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Agenda 2010

Die Folgen der Hartz-Gesetze waren vorhersehbar

Am 30.11.2002(!) hat der Berliner Dipl. Ingenieur Reinhard Dunkel vor der Delegiertenversammlung der IG Metall Berlin eine Rede zu den Hartz-Gesetzen u.a.m. gehalten. Weil das eine gute Vorhersage war und zugleich belegt, dass unsre Verantwortlichen wissen konnten, was sie tun, und dennoch einige heute aus der Verantwortung fliehen wollen, geben wir den Text wieder, einschließlich eines aktuellen Nachtrags des Autors. Albrecht Müller.

Ein typisches Beispiel dafür, dass Wirtschaftsminister Glos in seiner ökonomischen Halb-Weltsicht ein kleiner Müller geblieben ist

In einem Namensartikel im Handelsblatt poltert Michael Glos gegen den Mindestlohn. Für den gelernten Müller ist der Arbeitsmarkt nichts anderes als der Handel mit Getreide: Sinkt der Preis des Mehls nur tief genug, dann wird man das Mehl auch los. Glos: „Mindestlöhne sind Jobvernichter“ weil sie den Preis der Arbeit nicht so weit fallen lassen, dass die Anbieter von Arbeit „am Arbeitsmarkt Fuß fassen“ können. Im ökonomischen Weltbild des mittelständischen Müllers Glos gibt es offenbar nur zwei Grundwahrheiten: Erstens der Arbeitsmarkt ist ein Markt wie der Getreidemarkt und zweitens, die Erde ist eine Scheibe. Wolfgang Lieb.

„Arbeitszeitverlängerungen schaffen Arbeitsplätze“? Ein weiterer Mythos wird durch die Wirklichkeit zerstört

Der „Aufschwung“, von dem jetzt überall die Rede ist, erreicht im verarbeitenden Gewerbe jedenfalls nicht den Arbeitsmarkt. Das Umsatzwachstum im Verarbeitenden Gewerbe von 6,5% im Jahre 2006 geht ausschließlich auf „die Knochen“ der Arbeitnehmer: 0,6% weniger Arbeitnehmer schaffen laut Statistischem Bundesamt nicht nur mehr Umsatz sondern leisten auch 0,1% mehr Arbeitsstunden. Dabei wurden doch in den letzten Jahren ständig die Legende verbreitet, dass durch die Arbeitszeitverlängerungen (ohne Lohnausgleich) Arbeitsplätze gesichert würden, ja das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft behauptete sogar, sie hätten sogar „beschäftigungsfördernde Wirkung“.

Ergänzung zu Klotz am Bein, konkret zur Leiharbeit

Wir versuchen Ihnen immer wieder auch praktische Beispiele zu geben, mit deren Hilfe Sie Ihre Argumentation anderen im privaten Bereich oder im Betrieb anschaulicher machen können. Dabei kommt uns die Aufmerksamkeit unserer NutzerInnen sehr zugute. Danke. Heute geben wir eine Mail weiter, die über einen praktischen Fall von Leiharbeit berichtet. Anstoß war vermutlich unsere Meldung zu den Klötzen am Bein unserer Volkswirtschaft, Ziffer 5.

IAB Studie über Soziale Arbeitsgelegenheiten: Nur bei 2% aller geeigneten Zusatzjobbern wird beabsichtigt, diese in die Belegschaft zu übernehmen

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat die sog. sozialen Arbeitsgelegenheiten untersucht. Danach erweisen sich Soziale Arbeitsgelegenheiten aus der Perspektive der befragten Betriebe vorerst nicht als Brücke in den ersten Arbeitsmarkt.
Die Untersuchungsergebnisse geben aber Indizien dafür, dass etwa jeder zweite Betrieb zumindest einen Teil seiner beschäftigten Zusatzjobber nicht im Sinne des Gesetzgebers einsetzt.

Mal wieder ein „Demografiemonitor“ der Bertelsmann Stiftung

Alle Bundesländer seien schon heute vom demographischen Wandel betroffen, behauptet der neueste „Demografiemonitor“: „Zwar schrumpft die Bevölkerung nur in den neuen Bundesländern, aber in allen Bundesländern steigt das Durch-schnittsalter der Bevölkerung. Konsequenz dieser Alterung ist der Rückgang der Aktivenquote, also des Anteils der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung. Insbesondere bei den Männern geht die Tendenz seit Jahren in die falsche Richtung.“ So heißt es da wirklich. Demografie ist also die Ursache am Rückgang der Erwerbstätigen nicht die fehlenden Arbeitsplätze!
An solchen Aussagen lässt sich mit Händen greifen, wie die „Demografie“ dazu missbraucht wird, um von den wirklichen Ursachen abzulenken und wie die demographische Entwicklung als Propagandamittel für die von Bertelsmann angeratenen, immer gleichen „Handlungsoptionen“ eingesetzt wird.

Mindestlohn: Man braucht nicht immer nur neue „Reformen“, man könnte auch einfach das vorhandene alte Recht anwenden oder erweitern.

In der Großen Koalition gibt es ein zähes Ringen um die gesetzliche Einführung eines Mindestlohns. Als Kompromiss zwischen SPD und CDU wird über eine Ausweitung des sog. Entsendegesetzes auf weitere Branchen diskutiert, was ja nur auf die Abwehr von Billig-Lohn-Konkurrenz aus EU-Niedriglohnländern zielt. Dabei brauchte nur ein uraltes Gesetz aus dem Jahre 1952 angewandt oder falls erforderlich erweitert werden, das “Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen” (MiArbG). Dort heißt es in § 1 Abs. 2:

Mindestarbeitsbedingungen können zur Regelung von Entgelten und sonstigen Arbeitsbedingungen festgesetzt werden, wenn

  1. Gewerkschaften oder Vereinigungen von Arbeitgebern für den Wirtschaftszweig oder die Beschäftigungsart nicht bestehen oder nur eine Minderheit der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber umfassen und
  2. die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen zur Befriedigung der notwendigen sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Arbeitnehmer erforderlich erscheint und
  3. eine Regelung von Entgelten oder sonstigen Arbeitsbedingungen durch Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags nicht erfolgt ist.

Die Sozialstaatsreformer vor der großen Weltwirtschaftskrise vertraten nicht nur dieselben Konzepte, sie trugen – Ironie der Geschichte – auch noch den gleichen Namen

Peter Hartz, früher Personalvorstand des größten Automobilkonzerns in Europa, Leiter der Kommission „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ und Miturheber der nach ihm benannten vier Gesetze (Hartz I-IV), steht wegen seiner Verwicklung in den sog. VW-Skandal um „Lustreisen“ für Manager wie Betriebsräte vor Gericht und mit einem Bein im Gefängnis. Hier geht es allerdings weder um ihn als Person noch um sein Konzept, das die Arbeitslosigkeit nicht verringert, aber die Armut erhöht hat, sondern um einen Namensvetter von Peter Hartz, der bisher weitgehend unbekannt, aufgrund seiner Rolle als geistiger Vorläufer aktueller und Pionier während der Weimarer Republik entwickelter „Reformpläne“ jedoch sehr interessant ist. Es mutet wie ein Treppenwitz der Geschichte an, dass die „Sozialstaatsreformer“ damals und heute denselben Familiennamen hatten. Christoph Butterwegge hat uns die Langfassung seines heute in der FR veröffentlichten Beitrags zur Verfügung gestellt.

Bericht der wissenschaftlichen Mitglieder der Mitbestimmungskommission

Mit den Stellungnahmen der Vertreter der Unternehmen und der Vertreter der Arbeitnehmer.
DGB-Chef Sommer sieht darin ein „ordentliches Stück Arbeit“. Er begrüßt die Darlegung im Bericht, „dass die deutsche Mitbestimmung kein Standortnachteil ist, sondern ein Standortvorteil. Und dass sie ein wirksames Instrument zum Ausgleich unterschiedlicher Interessen ist – mit positiven Auswirkungen auf die Motivation und das Verantwor­tungsbewusstsein der Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer und auf den Erhalt des sozialen Friedens. Es ist deshalb nur konsequent, die bestehende Mitbestimmung weiter zu entwickeln.“
Quelle 1: Der Bericht [PDF – 288 KB]
Quelle 2: Stellungnahme des DGB-Vorsitzenden

SPD will durch Subventionierung von Armutslöhnen, den Niedriglohnsektor ausweiten

Der SPD-Parteivorstand will laut „Bremer Erklärung“ vom 6. Januar [PDF – 104 KB] „einfache Arbeiten besser fördern.“ Basis hierfür ist der Vorschlag des Sachverständigenratsmitglieds Professor Bofinger sowie Dr. Walwei, nach der die Sozialbeiträge von Geringverdienern subventioniert werden sollen. Im September 2006 hatten sie ein Konzept für den Niedriglohnbereich [PDF – 716 KB] vorgelegt.
In einer Studie setzt sich ver.di [PDF – 144 KB] mit der negativen Einkommenssteuer als Kombilohn auseinander: Mehr Arbeit fürs gleiche Geld für viele arbeitende Arme und mehr Armut trotz Arbeit – das wären die Wirkungen der Subventionierung von Niedrigstlohnbeschäftigung in Vollzeit oder längerer Teilzeit. Wolfgang Lieb.