Kategorie:
Demokratie

Jagd auf Edward Snowden – Die Rückkehr des hässlichen Amerikaners

Stellen wir uns einmal vor, ein Mitarbeiter des chinesischen Geheimdienstes, nennen wir in Aidéhuá Xuě, hätte der Öffentlichkeit bislang nicht für möglich gehaltene Details über die ganzen Ausmaße der digitalen Schnüffel- und Hackeraktivitäten des chinesischen Geheimdienstes enthüllt. Stellen wir uns nun vor, Xuě habe fluchtartig das Land verlassen und sei auf der Suche nach einem Land, das ihm politisches Asyl gewährt. Wahrscheinlich wäre in diesem Fall bereits ein geheimer Firmenjet der CIA unterwegs, um Xuě schnellstmöglich in die USA zu holen, wo er von Kongressabgeordneten und Senatoren als Held der Freiheit gefeiert würde. Die Wünsche Chinas oder beteiligter Drittstaaten wären in diesem Falle keinen US-Cent wert. Von Jens Berger

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Wirbel um den Aachener Friedenspreis an die Hulda-Pankok-Gesamtschule – Schulleiterin ignoriert Beschluss der Schulkonferenz

Am 1. September, dem Antikriegstag, sollte der Aachener Friedenspreis an drei deutsche Schulen verliehen werde, die beschlossen haben, keine Werbeauftritte der Bundeswehr in ihrer Schule zuzulassen. Eine der Preisträgerinnen ist die Hulda-Pankok-Gesamtschule in Düsseldorf, benannt nach der Frau des bekannten Malers Otto Pankok, selbst engagierte Friedenskämpferin. Die Schulkonferenz hatte im Oktober 2010 einstimmig einen entsprechenden Beschluss gefasst. Die Schulleiterin Alexandra Haußmann teilte nun dem Friedenspreiskomitee mit, sie lehne den Preis ab. Einen entsprechenden Schulkonferenzbeschluss habe es nämlich nie gegeben. Die Vertreterin des Friedenspreises dagegen hat den Beschluss gesehen, der damalige Schulsprecher versichert, er wurde einstimmig gefasst. Den Lehrerinnen und Lehrern wurde die Ablehnung des Preises und die obrigkeitlich angeordnete Nichtexistenz des Konferenzbeschlusses auf einer Dienstbesprechung offiziell mitgeteilt. Von Karl-Heinz Heinemann.

Der Mann des Jahres: Edward Snowden. Der Mann beim Abstieg: Barack Obama.

Edward Snowden, ein extern für den US-Geheimdienst NSA arbeitender Techniker hatte vergangene Woche Details des Überwachungsprogramms PRISM öffentlich gemacht. Der 29-jährige hat mit der Veröffentlichung eine mutige und lebensgefährliche Entscheidung getroffen. Wenn es einen Nobelpreis für Verdienste um Transparenz und lebendige Demokratie gäbe, hätte Snowden diesen Preis verdient. Stattdessen wird er verfolgt werden. Kidnapping und Mord nicht ausgeschlossen. Der oberste Repräsentant des Staates, der uns weltweit ausforschen und ausspionieren lässt, Barack Obama wird diese Verfolgung leider nicht stoppen. Auf einem anderen Feld verspielt er gerade jegliche Glaubwürdigkeit: mit der Entscheidung, sich in die Auseinandersetzungen in Syrien noch weiter einzumischen. Dazu benutzt er den langsam aufgebauten Vorwand, die syrische Regierung habe Giftgas eingesetzt.. Die USA haben offensichtlich aus den Fälschungen zum Einstieg im Irakkrieg nichts gelernt. Wo bleibt die mahnende Stimme unseres Außenministers Westerwelle? Albrecht Müller.

Das Verteidigungsministerium ein „Staat im Staate“

Seien es nun 260 Millionen, wie der Verteidigungsminister einräumt, oder sei es eine halbe Milliarde, wie andere sagen, die da in den Sand gesetzt wurden, die gestrigen Aussagen de Maizières weisen darauf hin, dass das Verteidigungsministerium offenbar wie ein Staat im Staat agiert. Da wird, um den Minister zu „schützen“, einer „in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gelebten Tradition des Verteidigungsministeriums zu Rüstungsangelegenheiten“ folgend, Unangenehmes vom politisch verantwortlichen Minister ferngehalten. Und umso weniger erfuhr vom Unangenehmen das Parlament. Da bewilligt also der Haushaltsgesetzgeber Milliarden von Steuergeldern und weder der Minister noch die Abgeordneten wissen vorher oder erfahren wenigsten im Verlauf, was damit geschieht. Diese „Tradition“ des Verteidigungsministeriums erinnert doch stark an eine üble Tradition der Kommissköpfe in der Weimarer Zeit, die nie viel von der Politik und schon gar nichts von der Demokratie hielten und sich als eigenständiger Machtfaktor im Staat im Sinne ihrer militärischen Logik verstanden haben. Von Wolfgang Lieb.

Der Einfluss der Eliten auf deutsche Journalisten und Medien

Die Doktorarbeit von Uwe Krüger untersucht, welchen Einfluss Eliten auf die Berichterstattung haben und zeigt die Netzwerke der wichtigen Menschen in Wirtschaft, Politik und Journalismus. Statt einen offenen Marktplatz an Ideen abzubilden, vertreten Journalisten demnach oft die Positionen der Herrschenden. Nach Uwe Krüger spitzt sich überall in Europa und in der ganzen Welt der Konflikt «Elite gegen das Volk» zu. Dabei stehen die Journalisten allzu oft auf der Seite der Eliten. Diese Erkenntnis ergibt sich aus der von der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie der Universität Leipzig angenommenen Dissertation „Meinungsmacht: Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten – eine kritische Netzwerkanalyse“. Ein Interview von Michael Voregger [*].

Merkels „Staatsminister“ als Cheflobbyist von Daimler

Die Drehtür zwischen Politik und Wirtschaftslobbyismus dreht sich immer schneller. Vorzeitiger wurde ein Übergang vom Regierungsamt zum hochbezahlten Vertreter von wirtschaftlichen Einzelinteressen wohl noch nie verabredet und schon gar nicht öffentlich bekannt. Schon vor seinem Ausscheiden aus dem Amt schließt Kanzleramts-Staatsminister Eckart von Klaeden einen Vertrag mit der Daimler AG und lässt sich als „Leiter Politik und Außenbeziehungen“ des Autobauers, also als Cheflobbyist einkaufen. Das ist ein Skandal, der zeigt, wie weit sich der Klientilismus auch in Deutschland schon in unsere Demokratie hineingefressen hat. Ein gesetzliches Gebot einer dreijährigen Karenzzeit für Regierungsmitglieder vor einem Wechsel in eine Lobbytätigkeit wird immer dringender. Vor allem wäre aber auch ein Austausch der politischen Eliten durch einen Regierungswechsel nötig, um die sich ausbreitende politische Korruption einzudämmen. Von Wolfgang Lieb.

Die Austeritätspolitik gefährdet den europäischen Zusammenhalt und die Demokratie

Was von vielen kritischen Beobachtern seit langem vermutet wurde, lässt sich jetzt belegen: Die Eurokrise hat das Vertrauen vieler Menschen in die Europäische Union zerstört. Der britische „Guardian“ veröffentlichte in der letzten Woche Daten der EU-Meinungsumfrage „Eurobarometer“, die von der unabhängigen Stiftung European Council on Foreign Relations (ECFR) ausgewertet wurden. Das Ergebnis: Ein massiver Vertrauensverlust in die EU in Ländern wie Spanien, Deutschland und Italien, die traditionell eigentlich pro-europäisch eingestellt sind. Ein Gastartikel von Günther Grunert.

Wichtige „Leitplanken“ für linke Politik im Euro-Memo 2013

Ausgewählte Hinweise aus europäischer Sichtweise von „links“.
Die Arbeitsgruppe europäischer Wirtschaftswissenschaftler/innen für eine andere Wirtschaftspolitik hat im Herbst 2012 in Posen (Polen) das „EuroMemorandum 2013“ erarbeitet [PDF – 526 KB].
Die aktuellen Aussagen und Positionen der übernationalen Euro-Memorandum-Gruppe bieten auch dem deutschen Leser wichtige „Leitplanken“ für eine neue gesamteuropäische Politikänderung aus „linker“ Sicht. Sie kann damit die deutsche Debatte über die Euro-Finanzkrise (und ihre staatshaushaltsseitigen Aspekte) bereichern bzw. hierfür wichtige Hinweise eröffnen. Daher sollen nun in stark verkürzter bzw. ausgewählter Sicht einige Grundaussagen fürs „Nachdenken“ zitiert bzw. kommentiert werden. Von Karl Mai.

Wer sind die Nichtwähler?

In einer interessanten Untersuchung geht Armin Schäfer vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung angesichts sinkender Wahlbeteiligungen der Frage nach, wer die Nichtwähler sind, von welchen Faktoren die Wahlbeteiligung abhängt und wie sich das auf die Wahlergebnisse der Parteien auswirkt. Von Wolfgang Lieb.

Die Deutschen zwischen Verfolgungs- und Größenwahn

Wenn man dieser Tage die Verlautbarungen der Politiker und die Kommentare in den Medien verfolgt, dann kann einem nur noch Angst und Bange werden. Es herrscht eine Stimmung, wie man sie in der Literatur oder in der kritischen Geschichtsschreibung vor exakt einhundert Jahren, nämlich vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges beschrieben findet.
Wir Deutschen sind die Erfolgreichsten, wir sind diejenigen die wirtschaftlich am besten dastehen, wir haben die die richtigen wirtschaftspolitischen Konzepte, wir bürgen und zahlen für die anderen, wir sind die Retter Europas, am deutschen Modell soll Europa genesen. So hört und liest man allenthalben. Dieses Selbstlob, ja diese Selbstüberschätzung trägt Züge von Größenwahn.
Auf der anderen Seite beklagt man die Kritik unserer Nachbarn an der maßgeblich von der deutschen Regierung geprägten Austeritätspolitik mit einer Weinerlichkeit, die man nur noch als Verfolgungswahn bezeichnen kann. Von Wolfgang Lieb.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Rezension. Wolfgang Bittner, Hellers allmähliche Heimkehr

Ein Roman, der im Vorfeld des Prozesses gegen die Neonazi-Terrorzelle NSU in die Zeit passt, denn auch hier geht es um eine rechtsradikale Gruppe und deren Wirken in der Provinz. Aber es geht auch um Korruption. Am Beispiel einer norddeutschen Kleinstadt werden deren Mechanismen im Zuge aktueller Privatisierungspolitiken aufgezeigt und mit dem von den Ordnungskräften geduldeten, verharmlosten Agieren der rechtsradikalen Gruppierung in Verbindung gebracht. Der in seine Heimatstadt zurückgekehrte Journalist Heller sorgt als neuer Chefredakteur des Lokalblatts für Aufklärung und lässt einen doppelten Skandal auffliegen – auch wenn es ihn den Posten bei der Zeitung kostet. Von Petra Frerichs.

Bundespräsident a.D. Horst Köhler – Ohne Amt mehr Verstand

„Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand“, so lautet ein Sprichwort, das der große deutsche Geschichtsphilosoph Hegel einen „alten Scherz“ bezeichnet hat. Bei Horst Köhler scheint es umgekehrt zu sein. Ohne Amt zeigt er mehr Verstand als in seinen früheren Ämtern, etwa als Finanzstaatssekretär und Sherpa von Bundeskanzler Kohl auf Wirtschaftsgipfeln, als Direktor des IWF und zuletzt als Bundespräsident. In allen diesen Ämtern war er ein Wegbereiter und eifriger Propagandist der neoliberalen Ideologie.
Gehört Köhler, nun, da er außer Amt ist, zu den Konservativen wie Charles Moore oder Frank Schirrmacher, die zu glauben beginnen, dass die Linke doch Recht hat?
In einer Rede, gar noch vor dem Mitglieder-Forum einer Volksbank schlug er ganz andere Töne an als in seinen früheren Ämtern [PDF der Rede – 113 KB]. Von Wolfgang Lieb

Lagerwahlkampf? Keineswegs, wir haben ein Einparteiensystem mit vier Flügeln, meint Oskar Lafontaine in einer lesenswerten Analyse.

Wenn Sie sich Klarheit über die Komödie des kommenden Bundestagswahlkampf verschaffen und damit eine der großen Manipulationen durchschauen wollen, dann tun sie gut daran, einen Artikel von Oskar Lafontaine zu lesen, der heute in der „jungen Welt“ erschienen ist. Ich jedenfalls habe trotz meiner sonstigen Skepsis noch einiges dazugelernt. Auch Journalistinnen und Journalisten ist die Lektüre dieses Beitrags dringend zu empfehlen, wenn sie im Bundestagswahlkampf den Durchblick behalten wollen. Albrecht Müller.

Können Marktradikale und Nationalchauvinisten eine „Alternative für Deutschland“ sein?

Da die marktradikalen Professoren rund um Hans Olaf Henkel mit dem Plan, die Freien Wähler zu übernehmen, offenbar gescheitert sind, haben sie nun ihre eigene Partei gegründet. Die „Alternative für Deutschland“ stellt sich öffentlich als Anti-Euro-Partei mit Bürgernähe dar. Schaut man sich die neue Partei etwas näher an, stößt man jedoch schnell auf einen Bodensatz aus Marktradikalismus und Nationalchauvinismus. Eine Partei wie die „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist eine Novität im deutschen Parteienspektrum und hat große Parallelen zur amerikanischen Tea-Party-Bewegung. Für Wähler, denen die CDU zu links und die FDP nicht marktliberal genug ist, mag sie eine Alternative sein. Für alle Anderen ist sie es jedoch ganz sicher nicht. Von Jens Berger

Ingo Schulze – Dankrede zur Verleihung des Bertolt-Brecht-Preises

Der Schriftsteller Ingo Schulze dürfte einigen Lesern der NachDenkSeiten bekannt sein. Vor rund einem Jahr veröffentlichen wir seine Rede “Unsere schönen neuen Kleider – Gegen die marktkonforme Demokratie – für demokratiekonforme Märkte” auf den NachDenkSeiten und erhielten dafür sehr viel positives Feedback von unseren Lesern. Schulze ist einer der wenigen deutschen Intellektuellen, die auch in politischen Fragen kein Blatt vor den Mund nehmen und sich weigern, “marktkonform” zu denken. Am 8. Februar wurde Schulze von der Stadt Augsburg mit dem Bertolt-Brecht-Preis ausgezeichnet – die NachDenkSeiten gratulieren. Seine Dankrede, die als Brief an Bertolt Brecht aufgebaut ist, ist einmal mehr eine kluge Kritik an der Marktkonformität und der aktuellen Politik. Von Jens Berger.