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Kampagnen/Tarnworte/Neusprech

Lebensmittelspekulation: Wenn Wirtschaftsethiker der Unmoral das Wort reden

Die FAZ überrascht ihre Leser in steter Regelmäßigkeit im Positiven wie im Negativen. Zur letzteren Kategorie gehört zweifelsohne das Essay „Die Moral der Agrar-Spekulation“ aus der Feder des Wirtschaftsethikers Ingo Pies. Offensichtlich hat sich der Autor dabei das Ziel gesetzt, Spekulationen auf Lebensmittelpreise den Stempel der moralischen Unbedenklichkeit zu geben. Um zu diesem, für einen Wirtschaftsethiker doch überraschenden Schluss zu kommen, bedient sich Pies allerlei Tricksereien und argumentiert zwar aus rhetorischer Sicht höchst interessant, dafür aber aus ökonomischer und schlussendlich auch moralischer Sicht reichlich abstrus. Von Jens Berger.

Agenda 2020: Das Schüren von Ängsten als Mittel, die Agenda 2010 voranzutreiben

Nachdem die verelendende Schock-Therapie für die südeuropäischen Länder inzwischen die Hoheit an den Stammtischen gewonnen hat, wird nun die Angst vor den „zwei- bis dreistelligen Milliardenlasten, die auf den deutschen Steuerzahler zukommen“ geschürt und nicht nur von den Griechen sondern auch von den Deutschen verlangt, „die notwendigen Anstrengungen zu unternehmen“ um „endlich für eine nachhaltige Sanierung der eigenen Staatsfinanzen zu sorgen“, um „Staat und Wirtschaft fit für die Zukunft zu machen“. Die Haftung der Steuerzahler für das Versagen der Politik und der Finanzwirtschaft wird von den Propaganda-Bataillonen der Konservativen unter den Teppich gekehrt und zur Rettung aus der Krise „ein reformpolitischer Neustart“, eine „Agenda 2020“ gefordert. Von Wolfgang Lieb.

Warum ist Angela Merkel trotz bedrohlicher Fehler ihrer Politik so populär

Nach einer neuen Forsa-Umfrage liegt Angela Merkel eindeutig vor ihren potentiellen Herausforderern. Die Union liegt 9 Punkte vor der SPD. Es gibt kein Wechselklima. Und dies trotz bedrohlicher Entwicklungen in Europa, die wesentlich auf Merkels Politik zurückgehen. Und trotz mehrerer Niederlagen vor dem Verfassungsgericht und einem desolaten Bild der schwarz-gelben Koalition und massiver Beschädigung des Rufs unseres Landes. Spürbare Sanktionen der Wählerinnen und Wähler gegen die Bundeskanzlerin gibt es in den Köpfen und Herzen der Mehrheit der Deutschen nicht. Was ist vermutlich die Ursache dieser seltsamen Konstellation? Albrecht Müller.

Die Förderung der privaten Altersvorsorge war schon immer eine von politischer Korruption bewirkte Fehlentscheidung. Jetzt alle Mittel auf gesetzliche Rente konzentrieren.

„Betriebsrente in Gefahr“ meldete die FAZ am 21.7. hier und hier. Die versprochenen Renditen sind nicht zu halten, weder bei der betrieblichen Altersvorsorge noch bei den anderen Produkten der Privatvorsorge. Diese Meldung hat die Lobbyisten der Privatvorsorge in helle Aufregung versetzt und ihre PR-Maschinerie in Bewegung gesetzt. Die richtige Konsequenz aber, nämlich alle Mittel auf die Gesetzliche Rente zu konzentrieren, ziehen sie selbstverständlich nicht. Albrecht Müller.

Das Große Geld macht mobil gegen Hollande. Die Erfahrung lehrt: nur offensives Kontern bietet eine Chance.

Am 4. Juli erschien in der Financial Times international eine als Brief an den französischen Präsidenten aufgemachte ganzseitige Anzeige [PDF – 33.7 KB]. Absender ist der in Luxemburg und London ansässige vermeintliche Franzose, Edouard Carmignac. Er betreibt dort eine Vermögensverwaltung, Finanzdienstleistung und Fonds. Die Anzeige ist eine einzige Aggression gegen die Sozialstaatlichkeit Frankreichs; empfohlen werden Reformen nach deutschem Muster. Das ist ein Beispiel von vielen für die Versuche, Druck auf den neuen französischen Präsidenten auszuüben, unter anderem dadurch, dass man zum Kapitalabfluss aus Frankreich ermuntert. Auf das aggressive Vorgehen des Großen Geldes und den hier wieder erkennbaren Versuch, die öffentliche Meinung zu bestimmen, kann man zögerlich und anpassend reagieren. Und man kann offensiv kontern. Mit einem solchen Konter hat die SPD, die damalige SPD, genau vor 40 Jahren mit 45,8 % ihr bisher bestes Ergebnis erreicht. Albrecht Müller.

Darf man Begriffe benutzen, die bisher der Beschreibung der Verhältnisse in der Nazizeit vorbehalten waren?

Robert Misik hat für einen Kommentar in der TAZ („Kollegen, ihr habt versagt!“) den Begriff „Gleichschaltung“ zur Beschreibung der Mediensituation in Deutschland benutzt. Es ist begrüßenswert, dass endlich auch ein Journalist einen passenden Begriff, der üblicherweise der Beschreibung der Verhältnisse im Deutschland der Naziherrschaft vorbehalten ist, benutzt. Normalerweise ist die Erinnerung an Nazimethoden dann, wenn man die Verhältnisse von heute beschreiben will, tabu. Man darf nicht von „Methoden wie bei Goebbels“ und eben auch nicht von „Gleichschaltung“, und im Blick auf Sarrazin und andere Politiker und Publizisten auch nicht von „Rassismus“ oder von „Volksverhetzung“ sprechen, u.a.m… Die Tabuisierung wirkt wie ein Schutz für jene die sich dergleichen Methoden bedienen. Albrecht Müller.

Merkels Welt

Für mehr Wachstum sind sie fast alle. Doch spätestens seitdem die FDP aus Angst vor dem eigenen Minus-Wachstum ihr Steuersenkungsmantra gegen ein Wachstumsmantra ausgetauscht hat, ist Vorsicht geboten, wenn wirtschaftsliberale Politiker ihre Entscheidungen mit dem Ziel zu mehr Wachstum begründen, denn Wachstum ist für sie gleichbedeutend mit Abbau des Sozialstaats. Sozialstaatsfeindlich ist auch die Kanzlerin Angela Merkel. Da ist es noch nicht einmal sonderlich überraschend, dass ihr ideologischer Leitfaden aus ökonomischer Sicht komplett verquer ist, auf lange Sicht das Wachstum verhindert und das Wohl der Menschen keine Rolle spielt. Von Jens Berger.

Der deutsche „Marshall-Plan“ besteht hauptsächlich aus Kontrolle, Verzicht, Strafe und schmerzhaften Opfern: ein Marshall-Plan der demütigt und Schmerzen zufügt.

Als ich damit angefangen habe, mich bei den NachDenkSeiten – zunächst als Leser – zu engagieren, ging es mir um die immer penetranter werdenden Forderungen von Wirtschaft, Medien, Ökonomen und Politik, das Volk möge seinen Gürtel gefälligst enger schnallen, damit es der Wirtschaft gut geht. Das wurde mir angesichts der zunehmenden Spaltung in arm und reich immer befremdlicher. Roger Strassburg*.

Freiheit und Terror – Nach Irak, Afghanistan, Libyen nun Syrien

Wer sind eigentlich Freiheitskämpfer und wer sind Terroristen? Für unsere Regierung wie auch für die Medien, die maßgeblich unsere öffentliche Meinung bilden, scheint das eindeutig zu sein: Die aufständischen Taliban in Afghanistan sind zum Beispiel Terroristen, weil sie bekanntlich gegen die von den USA und ihren Verbündeten eingesetzte Regierung kämpfen. Dagegen sind die Aufständischen in Syrien Freiheitskämpfer, obwohl sie gegen die (nicht von den USA und ihren Verbündeten eingesetzte) Regierung kämpfen, wobei sie die unter ihren Betten aufbewahrten Maschinengewehre, Panzerfäuste und Raketen einsetzen können. In Libyen durften sie sogar das Staatsoberhaupt ermorden, nachdem die NATO das Land in Grund und Boden gebombt hatte. Von Wolfgang Bittner.

Ökonomistischer Neusprech

Sind Sie in letzter Zeit einmal in die Verlegenheit gekommen, Stellenanzeigen lesen zu müssen? Und wenn ja, haben Sie herausgefunden, wer oder was gesucht wird, wenn die Stelle eines Corporate Key Relationship Managers, eines Change Managers, eines Manager Component Purchasing and Subcontracting oder eines Supply Chain Managers ausgeschrieben ist? Überhaupt scheint es nur noch Manager zu geben, selbst der gute alte Staubsaugervertreter oder das Mitglied einer Drückerkolonne nennen sich heute Area Sales Manager. Von Götz Eisenberg.

Ein Typus unserer Zeit – Carsten Maschmeyer in BILD, F.A.Z. und Wikipedia

Während Christian Wulff von BILD über Wochen hinweg verfolgt wurde, bis er endlich zur Strecke gebracht worden war, erfährt einer seiner Freunde, Carsten Maschmeyer, dort die beste Behandlung. Tagelang wurden die belanglosen Spruchweisheiten aus seinem brandneuen Buch „Selfmade – erfolg reich leben“ in BILD vorabgedruckt. Da verriet er noch einmal, wie er es anstellte, die Kanzlerkandidatur Lafontaines zugunsten seines Freundes Gerhard Schröder (SPD) zu verhindern, und was er dazu beitrug, dass sein Freund Christian Wulff (CDU) niedersächsischer Ministerpräsident wurde. Ein Maschmeyer kennt nämlich keine Parteien mehr – nur Freunde, die ihm irgendwann einmal nützlich werden können. Von Reiner Diederich

„Hallo Griechen! Entweder Ihr wählt richtig! Oder wir helfen Euch nicht mehr!“

Das ist ungefähr der Tenor dessen, was man im Vorfeld der heutigen Wahl in Griechenland von der Mehrheit der deutschen Medien und der deutschen und internationalen Politik zu hören bekommen hat. Wie die Wahl auch immer ausgeht, man kann über den Zustand von Demokratien dabei viel lernen. Es wird sich zeigen, dass Demokratien „marktkonform“ sein müssen und dass Wahlergebnisse der neoliberal geprägten vorherrschenden Meinung passen müssen. Eine Gegenbewegung zur neoliberalen Politik, wie es die griechische Linkspartei Syriza darstellt, führt zur massiven Gegenreaktion. Die Griechenlandwahl wird damit auch offenbaren, dass es die Demokratie in der Wirklichkeit nicht mehr gibt, auch wenn das Wort inflationär in Reden vorkommt. Von Albrecht Müller

Eine Anregung: Übernehmen Sie nicht den Sprachgebrauch und die Legenden der herrschenden Lehre. Beispiel: Sparen, Sparkurs, …

Den Kampf um den angemessenen, traditionellen Gebrauch des Wortes „Reform“ hat der aufklärende Teil unserer Gesellschaft schon verloren. Reformen sind jetzt anders als noch vor 40 Jahren Veränderungen zulasten der Mehrheit. Auch die Umdeutung der Finanz- und Bankenkrise in eine „Staatsschuldenkrise“ ist den Profiteuren der Bankenrettung gelungen. Zur Zeit wird mit dem verfälschenden Gebrauch des Wortes „Sparen“ gearbeitet. Schäuble, Merkel, die Troika, SpiegelOnline und nahezu alle anderen Medien gebrauchen selbstverständlich die Worte „Sparen“ und „Sparkurs“, obwohl in der jetzigen Situation mit dieser Politik das Sparen nicht gelingt. Was Deutschland und die Troika zum Beispiel Griechenland aufgezwungen haben, war keine Sparpolitik und kein Sparkurs. Es war und ist nicht mehr als eine Spar-Absichtspolitik. Das Verrückte: Auch die Kritiker der erfolglosen Spar-Absichtspolitik übernehmen den gängig gemachten Begriff Sparen und Sparkurs, obwohl das Wort Sparen theoretisch als auch empirisch falsch angewandt wird. Albrecht Müller.

Meinungsmache gegen die Finanztransaktionssteuer – Die FAZ als verlängerter Arm der Finanzlobby

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Finanzwirtschaft die geplante Besteuerung von Finanztransaktionen ablehnt und auf breiter Front zum PR-Gegenschlag ausholt. Mehr als bedauerlich ist es jedoch, dass die angesehene FAZ dieser PR auf den Leim geht und ihren Lesern ungefiltert die Meinungsmache der Finanzlobby als redaktionellen Inhalt auftischt. Glaubt man der FAZ, könnte eine Finanztransaktionssteuer den „normalen“ Riester-Sparer bis zu 14.000 Euro kosten – doch sowohl die Argumentationskette als auch die zugrundeliegende Rechnung sind nicht einmal im Ansatz nachvollziehbar. Von Jens Berger

Können sich Volkswirtschaften aus der Krise sparen?

Wir kennen alle die Propaganda von Gesundsparen in Politik und Medien, die allerdings meist wenig konkret ist. Seitens der Wissenschaft wird allgemein eingeräumt, dass Austeritätsprogramme negative Folgen für Wachstum und Beschäftigung haben – allerdings nur in der sehr kurzen Frist. Angestoßen durch einen Beitrag in der Neuen Züricher Zeitung “Wie Schweden sich aus der Krise sparte” untersucht Orlando Pascheit die Argumentation von prominenten Vertretern die für ein „Heraussparen aus der Krise“ plädieren.