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Denkfehler Wirtschaftsdebatte

Die politische Debatte kreist oft um wirtschaftliche Zusammenhänge. Vielen Menschen sind diese fremd. Denkfehler und Vorurteile zur Wirtschafts- und Finanzpolitik sind schon deshalb weit verbreitet. Die NachDenkSeiten klären immer wieder darüber auf.

Guter Bulle, böser Bulle – der IWF und seine unglaubwürdige Selbstkritik

Der IWF gibt sich äußerst selbstkritisch. In einer offiziellen Ex-Post-Analyse [PDF – 1.1 MB] räumt der IWF schwere Fehler bei der „Griechenlandrettung“ ein. Soll man sich nun darüber freuen, dass ein Akteur der Troika endlich das Offensichtliche eingesteht? Im deutschen Strafrecht setzt eine „tätige Reue“ voraus, dass der „Täter“ nach Beginn seiner Tathandlung wieder Abstand von seiner Tat nehmen will. Eben dies ist beim IWF aber nicht der Fall. Im offiziellen Griechenland-Bericht des IWF [PDF – 1.4 MB], der am gleichen Tag wie die Ex-Post-Analyse veröffentlich wurde, ist von „tätiger Reue“ nicht viel zu erkennen. Im Gegenteil – anstatt aus den nun eingeräumten Fehlern zu lernen, setzt der IWF auch in der Zukunft auf eben die Medizin, die sich als Gift herausgestellt hat. Was will der IWF mit seiner vorgespielten Selbstkritik erreichen? Von Jens Berger.

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Paul Krugman: The Chutzpah Caucus – Der Chutzpe-Klub

Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Argumente für die Austeritätspolitik – scharfe Einschnitte bei den Staatsausgaben selbst angesichts einer schwachen Wirtschaftslage – in sich zusammen gefallen. Behauptungen, Ausgabensenkungen wirkten vertrauensbildend und führten deshalb zu einem Aufschwung am Arbeitsmarkt, haben sich als falsch erwiesen. Es hat sich auch gezeigt, dass die Behauptung, es gäbe da so eine Art roter Linie bei der Verschuldung, die Staaten nicht überschreiten sollten, auf schwammigen und zum Teil schlicht falschen Berechnungen basierte. Voraussagen von Haushaltskrisen bewahrheiten sich nicht; Voraussagen von Desaster infolge der strengen Austeritätspolitik aber haben sich als nur allzu zutreffend erwiesen. New York Times Opinion Pages, 5.Mai 2013
(Aus dem Englischen übersetzt von ToberÜbersetzungenBerlin)

Eine Logik des Niedergangs – Auswüchse formaler Denkkultur

Die deutsche Öffentlichkeit wird durch manche ihrer eifrigsten Politiker fehlgeleitet, und zwar in der Verschuldungsfrage des Staates. Vor allem durch die alltäglichen Anstrengungen von Exponenten der derzeitigen Regierungskoalition. Die fortgesetzte Propagierung eines formal-eindimensionalen Denkens, wie sie sich rund um die “Sparpolitik” manifestiert, manipuliert oder irritiert die Menschen: Hierbei werden elementare volkswirtschaftlich negative Rückwirkungen der “Sparpolitik” ignoriert oder geleugnet, wie sie makroökonomisch zur normalen Einsicht in die Grundzusammenhänge gehören. Es erscheint öffentlich fast als Tabu-Bruch, die gekürzten bzw. geminderten fiskalischen Ausgaben als relevant für die Reduzierung der Wachstumsraten zu interpretieren. Ein Gastartikel von Karl Mai [*]

FAZ-Themenwoche „Vollbeschäftigung“ – Spiegelfechten im Niedriglohnparadies

Arbeit für Alle“ – unter diesem Motto hat die FAZ die Woche rund um den Tag der Arbeit am 1. Mai zur Themenwoche zum Schwerpunktthema „Vollbeschäftigung“ erklärt. Begleitend dazu hat das FAZ-Wirtschaftsblog „Fazit“ zu einer Blogparade aufgerufen. Auch wenn wir[*] mit den aufgestellten Prämissen der FAZ ganz und gar nicht übereinstimmen, werden wir uns freilich dennoch an der Debatte beteiligen. Zunächst soll es hierbei um den von der FAZ bagatellisierten Zusammenhang zwischen den Arbeitseinkommen und den Beschäftigungszahlen gehen, der für die Beschäftigung mit dem Thema elementar ist. Von Jens Berger.

Olli Rehn in Unterhosen – eine treffende und zum Lachen animierende Ergänzung zu den “Klapperstörchen”.

Natürlich hat Albrecht Müller Recht, wenn er sagt, eine ernsthafte Debatte über Reinhart/Rogoff (RR, „Dieses Mal ist alles anders“) erübrige sich, da sowohl der Gedanke einer Kausalität zwischen Höhe der Staatsverschuldung und Wirtschaftswachstum (jedenfalls in dieser Reihenfolge) als auch der Versuch, einen (allgemeingültigen) Schwellenwert der Staatsverschuldung festzulegen, ab dem die Wirtschaftsentwicklung umkippe, absurd sei.
Das Witzige ist nur, dass RR derartiges in Ihrem Buch nie behauptet haben. Von Erik Jochem

Konjunkturprognose: Die Welt wird von den Füßen auf den Kopf gestellt

Trotz des äußerst schwachen Wachstums von erwarteten 0,8 % in diesem Jahr scheint für die acht Wirtschaftsinstitute alles zum Besten zu stehen. Eigentlich brauchte man deren „Gemeinschaftsdiagnosen“ keine Aufmerksamkeit mehr zu schenken. Sie liegen meist daneben und loben vor allem ihren Auftraggeber. Im Wahljahr geben die „Wissenschaftler“ sogar eine eindeutige Wahlempfehlung für die auftraggebende Regierung ab.
Das Frühjahrsgutachten ist wieder einmal ein Beispiel, wie dogmatisch bornierte Ökonomen, die Welt von den Füßen auf den Kopf stellen. Der Zusammenhang zwischen der rigiden „Sparpolitik“ und rezessiver Wirtschaftsentwicklung wird stur geleugnet. Ein Nachlassen bei den offensichtlich katastrophalen Problemlösungskonzepten zur Ursache der Probleme erklärt. In ihrer Fixierung auf staatliche Ausgabenkürzungen und den Abbau von Sozialleistungen bemerken die ideologisch bornierten Think-Tanks nicht einmal die Widersprüche, in die sie sich selbst verwickeln. Von Wolfgang Lieb

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Wenn die Klapperstörche vor dem 1. April die Grenze zwischen Elsass und Südpfalz überfliegen, dann steigt die Geburtenrate in der Südpfalz im Januar des folgenden Jahres um 10 %.

Jetzt ist diese für die Gestaltung des demographischen Wandels wichtige Erkenntnis der neoliberalen Theoretiker von Wissenschaftlern widerlegt worden. Sie haben nachgewiesen, dass die Theorie auf einem peinlichen Excel-Fehler aufbaute. Der erkennbare Unsinn der These wie auch der erkennbare Unsinn der Korrektur ist direkt auf eine gestern ausgebrochene Debatte anzuwenden. Ich zitiere SpiegelOnline: „Schulden-Theorie: Excel-Panne stellt Europas Sparpolitik in Frage. – Die US-Forscher Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart lieferten den wissenschaftlichen Überbau für die weltweite Sparpolitik: Bei Staatschuldenquoten von mehr als 90 Prozent leide das Wachstum.“ Jetzt hätten drei Forscher von der Universität Massachusetts die wissenschaftliche Grundlage des politischen Spardogmas ins Wanken gebracht. Sie seien zu ganz anderen Ergebnissen gekommen. Darüber wird nun in den Medien und zwischen den Wissenschaftlern feurig diskutiert. Eine absolute Unsinnsdebatte. Die Theorie war grotesk. Deshalb ist auch ihre Widerlegung grotesk. Zeitverschwendung. Albrecht Müller.

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Zypern – eine hilfreiche Gesamtschau von Heiner Flassbeck (A) – ergänzt um Eindrücke zur traurigen Rolle unserer Medien (B)

Heiner Flassbeck hat gestern Abend auf seinem Blog einen Beitrag veröffentlicht, den wir hier in den NachDenkSeiten nicht nur verlinken sondern übernehmen. Es ist eine treffende Analyse der jetzigen Situation im Euroraum und in Europa. Ich habe – sozusagen zu Erklärung des skizzierten Desasters unter B. “Anmerkungen zum Totalversagen der Mehrheit der deutschen Medien in der Eurokrise/Zypernkrise” hinzugefügt. Beide Texte lassen sich gut nacheinander lesen. – Wenn Sie sie informativ und hilfreich finden, dann wären wir dankbar, Sie würden die Texte über ihren E-Mail-Verteiler oder auf Papier weiter verteilen. Albrecht Müller

Eine „Schmalspur“-Theorie des „Aufschwungs“ für die Neuen Bundesländer

Unter der Überschrift „Ostdeutschland vor der wirtschaftlichen Renaissance?“ erschien vor Kurzem eine Studie von Frank Bickenbach und Eckhardt Bode, Ökonomen am Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. Die Autoren argumentieren gegen die weit verbreitete These, dass sich nach 20 Jahren der deutschen Vereinigung das Ost-West-Gefälle in Deutschland verhärtet habe, ja dass das Gefälle sogar zunehme.
Aus der Sicht einer neuen ökonomischen Geographie (NEG) seien – so die beiden Autoren – die Perspektiven Ostdeutschlands dagegen gar nicht so düster. Jüngere theoretische Ansätze legten im Lichte der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland nahe, dass Ostdeutschland die wirtschaftliche Talsohle mittlerweile erreicht habe und in Zukunft wieder an Wirtschaftskraft gegenüber Westdeutschland gewinnen werde. Karl Mai[*] lieferte uns dazu einen Kurzkommentar.

TAFTA – eine weitere Hintertür für neoliberale Reformen

Das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU ist in aller Munde. US-Präsident Obama thematisierte die Transatlantic Free Trade Area (TAFTA) in seiner jüngsten Regierungserklärung und auch Angela Merkel und David Cameron konnten sich auf dem letzten EU-Gipfel kaum etwas Schöneres vorstellen, als mit den USA eine Freihandelszone zu gründen. Woher kommt dieser plötzliche Enthusiasmus? Die Idee einer transatlantischen Freihandelszone ist ein alter Hut und es ist mehr als unwahrscheinlich, dass die anstehenden Verhandlungen, die Mitte dieses Jahres beginnen sollen, je zu einem nennenswerten Ergebnis kommen. Die Verhandlungen zu TAFTA eignen sich jedoch hervorragend, um auf vielen politischen Ebenen sogenannte „Handelshemmnisse“ abzubauen. TAFTA ist somit wie eine Matroschka-Puppe. Man weiß nicht, was in ihr steckt. Von Jens Berger

Pakt für Wettbewerbsfähigkeit – Merkels Agenda des Schreckens

Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos redete die Kanzlerin endlich einmal Klartext und stellte die Grundzüge ihrer Agenda für Europa vor. Die Kanzlerin hat nichts, aber auch gar nichts, verstanden und will nun die Gunst der Stunde nutzen, um Europa bereits in diesem Jahr von Grund auf umzukrempeln. Durch die Blume gab sie dabei auch zu, dass ihr die Eurokrise keineswegs ungelegen kommt, um ganz Europa einer neoliberalen Agenda zu unterwerfen. Wer sich die Mühe macht, Merkels Rede durchzulesen, kommt selbst als abgeklärter Kritiker neoliberaler Politik aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der Versuch einer Analyse. Von Jens Berger

Eurokrise: Der Fall Italien

„Wir haben das Patentrezept“ lautete vor vielen Jahren der Wahlslogan einer obskuren deutschen Splitterpartei im Bundestagswahlkampf. Die Partei ist obskur geblieben, ihr Slogan hat Karriere gemacht. Er prangt über der Wirtschaftspolitik der Eurozone. Das Patentrezept lautet Wettbewerbsfähigkeit durch Lohnkürzung. Es verdankt sich der phänomenal neuen Erkenntnis der Eurokraten, dass dem einzelnen Mitgliedsstaat innerhalb einer Währungsunion das Mittel der Abwertung der eigenen Währung als gesamtwirtschaftliches Instrument zum Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen nicht mehr zur Verfügung steht. Ersatz muss her in Form der generalisierten „inneren Abwertung“ auf betrieblicher Ebene, sprich Lohnkürzung. Ein Gastartikel von Erik Jochem

Prognosen und andere Irrtümer

Muss man eine rosige Zukunft prognostizieren, um ein guter Ökonom zu sein?
Die Jahreswende ist die Zeit, in der Ausblicke auf das vor uns liegende Jahr gegeben und gute Vorsätze gefasst werden, auf dass alles besser werde. Doch mit den guten Vorsätzen ist das so eine Sache. Wer etwas besser machen will, muss die in der Vergangenheit gemachten Fehler erst einmal erkennen, bevor er gegensteuern kann, von der Mühsal der Umsetzung vieler Vorsätze ganz abgesehen. Viel leichter ist das Leben für die, die sich die Fehlentwicklungen in der Vergangenheit gar nicht so genau anschauen und folglich auch keinen Anlass sehen, etwas zu ändern. Von Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker

Konjunkturstatistik 2012 – auf die Lesart kommt es an

„Die deutsche Wirtschaft trotzte 2012 der europäischen Wirtschaftskrise“, so ist die Pressemitteilung [PDF – 106 KB] zur Meldung der jüngsten Konjunkturdaten durch das Statistische Bundesamt überschrieben. Richtig ist, dass die deutsche Konjunktur im letzten Jahr im Vergleich zu unseren Nachbarländern auf durchaus stabilem Niveau stagniert. Die inländische Konjunktur befindet sich aber auch in Deutschland in der Rezession, lediglich der immer größer werdende Exportüberschuss hat dazu geführt, dass die deutsche Wirtschaft 2012 überhaupt gewachsen ist. Diese Entwicklung ist jedoch gesamtwirtschaftlich fatal. Anstatt als „Wachstumslokomotive“ die Eurozone mitzuziehen, hat die Exportfixierung der deutschen Wirtschaft dazu geführt, dass die gefährlichen ökonomischen Ungleichgewichte auch im letzten Jahr erneut gestiegen sind. Von Jens Berger.

Der Irrtum der Euroretter und das Schweigen im Blätterwalde

Die vornehmste Aufgabe der Volkswirtschaftslehre ist es, die Politik zu beraten. Auf Basis der Beratung durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) verordnete die Politik halb Europa eine selbstmörderische Kürzungspolitik. Doch das neue Jahr begann mit einem Paukenschlag. Einer der einflussreichsten Volkswirte, Olivier Blanchard, seines Zeichens Chefökonom des IWF, gibt plötzlich zu, dass man sich in der Vergangenheit „verrechnet“ habe und die vom Währungsfonds vorgeschlagene Kürzungspolitik womöglich die aktuelle Krise sogar noch verschärft. Dieses Eingeständnis stellt die bisherige Politik der „Euroretter“ komplett in Frage. Eigentlich sollte man nun erwarten, dass Blanchards Offenbarungseid politisches Tagesgespräch Nummer Eins ist. Doch weit gefehlt. Der erste SPIEGEL des neuen Jahrs machte nicht mit dem Thema „Der Irrtum der Euroretter“ auf, sondern fragte sich, ob das männliche Geschlecht mit der modernen Gesellschaft überfordert sei. Über die neuen Rechenkunststücke des IWF verliert der SPIEGEL kein Wort. Auch der Tagesschau war das eingestandene Versagen des IWF keine Meldung wert. Der Dogmatismus der ökonomischen Debatte hierzulande macht offenbar blind. Von Jens Berger.