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Ökonomie

Eine Million Jobverluste in Deutschland? Zur Diskussion über die Beschäftigungseffekte von Mindestlöhnen

Die Entscheidung von Union und SPD, einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro brutto je Stunde einzuführen, rief die erwarteten Reaktionen hervor.[1] Bereits im Vorfeld hatte „Star-Ökonom“ („Focus“) Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts, vor den verheerenden Folgen gewarnt: „Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro würde nach unseren Schätzungen gut eine Million Arbeitsplätze vernichten“ (zit. nach Focus-Online – Ifo-Chef Sinn warnt vor Mindestlohn: „Vernichtet eine Million Arbeitsplätze“). Unterstützung erhielt er von einem zweiten „Star-Ökonomen“ („Focus-Money“), nämlich Thomas Straubhaar, dem Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts. Dieser beklagte nicht nur „die Beschäftigung zerstörenden Wirkungen von Mindestlöhnen“, sondern auch die fehlende Einsicht in die negativen Folgen auf Seiten der Politiker und ihrer Wähler: „[…] offensichtlich sind weder die politischen Entscheidungsträger noch deren Wähler(innen) willens, sich die klugen ökonomischen Argumente zu Eigen zu machen“ (Straubhaar 2013).[2] Ein Gastartikel von Günther Grunert.

Hollandes “Pakt der Verantwortung” – Eine neue Runde des „Rattenrennens“ wird eröffnet

Mit „Rattenrennen“ bezeichnet man einen Wettbewerb, bei dem am Ende alle verlieren. Sei es gezwungenermaßen wie die Südeuropäer oder freiwillig wie jetzt die französische Regierung, alle rennen der deutschen Agenda-Politik hinterher. Am Ende des Rennens geht es allen Europäern schlechter und ein neuer Wettlauf um die Wettbewerbsfähigkeit wird beginnen. Glaubt Hollande tatsächlich, dass es die Deutschen tatenlos hinnehmen würden, wenn Frankreich oder auch andere europäische Länder ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Deutschland verbesserten. Die Große Koalition in Deutschland würde mit Sicherheit ein neues Rennen um Lohnsenkungen, Sozialabbau und Unternehmenssteuersenkungen starten. Alle gleichzeitig können in Europa aber nicht wettbewerbsfähiger als die anderen sein. Von Wolfgang Lieb.

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Der Fall Prokon – Es ist an der Zeit, den grauen Markt für Finanzprodukte endlich abzuschaffen

Die drohende Insolvenz des Windparkbetreibers Prokon erhitzt die Gemüter. Mit Prokon droht einem Unternehmen, das seit mehreren Jahren auf den Warnlisten der Verbraucherschützer steht, nun die Pleite. Es drängt sich dabei der Verdacht auf, dass das Geschäftsmodell von Prokon in frappierender Weise einem klassischen Schneeballsystem gleicht. Derart dubiose Finanzprodukte geben sich auf dem unregulierten Markt für Finanzprodukte, dem sogenannten „grauen Markt“, ein Stelldichein. Der letzte Versuch, den grauen Markt stärker zu regulieren, scheiterte im Jahre 2010 an der Blockade der FDP. Nach dem Regierungswechsel spräche eigentlich nichts dagegen, die bereits 2010 vom Finanzministerium geplanten Gesetze zur Regulierung des grauen Finanzmarktes nun umzusetzen. Warum geschieht dies nicht? Von Jens Berger.

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Griechenland: Ein Rettungsplan geht hoffnungslos daneben

In einem weiteren aktuellen Lagebericht geht Niels Kadritzke auf die griechische EU-Präsidentschaft, auf das Auseinanderdriften der griechischen Gesellschaft, auf die Reaktionen der mehr und mehr „in Verantwortung genommenen“ Mittelschichten ein.
Die Angst um die eigene Wohnung, „das letzte sichere Refugium“ löste erstmals eine parlamentarische Rebellion gegen die Troika aus. Die erhöhte Steuerbelastung treffe auf Bürger mit geschrumpftem Einkommen. Die Hausbesitzer und andere „Bürger“ fühlten sich verfolgt und benachteiligt gegenüber den großen Steuerbetrügern, die ungestraft davonkommen. Die Nachforderungen und Strafgelder, die bei nachgewiesenem Steuerbetrug fällig wären, könnten zwar die Staatskasse erheblich entlasten, aber nur bei den Kleinen werde gepfändet, an die Großen wage man sich nur schleppend heran. Selbst die Banken stemmen sich inzwischen gegen Zwangsversteigerungen, weil die Käufer allenfalls mafiose Geldwäscher wären.
Kurz: Da die fiskalischen Anpassungsleistungen, die der griechischen Gesellschaft abgefordert werden, völlig übersteuert sind, werden selbst Steuererhöhungen, ohne die zwar eine Konsolidierung der öffentlichen Finanzen auf Dauer nicht gelingen kann, zu einem Hindernis für die wirtschaftliche Erholung. Von Niels Kadritzke.

Rezension: „Der größte Raubzug der Geschichte“

Der Titel des Buches – „Der größte Raubzug der Geschichte“ – klingt eher nach einem historischen Krimi, aber die beiden Verfasser durchleuchten die heute agierende internationale Finanzwelt und wollen aufzeigen „Warum die Fleißigen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden“. Damit packen die als Finanzberater tätigen Autoren Matthias Weik und Marc Friedrich eine der aktuell wichtigsten politischen Fragen an. Eine Rezension von Hermann Zoller.

Die tiefe Kluft zwischen regierungsamtlichem Optimismus und der Wahrnehmung der Wirklichkeit durch die griechische Bevölkerung

In einem aktuellen Lagebericht beschreibt Niels Kadritzke die tiefe Kluft zwischen dem offiziellen Optimismus der Regierung Samaras/Venizelos und der Wahrnehmung der Realität an der Basis der Gesellschaft. Nichts von dem, was die Regierung den Bürgern erzählt und ankündigt beseitigt auch nur die kleinste ihrer Alltagssorgen. Regierungschef Antonis Samaras hat die Kunst, sich selbst in die Tasche zu lügen, fast zur Vollkommenheit entwickelt. Weder hat sich die Arbeitslosigkeit verringert, noch ist der Trend zur Langzeitarbeitslosigkeit gebrochen. Immer mehr Griechinnen und Griechen sind von materieller Entbehrung betroffen. Löhne werden nicht oder nicht regelmäßig ausbezahlt, unbezahlte Arbeit verbreitet sich. Die industrielle Produktion ist in den letzten 12 Monaten stetig und zuletzt sogar beschleunigt zurückgegangen. Die auch in deutschen Medien verbreiteten Erfolgsgeschichten (Primärüberschuss im Staatshaushalt, Tourismus-Boom, sinkende Mietpreise) stellen sich bei näherer Betrachtung als Scheinerfolge heraus.
Von Niels Kadritzke.

Das irische Erfolgsmärchen

Die Eurokrise hat ihre erste Erfolgsmeldung: Irland verlässt in diesem Monat den Rettungsschirm der Troika. Die Süddeutsche Zeitung bemerkte dazu in dieser Woche knapp „Sparen lohnt sich“ und ist mit dieser Interpretation nicht alleine. Hat die Schwäbische Hausfrau doch Recht und müssen nun die Lehrbücher der Volkswirtschaftslehre neu geschrieben werden? Nein. Schaut man einmal hinter die Kulissen, entdeckt man jedoch sehr schnell, dass Irland alles andere als ein Erfolgsmodell ist und schon gar nicht als Beweis dafür taugt, dass man sich aus einer schweren Wirtschaftskrise heraussparen kann. Irland verlässt nicht wegen, sondern trotz des „Sparens“ den Rettungsschirm.

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Wie DIW-Präsident Fratzscher den deutschen Exportüberschuss liquidieren will

Jetzt hat Marcel Fratzscher – nach längerer Abwartezeit – seine persönliche Meinung zum Problem der deutschen Exportüberschüsse publiziert. Diese seien ein Problem für Deutschland aber nicht für die Welt [PDF – 88.9 KB]. Es ist höchst aufschlussreich, diese Variante der Problembehandlung des neuen DIW-Präsidenten kurz näher zu zeigen.
Zunächst verwahrt sich Fratzscher gegen den Vorwurf, dass die deutschen Exportüberschüsse „eine Mitschuld“ an der europäischen Krise haben. „Dieser Vorwurf ist falsch.” “Die hohe Sparquote und die Exportüberschüsse haben Deutschlands Wohlstand verschlechtert, nicht verbessert.” Wodurch ist dann die europäische Finanzkrise eskaliert? Hier gelangt Fratzscher bereits “auf dünnes Eis”, denn er ignoriert die Meinung vieler anderer Makroökonomen, um die deutsche Interessenlage im Export “aus der Schusslinie” zu nehmen. Von Karl Mai.

Schuldner verzweifelt gesucht – die EZB und die schwäbische Hausfrau

Gibt es sie nun, die schwäbische Hausfrau, die den gesunden Menschverstand verkörpert, oder nicht ? Sei’s drum, wir halten uns an den Verstand, ob er schwäbische Hausfrau heißt oder nicht. Der Verstand sagt uns und der schwäbischen Hausfrau, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt, Geld auszugeben (sofern man nicht von Haus aus ein Krösus ist). Entweder es kommt zu einem, oder man besorgt es sich. Das erste heißt Einkommen, das zweite Kredit. Aber aufgepasst: Ohne sicheres Einkommen gibt es auch keinen Kredit, denn schließlich muss er ja irgendwie zurückgezahlt werden. Ein Gastartikel von Erik Jochem.

EZB-Miese? Kein Problem!

Manchmal erfordern große Probleme unkonventionelle Lösungen. Die Eurokrise ist zweifelsohne ein sehr großes Problem, auf das bislang jedoch nur mit 08/15-Lösungsversuchen reagiert wurde. Deren Versagen kann im mittlerweile vierten Eurokrisenjahr nicht mehr ernsthaft abgestritten werden. Progressivere – und damit auch unkonventionelle – Lösungsansätze beinhalten meist eine aktivere Rolle der Europäischen Zentralbank, zum Beispiel Bonds oder die Übernahme der Milliardenforderungen aus den Rettungsschirmen. Von Jens Berger.

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Wie die Europäische Kommission die Verfahren zur Beseitigung makroökonomischer Ungleichgewichte umsetzen wird – Gefahr ist im Verzug

Heiner Flassbeck weist auf flassbeck-economics.de darauf hin, dass die Kommission bei der Überprüfung der einzelnen Länder im Rahmen des Verfahrens zur Beseitigung makroökonomischer Ungleichgewichte schwerwiegende Fehler macht und sich die Welt zurechtbiegt, wie es ihr passt. Das ist in der Öffentlichkeit bisher weitgehend unentdeckt geblieben. Wir bringen hier den vollständigen Text, der auf flassbeck-economics im Abonnement erschienen ist. Albrecht Müller.

EZB könnte Verluste bei Anleihekäufen locker schultern

Das Verfassungsgericht muss demnächst eine unbequeme Entscheidung fällen. Mit seinem Urteil zur Krisenpolitik der Europäische Zentralbank (EZB) hat es darüber zu befinden, ob eine wesentliche Maßnahme zur Beruhigung der Eurokrise rechtmäßig war. Die EZB hatte im vergangenen Jahr angekündigt, Staatsanleihen kriselnder Eurostaaten notfalls in „unbegrenztem“ Maße anzukaufen – zu einer Zeit, als Italien und Spanien durch steigende Zinsen der Tod auf Raten drohte. Ein Gastbeitrag von Axel Troost[*] und Philipp Hersel.

„Aufruf zur Revolte“ – Ein Interview mit Konstantin Wecker

Konstantin Wecker hat gemeinsam mit Prinz Chaos II. ein Buch über Revolte geschrieben (kostenloser Download [PDF – 9.2 MB]). Es ist eine Polemik. In einem Aufruf voller Wut und Poesie drücken die Autoren aus, was quer durch die politischen Lager von Vielen gedacht, aber nur selten in dieser Klarheit ausgesprochen wird. Ihr Fazit lautet eindeutig: “Duckt Euch nicht! Steht auf! Stellt Euch zornig gegen die Energie der Zerstörung!”. Christine Wicht hat mit Konstantin Wecker über den „Aufruf zur Revolte“ gesprochen.

Merkel in ihrem Lauf – die Großkoalitionäre wollen an Merkels Krisenpolitik festhalten

Wer im Koalitionsvertrag [PDF – 1 MB] von CDU/CSU und SPD nach den dringend nötigen Impulsen sucht, mit denen Deutschland die ökonomische, soziale und politische Dauerkrise in Europa bekämpfen könnte, sucht vergebens. Die Formulierungen der Themenfelder „Finanzen“ und „Europa“ lesen sich vielmehr wie ein Bekenntnis zur Krisenpolitik Angela Merkels. Kürzungspolitik (also Austeritätspolitik), neoliberale Reformen und die klare Bekenntnis zu einem durch den Fiskalpakt geknebelten und damit handlungsunfähigen Staat ziehen sich wie ein roter Faden durch das 185-seitige Papier. Man kann der SPD hier jedoch noch nicht einmal vorwerfen, dass ihre Handschrift nicht zu erkennen ist – im Gegenteil, die SPD steht vielmehr bereits seit Beginn der Eurokrise treu Seit´ an Seit´ mit der Kanzlerin. Realistisch betrachtet, erfüllt der Koalitionsvertrag bei den genannten zwei Themenfeldern somit die schlimmsten Befürchtungen. Von Jens Berger.

Skandalös, pervers oder nur gedankenlos? Wo bleibt das Interesse am Sozialen Wohnungsbau?

Politik und Medien beschäftigen sich intensiv mit dem Auto, dem Verkehr. Genauer gesagt mit der neu einzuführenden Maut auf deutschen Autobahnen.  Auch über den richtigen Sound beim Porsche  wird nicht nur geschrieben, da gibt es den  richtigen Porsche-Sound im Internet und Veranstaltungen  zu diesem Thema. Da gehen Hunderte, wenn nicht Tausende hin. Dies ist ein Zwischenruf des Städteplaners Dr. Ing. Heinrich Schlüter. Albrecht Müller.