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Ökonomie

„Das heilige Versprechen“ – eine ernüchternde Analyse von Frank Schirrmacher

Am 25. November erschien in der FAS ein lesenswerter Essay des FAZ-Herausgebers. Hier die Einführung zum Text im Netz: „Im Zeitalter des Internets kann jeder alles sein, Verleger, Autor, Journalist. Jeder kann partizipieren, jeder Geld verdienen. Das ist das Mantra. Keine dieser Aussagen stimmt. Trotzdem werden sie weiter nachgeplappert. Wer profitiert eigentlich von dieser Ideologie?“ Der Text löste wie zu erwarten Reaktionen aus, positive und kritische. Von Albrecht Müller

Eine sehr gute Erklärung der Eurokrise von Heiner Flassbeck und ein Plädoyer für eine große politische Kraftanstrengung der Schuldnerstaaten

Heiner Flassbeck erklärt unter dem Eindruck von Gesprächen in Griechenland und im Blick auf das Einknicken Frankreichs im folgenden Text für die NDS, warum die Diskussion um die Fehler der Schuldnerstaaten in die Irre führt, und dass die Neigung vieler Menschen, den sprichwörtlichen Elefanten im Porzellanladen systematisch zu übersehen und sich lieber dem Flicken der zerbrochenen Tassen hinzugeben, abwegig und nicht zielführend ist. Albrecht Müller.

Deutschland – der Elefant im Euro-Porzellanladen. Frankreich müsste mit den Südländern eine Koalition bilden, um den Elefanten zur Vernunft zu bringen.

Heiner Flassbeck hat bei einer Diskussion auf der Euro Finance Week laut Welt.de das Bild vom Elefanten gebraucht. Wörtlich: „Der Elefant im Porzellanladen ist Deutschland”, … “Solange wir den Elefanten nicht aus dem Laden rauskriegen, können wir Tassen flicken, soviel wir wollen, zum Beispiel in Griechenland.” Das ist ein gutes Bild. Es beschreibt anschaulich, was seit Beginn des Euro Währungsraum und speziell mit den Rettungsversuchen seit 2010 hier in Europa abläuft. Deutschland feiert seine Exportüberschüsse und versucht dann zusammen mit der Troika und anderen in immer wiederkehrenden Rettungsrunden die Porzellan-Schäden in den Defizitländern zu kitten. Statt den Weg der Vernunft mit seinem Gewicht zu verstärken, verneigt sich Frankreich vor dem deutschen Modell. Von Albrecht Müller

Altersarmut in einem reichen Land

Die Logik eines scheinbaren Widerspruchs haben Gerd Bosbach und Jens Jürgen Korff analysiert.
Altersarmut erscheint in der öffentlichen Diskussion oft als unausweichliche Folge der gesellschaftlichen Alterung. Ein Blick ins vergangene Jahrhundert zeigt allerdings, dass eine solche Entwicklung nicht zwangsläufig ist: Die Lebenserwartung stieg in Deutschland von 1900 bis 2000 um über 30 Jahre, der Anteil der Über-65-jährigen stieg von unter 5 auf über 17 Prozent und zugleich halbierte sich der Anteil der Jugendlichen. Gleichwohl nahm die Altersarmut in dieser Zeit nicht zu, sondern sank sogar rapide; auch wuchs der Wohlstand der Erwerbstätigen, und das trotz kürzerer Arbeitszeiten. Wer ohne Scheuklappen in die Zukunft schaut, wird erkennen: Altersarmut ist keine Folge der demografischen Entwicklung, sondern einer gesellschaftlichen Umverteilung von unten nach oben. Das belegen wir in diesem Aufsatz mit zwei einfachen, leicht nachvollziehbaren Überlegungen…

Die Einen haben es, den Anderen fehlt es

Der Bundestagsabgeordnete und frühere Bundesrichter Wolfgang Neskovic – Näheres zur Person hier – hat einen anregenden Essay geschrieben, den wir unseren Leser/innen zur Lektüre empfehlen möchten. Weil ich da und dort die Dinge etwas anders sehe, habe ich am Ende ein paar Fragen und Anmerkungen angefügt. Albrecht Müller.

Die intellektuelle Tragödie des Herrn K.

In der vergangenen Woche hat das Statistische Bundesamt (Destatis) eine Pressemitteilung zur Entwicklung der Armutsgefährdungsquote veröffentlicht. Demnach waren im Jahr 2010 insgesamt 15,8 Prozent der Bevölkerung Deutschlands armutsgefährdet, also rund 12,8 Millionen Menschen. Für eine Person galt dies dann, wenn sie weniger als 11.426 Euro im Jahr beziehungsweise 952 Euro im Monat zur Verfügung hatte. Das Nachrichtenmagazin „Der SPIEGEL“ hat diese Meldung in seiner jüngsten Ausgabe aufgegriffen und gleich in der Überschrift verraten, was es von der ganzen Sache hält. Ein Gastartikel von Thomas Trares [*]

„Industriestandort: So stark ist Deutschland wirklich“. Oder: War da was, genannt „Basarökonomie“?

Heute wird in Berlin eine Studie präsentiert, die das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums durchgeführt hat. Die Frankfurter Allgemeine und die Welt berichteten vorab davon. Wenn man diese Texte liest – zwei in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (hier und hier. Siehe Anlage 1 ) und einen bei Welt online (hier. Siehe Anlage 2) – , dann kann man amüsiert feststellen, wie die Meinungsführer zu Opfern ihrer eigenen Sprüche geworden sind und wie sie sich winden und drehen müssen, um ihren Lesern den Befund zu Deutschlands starker Industrie erklären zu können. NachDenkSeiten-Leserinnen und -Leser haben vermutlich noch in den Ohren, was der „beste“ Ökonom Deutschlands Hans-Werner Sinn seinen Zuhörern und Lesern verkündete: Wir sind nur noch eine Basarökonomie. Wir sind nicht mehr wettbewerbsfähig. Die USA verdrängen Deutschland von den Weltmärkten. Alles H.-W. Sinn 2003, 2004, 2005 (Autor von „Ist Deutschland noch zu retten?“ und „Basar-Ökonomie“). Und mit ihm Tausende Nachbeter. Albrecht Müller.

Rezension: Hans Jürgen Krysmanski, 0, 1 % Das Imperium der Milliardäre

Der Verfasser dieses Werks beschäftigt sich mit Außerirdischen („Aliens“). Das ist auf den ersten Blick verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Hans Jürgen Krysmanski ein höchst anerkannter Vertreter einer der Realität zugewandten Wissenschaft (Soziologie) ist. Und in der Tat ist das hier zu besprechende Buch alles andere als „Science Fiction“. Es beschäftigt sich mit der Wirklichkeit, und zwar mit einer extrem ungleichen und hässlich gewordenen Gesellschaft. Der Autor befasst sich mit einer zahlenmäßig kleinen Gruppe von Menschen, den wenigen „Superreichen“, die letztlich über eine unübersehbar große Zahl von Menschen und deren Schicksal entscheiden. Eine Buchbesprechung von Wolfgang Hetzer[*].

Der SPIEGEL und die Inflation

Immer wenn man denkt, es geht nicht schlimmer, weiß der SPIEGEL einen in steter Regelmäßigkeit vom Gegenteil zu überzeugen. Vom Online-Ableger des ehemaligen Nachrichtenmagazins ist man in Sachen Niveau-Limbo ja schon einiges gewohnt. Mit der Titelgeschichte „Vorsicht Inflation!“ – Unterzeile „Die schleichende Enteignung der Deutschen“ – hat die alt-ehrwürdige Print-Mutter der boulevardesken Online-Tochter im Wettbewerb um den schlechtesten Wirtschafts-Artikel jedoch nun den Kampf angesagt. Von Jens Berger

Skurriles, makroökonomisch falsches Denken prägt unsere Sprache und damit auch das Denken der Verantwortlichen. Offensichtlich unheilbar.

Im Hinweis Nr. 7 haben wir heute auf ein Interview des Managermagazins mit Joseph Stiglitz (siehe auch Anlage 1) hingewiesen. In diesem Interview gebraucht „mm“ wie auch der interviewte Stiglitz die Worte „Sparkurs“ bzw. „Sparmaßnahmen“. Das ist ein aus der einzelwirtschaftlichen/betriebswirtschaftlichen Betrachtung entnommener Sprachgebrauch. Bei einem einzelnen Wirtschaftssubjekt genügt in der Regel die Sparabsicht, um erfolgreich zu sparen. Volkswirtschaftlich ist das nicht der Fall, wie man heute in Griechenland, in Spanien und übrigens auch bei uns studieren kann. Was dort abgeht ist kein Sparkurs und was den Griechen von der Troika aufgezwungen wird, sind auch keine Sparmaßnahmen. Dennoch hat sich dieser Sprachgebrauch eingebürgert und prägt auch das wirtschafts- und finanzpolitische Handeln. Deshalb weisen wir darauf hin. Vielleicht würde die richtige Politik mit dem richtigen Sprachgebrauch anfangen. Aber vermutlich ist dieses Unterfangen hoffnungslos. Schließlich versuchen wir, ich in meinen Büchern und wir in den NachDenkSeiten, schon spätestens seit 2004 den richtigen Sprachgebrauch zu vermitteln. Albrecht Müller.

Wenn Theorie und Realität einfach nicht zusammenfinden wollen

Europa ächzt unter dem Joch der Austeritätspolitik. Sowohl Spanien als auch Portugal mussten in den letzten Tagen melden, dass sie „trotz größter Sparanstrengungen“ ihr Defizitziel deutlich verfehlt haben. Hier muss die Frage gestattet sein, ob diese Länder ihr Defizitziel nun „trotz“ oder doch wohl eher „wegen“ der „größten Sparanstrengungen“ verfehlt haben. Der vor allem von deutscher Seite propagierte Ansatz, ein Land durch Budgetkürzungen und neoliberale Reformen fit für die Zukunft zu machen und dabei dann auch gleich die Staatsfinanzen zu sanieren, mag in der marktliberalen Theorie funktionieren. In der Praxis funktioniert dieser Ansatz jedoch nicht, was sich mittlerweile eigentlich herumgesprochen haben sollte. Mit jedem Tag, an dem die Politik an ihren ideologischen Scheuklappen festhält, forciert sie die Krise und verhindert deren Beendigung. Von Jens Berger

Trüber Herbst in Griechenland (2/3)

Niels Kadritzke wirft in seiner dreiteiligen Serie einen sehr ausführlichen Blick auf die momentane Lage in Griechenland. Im zweiten Teil beschäftigt er sich mit der innergriechischen Entwicklungen und der zunehmend fehlenden Akzeptanz der Samaras-Regierung. Der erste Teil der Artikelserie erschien gestern auf den NachDenkSeiten, der dritte und letzte Teil wird morgen erscheinen.

IMK: Polarisierung von Einkommen destabilisiert die Wirtschaft

Die privaten Vermögen in Deutschland sind zunehmend ungleich verteilt. Das unterstreicht, nach verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen, auch der Entwurf für den neuen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Die Einkommen haben sich ebenfalls stark auseinander entwickelt. Das ist nicht nur ein Gerechtigkeitsproblem, zeigt eine aktuelle Untersuchung: Die zunehmende Ungleichheit in Deutschland und anderen Staaten hat die Finanz- und Wirtschaftskrise mit verursacht, die bis heute nachwirkt. Zu diesem Ergebnis kommen Dr. Till van Treeck vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung und Simon Sturn von der University of Massachusetts in Amherst.[*]
Materialien zur Armut, zusammengestellt von Wolfgang Lieb.

„Wachstumswahn, Wachstumszwang, Postwachstumsgesellschaft – eine irrelevante und in die Irre leitende Debatte“

Am 21. August hatten wir auf den Hambacher Disput zu „Wachstum 2.0“ mit Angelika Zahrnt contra Albrecht Müller und Meinhard Miegel contra Heiner Flassbeck hingewiesen. Die Veranstaltung auf dem seit 1832 als Ort demokratischen Streits berühmten Hambacher Schloss fand – auch dank des Interesses von Leserinnen und Lesern der NachDenkSeiten – reges Interesse. Es folgt unten mein Beitrag im Disput mit Angelika Zahrnt, der Ehrenvorsitzenden des BUND. – Nachwirkender Gesamteindruck: Es ist bemerkenswert, in welch weitem Maße es dem Neoliberalen Meinhard Miegel gelungen ist, sich und seiner Partei, der Union, ein grünes und fortschrittliches Mäntelchen umzuhängen. Beim Hambacher Disput fand das seinen augenfälligen Niederschlag in der sichtbaren Verbrüderung („Verschwisterung“) der BUND-Ehrenvorsitzenden und einer anwesenden Landtagsabgeordneten der Grünen mit Meinhard Miegel. Auf diesen erstaunlichen PR Erfolg Miegels und der Union hatte ich im April 2011 schon einmal hingewiesen. Albrecht Müller.

30 Jahre Lambsdorff-Papier

Am 9. September 1982 – also gestern vor 30 Jahren – hat der damalige Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff sein „Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“ – den „Scheidebrief“ für die damalige sozialliberale Koalition – veröffentlicht. Seit dieser Zeit wird Politik – manchmal mehr, manchmal weniger – nach dieser Rezeptur gemacht. Und dennoch hat sich die Staatsschuld vervielfacht, im Vergleich zu anderen EU-Staaten hatte Deutschland im letzten Jahrzehnt vor der Finanzkrise ein sehr niedriges Wachstum, stellte der Sachverständigenrat fest [PDF – 3.9 MB], und die Arbeitslosigkeit liegt erheblich höher als damals – die Löhne stagnierten und der Niedriglohnsektor breitet sich aus.
Das Handelsblatt bejubelt heute das Lambsdorff-Papier. Wir verweisen auf unsere Beiträge auf den NachDenkSeiten aus Anlass zurückliegender Jahrestage. Neues ist ohnehin nicht hinzuzufügen. Von Wolfgang Lieb.