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Kampagnen/Tarnworte/Neusprech

BILD fährt fort mit der Kampagne gegen die gesetzliche Rente

„BILD nennt die wahren Zahlen. Für so wenig Rente haben wir das ganze Leben gearbeitet“, heißt es am 7.3..
Auch dieser redaktionelle Artikel ist Teil einer Kampagne zur Erschütterung des Vertrauens in die gesetzliche Rente. Diese Kampagne soll der Versicherungswirtschaft und den Banken die Hasen in die Küche treiben und ist mit der Allianz Lebensversicherungs-AG abgesprochen. Mir liegt die Vertreterinformation der Allianz Lebensversicherungs-AG vom August 2005 vor, in der die redaktionelle(!) Zuarbeit von BILD sogar angekündigt ist. Auszug siehe unten. – Diese Propaganda würde nicht so verfangen, wenn die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente nicht systematisch und parallel zur Propaganda mithilfe politische Entscheidungen zerstört würde.

„So kann man nicht Politik machen“ meint Peter Struck im Tagesspiegel. Was man aus diesem Interview lernen kann?

Mit der Veröffentlichung des Interviews mit Peter Struck im Tagesspiegel vom 25. Februar 2007 haben Sie ein feines Händchen bewiesen. Seine Antworten und Ausführungen entlarven in meinen Augen dreierlei:

  • ein Denken, das die europäische Aufklärung schlicht verschlafen hat oder sie bewusst ausblendet
  • folglich ein Reden und Denken in Aussageweisen, die militärisch geprägt sind und schließlich
  • ein Sprechen im Jargon der Redeweise, die augenblicklich „in“ ist.

Das begründet unser Leser Josef Martin folgendermaßen.

„Deutsche Wirtschaft im Dauerhoch“

… meldet die FR heute. Und weiter u.a.: „Die deutsche Wirtschaft wächst stärker als erwartet. … Nach den neuesten Berechnungen ist die deutsche Wirtschaft im vergangenen Jahr um 2,7 Prozent gewachsen – so stark wie seit 2000 nicht mehr. ….
Viele Experten halten es sogar für immer wahrscheinlicher, dass 2007 erneut eine Zwei vor dem Komma stehen wird.“
Schön wäre das ja alles. Aber leider sind diesen Berichterstattern offenbar die Proportionen verloren gegangen.

Lohnnebenkosten – die Wirklichkeit zerstört einen Mythos nach dem anderen

„Anteil der Lohnnebenkosten unter EU-Durchschnitt“ so titelt das Statistische Bundesamt [PDF – 96 KB] seine europäischen Vergleichsdaten. Im Vergleich mit 27 EU-Staaten beim Gesamtanteil der „indirekten“ Arbeitskosten auf Platz 14, bei den per Gesetz vorgeschriebene Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung sogar nur auf Rang 17. Was in der öffentlichen Diskussion um die Lohnnebenkosten auch gerne verschwiegen wird, ist die Tatsache, dass in anderen Ländern mit niedrigeren gesetzlich abverlangten Lohnnebenkosten, die tarif-vertraglichen bzw. freiwilligen Aufwendungen der Arbeitgeber eine erheblich eine erheblich größere Rolle spielen als bei uns. So machten etwa im weitaus weniger sozialstaatlichen Vereinigten Königreich die nicht gesetzlichen Lohnnebenkosten 14 Euro je 100 Euro Bruttolohn aus, in Deutschland waren es 6 Euro. Wolfgang Lieb.

Allensbach-Umfrage: Die „Sozialschmarotzer“-Kampagne scheint angekommen zu sein

In der Bevölkerung hat sich nach einer Allensbach-Umfrage der Eindruck verfestigt, dass viele Arbeitslose gar nicht arbeiten wollen. 57 Prozent sind nach der Anfang Februar veröffentlichten Erhebung des Instituts dieser Meinung, für 33 Prozent sind dies nur Einzelfälle. Wie heißt es doch so schön, man bekommt bei Umfragen immer das Ergebnis, dass man sich vorher wünscht. Aber erstaunlich wäre es nicht, wenn die erlogene Hartz-IV-Missbrauchsdebatte bei der Bevölkerung angekommen wäre. Wolfgang Lieb.

Nochmals: Sprache im neoliberalen Deutschland

In der letzten Zeit haben wir uns öfters mit der Umdeutung, ja der Korruption unserer Sprache und damit auch des Denkens befasst. Wir haben dabei unter Hinweis auf Victor Klemperers „Lingua Tertii Imperii“, einem Tagebuch über die Sprache des Dritten Reiches, oder unter Bezug auf George Orwells Jahrhundertroman „1984“ auf historische und literarische Parallelen zum heutigen „Neusprech“ verwiesen. Einer unserer Leser, Dieter Staadt, hat uns sein ABC des Neoliberalismus zugeschickt – ein Falschwörterbuch aus Wörtern, die absichtlich zu politischen Zwecken umgedeutet wurden.
„Die Dinge falsch benennen, heißt das Unglück der Welt zu vergrößern“, hat Albert Camus einmal gesagt.

Sprache im neoliberalen Deutschland

Am 2. Februar haben wir auf eine Sendung von arte unter dem Titel „Sprache lügt nicht“ hingewiesen, in der über Victor Klemperers “Lingua Tertii Imperii”, ein Tagebuch über die Sprache des Dritten Reiches berichtet wurde. Unseren Leser Roberto J. De Lapuente hat das veranlasst über Parallelen in der Sprache des neoliberalen Deutschlands nachzudenken: Für einen Philologen, der sich an Klemperer orientieren will, böte die heutige Alltagssprache ein unglaubliches Jagdgebiet.

Anmerkungen zur Strategie der Meinungsmache: „Die Wirtschaft boomt“ und „Null Bock auf Job“.

Seit längerem fällt schon auf, dass die ein bisschen besser verlaufende Konjunktur zu einem Boom hochstilisiert und in der Regel auch den Reformen zugeschrieben wird. Jetzt bringt der WDR in einer Ankündigung für „Hart aber fair“ mit Frank Plasberg – der Fernsehtipp auf der WDR-Startseite vom 30.1. – eine Erklärung dafür ins Spiel, dass trotz des angeblichen Booms noch zu viele Menschen arbeitslos sind: „Null Bock“ – also selbst schuld. Beide Behauptungen sind höchst fragwürdig. Sie sind vermutlich Teil der fortwährenden Gehirnwäsche.

Vogelgrippe, ein Beispiel wie man mit Angstmache viel Geld machen kann. Ein Vergleich zur Demografiehysterie drängt sich auf.

Im Frühjahr des vorigen Jahres überzog eine durch die Berichterstattung der Medien geschürte Welle der Angst vor einer Vogelgrippe-Pandemie unser Land. Die Sorge vor einer möglichen Verknappung von angeblich wirksamen Arzneimitteln führte weltweit zu einer sprunghaft erhöhten Nachfrage durch die verängstigte Bevölkerung bei Ärzten und durch die Gesundheitsbehörden. Die geplanten deutschen Ausgaben für die staatliche Bevorratung in Medikamentendepots sollen dabei bis zu 200 Millionen Euro betragen haben. Allein für „Oseltamivir“, eines angeblich wirksamen Bekämpfungsmittel wird eine Umsatzsteigerung von 110 Millionen Dollar im Jahr 2003 auf über 700 Millionen Dollar bis Ende 2005 kalkuliert. Nun kommt eine Untersuchung im gewiss gegenüber der Pharmaindustrie nicht gerade als kritisch bekannten Deutschen Ärzteblatt zum Ergebnis: „In allen publizierten Fällen von mit aviären H5N1 infizierten Patienten fehlt ein erfolgreicher Behandlungsnachweis.“
Die Vermutung drängt sich auf, dass ganz ähnlich wie bei der Debatte um die demografische Entwicklung Ängste geschürt wurden, um daraus einen kommerziellen Gewinn zu ziehen. Wolfgang Lieb.

Evangelikale und christliche Fundamentalisten machen Stimmung für den Endkampf und drängen Bush zum Krieg gegen den Iran

„Achse des Bösen“, der „Krieg gegen den Terrorismus“ oder der Kampf gegen den Islamismus als „entscheidender ideologischer Kampf unserer Zeit“, das sind Denk- und Deutungsmuster extremistischer christlicher Fundamentalisten und ihrer Think-Tanks. Sie prägen Weltbild und Sprache des amerikanischen Präsidenten. Selbst die Demokraten in den USA scheinen sich, um ihre Wahlchancen zu wahren, evangelikalen Strömungen anpassen zu müssen. Sarah Posner hat sich seit langem mit diesen Strömungen beschäftigt, mit einem Beitrag in AlterNet beschreibt sie, wie christliche Fundamentalisten die Stimmung für einen Krieg der Amerikaner gegen den Iran schüren.
Roger Strassburg und Brigitta Huhnke haben den Beitrag übersetzt und zum besseren Verständnis mit Fußnoten versehen. In Fußnote 4 hat Brigitta Huhnke noch einige Erläuterungen zur Wirkung der Evangelikalen auch auf die deutsche Politik hinzugefügt.

Der Running-Gag der Rentenkatastrophe Meinhard Miegel kann hellseherisch ausrechnen, dass ein 2040 geborener Mann für 100 Euro Rentenbeitrag im Jahr 2107 gerade noch 89 Euro Rente bekommt.

BILD gestern: „Alte kassieren! Junge zahlen nur drauf!“ BILD heute mal wieder mit der „Minus-Rente“.
Meinhard Miegel, der als Running-Gag der Rentenkatastrophe täglich durch die Medien geistert, rechnet uns in einer „Bild-Tabelle“ auf den Euro genau vor, wie viel ein in dreiunddreißig Jahren zur Welt kommendes Baby in hundert Jahren als Rentner von der Rentenkasse weniger herausbekommen wird als dieser Mensch einbezahlt haben wird. Falls wir im 22.Jahrhundert noch den Euro haben werden. Miegel kann vermutlich auch ausrechnen, wie lange in hundert Jahren je nach Geburtsjahrgang unsere Fußzehennägel gewachsen sein werden. Wolfgang Lieb.