, dass die Wirtschaft ihre Zusagen im Rahmen des Ausbildungspaktes auch in diesem Jahr wieder erfüllt, wenn möglich: mehr als erfüllt.


Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

Das sagte Wirtschaftsminister Clement anlässlich der Pressekonferenz zum Arbeitsmarkt im Juli am 28. Juli 2005. Für Juli ermittelte die Bundesagentur eine Lücke von 169 853 Ausbildungsplätze. Die Lücke ist damit innerhalb eines Jahres um 8419 Stellen oder 5 % größer geworden. (FR v. 4.8.05)

Bundeskanzler ernennt Mitglieder der Mitbestimmungskommission – einseitig zu Gunsten der Arbeitgeber

Wenn SPD und Bundesregierung die Auseinandersetzungen mit der Linkspartei ernst nähmen, dann würden sie diese Auseinandersetzung inhaltlich führen. Dazu gehörte zunächst einmal, dass man die unter Beschuss der Arbeitgeber stehende Mitbestimmung verteidigt. Dazu würde weiter gehören, sichtbar zu machen, dass man den Arbeitnehmern nahe steht, jedenfalls nicht ferner als dem Arbeitgeberlager.
Der Bundeskanzler demonstriert mit einer Pressemitteilung, dass er von einer solchen Überlegung nicht viel hält. Das beweist er schon damit, wen er in eine Kommission zur Modernisierung der deutschen Unternehmensmitbestimmung berufen hat. Ein Dokument der Einseitigkeit.

Eine Welt ohne Sachverständige wäre mindestens so sach-verständig

Vorgestern kam der Vorsitzende des Sachverständigenrates mit einer beachtlichen Einsicht des Wegs: “Hilfreich wäre aber auch, daß die Löhne künftig stärker steigen als im vergangenen Jahr”, sagte Rürup der WELT am 27.7.05. Diese Einsicht wäre für die Betroffenen und für unsere Volkswirtschaft insgesamt noch etwas wert gewesen, wenn sie den Sachverständigen zum Beispiel im Jahre 2001 gekommen wäre.

Lohnspiegel der Hans-Böckler-Stiftung

Allenthalben wird gesagt, „wir“ müssten den Gürtel enger schnallen. Meistens hören wir das von Leuten, die selbst Wein trinken und anderen Wasser predigen.
Viele behaupten ja auch, dass die Nachfrageschwäche ihren Grund darin habe, dass wir in Deutschland auf Grund unseres Wohlstandsniveaus eine Sättigungsgrenze erreicht hätten. Wer sich einmal ein realistisches Bild machen möchte, welche Löhne in Deutschland bezahlt werden, dem raten wir, sich den jetzt veröffentlichten Lohnspiegel der Hans-Böckler-Stiftung vor Augen zu halten. Der LohnSpiegel wird vom WSI-Tarifarchiv betreut und ist Teil eines internationalen Projekts, das zurzeit in neun europäischen Ländern durchgeführt und von der Europäischen Kommission gefördert wird.

Quelle: Hans Böckler Stiftung – Tarifarchiv
Quelle: Hans Böckler Stiftung – Pressemitteilung vom 07.07.2005

Kann Clements Kurs richtig sein? Zahl der Erwerbstätigen steigt, die Zahl der versicherungspflichtig Beschäftigten sinkt.

„Unser Kurs stimmt“ sagte Wirtschaftsminister Clement bei der Vorstellung der Arbeitsmarktdaten des Monats Juni 2005. Als besonders positiv bewertete er den Anstieg der Zahl der Erwerbstätigen auf 38,98 Millionen. Bei dieser Zahl werden natürlich alle „Ich-AGs“, Ein-Euro- oder Mini-Jobber mitgezählt. Nun soll aber der Hartz-Kurs die Arbeitslosen ja gerade nicht in prekäre Arbeitsverhältnisse zwingen sondern in den ersten Arbeitsmarkt integrieren und da fragt es sich, ob dieser „Kurs stimmen“ kann: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat gegenüber dem Vorjahr um 330.000 auf 26,15 Millionen abgenommen. Mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die Sozialversicherungssysteme.

Grafik von Joachim Jahnke:

Rückgang der versicherungspflichtig Beschäftigten um 330.000 gegenüber  Vorjahr (Stand: April 2005)

Der DGB stellt Fakten gegen den Mythos von den zu hohen Arbeitskosten in Deutschland.

  • Die Dax-30-Unternehmen konnten ihre Gewinne im vergangenen Jahr um 70% steigern, die Steuerquote ist die niedrigste in Westeuropa, die Außenhandelsüberschüsse steigen weiter.
  • Mit 33.200 Euro absoluten Arbeitskosten jährlich liegt Deutschland im Mittelfeld.
  • Bei den Lohnstückkosten weist Deutschland nach Japan unter den führenden Industriestaaten in den letzten 10 Jahren den geringsten Anstieg auf.
  • Seit 1995 sind die Löhne nur in Japan geringer gestiegen als in Deutschland, nominal (inklusive Nebenkosten) um 1,2 %, preisbereinigt um 0,3% pro Jahr.
  • Die tatsächlichen Löhne liegen ein Drittel unter den Tariflöhnen.

Quelle: DGB – Wipo-Schnelldienst [PDF – 36 KB]

Wenn politisch Gemachtes zum Trend erklärt wird – Anmerkungen zu Eppler und Koehnen

In der letzten Woche erschienenen zwei in der Methodik ihrer Argumentation ähnlich gelagerte Beiträge in der Frankfurter Rundschau. Von Erhard Eppler “Markt und Staat ins Lot bringen” und von Volker Koehnen, verdi-Hessen, “Eine Gefahr für die Demokratie”. Beide Beiträge sind insofern ähnlich, als sie die neoliberale Behauptung, es habe sich in den letzten Jahren Grundlegendes geändert, übernehmen. Eppler zum Beispiel behauptet, der Nationalstaat sei reichlich hilflos; Koehnen forderte die Umgestaltung des Sozialstaats jenseits der Erwerbsarbeit. Wir setzen zu beiden Beiträgen einen Link, weil man an ihnen sehen und demonstrieren kann, wie absonderlich gedacht wird und wie sich intelligente Leute dazu hergeben, die gängigen Parolen als begründet erscheinen zu lassen. Als Anstoß hier noch Hinweise zu einzelnen Passagen der beiden Beiträgen.