Kategorie:
Ungleichheit, Armut, Reichtum

Hertie, Wehmeyer, SinnLeffers – die „unternehmerischen Erfolge“ von Finanzinvestoren?

Eine Welle von Insolvenzen von Textil-Handelsketten schwappt über das Land und bedroht tausende von Arbeitsplätzen und die Einkaufsmöglichkeiten vieler Kunden. Dafür gibt es viele Gründe. Etwa, dass der private Konsum stagniert oder beim Einzelhandel sogar rückläufig ist. Ein weiterer Grund ist sicherlich auch, dass durch die zunehmende Spaltung der Gesellschaft in arm und reich den Kaufhäusern des mittleren Preissegments die Kundschaft wegbricht. Bemerkenswert ist allerdings vor allem, dass alle diese Handelsketten von Finanzinvestoren aufgekauft worden sind. Dass sie nun vor der Insolvenz stehen, spricht nicht gerade für deren unternehmerische Fähigkeiten. Oder haben sie diese aufgekauften Unternehmen nur „ausgesaugt“ und werfen sie jetzt weg, wie ausgelutschte Zitronen? Wolfgang Lieb

„Der Griff nach dem Geld“

„Interessant ist, dass die obersten zehn Prozent der Einkommensbezieher laut Finanzministerium bereits über 50 Prozent der gesamten Steuerlast tragen“, mit dieser gängigen Behauptung polemisiert Jochen Loreck in der Mitteldeutschen Zeitung gegen Steinbrücks Andeutung, eine Steuererhöhung für Besserverdienende in Erwägung zu ziehen, um Einnahmeverluste durch die ab 2010 vorgesehene steuerliche Absetzbarkeit der Krankenkassenbeiträge auszugleichen.
Karl Mai setzt sich einmal mehr mit dieser statistischen Desinformation auseinander.

Maßnahmen gegen Kinderarmut

In letzter Zeit ist die Kinderarmut hierzulande beinahe zu einem Modethema avanciert, ohne dass die verantwortlichen Politiker bisher jedoch wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen hätten. Zwar hat sich die Bundesregierung erstmals auf ihrer Klausurtagung im August 2007 auf Schloss Meseberg mit dem Problem befasst, die Entfristung des vor dem 1. Januar 2008 nur drei Jahre lang gezahlten Kinderzuschlages in Höhe von maximal 140 EUR pro Monat war aber kaum mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf einen heißen Stein. Dass sich die Große Koalition von einer Entbürokratisierung des Kinderzuschlages, die am 1. Oktober 2008 in Kraft treten soll, der Erhöhung des Wohngeldes, seiner Ergänzung um eine Heizkostenkomponente, die den gestiegenen Energiekosten Rechnung tragen soll, und einer Anhebung der Mietobergrenzen, die zum 1. Januar 2009 geplant sind, eine spürbare Verringerung der (Kinder-)Armut verspricht, dokumentiert ihre mangelnde Bereitschaft, das Problem an der Wurzel zu fassen.
Dessen strukturelle Ursachen können viele der gegenwärtig in Politik, Massenmedien und Öffentlichkeit zirkulierenden Vorschläge zur Verringerung bzw. Verhinderung von Kinderarmut nicht beseitigen. Christoph Butterwegge hat uns diesen Beitrag zur Verfügung gestellt.

Bewerbungsrede aus abgehobener Warte

Horst Köhler genießt nach letzten Umfragen unter allen Politikern das höchste Ansehen. Ob ihm aber die Bürgerinnen und Bürger jemals zugehört haben? Hätten Sie ihm jemals zugehört, dann müssten sie feststellen, dass er eine Meinung vertritt und politische Ziele postuliert, die von der überwiegenden Mehrheitsmeinung der Bürgerinnen und Bürgern diametral abweicht. So auch in seiner Berliner Rede 2008, die eigentlich keine Rede an die Bevölkerung war, sondern die Rede eines schwarz-gelben Präsidenten, der um die Anhänger des Agenda-Kurses bei Rot und Grün warb.

Revolutionäre Situation? Oder die beruhigende Macht der Propaganda-Maschine!

Vier Ereignisse in drei Tagen. Am vergangenen Dienstag „Neues aus der Anstalt“. Wieder eine vorzügliche Sendung. Eine Szene: Schramm schildert, was die Herrschenden unserem Volk so alles zumuten. Anlässe für eine Revolution. Priol kontert mit Umfrageergebnissen. Zeichen eines still gestellten Publikums. – Am frühen Abend des Sonntags zuvor saß ich mit dem Wirt meiner Eckkneipe zusammen. Jules, ein liebenswerter Elsässer, leider von der französischen konservativen Rechten geprägt, sprach über die unsicheren Jobs und Einkommensverluste in seiner südpfälzischen und elsässischen Umgebung und meinte, dies mache auch ihn noch zum Revolutionär. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass die heutige Führungsschicht anders als der französische Adel des Jahres 1789 über Fernsehen und andere Massenmedien verfügt. Drei Stunden später lief die nächste Illustration: Anne Will mit „Hungern muss hier keiner – Ein Land redet sich arm“. Ohne jegliches Fragezeichen. Drei Tage später die nächste Demonstration von Kampagnenjournalismus zu Gunsten der herrschenden Rechten in Deutschland: Plasberg mit einer massiven Agitation gegen alles Linke, in der SPD, soweit überhaupt noch vorhanden, und gegen Die Linke. Albrecht Müller.

Dramatischer Einbruch der Lohnquote: von 2000 bis 2007 um 8% gesunken!

Inzwischen werden jährlich 135 Milliarden EUR vom Arbeitnehmer/Staat/Sozialversicherung wegverteilt.
Die Lohnquote – der Anteil der Arbeitnehmerentgelte (d.h. der Bruttolöhne incl. Lohnsteuern, Sozialabgaben und incl. AG-Anteile an Sozialversicherungsbeiträgen) am Volkseinkommen lag noch Anfang der 80er Jahre bei 76%. Bis zum Jahr 2000 ist der Anteil auf 72,2% (Destatis) nur langsam zurückgegangen. In den letzten 7 Jahren seit dem Jahr 2000 hingegen brach die Lohnquote regelrecht ein: im Gesamtjahr 2007 auf nur noch 64,6% (Destatis)! Zum Vergleich: Die USA haben seit Jahr-zehnten eine konstante Lohnquote von etwa 70%!

Was steckt hinter diesem scheinbar harmlosen Rückgang der Lohnquote um rd. 8%? Nun, dieser Rückgang bedeutet schlicht, dass die Arbeitnehmer und mit Ihnen die Sozialversiche-rungssysteme und der Staat auf nunmehr jährlich 135 Milliarden Euro (in den letzten 4 Jahren insgesamt über 400 Milliarden Euro) verzichten zugunsten der Unternehmer und Vermö-genden. Von Uwe Hans Staub

MEMORANDUM 2008 – Neuverteilung von Einkommen, Arbeit und Macht – Alternativen zur Bedienung der Oberschicht

Die Analysen und Überlegungen des diesjährigen Memorandums der „Arbeitsgruppe alternative Wirtschaftspolitik“ durchzieht als roter Faden die These, dass eine gemeinsame Ursache der vielfältigen ökonomischen, sozialen und wirtschaftspolitischen Probleme in Deutschland in einer zunehmend falschen Verteilung liegt: eine falsche Verteilung von Einkommen führt zum Stocken der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und zu wachsender Armut und Polarisierung sowie zur spekulativen Überhitzung der Finanzmärkte. Eine falsche Verteilung von Arbeit verhindert, dass die positiven Wirkungen langfristiger Produktivitätssteigerungen und des damit verbundenen sinkenden Arbeitsvolumens in kürzere Arbeitszeit in einer vollbeschäftigten Wirtschaft umgesetzt werden. Eine falsche Verteilung von Macht und Einflussmöglichkeiten der Menschen auf die Politik schließlich hat zu einer Wirtschaftspolitik geführt, die in erster Linie die Reichen bedient, sich von den Bedürfnissen und Problemen der meisten Menschen immer weiter entfernt und so die Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft untergräbt.

Köhlers Agenda 2020 – Nach der Reform ist vor der Reform

Bundespräsident Horst Köhler hat eine „Agenda 2020“ gefordert, um die Arbeitslosigkeit weiter zu verringern und Vollbeschäftigung in Deutschland zu erreichen. Dieses Ziel sei im Falle einer Fortsetzung der Reformanstrengungen realistisch.
Wie alle „Reformer“ verweigert Köhler eine kritische Bestandsaufnahme der Agenda 2010, und weil deren Ergebnisse alles andere als befriedigend sind, verlangt er eine Erhöhung der Reformdosis. Mit den Agenda-Reformern ist es wie bei Drogensüchtigen, je schlechter es geht, desto höher die Dosis. Wolfgang Lieb

Das Gerechtigkeitsverständnis der Volksparteien im Wandel Sozialpolitik in den Parteiprogrammen von CDU, CSU und SPD

Aufgrund der sich hierzulande immer mehr vertiefenden Kluft zwischen Arm und Reich einerseits sowie eines wachsenden Protestpotenzials im außerparlamentarischen Raum und Wahlerfolgen der neuen LINKEN andererseits ist die soziale Gerechtigkeit als Schlüsselthema auf die politische Agenda der Bundesrepublik zurückgekehrt. Mit dem Sozialstaat und Gerechtigkeitsfragen beschäftigten sich auch die etablierten Parteien zuletzt wieder intensiver als zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Seinerzeit beherrschte der Um- bzw. Abbau des Wohlfahrtsstaates alle Debatten über die Sozialpolitik, sowohl jene der rot-grünen Koalition wie auch der Union. Umso erstaunlicher ist, wie stark sich trotz fortbestehender politischer Gegensätze zwischen den Parteilagern in Bezug auf die angeblich notwendige Umgestaltung des Sozialstaates und das ihnen zugrunde liegende Gerechtigkeitsverständnis alle drei Programme gleichen. Manchmal reichen die Gemeinsamkeiten bis in die Begrifflichkeit und einzelne Programmformulierungen hinein. Von Christoph Butterwegge

Verteilungsbericht des DGB für das Jahr 2008. Wir zitieren das Wichtigste in Kürze

Trotz des Konjunkturaufschwungs der Jahre 2006 und 2007 sind nicht nur nach den im vergangenen Jahr vorgelegten Zahlen aus amtlicher Statistik und Forschungsarbeiten unabhängiger Institute, sondern auch nach dem Empfinden der breiten Mehrheit der Bundesbürger die Unterschiede zwischen Arm und Reich eher größer geworden. Nur noch 15 Prozent der Bundesbürger sind laut einer repräsentativen Umfrage der Bertelsmann Stiftung davon überzeugt, dass die Einkommensverteilung in Deutschland „im Großen und Ganzen gerecht zugeht“. Weit mehr als 50 Prozent halten die Einkommensverteilung dagegen für ungerecht. Trotz des kräftigen Wirtschaftswachstums der vergangenen zwei Jahre haben sich die Stimmung in der Bevölkerung und die Zufriedenheit mit der Verteilung von Einkommen und Vermögen in Deutschland kontinuierlich verschlechtert. Dies steht in krassem Gegensatz zu Erfahrungen in vorherigen
Aufschwungsphasen, in denen die Mehrheit der Deutschen stets die Einschätzung vertrat, die Boomzeiten würden zu mehr Verteilungsgerechtigkeit beitragen. Wolfgang Lieb

Die Dialektik der bürgerlichen Revolte der 68er

Die Studierendenrevolte der „68er“ ist mythenumrankt. Während von konservativer Seite, der sich unlängst auch Götz Aly hinzugesellt hat [1], aktuell versucht wird, die damals junge Generation als „Linksfaschisten“ zu konstruieren, die vor allem von Größenwahn, Lust an Veränderung und Gewalt getrieben waren, neigen einige Linke dazu, die Geschehnisse der späten 60er Jahre auf andere Art und Weise zu verklären: die große, starke, linke Bewegung von einst hätte, so meinen sie, nicht nur zahllose Erfolge verbucht, sondern auch etliche Helden hervorgebracht. Es sei an der Zeit, deren Arbeit fortzusetzen, die Voraussetzungen hierfür seien ideal da die gesellschaftliche Situation heute der damaligen wesensgleich [2]. Kaum etwas davon trifft zu. Von Jens Wernicke, Klemens Himpele und Dominik Düber.

Steuerhinterziehung – ein Spiegelbild gesellschaftlicher Verhältnisse

Steuerbetrug und obskure Konten in Liechtenstein oder anderen „Steueroasen“ sind kein neues Phänomen. Schon Anfang der 80er Jahren wurden z.B. über 20 Millionen Mark von der Hessen-CDU als „jüdisches Vermächtnis“ auf ein Geheimkonto des Schweizer Bankenvereins transferiert. Die Rechnungshöfe beklagen seit Jahren: „Dem Fiskus entgehen durch nationale und internationale Betrugsdelikte im Bereich der Umsatzsteuer jährlich zweistellige Milliardenbeträge“, so etwa in der Unterrichtung des Bundestags durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes (Drucksache 15/1495 [PDF – 268 KB]) vom September 2003. Auf 30 Milliarden Euro veranschlagt der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, das Volumen der jährlichen Steuerhinterziehung in Deutschland (Süddeutsche Zeitung vom 18.02.08). Gar auf 70 bis 100 Milliarden werden die Einnahmeverluste durch Steuerhinterziehung in einer Veröffentlichung der Memo-Gruppe geschätzt [PDF – 172 KB]. Selbst Bundesfinanzminister Steinbrück gesteht ein: “Wenn es nicht ein solches Ausmaß an Steuerhinterziehung in Deutschland gäbe, könnte ich die Steuersätze senken” (taz v. 5.3.08). Warum wurde aus einem angeblichen „Volkssport“ plötzlich ein Skandal? Wolfgang Lieb

Arm – aber frei? Zur sozialen Situation von Künstlerinnen und Künstlern

Es bedarf immer mal wieder eines Anschubs wie zuletzt des Abschlussberichts der Enquete-Kommission „Kultur für Deutschland“ des Deutschen Bundestages vom Dezember 2007, damit die soziale Situation von Kulturschaffenden in die öffentliche Wahrnehmung rückt und eine Misere deutlich wird: Die hochqualifizierten, meist jüngeren Menschen in den Kulturberufen verdienen jämmerlich wenig und gehören auch von ihrer sozialen Absicherung her dem sog. modernen Prekariat an. Von Petra und Joke Frerichs.

Auch in Liechtenstein steht kein Goldesel – für das üppige Wohlergehen der Profiteure in den Steueroasen zahlen die Völker Europas.

Endlich wird über die ganz normalen Steueroasen diskutiert. Und an dieser Diskussion beteiligen sich nicht nur attac, sondern sogar wirtschaftsnahe Blätter wie zum Beispiel das Handelsblatt. Siehe unten mit einem Bericht über die Schweiz und einem über die Liechtenstein Connection. Wir sollten uns darüber im klaren sein, dass die besonderen Gewinne, die hohen Einkommen und die hohen Vermögenszuwächse (geschätzte 5 Milliarden bei der Familie des Fürsten von Liechtenstein) nicht einem Goldesel zu verdanken sind, nicht vom Himmel fallen, auch nicht in Liechtenstein „wertgeschöpft“ worden sind, sondern von uns allen bezahlt sind. Genauso übrigens wie die besonders hohen Gehälter und Boni der Investmentbanker in London und die Subventionen für die Riester-Rente. Es ist wichtig, dass wir lernen, diesen Konnex zu sehen. Dazu noch einige Erläuterungen an Hand von ein paar konkreten Beispielen. Albrecht Müller.