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Kampagnen/Tarnworte/Neusprech

Der unerträgliche Versuch, Familien gegen Kinderlose in Stellung zu bringen

Um Missverständnisse gleich auszuschließen: Die Zahl meiner Kinder liegt mehr als doppelt so hoch wie beim Durchschnitt der Männer. Ich könnte also mit Genugtuung verfolgen, wie eine Meldung und ein Kommissionsergebnis nach dem andern die Kinderreichen lobt und die Kinderlosen anprangert. Ich neige eher dazu, die Kinderlosen unter unseren Lesern aufzurufen, sich endlich gegen diese Diffamierung zu wehren. Denn hier werden von verschiedenen Akteuren die Probleme der Belastung aller in einer wirtschaftlich schwierigen Situation vornehmlich der Kinderlosigkeit zugeschoben. Dies geschieht obendrein mit unlauteren Argumenten und Berechnungen.

Eine ganze Zeitungsseite, ohne inhaltlich etwas zu sagen.

Die Frankfurter Rundschau brachte gestern ein Interview mit Matthias Platzeck. Er behauptet in diesem Interview, unsere Gesellschaft sei nun mal im Umbruch. Aber er sagt weder, wohin die Reise geht, noch wie die Antwort des Vorsitzenden der SPD aussieht. Die Tiefe der inhaltlichen Festlegung wird durch Sätze beschrieben wie: „Der Sinn des Lebens liegt für mich im Miteinander.“ Oder, auf die Frage, wofür Platzeck stehe: „Für eine Politik, die wirtschaftliche Dynamik und gesellschaftlichen Zusammenhalt vereint.“ Mit Recht kommentieren die Interviewer diese Antwort mit: „Wieder wolkig.“
Das Interview ist lesenswert, weil es dokumentiert, welches unbeschriebene Blatt der SPD-Parteitag in Karlsruhe mit 99,4% der Stimmen zum Vorsitzenden gewählt hat. Außerdem sagt Platzeck auch in diesem Interview, er finde Schröders Politik richtig, hätte sich nur gewünscht, dass alles schon 1999 angepackt worden wäre und nicht erst 2003.

Quelle: FR

Was ist Glaubwürdigkeit? Sagen, was man tut und tun, was man sagt!

Ich wollte eigentlich zur Verabschiedung Gerhard Schröders als amtierender Kanzler auf dem Bundesparteitag der SPD nichts schreiben. Ich gönne ihm als mir langjährig bekannten Menschen den Jubel und die Rührung zu seinem Abschied. Obwohl ich politisch mit ihm in vielen Dingen überhaupt nicht übereinstimme, will ich gerne respektieren, dass jemand, der das Amt des Bundeskanzlers sieben Jahre ausgeübt hat, bis zur Unmenschlichkeit gefordert, ja überfordert wurde. Allein sein Nein zum Irakkrieg und die Anfeindungen, die er aushalten musste, gehören zu seinen historischen Verdiensten.
Ich will diesmal auch gar nicht seine Abschiedsrede inhaltlich kritisieren, sondern nur sagen was mir dabei klar geworden ist. Ich meine nämlich endlich wirklich erkannt zu haben, worin das viel zitierte „Vermittlungsproblem“ der Regierung Schröder lag: Es ist das Auseinanderklaffen von Reden und politischem Handeln.

Christoph Butterwegge: „Der denunzierte Sozialstaat“.

BILD, SPIEGEL, Christiansen, alle ziehen über die „Schmarotzer“ am Sozialstaat her. In den 1970er und 80er Jahren war es der „Asylmissbrauch“, nach einer drastischen Einschränkung des Asylgrundrechtes wurden Anfang der 90er die Sozialhilfeempfänger zu „Sozialschmarotzern“ und heute denunziert der scheidende Wirtschaftsminister Clement die Alg-II-„Parasiten“. Seit über 30 Jahren wird der Sozialstaat systematisch denunziert.

Paul Nolte gelegentlich lesen, um die Leere der meinungsführenden Ideologen zu begreifen

Die Frankfurter Rundschau vom 5.11. brachte ein Interview mit dem Historiker Paul Nolte. Ich hatte einmal ein Streitgespräch bei Phoenix mit ihm. Davon und von der Lektüre seines Buches über die „Generation Reform“ weiß ich um das Markenzeichen dieses viel herumgereichten Wissenschaftlers: Ein Wortschwall ohne Inhalt. Ich unterstelle einmal, dass die Frankfurter Rundschau uns Beiträge von ihm zumutet, weil sie uns über dieses zeitgeistige Geschwätz auf dem Laufenden halten will. Zur schnellen Übersicht die ersten zwei Fragen und Antworten:

„Wie der Sozialstaat zur Selbstbedienung einlädt“

So lautet die Unterzeile des Spiegel-Titels dieser Woche mit der Schlagzeile „Das Spiel mit den Armen“. Wir kommentieren hier kurz, keineswegs um Sie zu animieren, dieses Kampfblatt der neoliberalen Bewegungen zu kaufen. Aber einige Anmerkungen sind angesichts des Versuchs, die Hartz IV-Betroffenen für das Scheitern verantwortlich zu machen, schon fällig.

Typisch Clement: Um vom eigenen Versagen abzulenken, reagiert er mit übelsten Beschimpfungen

Gerade war ich dabei einen Kommentar über den unerträglichen sog. Report aus Clements Wirtschaftsministerium “Gegen Missbrauch, ‘Abzocke’ und Selbstbedienung im Sozialstaat” zu schreiben, als ich auf den Kommentar von Thomas Maron unter dem Titel „Stimmungsmache“ in der Frankfurter Rundschau vom 20. Oktober stieß. Dazu wollte ich nicht in Konkurrenz treten und empfehle dessen Lektüre.

„Du bist Deutschland“ – Shoo bee doo bee doo!

„Deutschland ist Schlusslicht“, so schrecken uns die Alarmrufe unserer Wirtschaftsexperten. Von Arbeitgebern finanzierte Propaganda-Agenturen wie die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ bläuen uns ein: Deutschland ist am Ende, wenn wir nicht die Löhne senken, Sozialleistungen kürzen, Unternehmenssteuern senken, der Markt kann alles besser als der Staat. Und die meisten Medien krächzten die Angstparolen wie Papageien nach: Der Sozialstaat und Gewerkschaften sind am Elend schuld. Die Politiker und Parteien wurden weich geklopft, das zu „reformieren“.

Nach „Wir sind Papst“ folgt „Du bist Deutschland“

Mit Schwarz-Gelb hat es leider nicht gereicht, aber mit der großen Koalition mit einer „Agenda Plus“ ist ein Teilerfolg erzielt. Jetzt muss es mit Deutschland wieder aufwärts gehen, ruft die Belle Étage in Deutschland in den Souterrain. Achten Sie mal drauf, ab heute kommt nach der Tagesschau nicht die Wetterkarte sondern auf allen Kanälen der Start einer Werbekampagne „Du bist Deutschland“, die sich durch alle Tages- und Publikumszeitungen, alle Online-Medien und über alle Plakatwände ziehen wird. „Du bist Deutschland“! Wer hätte das gedacht?

Einseitige Darstellung der Wahlreaktion aus Grossbritannien

Einer unserer Leser, Peter Hammels, macht uns auf die selektive Wahrnehmung der Reaktionen Großbritannien auf die Wahl in Deutschland, hier bei SpiegelOnline, aufmerksam. Ein Beispiel für die tägliche Manipulation. Das große Bild der Manipulation setzt sich aus solchen kleinen Mosaiksteinchen zusammen. Zu Ihrer Information übernehmen wir Hammels Leserbrief an SpiegelOnline.

Schröder pokert weiter. Trotz einer Wahlniederlage erklärt er sich zum Kanzler. Mit einer großen Koalition wird eine Mehrheit links vom bürgerlichen Lager umgedreht.

Gerhard Schröder ist eine Spielernatur. Seit der Bundestagswahl 2002, die Schröder durch Irak-Krieg und Oderflut entgegen aller Trends mit etwa 6000 Stimmen gerade noch einmal gewonnen hat, hat die SPD bei allen 11 Landtagswahlen teilweise dramatisch verloren. Schröder und Müntefering haben alle diese Niederlagen schön geredet, ja – gemessen an den vorausgehenden Umfragewerten – sogar dem staunenden Wahlvolk als Siege verkauft. So auch am Wahlabend der vorgezogenen Bundestagswahl.