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Finanzen und Währung

Sprechen wir doch mal über Deutschland!

Ich kann mich gut an die Zeit erinnern, als in Griechenland die ersten Proteste gegen die aufgezwungene Austeritätspolitik begannen. Damals erschien ein Foto von einer alten Frau mit einem Plakat von Angela Merkel samt einem Hitler-Schnurrbart auf der Oberlippe der Kanzlerin. Ich war damals enttäuscht von diesem Klischee, das einfach nicht gerechtfertigt schien. Es gibt sicherlich viel an Frau Merkel zu kritisieren, aber ein Vergleich mit Hitler gehört einfach nicht dazu. Die Tatsache, dass diese alte Frau wahrscheinlich die deutsche Besatzung und Gräueltaten deutscher Soldaten gegen die griechische Zivilbevölkerung erlebt hat, diente als mögliche Erklärung. Fünf Jahre später befürchte ich, dass ich zu oberflächlich mit dem Foto umging und die Botschaft nicht hinterfragte. Von Mathew D. Rose[*].

Ökonomenaufruf für Griechenland

Folgt man den deutschen Medien, könnte man glatt glauben, dass die Politik der Troika von fast allen namhaften europäischen Wirtschaftswissenschaftlern geteilt wird. Doch dies ist ein Trugschluss und entspricht nicht der Realität. Um zu zeigen, dass Ökonomie auch kritisch sein kann, haben zahlreiche namhafte international Ökonomen einen Aufruf verfasst, der sehr lesenswert ist. Sabine Tober hat diesen Aufruf für die NachDenkSeiten ins Deutsche übersetzt.

Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion steuert auf ein Desaster zu

Nur Deutschland kann den Euro retten

Deutschland kommt seit einigen Jahren in Europa eine enorme Macht zu. Eine Macht, die vor allem durch Lohnsenkungen im eigenen Land erkauft wurde und die letztlich zu der großen Krise des Euro führte, die auch heute nicht überwunden ist. Sparpolitik und Lohnkürzungen, die den Schuldnerländern vom Gläubigerland Deutschland aufgezwungen wurden, haben in ganz Südeuropa und insbesondere in Griechenland eine große Rezession ausgelöst und die Idee eines gemeinsamen „europäischen Projekts“ ausgelöscht. Angesichts des deutschen Widerstandes gegen jede Änderung des Kurses sowie der nationalistischen Gefahren, die diese Haltung in vielen europäischen Ländern provoziert, dürfen die Warnungen von Heiner Flassbeck und Costas Lapavitsas nicht ignoriert werden. Heute erscheint ihr Buch „Nur Deutschland kann den Euro retten“ als E-Book (Westend Verlag, 8,99 Euro, zum Beispiel hier). Hier ein exklusiver Auszug.

Wieder einer der notwendigen, aufklärenden Beiträge von Heiner Flassbeck.

Er beschäftigt sich mit der aktuellen Politik der EZB und mit der gegen sie in Position gebrachten Kritik. Er beschreibt, wie falsch gerade der deutsche Einfluss auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik ist und absehbar weiter sein wird. Wie so oft können wir an diesem Text mit vollziehen, dass die deutsche Bundeskanzlerin in der Sache weit daneben liegt und dennoch die begleitenden Medien bestimmt. Albrecht Müller

Syriza: Das Problem der Vielstimmigkeit

Die “Polyphonie” der Syriza macht der Parteiführung in der letzten Wahlkampfphase verstärkt zu schaffen. Im Namen der „Koalition der radikalen Linken“ melden sich Stimmen zu Wort, die für eine der innerparteilichen Gruppen sprechen oder zu sprechen behaupten, ohne die Folgen zu bedenken. Die sympathische Meinungsvielfalt, die an die Gründungsphase der deutschen „Grünen“ erinnert, ist allerdings ein Problem für eine Partei, die möglicht vielen Wähler plausibel machen will, mit welchem konkreten Programm sie die nächste Athener Regierung stellen wird. Von Niels Kadritzke

Rezension: „Spaltende Integration. Der Triumph gescheiterter Ideen in Europa –revisited

Nach der Krise ist vor der Krise, hätte der Untertitel zu diesem Buch sein können. Inzwischen freilich sieht es so aus, als befände sich die EU längst schon wieder im Krisenmodus. Da kommt ein Buch zur rechten Zeit, das in zehn sehr präzisen Länderstudien zeigt weshalb und auf welche Weise die Integration in den Mitgliedsländern zwischen Stockholm und Athen aus dem Ruder läuft. Es ist das zweite Mal nach der großen Krise, dass ein europäisches AutorInnenteam um Steffen Lehndorff zehn Länderstudien vorlegt, die für GewerkschafterInnen, Arbeits- und SozialpolitikerInnen eine ebenso detaillierte wie kompakte Innenansicht der verschiedenen EU-Länder anbietet. Von Harald Werner[*].

Griechenland und der Euro – Was Merkel und Schäuble der Öffentlichkeit verschweigen

Glaubt man einer offenbar von Regierungskreisen gezielt im SPIEGEL lancierten Information, halten Angela Merkel und Wolfgang Schäuble einen Austritt Griechenlands aus dem Euro mittlerweile für „verkraftbar“. Die Ansteckungsgefahr für andere Länder sei „begrenzt“, der ESM „schlagkräftig“ – also alles kein großes Problem. Diese Aussagen sind jedoch bei näherer Betrachtung abenteuerlich und stellen das Nonplusultra einer marktkonformen Demokratie dar. Was Merkel und Schäuble verschweigen: Dank ihrer Politik haftet mittlerweile der europäische Steuerzahler für kommende Ausfälle bei der Rückzahlung der griechischen Staatsschulden. Ein Austritt aus dem Euro wäre sicher für die Märkte verkraftbar – für den Steuerzahler wäre er ein unglaublich teures Desaster. Einmal mehr zeigt sich, dass die Loyalität der Bundesregierung nicht den Menschen, sondern den Finanzmärkten gilt. Von Jens Berger.

Griechenland – zwischen politischem Chaos und geordnetem Ruin?

Zum ersten Mal seit dem Ausbruch der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise und der auf sie folgenden Krise der Euro-Zone besteht die Möglichkeit, dass in einem europäischen Land eine Linkspartei als stärkste Kraft aus einer Parlamentswahl hervorgeht (vgl. dazu die Analysen von Niels Kadritzke). Nun droht das Chaos. So jedenfalls das Bild, das uns in diesen Tagen durch die politische und mediale Inszenierung der bevorstehenden Wahlen in Griechenland vermittelt wird. EU-Kommissionspräsident Juncker warnt vor den Folgen, die „ein falsches Wahlergebnis für Griechenland und die Euro-Zone“ hätte (Handelsblatt, 17.12.2014). Die Demokratie verachtende Seite der in diesen Tagen öffentlich zelebrierten Aufregung hat Jakob Augstein treffend charakterisiert: „Wenn ein Volk zur Wahl geht, ist das der Moment der Würde in der Demokratie. Es sei denn, das Volk könnte links wählen – wie in Griechenland. Dann protestiert das Kapital, und die Würde der Wahl ist keinen Euro mehr wert“. Allerdings wird sich das Kapital nicht auf Proteste beschränken müssen: Schließlich werde Griechenland nach einem „falschen Wahlergebnis“, wie das Handelsblatt (17.12.2014) aus „EU-Kommissionskreisen“ berichtet, „an den Märkten massiv unter Druck geraten.“ Die politische und mediale Inszenierung des, wie es Bild und Focus gleichlautend nennen, „Griechen-Chaos“ ist sowohl verlogen als auch die Situation in Griechenland beschönigend. Von Steffen Lehndorff[*]

Ohne Existenzminimum geht nichts – für niemanden!

Dass das Geld zum Leben nicht reicht, ist sowohl Hartz IV-Empfängern als auch Erwerbstätigen unterer Einkommensgruppen bestens bekannt. Die Armut im Lande wächst immer mehr an. Was hiergegen jedoch zu unternehmen ist – darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Die Vorstellungen der im Bundestag vertretenen Parteien unterscheiden sich dabei in Teilen deutlich von jenen der Betroffenen, denen in den Medien selten das Wort erteilt wird. Jens Wernicke sprach daher mit Edgar Schu vom Aktionsbündnis Sozialproteste über seiner Meinung nach unmittelbar notwendige Maßnahmen gegen Armut und zur Sicherstellung eines wirklichen Existenzminimums für jedermann im Land.

Russland stürzt ins Finanzchaos – (2/2) Der Pyrrhussieg des Westens

Als der russische Präsident Wladimir Putin gestern in einer speziellen Pressekonferenz zu den jüngsten Währungsturbulenzen und deren Folgen für Russland Stellung bezog, übte er sich in Zweckoptimismus – schon im nächsten Jahr solle die russische Wirtschaft wieder wachsen. Die russische Zentralbank geht stattdessen von einer Schrumpfung in Höhe von 4,5 bis 4,7 Prozent und einer steigenden Inflation aus. Im Finanzkrieg gegen Russland hat der Westen zwar einen Sieg errungen. Ihre vermeintlichen Ziele werden die EU und die USA dadurch aber nicht erreichen. Im Gegenteil – durch seine aggressive Politik treibt der Westen Russland in die Isolation. Gleich dem Zauberlehrling hat man Geister gerufen, die man sobald nicht mehr loswerden wird. Aber vielleicht ist dies ja durchaus gewollt? Von Jens Berger.

Bundesverfassungsgericht rügt die Steuergeschenke für Reiche, ohne sie zu unterbinden

„Privilegierung des Betriebsvermögens bei der Erbschaftsteuer ist in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nicht in jeder Hinsicht mit der Verfassung vereinbar“. Zwar liege es im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, kleine und mittlere Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestands und zur Erhaltung der Arbeitsplätze steuerlich zu begünstigen. Die Privilegierung betrieblichen Vermögens sei jedoch unverhältnismäßig, soweit sie über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreife, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen. Ebenfalls unverhältnismäßig seien die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Einhaltung einer Mindestlohnsumme und die Verschonung betrieblichen Vermögens mit einem Verwaltungsvermögensanteil bis zu 50 %. §§ 13a und 13b ErbStG seien auch insoweit verfassungswidrig, als sie Gestaltungen zulassen, die zu nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlungen führten. „Die genannten Verfassungsverstöße haben zur Folge, dass die vorgelegten Regelungen insgesamt mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind“, so das Bundesverfassungsgericht. Christoph Butterwegge hat gestern die Entstehungsgeschichte und Hintergründe der geltenden Erbschaftssteuergesetzt dargestellt, hier nun das Kommentar zum heutigen Urteil.

Russland stürzt ins Finanzchaos – (1/2) Die erste Schlacht im unerklärten Finanzkrieg entscheidet der Westen für sich

Binnen weniger Stunden stürzte der Rubel gestern an den Devisenmärkten gegenüber dem Euro und dem Dollar um 20 Prozent ab. Die panische Erhöhung des Leitzinses durch die russische Zentralbank um ganze 6,5 Prozentpunkte konnte das Massaker an den Märkten auch nicht mehr stoppen. Die Folgen beider Ereignisse werden Russland auf mittlere bis lange Sicht massiv schwächen, stellen jedoch auch ein kaum zu kalkulierendes Risiko für den Westen dar. Gründe für das Finanzchaos gibt es viele – maßgeblich verantwortlich sind jedoch die Finanzsanktionen der EU und der USA. Russland hat die erste Schlacht in diesem Finanzkrieg verloren. Von Jens Berger.

Bundesverfassungsgericht: Kippt das Unternehmerprivileg bei der Erbschaftssteuer?

Morgen wird das Bundesverfassungsgericht ein wichtiges Urteil fällen: Die Karlsruher Richter werden darüber entscheiden, ob das von vorigen Großen Koalition und von der schwarz-gelben Bundesregierung „reformierte“ Erbschaftssteuergesetz mit den dabei dort zugestandenen Steuerprivilegien für Firmenerben Bestand haben wird. Im Gegensatz zu den Erben von Immobilien oder von Barvermögen, die darauf eine Erbschaftssteuer zu bezahlen haben, müssen die Erben von Firmen u.a. wenn sie diese Firma sieben Jahre weiterführen keine Erbschaftssteuer zahlen. Das Gericht hat zu entscheiden, ob in dieser Verschonung von Erben von Betriebsvermögen nicht eine ungerechte Bevorzugung zu sehen ist oder ob die Besteuerung der Erben anderer Vermögensarten eine Ungleichbehandlung darstellt. Wie auch immer das Gericht entscheiden wird, angesichts von 2.600 Milliarden Euro, die in diesem Jahrzehnt vererbt werden, dürfte dieses Urteil massive Auswirkungen auf Erben oder auf die Länderhaushalte haben, wo die Erbschaftssteuer ja hinfließt. Kein Wunder, dass die Wirtschaftslobby schon längst ihre Geschütze gegen eine Erbschaftssteuer für Unternehmenserben in Stellung gebracht hat und sogar für deren völlige Abschaffung kämpft. Das oberste Gericht könnte sich darüber hinaus mit der Frage beschäftigen, ob es zwischen den Ländern unterschiedliche Regelungen für die Besteuerung geben kann und damit ein Steuerwettlauf im Inland in Gang kommen könnte. Christoph Butterwegge wirft einen Blick auf die Hintergründe der jüngsten Erbschaftssteuerreformen.

Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich erst einmal im Abklingbecken

„Wir sollten nicht versuchen, Bundesländer oder Regionen gegeneinander auszuspielen“, schrieb Hannelore Kraft in einem Gastartikel für die Frankfurter Rundschau und rechnete im gleichen Atemzug öffentlichkeitswirksam vor, dass dem Land Nordrhein Westfalen nach dem Länderfinanzausgleich 500 Euro weniger pro Kopf übrigblieben als dem ostdeutschen Bundesland Sachsen. In einem Gastartikel für die NachDenkSeiten relativiert Linken-Finanzexperten Axel Troost die Berechnungen, die Krafts FR-Artikel zugrunde liegen und appelliert seinerseits, Bundesländer und Regionen nicht gegeneinander auszuspielen.

Hier auch einmal ein Lob für gute journalistische Arbeit

Die NachDenkSeiten sind dafür bekannt, dass sie harte Kritik daran üben, dass viele Journalisten ihre Aufgabe nicht mehr in einer unabhängigen Berichterstattung sehen, sondern darin Meinungsmache zu betreiben oder sogar explizit die Interessen der herrschenden Eliten vertreten, wie die Diskussion über die Mitgliedschaft führender deutscher Journalisten in transatlantischen Elitezirkeln gezeigt hat. Unser Leser wissen, dass dies nicht aus Lust und Laune geschieht sondern leider bitter notwendig ist. Aktuelle Beispiele sind die hasserfüllte Kampagne gegen die GdL und deren Vorsitzenden Weselsky, die mit der Veröffentlichung von Bilder dessen Wohnhauses durch den Focus, fast schon in Bereiche des Lynchmobs herabgesunken ist, sowie die Hetzkampagne gegen Russland und dessen Präsidenten Putin, die gerade anlässlich eines Interviews mit Putin in der ARD wieder auf Hochtouren läuft. Von JK.