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Rechte Gefahr

„Weimarer Verhältnisse“ in Griechenland

Nach der Ermordung von zwei Aktivisten der rechtsextremistischen Partei Chrysi Avgi (ChA) durch unbekannte Attentäter am letzten Freitag droht die innenpolitische Situation in Griechenland in eine neue Dimension zu eskalieren. In der griechischen Öffentlichkeit wird seit einiger Zeit der Vergleich mit den „Weimarer Verhältnissen“ gezogen. Das war bislang eine relativ abgehobene „Historikerdebatte“. Jetzt wird die Angst real. „Zwölf Kugeln gegen die Demokratie“ titelt die Athener Tageszeitung Ta Nea. In anderen Blättern werden alle möglichen Theorien über die Täter erörtert, die sich meist an der cui bono-Frage orientieren. Jedoch ist es zunächst durchaus unklar, ob die Neonazis von der Tatsache profitieren werden, dass sie jetzt ihre eigenen „Opfer“ vorweisen können.
Die erste Reaktion aller Parteien und politischen Kräfte war eine einhellige Verurteilung der Mordtat, gespeist aus dem Erschrecken über die möglichen Folgen.
Hier eine Analyse, die lange vor dem Anschlag vom Freitag begonnen wurde. Sie will aufzeigen, was das Phänomen der Neonazi-Partei für die griechische Politik bedeutet, und vor welchen Problemen und Dilemmata sich die Regierung – und die Oppositionsparteien – bei ihrem viel zu spät erklärten Kampf gegen die ChA stehen. Von Niels Kadritzke

Rezension. Wolfgang Bittner, Hellers allmähliche Heimkehr

Ein Roman, der im Vorfeld des Prozesses gegen die Neonazi-Terrorzelle NSU in die Zeit passt, denn auch hier geht es um eine rechtsradikale Gruppe und deren Wirken in der Provinz. Aber es geht auch um Korruption. Am Beispiel einer norddeutschen Kleinstadt werden deren Mechanismen im Zuge aktueller Privatisierungspolitiken aufgezeigt und mit dem von den Ordnungskräften geduldeten, verharmlosten Agieren der rechtsradikalen Gruppierung in Verbindung gebracht. Der in seine Heimatstadt zurückgekehrte Journalist Heller sorgt als neuer Chefredakteur des Lokalblatts für Aufklärung und lässt einen doppelten Skandal auffliegen – auch wenn es ihn den Posten bei der Zeitung kostet. Von Petra Frerichs.

Können Marktradikale und Nationalchauvinisten eine „Alternative für Deutschland“ sein?

Da die marktradikalen Professoren rund um Hans Olaf Henkel mit dem Plan, die Freien Wähler zu übernehmen, offenbar gescheitert sind, haben sie nun ihre eigene Partei gegründet. Die „Alternative für Deutschland“ stellt sich öffentlich als Anti-Euro-Partei mit Bürgernähe dar. Schaut man sich die neue Partei etwas näher an, stößt man jedoch schnell auf einen Bodensatz aus Marktradikalismus und Nationalchauvinismus. Eine Partei wie die „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist eine Novität im deutschen Parteienspektrum und hat große Parallelen zur amerikanischen Tea-Party-Bewegung. Für Wähler, denen die CDU zu links und die FDP nicht marktliberal genug ist, mag sie eine Alternative sein. Für alle Anderen ist sie es jedoch ganz sicher nicht. Von Jens Berger

Psychopathen ohne Hitlerbart

Bei aller Pflicht zur historisch genauen Erinnerung an die Bedingungen der Möglichkeit der sogenannten „Machtergreifung“ und zur Beantwortung der Frage: „Wie war das eigentlich?“ (Max von der Grün) darf man sich nicht den Blick auf Gefahren der Gegenwart verstellen. Adorno hat auf die vernebelnden Tendenzen der berühmten „Aufarbeitung der Vergangenheit“ bereits früh hingewiesen, indem er eingangs seines gleichnamigen Vortrags aus dem Jahre 1959 sagte: „Ich betrachte das Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie als potentiell bedrohlicher denn das Nachleben faschistischer Tendenzen gegen die Demokratie.“ Man ruft mit Blick auf Hitler: „Haltet den Dieb!“ – und lässt die heutigen Diebe entkommen. Von Götz Eisenberg

NPD-Verbotsantrag: Volker und die starken V-Männer

Kommentar von Jörg Wellbrock

Durch alle Parteien zieht sich die Diskussion darüber, ob ein Verbot der NPD durchsetzbar ist und etwas am politischen Klima in Deutschland ändern würde. Wie geheuchelt diese Debatte sein kann, zeigt ein Blick auf die Aktivitäten von Volker Bouffier, dem Ministerpräsidenten Hessens.

Wahlalternative 2013 – aus den Freien Wählern sollen freie (Markt-)Radikale werden

Nachdem Hans Olaf Henkel mit seinem Plan, die FDP „zu entern“, Schiffbruch erlitten hat, hat er sich eine neue politische Plattform ausgesucht, über die er mit seinen zwischen Marktradikalismus und Nationalchauvinismus tendierenden Ansichten auf Wählerfang gehen kann. Das von ihm mitinitiierte Bündnis Wahlalternative 2013 würde bei der nächsten Bundestagswahl gerne zusammen auf einer Liste mit den Freien Wählern antreten. Schaut man sich die Liste [*] der Gründer und Hauptzeichner der Wahlalternative 2013 an, findet man dort das Who´s Who der deutschen Marktradikalen. Ob die Freien Wähler wissen, mit wem sie sich da ins Bett legen wollen? Von Jens Berger

Bundespräsident Gauck in Rostock – Pastorales Pathos genügt nicht, um die Ursachen der Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen

„Bundespräsident Joachim Gauck hat eine sehr gute Rede gehalten. Er hat in Rostock-Lichtenhagen eindringliche Worte gefunden. Worte des Entsetzens über den Mob, der voller Lust nicht nur Häuser, sondern Mitbürger brennen sehen wollte. Worte des Entsetzens aber auch über den Staat, über die Institutionen des Staates, die den Mob damals gewähren ließen. Er sprach auch nicht nur über die Vergangenheit“ schreibt Arno Widmann in einem Beitrag der Frankfurter Rundschau und fügt ein persönliches Schuldbekenntnis an, dass er nicht selbst nach Rostock fuhr und Hilfe organisierte. Liest man die Rede, so wirkt sie sehr allgemein gehalten und ziemlich pastoral, meint Orlando Pascheit

Der Untergrund des NSU war ein Aquarium der Geheimdienste

Hartnäckig wird die Legende aufrechterhalten, dass die im Jahr 1998 abgetauchten Neonazis ›spurlos‹ verschwunden seien und man seitdem keine “heiße Spur” gehabt hätte.
Das widerspricht allen Fakten, die bislang an die Öffentlichkeit gelangt sind.
Fasst man die auszugsweise gewährten Einblick in das Leben derer, die »spurlos« verschwunden sind, zu denen über 13 Jahre keine »heiße Spur« geführt haben soll, zusammen, lässt sich eines sicher sagen: In der Geschichte des ›Untergrundes‹ gibt es nicht viele Gruppen, deren Untergrund so transparent war, wie der des NSU. Es war ein Aquarium, in dem die NSU-Mitglieder wie Goldfische gehalten wurden.
Der Verfassungsschutz tappte nicht im Dunklen – er saß quasi am Küchentisch des NSU. Von Wolf Wetzel.

Was vor 20 Jahren Verschwörungstheorie war, ist heute eine unbestrittene Tatsache

Vor neun Monaten erfuhren wir, dass die zwei toten Männer im Campingwagen nicht nur routinierte Bankräuber, sondern vor allem Mitglieder einer neonazistischen Terrorgruppe namens ›NSU‹ waren, von deren Existenz keine staatliche Stelle etwas gewusst haben will.
Seither gibt es eine Flut von Medienberichten und zahllose journalistische Recherchen, die sich um Aufklärung bemühten. Die These, der Grund für den „blinden Staat“ sei ein Verkettung von Versäumnissen, Pannen und persönlichen Unzulänglichkeiten lässt sich kaum noch halten. Ein Verfassungschef nach dem anderen tritt zurück, ein Dominoeffekt wird befürchtet, ein Systemabsturz.
Die Gefahr, dass man aus diesem organisierten Versagen eben nicht die Stärkung jener Geheimdienste ableiten kann, sondern ihre Auflösung, bringt aber nun Aufklärungs- und Verdunklungswillen wieder zusammen. Soweit will es niemand kommen lassen, bei allem Bedürfnis nach Quote und Auflagesteigerung. Jetzt heißt es, als Regierung und Opposition zusammenzuhalten und das erschütterte Vertrauen in den Verfassungsschutz in einer Blitzheilung wiederherzustellen. Von Wolf Wetzel.

Rechtsradikale in Ungarn setzen „nationale Romastrategie“ um

Eine Reportage über die so genannten nationalen Roma-Strategie der ungarischen Regierung und deren Auswirkungen in Gemeinden mit Bürgermeistern der rechtsextremen Jobbik. Die Maßnahmen führen u.a. dazu, dass ungarischen Roma nach Kanada fliehen und dort politisches Asyl beantragen. Von Jürgen Weber.

Der „dritte Mann“ des nationalsozialistischen Untergrundes/NSU – ein Anruf genügt…

Hätte vor ein paar Monaten jemand behauptet, dass zur ›Aufklärung‹ der neonazistischen Mordserie Akten vernichtet, wichtige Erkenntnisse unterschlagen, Untersuchungsausschüsse belogen werden, Leitende Beamte des Bundesamtes für Verfassungsschutz Falschaussagen machen, wäre er als Verschwörungstheoretiker lächerlich gemacht worden. Wenn vor Monaten jemand behauptet hätte, dass die verschiedenen Geheimdienste nicht dilettantisch, sondern perfekt zusammengearbeitet hatten und über ausgezeichnete Kontakte zum neonazistischen Thüringer Heimatschutz/THS verfügten, also zu Mitgliedern der daraus hervorgegangenen Terror-Gruppe ›NSU‹, wäre ihm Gleiches widerfahren.
Jetzt sind diese berechtigten Annahmen gerichtsverwertbar. Von Wolf Wetzel.

Neonazis im griechischen Parlament

Die neonazistische Partei Chysi Avgi hat bei den Parlamentswahlen mit knapp 7 Prozent und 440.894 Wählern einen unerwartet hohen Stimmenanteil erreicht. Wie sich die Neonazis aufspielen und was droht, wenn solche Kräfte stärker werden, berichtet Niels Kadritzke.
Er schildert zugleich ein duckmäuserisches und skandalöses Verhalten von griechischen Journalisten.

Occupy und die Rechtspopulisten

Bislang haben die NachDenkSeiten die Occupy-Bewegung stets konstruktiv begleitet und als neue Form des Protests gesehen, der ohne eine klare politische Agenda daherkommt und seine Richtung erst noch finden muss. Wohin die Reise geht, war und ist vollkommen offen. Leider mehren sich in den letzten Tagen die Zeichen, dass die Occupy-Bewegung ihre Inhalte und Ziele dadurch kompromittiert, dass sie rechten Rattenfängern wie Hans Olaf Henkel hinterherläuft und Kritik an diesem Kurs mit Zensur belegt. Von Jens Berger