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Demokratie

Oettinger hat die Opfer der Nazis in den Schmutz gezogen. Vermutlich mit Absicht.

Ich habe den Autor und Journalisten Gunter Haug aus Baden-Württemberg um eine Bewertung des Falls Oettinger gebeten. Haug kennt den Umgang mit den Opfern aus eigenem Erleben; er ist mit der Enkelin eines von den Nazis Ermordeten aus Oettingers und Filbingers Heimat verheiratet. Um die Opfer aus dem Volk haben sich diese Politiker nie gekümmert. Und treten jetzt wieder nach. – Zur ideologischen Nähe siehe auch unsere gemeinsamen Veranstaltungen zum Thema am 16.4., am 22.4. und 10.5. und als lesenswerter Text auch Frank Schirrmacher. Albrecht Müller.

Reaktionen auf „Neue deutsche Härte …“ und unsere Anmerkungen

Dieser Beitrag von Brigitta Huhnke vom 8.3. hat relativ viele und heftige NDS-kritische Reaktionen ausgelöst. Vor allem die Kritik unserer Autorin an „Rammstein“ hat Gegenreaktionen ausgelöst. Unter den Kritikern waren einige, die seit langem die NachDenkSeiten nutzen und mitarbeiten. Diese Reaktionen haben mich zunächst verunsichert.
Ich kann für mich nicht beanspruchen, dass ich ein Kenner der dort beschriebenen Musikszene wäre, ich habe mir allerdings einige Elemente der Webseite von „Rammstein“ näher angeschaut. Mein Eindruck ist: Das ist ja um vieles schlimmer als der nationale Flaggentaumel im Umfeld der WM, die bei mir und vielen meiner Generation schon Schaudern über den Rücken schickten. Außerdem ist zu den Reaktionen anzumerken, dass die meisten Kritiker sich vor allem über den ersten Absatz von Brigitta Huhnkes Text empörten, in dem sie kritisch auf die „Ästhetik“ der Band „Rammstein“ einging, sich aber mit dem gesamten Text des Beitrags und seiner Intention nicht oder nur am Rande auseinandersetzten.
Ich bin mir sicher, dass es richtig war, Brigitta Huhnkes Beitrag ins Netz zu stellen. Wir haben uns allerdings entschlossen, die Kontroverse unseren Leserinnen und Lesern sichtbar zu machen. Im Folgenden finden Sie die wichtigsten Auszüge der Mails, die als Reaktion auf den Beitrag eingegangen sind. Die darin enthaltene Kritik hat Kai Ruhsert herausgefordert, Stellung zu nehmen.

Wahlfarce bei den OB-Wahlen in Wiesbaden – 26,9 Prozent Wahlbeteiligung

Mit einer knappen Zweidrittelmehrheit (65,6%) wurde der CDU-Politiker Helmut Müller zum Oberbürgermeister von Wiesbaden gewählt. Auf ein so klares Ergebnis habe er nicht zu hoffen gewagt, sagte Müller laut FAZ Scontent..
Das „klare Ergebnis“ sieht in Wirklichkeit so aus: Von 203.000 wahlberechtigten Wiesbadener/innen sind nur knapp 55.000 oder 26,9% zur Wahl gegangen, davon haben wiederum knapp 36.000 oder 17,6% den „Teebeutel“ Müller, der sich angeblich in alles reinhängt, gewählt.

Verfassungsfeindliche Umtriebe auf deutschen Volkswirtschaftslehrstühlen

Anhänger des Marktradikalismus bekämpfen die in Artikel 38 Grundgesetz verankerte allgemeine, unmittelbare, freie und vor allem die gleiche Wahl: Die „Leistungselite“ müsse vor der Mehrheit geschützt werden.
In einem „ordnungspolitischen Blog ´Wirtschaftliche Freiheit`“ stellt der Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim, Roland Vaubel, das schon 1787 in der amerikanischen und mit der Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts seit 1918 in den deutschen Verfassungen verankerte gleiche Wahlrecht zugunsten eines Schutzes der „Leistungselite“ in Frage. Noch mehr Schutz als eine Änderung des Wahlrechts im Grundgesetz biete allerdings der „Standortwettbewerb“ zwischen den Staaten. Deshalb liege in der Globalisierung eine große Chance: sie zwinge die Politiker jenseits aller Wahlergebnisse um die Gunst der „Leistungseliten“ zu konkurrieren.

„Petra Roth holt 60,5 Prozent“ titelt die SZ – aber nur ein Fünftel der Frankfurter Wahlberechtigten hat die Oberbürgermeisterin gewählt.

Die Frankfurter Rundschau spricht sogar von einem „Triumph für OB Petra Roth“. Roth sagte nach ihrer Wiederwahl, sie sei ,,sehr, sehr zufrieden‘‘. Sie sprach von einer Bestätigung für ihre Person und ihre Politik.
Bei einer Wahlbeteiligung von etwa einem Drittel und einer Zustimmung von gerade mal 20 Prozent der Wahlberechtigten scheint bei Politikern und Medien offenbar nur noch der Erhalt der Macht der Gradmesser des Erfolgs zu sein. Die OB-Wahl in Frankfurt ist ein weiteres Warnsignal für die seit mehreren Jahren nicht nur dramatisch zurückgehende sondern für historisch einmalig niedrige Wahlbeteiligungen. Doch kaum jemand sieht darin ein Alarmzeichen für Politik und Demokratie.

Das „Soll“ auf dem Erfolgskonto der Bundesregierung

In den üblichen Erklärungen um die Jahreswende rühmten die Bundesregierung, CDU, SPD, ja sogar der Bundespräsident die „Erfolge“ der Bundesregierung. Eine etwas andere Erfolgsbilanz zieht einer unserer Leser.
Was beim Selbstlob der Regierenden unter den Tisch fällt.

Konfliktforscher Heitmeyer: Feindselige Mentalitäten gegen schwache Gruppen werden durch Identitäts- und Nationalstolz-Kampagnen gefördert.

Die Ergebnisse aus der am 14. Dezember in Berlin von Professor Wilhelm Heitmeyer von der Universität Bielefeld, Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, vorgestellten Langzeituntersuchung “Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit” verweisen auf riskante Entwicklungen. Die Desintegrationsängste und -befürchtungen nehmen seit Projektbeginn 2002 deutlich zu. 38,3 Prozent der Befragten schätzen ihre eigene wirtschaftliche Lage als schlecht ein (2002 waren es noch 30 Prozent). Insbesondere seit Einführung von HARTZ IV berichtete mehr als die Hälfte der Befragten über Abstiegsängste. Die Spaltung der Gesellschaft lässt sich damit nicht nur an objektiven Kriterien, wie dem Nettogeldvermögen aufzeigen, sondern findet ihre Entsprechung auch in der Wahrnehmung der Bevölkerung. So vertreten 91,2 die Auffassung, dass Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden (2002 waren es noch 85,8 Prozent).

Die Praxis der Staatsanwälte vor den Strafgerichten der USA macht das System durch und durch korrupt

Andreas von Bülow, früher MdB und parlamentarischer Staatssekretär, Autor und Jurist, hat einen Counterpunch-Artikel von Paul Craig Roberts, ehemals stellvertretender Minister des Schatzamtes unter Präsident Reagan, übersetzt und zur Verfügung gestellt. Es geht um das amerikanische Justizsystem. Sie finden den Artikel unter „Andere interessante Beiträge“ auf Deutsch und auf Englisch. Hier noch das Wichtigste aus der Einleitung von Andreas von Bülow:

Gefahr für die Demokratie kommt nicht nur von den Glatzen aus MeckPo, mindestens so sehr aus Gütersloh.

„Politiker sorgen sich um Demokratie in Ostdeutschland“ – so lautet die Überschrift über einem Bericht von SpiegelOnline über ein Tagesspiegel-Gespräch mit dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt Wolfgang Böhmer. Er sieht in Ostdeutschland schwerwiegende Defizite in Bezug auf das Demokratieverständnis der Bürger. Es müsse deutlich gemacht werden, „dass Demokratie mühsamer ist als Diktatur“.
In dem Artikel wird dann noch mit Berufung auf eine Forsa-Umfrage die große Sorge über das Anwachsen rechtsextremer Tendenzen in Teilen Ostdeutschlands ausgedrückt. Ich will diese Entwicklung nicht verharmlosen. Aber die mindestens so große Bedrohung der Demokratie in unserem Land folgt daraus, dass die Macht und die politischen Entscheidungen in unserem Land nur noch von großen wirtschaftlichen Interessen und ihrer neoliberalen Ideologie bestimmt sind. Gütersloh, der Sitz der Bertelsmann Stiftung, ist Symbol dieser antidemokratischen Entwicklung. Albrecht Müller.

Jutta Roitsch: Föderaler Schlussakt. Von der kreativen Kooperation zum ruinösen Wettbewerb

Die erste große Koalition in der Bundesrepublik unter Kurt Georg Kiesinger und Willy Brandt führte ihn ein, die zweite große Koalition unter Angela Merkel und Franz Müntefering schafft ihn ab: Nach über 35 Jahren hat der kooperative Föderalismus ausgedient. Nach einer parlamentarischen Beratungszeit von nur fünf Monaten wurde in Bundestag und Bundesrat ein Eingriff in das Grundgesetz vorgenommen, der die bisherige Machtbalance zwischen Bund und Ländern grundlegend verändert.
Jutta Roitsch hat uns ihren Beitrag zur Entwicklung und den Zielen der Föderalismusreform zur Verfügung gestellt. Er ist in den Blättern für deutsche und internationale Politik 8/2006 abgedruckt. Siehe auch NachDenkSeiten vom 20. Dezember 2005.

Volksvertreter sind nicht repräsentativ für das Volk

Eine repräsentative Umfrage des Allensbach-Meinungsforschungsinstituts im Auftrag der Bertelsmann Stiftung unter Parlamentariern belegt, dass die Einschätzungen über soziale Gerechtigkeit oder über eine gerechte Einkommensverteilung unserer Parlamentarier mit denen in der Bevölkerung nur noch wenig miteinander zu tun haben. Bertelsmann zeigt sich zufrieden. Karl-Heinz Heinemann hat sich darüber seine Gedanken gemacht.

Beim Stichwort „Elite“ verliert mancher aus unserer eitlen Elite den Verstand. Oder: Wie Julian Nida-Rümelin auf eine Wallraffiade hereinfiel.

Eine fingierte, sich eindeutig rechtslastig gebende „Deutsche Nationalakademie“ lobte eine Ehrendoktorwürde an deutsche Prominente aus. Sie sollten sich zum Erwerb dieses Titels nur dazu verpflichten, sich ganz und gar mit den Zielen der Stiftung einverstanden zu erklären. Der zusammenfassende Schlussabschnitt des Programms der Akademie enthielt boshafter Weise einen den Elitewahn beschreibenden Satz aus Hitlers „Mein Kampf“.
Auf den Lockvogel eines „Dr. hc.“ der für eine einzige Nummer auferstandenen Zeitschrift „Tempo“ fielen einige unserer Geistesheroen, wie „Poptitan“ Dieter Bohlen und der Starfriseur Udo Walz herein. Leider auch der ehemalige Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin, der laut Wikipedia „zu den momentan bekanntesten Vertretern der akademischen Philosophie gezählt“ werde. Selbst die FAZ meint: „Ein Symptom der voranschreitenden Entkopplung akademischer Eliten von der bundesrepublikanischen Wirklichkeit.“ Wolfgang Lieb.

SPD-Politiker Hans-Peter Bartels will die Politikverdrossenheit mit einem Institut für die Didaktik der Demokratie eindämmen.

Weil sich „viele vom Gang der Dinge in ihren demokratischen Institutionen“ distanzierten, würden sie in einem „fundamentalen Punkt den Feinden der Freiheit recht“ geben, meint MdB Bartels und spricht von einem „Extremismus der Mitte“. Den Grund für die Verdrossenheit gegenüber der gegenwärtigen Politik, sieht Bartels in der „Ahnungslosigkeit“ über das bestehende Regierungssystem. Deshalb brauchten wir „einen neuen Anlauf zu einer systematischen, verbindlichen Bildung und Erziehung zur Demokratie als Lebensform.“ Fazit: Wenn wir erst einmal ein „Institut für die Didaktik der Demokratie“ hätten, dann würde die Mehrheit dem „Gang der Dinge“ über die Umverteilung von unten nach oben, über die Hartz-Gesetze, über die Verunsicherung und die drastische Kürzung der Renten und über die anderen „Reformen“ unverdrossen zustimmen. Zustimmung zur Politik der regierenden Parteien ist für Bartels wohl gleichbedeutend mit Zustimmung zur Demokratie? Unseren Leser Reinhard Bauske hat diese Logik zu einer Glosse gereizt.